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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
T a t b e s t a n d :
2Der 1989 in Babir, Kreis Al Khosch, Provinz Ninive, geborene Kläger ist irakischer Staatsangehöriger.
3Sein 1984 geborener Bruder reiste am 11.09.2007 in die Bundesrepublik Deutschland ein und berief sich zur Begründung seines Asylantrags auf die Entführung seines seit dem Jahr 2005 vermissten Vaters, die allgemein für Yeziden bedrohliche Lage und während seines Studiums gegen ihn gerichtete Drohbriefe. Seine Mutter habe den Alkoholladen des Vaters verkauft und lebe seitdem von den vom Erlös gekauften Schafen. Mit Bescheid vom 25.09.2007 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) seinen Asylantrag ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen.
4Der Kläger reiste im Dezember 2009 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte einen Asylantrag. Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt führte er im Wesentlichen aus: Er sei Kurde yezidischer Religionszugehörigkeit und habe in Babir gewohnt. Im Irak lebten noch seine Mutter, ein Bruder, seine drei Schwestern und die Großfamilie. Sein Vater habe ein Alkoholgeschäft gehabt, sei im Jahr 2005 entführt worden und seitdem vermisst. Anfangs habe sein älterer Bruder entführt oder getötet werden sollen. Seine Familie habe Probleme bekommen, nachdem sein Bruder ausgereist sei und nochmals, nachdem er geheiratet habe. Danach habe auch dessen Frau Ärger gehabt, die deshalb mit dem Kläger zusammen den Irak verlassen habe. Der Kläger habe in dem Casino seines Onkels gearbeitet, das zweimal zerstört worden sei. Er sei wegen des Vermögens der Familie verfolgt worden. Er sei bedroht, aber letztlich nie unmittelbar angegriffen worden. Er wisse nicht, wer diese Personen seien und ob das die selben seien, die seinen Bruder bedroht hätten. Seine Mutter nehme aber an, dass alles miteinander und mit ihrer Religion zusammenhänge. Wegen der Einzelheiten der Anhörung wird auf Blatt 18 - 20 und 31 - 37 der Beiakte 1 verwiesen.
5Mit am 23.03.2010 zugestelltem Bescheid vom 18.03.2010 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers ab, stellte fest, dass weder die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG noch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen und forderte ihn unter Androhung der Abschiebung in den Irak auf, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen.
6Am 04.04.2010 hat der Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung er vorträgt: Es sei klärungsbedürftig, ob eine zeitweilig sogar vom Bundesamt angenommene Gruppenverfolgung der Yeziden im Irak andauere. Der Kläger sei aber zumindest individuell verfolgt, wie der Anerkennung seines Bruders, dem Schicksal ihres gemeinsamen Vaters, einer spezifischen Gefahr für Auslandsrückkehrer durch muslimische Kräfte und durch Kriminelle sowie der besonders instabilen Situation in der Provinz Ninive zu entnehmen sei.
7Der Kläger beantragt,
8die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheids des Bundesamts vom 18.03.2010 zu verpflichten festzustellen, dass er die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG erfüllt,
9hilfsweise
10festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Sie nimmt Bezug auf den angefochtenen Bescheid des Bundesamts.
14Der Kläger ist zur mündlichen Verhandlung persönlich erschienen und vom Gericht angehört worden. Diesbezüglich wird auf das Terminsprotokoll verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
15E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
16Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid des Bundesamts ist, soweit er vom Kläger angefochten worden ist, rechtmäßig und verletzt ihn deshalb nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Kläger hat nach den höchstrichterlich und obergerichtlich herausgearbeiteten Grundsätzen,
17zu § 60 Abs. 1 AufenthG: OVG NRW, Urteil vom 17.08.2010 - 8 A 4063/06.A -, juris;
18zur Glaubhaftmachung: BVerwG, Beschluss vom 03.08.1990 - 9 B 45.90 -, InfAuslR 1990, 344;
19zum Zusammenhang von Verfolgungshandlung und Verfolgungsgründen: BVerwG, Beschluss vom 09.12.2010 - 10 C 19.09 -, NVwZ 2011, 755, OVG NRW, Beschlüsse vom 28.03.2011 - 9 A 2563/10.A -, juris, und vom 22.11.2010 - 9 A 3287/07.A -;
20zur Verfolgung aus religiösen Gründen: OVG NRW, Beschlüsse vom 28.03.2011 - 9 A 2563/10.A -, juris und vom 30.07.2009 - 5 A 982/07.A -, juris;
21zum Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit: BVerwG, Beschluss vom 07.02.2008 - 10 C 33.07 -, DVBl. 2008, 1255, Urteil vom 20.03.2007- 1 C 21.06 -, BVerwGE 128, 199, OVG NRW, Beschlüsse vom 22.11.2010 - 9 A 3287/07.A - und vom 30.07.2009 - 5 A 982/07.A -, juris;
22zur Vorschädigung und zur Vermutungswirkung: BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 -, InfAuslR 2010, 404, OVG NRW, Beschluss vom 22.11.2010 - 9 A 3287/07.A -;
23zur Gefahr der Gruppenverfolgung: BVerwG, Urteil vom 21.04.2009 - 10 C 11.08 -, NVwZ 2009, 1237, OVG NRW, Beschlüsse vom 28.03.2011 - 9 A 2563/10.A -, juris und vom 22.11.2010 - 9 A 3287/07.A -;
24zu zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen: BVerwG, Urteil vom 29.10.2002 - 1 C 1.02 -, DVBl. 2003, 463, OVG NRW, Urteil vom 24.03.2010 - 18 A 2575/07.A -, juris;
25zu Art. 15 Buchstabe c) Qualifikationsrichtlinie: EuGH, Urteil vom 17.02.2009 - C 465/07 - (Elgafaji), InfAuslR 2009, 138;
26zum Rangverhältnis der in § 60 AufenthG geregelten Abschiebungsverbote und zu § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG: BVerwG, Urteil vom 14.07.2009 - 10 C 9.08 -, BVerwGE 134, 188, OVG NRW, Beschluss vom 22.11.2010 - 9 A 3287/07.A -;
27zu § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG und zum innerstaatlichen bewaffneten Konflikt: BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43.07 -, BVerwGE 131, 198;
28zu individuellen Gefahr erhöhenden Umständen: BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43.07 -, BVerwGE 131, 198, OVG NRW, Beschluss vom 22.11.2010 - 9 A 3287/07.A -;
29zu § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG: OVG NRW, Beschluss vom 22.11.2010 - 9 A 3287/07.A -;
30ausführlich zu den Grundsätzen: VG Köln, Urteile vom 16.12.2011 - 18 K 2808/10.A und 18 K 4361/10.A -, NRWE , m.w.N.,
31weder einen Anspruch gegen die Beklagte auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) noch auf Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen. Er hat danach den Irak nicht aufgrund individueller Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG verlassen. Auch unterliegt er als yezidischer Glaubensangehöriger derzeit keiner Gruppenverfolgung.
32Dass Sanktionen vom Staat oder von Parteien bzw. Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen, ausgehen würden, behauptet der Kläger mit seinem Vortrag von vornherein nicht. Dass er vor seiner Ausreise aus dem Irak von Maßnahmen nichtstaatlicher Akteure, die für den Flüchtlingsstatus relevant sind, betroffen war, hat er dagegen nicht glaubhaft gemacht. Er konnte die von ihm geltend gemachten Bedrohungen bereits selbst nicht einem flüchtlingsrelevanten Verfolgungsgrund zuordnen, sondern nicht ausschließen, dass sie allein auf kriminellen Machenschaften beruhten. Zu den vom Kläger behaupteten Bedrohungen seines Bruders hatte im Übrigen dieser selbst in seiner 2007 geführten Anhörung nichts ausgeführt. Ebenso wenig hat der Kläger etwas zu einer Verfolgung wegen seiner Religion vorgetragen.
33Dem Kläger droht bei einer Rückkehr in den Irak auch nicht als Mitglied der yezidischen Glaubensgemeinschaft eine Verfolgung i. S. d. § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG durch nichtstaatliche Akteure. Es fehlt an hinreichend dargelegten tatsächlichen Anhaltspunkten dazu, dass im Irak als schwer wiegend einzustufende religiös veranlasste Übergriffshandlungen auf die Gruppe der Yeziden in Form der Anwendung physischer oder psychischer Gewalt gemäß Art. 9 Abs. 2 Buchstabe a) der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung oder den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - so genannte Qualifikationsrichtlinie (QRL) - (ABl EG Nr. L 304 S. 12; ber. ABl EG vom 05.08.2005 Nr. L 204 S. 24) oder sonst in im Sinne des Art. 9 Abs. 1 QRL relevanter Weise stattfinden. Diesbezüglich ist in der Rechtsprechung bereits geklärt, dass Kurden yezidischer Religionszugehörigkeit jedenfalls in den Distrikten Scheichan, al-Scheichan und Til Kef der Provinz Ninive und damit der Heimatregion des aus dem Ort Babir bei al-Khosch im Distrikt Til Kef der Provinz Ninive stammenden Klägers aktuell keine Verfolgungsmaßnahmen drohen.
34Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 28.03.2011 - 9 A 2563/10.A -, juris und vom 22.11.2010 - 9 A 3287/07.A -; VG Köln, Urteile vom 16.12.2011 - 18 K 2808/10.A und 18 K 4361/10.A -, NRWE.
35Aus dem bezogen auf die Regionen weit gehend undifferenzierten
36Bericht der Minority Rights Group International (Mumtaz Lalani) vom Juni 2010: "Still Targeted: Continued Persecution of Iraq´s Minorities"
37 38und der Stellungnahme des
39Europäischen Zentrums für Kurdische Studien - Eva Savelsberg und Siamend Hajo - (EZKS) an VG Düsseldorf vom 20.11.2011
40ergibt sich nichts Gegenteiliges.
41Es ist vielmehr davon auszugehen, dass jedenfalls die Region des Scheichan hinreichend sicher ist.
42Vgl. ausführlich: VG Köln, Urteile vom 16.12.2011 - 18 K 2808/10.A und 18 K 4361/10.A -, NRWE.
43Nach den der Kammer vorliegenden Auskünften,
44vgl. nur EZKS an VG München vom 17.02.2010,
45ist sogar bezüglich irakischer Yeziden je nach ihrer Herkunftsregion zu differenzieren.
46Der größte Teil des Distrikts Scheichan steht de jure unter kurdischer Verwaltung. In den Distrikten Scheichan und al-Scheichan ist der nördlichste Teil mit den Unterdistrikten Baadra, Atrusch und Qasruk (u.a. mit dem Lalisch-Tal) und dem Unterdistrikt Eski Kala im Distrikt al-Hamdaniya de jure kurdisch verwaltet. Der Rest des Distrikts Scheichan und der größte Teil des Distrikts al-Scheichan sowie diejenigen Teile des (größeren) geografischen Scheichan, die in den Distrikten Til-Kef und al-Hamdaniya liegen, gehören zu den so genannten umstrittenen Gebieten, die größtenteils de facto kurdisch verwaltet werden.
47EZKS an VG München vom 17.02.2010, S. 10, 12, 23; EZKS an VG Köln vom 26.05.2008, S. 1, 3, 10.
48Die Distrikte Scheichan und al-Scheichan gehören - mittlerweile gefestigt - zu den Gebieten unter de facto kurdischer Verwaltung.
49EZKS an VG München vom 17.02.2010, S. 12, EZKS an VG Köln vom 26.05.2008, S. 10.
50In den de jure kurdisch verwalteten Gebieten ist es vergleichsweise friedlich und stabil,
51Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) - Michael Kirschner -: Irak, Update: Aktuelle Entwicklungen, 14.08.2008, S. 9,
52gibt es (zumindest) ab dem Jahr 2005 keine systematische, staatlich motivierte Verfolgung von Yeziden und sind gewalttätige Übergriffe seit dem Jahr 2007, als es in Arbil zu Angriffen gegen Yeziden kam, nicht mehr bekannt geworden. Die spezifische Situation der yezidischen Geistlichen wird von den Yeziden selbst als nicht kritisch betrachtet.
53EZKS an VG München vom 17.02.2010, S. 2, 3, 4.
54Auch die Sicherheitslage im übrigen Scheichan ist u.a. aufgrund seiner direkten Verbindung zu den de jure kurdisch verwalteten Gebieten grundsätzlich besser als im Sindjar. Die Lage ist derzeit eher ruhig.
55EZKS an VG München vom 17.02.2010, S. 23, 27.
56Ebenso ist die Lage im Distrikt Til Kef stabil.
57SFH, Themenpapier der SFH-Länderanalyse (Michelle Zumofen): Irak: Situation von religiösen Minderheiten in den von der KRG verwalteten Provinzen Sulaimaniyah, Erbil und Dohuk, 10.01.2008, S. 16.
58Die Lage in der Stadt al-Khosch im Distrikt Til Kef ist ebenfalls der Situation im Scheichan vergleichbar und insgesamt recht sicher.
59EZKS an VG Köln vom 26.05.2008, S. 28.
60Auch der
61SFH, Themenpapier der SFH-Länderanalyse (Michelle Zumofen): Irak: Situation von religiösen Minderheiten in den von der KRG verwalteten Provinzen Sulaimaniyah, Erbil und Dohuk, 10.01.2008, S. 16,
62wurde berichtet, dass die Lage in der Region Scheichan stabil sei.
63Das Scheichan-Gebiet ist faktisch-realistisch Teil des Nordirak. Die Verhältnisse sind dort dieselben wie im Nordirak.
64Vgl. German Institute of Global and Area Studies (GIGA), Institut für Nahost-Studien - Uwe Brocks - an VG Köln vom 07.09.2007, S. 13, 16.
65Die Kurdistan Regionalregierung setzt ihre Politik fort, die yezidische Religion als die ursprüngliche Religion aller Kurden zu propagieren. Mehrere yezidische Feiertage wurden zu offiziellen Ferien erklärt. Auch wenn die religiösen yezidischen Feste nur eingeschränkt begangen werden konnten, war es z.B. im Oktober 2009 möglich, dass mehr als 4.000 Yeziden aus dem Sindjar nach Lalisch reisten, um dort das Fest der Versammlung zu feiern, allerdings ohne wesentliche Zeremonien durchzuführen.
66EZKS, Auskunft an VG München vom 17.02.2010, S. 2 f.
67Auch der UNAMI-Bericht zur Lage in den umstrittenen Gebieten bezeichnet die Sicherheitslage im Scheichan als vergleichsweise stabil - für die Zeit zwischen Februar 2007 und September 2008 werden nur fünf registrierte Sicherheitsvorfälle genannt.
68Zitiert nach EZKS an VG München vom 17.02.2010, S. 23.
69In den diversen Menschenrechtsberichten usw. wurden seitens des
70EZKS, Auskunft an VG München vom 17.02.2010, S. 23,
71keine Hinweise darauf gefunden, dass es im Scheichan Übergriffe sunnitischer Extremisten auf Yeziden oder Christen gegeben hat. Zu Auseinandersetzungen zwischen muslimischen und yezidischen Kurden wie am 15.02.2007 in Ain Sifni (Scheichan) im Anschluss an einen Konflikt zwischen Eheleuten soll es seither nicht mehr gekommen sein.
72EZKS an VG München vom 17.02. 2010, S. 23.
73Nach der Provinzwahl im Jahr 2009 sind ebenfalls keine Übergriffe gegenüber Yeziden dokumentiert, die in Opposition zur Politik der kurdischen Allianz stehen.
74EZKS an VG München vom 17.02.2010, S. 24.
75Auch nach dem Bericht des
76Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements, Bundesamt für Migration: Focus Irak - Situation der Jeziden in Ninawa und im Gebiet der Kurdischen Regionalregierung (KRG) vom 09.04.2008, S. 8,
77wird seit Herbst 2007 von keinen größeren gegen Yeziden gerichteten Attentaten mehr berichtet.
78Trotz der seit dem Jahr 2003 nahezu unverändert und seit dem Jahr 2008 unverändert volatilen und fragilen Lage, die für die Zukunft keine Änderungen erkennen lässt, sind die so genannten umstrittenen Gebiete sicherer als die übrigen Gebiete des Zentral- und Süd-Irak. Eine fragile Sicherheit wird wahrscheinlich bestehen bleiben, auch wenn hinsichtlich der Sicherheit von Minderheiten keine Vorhersage möglich ist.
79Security and Human Rights in South/Central Iraq - Report from Danish Immigration Service´s fact-finding-mission to Amman, Jordan and Baghdad, Iraq (25.02.-09.03./06.04.-16.04.2010), S. 6, 7, 10, 12, 16, 19, 21.
80Daran ändern die laut im Internet veröffentlichten Berichten,
81Gesellschaft für bedrohte Völker, Pressemitteilung "Pogrome von radikalen Islamisten gegen Christen und Yeziden in Irakisch-Kurdistan", http://www.gfbv.de/pressemit.php?id=2958; Evangelische Allianz in Deutschland, "Irak:`Endspiel´ für Christen nähert sich", http://www.ead.de /nachrichten/nachrichten/einzelansicht/article/irak-endspiel-fuer ...; Kurdnet "More liquor stores torched in Duhok", Iraqi Kurdistan, 5.12.2011, http://www.ekurd.net/mismas/articles/misc2011/12/state 5643.htm; Ishtar Broadcasting Corporation "News: Statement of the POA on the recent events in province of Dohuk", http://www.ishtartv.com/ en/viewarticle,35737.html; Wikipedia "Dohuk riots", http://en.wikipedia.org/ wiki/2011_Dohuk_riots,
82erfolgten Angriffe von Islamisten, die in Städten und Ortschaften der autonom regierten kurdischen Provinz Dohuk am 02.12.2011 und in den Folgetagen, teilweise auch in der Provinz Sulaimaniyah, gegen yezidische und christliche Einrichtungen gerichtet waren, trotz der Nähe der Stadt Dohuk zum Gebiet des Scheichan nichts. Denn aus diesen erschreckenden Vorfällen können keine verlässlichen Schlüsse gezogen werden, inwieweit sich solche oder ähnliche Angriffe wiederholen und auf das Gebiet des Scheichan übergreifen. Dabei spielt nämlich auch eine Rolle, dass die Bevölkerung des Scheichan jedenfalls regional im Hinblick auf die Religionsgruppen anders zusammengesetzt ist als die Bevölkerung in den autonom regierten kurdischen Provinzen, in denen insgesamt nur rund 10 % der im Irak lebenden Yeziden wohnen. Während in den drei autonomen Provinzen und so auch in der Stadt Dohuk weit überwiegend Muslime leben, ist die Bevölkerung vieler Ortschaften in den Distrikten Til Kef und al-Scheichan und einiger Ortschaften des Distrikts Scheichan überwiegend yezidisch.
83EZKS an VG Köln vom 26.05.2008, S. 8 ff.
84Hinzu kommt, dass die am 02.12.2011 insgesamt 37 verletzten Personen überwiegend nicht Zivilisten, sondern Polizisten gewesen sein sollen und am 03.12.2011 sich religiöse Führer der Kurdistan Muslim Scientists Union und der Christen mit Vertretern des Ministeriums für Stiftungen und religiöse Angelegenheiten trafen, um zu Ruhe und Frieden aufzurufen.
85Auf der Grundlage dieser konkret auf die Distrikte Scheichan, al-Scheichan und Til Kef bezogenen Auskunftslage schließt sich das Gericht wie das
86OVG NRW, Beschluss vom 22.11.2010 - 9 A 3287/07.A - (zum Distrikt Scheichan),
87nicht der pauschalen Einschätzung der
88SFH (Alexandra Geiser): Irak: Die aktuelle Entwicklung im Zentral- und Südirak, Update vom 05.11.2009, S. 11
89bezogen auf den g e s a m t e n Irak an, wonach Christen, Yeziden u. a. seit 2003 bedroht, vertrieben, verfolgt und getötet würden und religiöse und ethnische Minderheiten wie Yeziden vor allem in den umstrittenen Gebieten häufig zwischen die Fronten von Kurden, Arabern und Turkmenen gerieten. Auch die Analyse des
90österreichischen Bundesasylamts, Analyse der Staatendokumentation (Sabina Catar) vom 04.11.2009 zur Sicherheitslage der Yeziden im Irak, S. 6 ff.,
91befasst sich nur allgemein mit der Sicherheitslage in der Provinz Ninive und benennt hierzu Anschläge aus den Jahren 2007 bis 2009, wie beispielsweise im Sindjar (August 2009, 27 Tote) oder in Mosul (Oktober 2009, Sprengung des Hauses eines Yezidenanführers). Gleiches gilt insoweit für die Ausführungen des
92Auswärtigen Amts (AA), Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Lagebericht) vom 28.11.2010 (Stand: Oktober 2010).
93Die Kammer sieht auch vor dem Hintergrund der u.a. gegen Yeziden gerichteten Angriffe in der angrenzenden Provinz Dohuk in den ersten Dezembertagen dieses Jahres angesichts der aktuellen, auch unmittelbar auf den Heimatdistrikt des Klägers vorliegenden, aussagekräftigen Erkenntnisse keinen Anlass, ein vom Kläger angeregtes Gutachten zur Lage der yezidischen Religionsgemeinschaften im Irak einzuholen. Der klägerische Vortrag ist seinerseits zu unsubstantiiert, als dass ihm von Amts wegen weiter nachzugehen wäre.
94Bei zusammenfassender Würdigung der jedenfalls seit 2008 gefestigten, weiterhin aktuellen Verhältnisse in den Distrikten Scheichan, al-Scheichan und Til Kef erscheint die Rückkehr dahin aus der Sicht eines besonnenen Menschen in der Lage eines Irakers in der Position des Klägers als zumutbar, auch wenn die Yeziden subjektiv das Gefühl der Diskriminierung haben.
95Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22.11.2010 - 9 A 3287/07.A -; zur Diskriminierung: EZKS an VG München vom 17.02.2010, S. 24 f.
96Dass es dem Kläger dennoch unzumutbar wäre, in seinen Heimatdistrikt zurückzukehren, hat er nicht vorgetragen. Es ist aber in erster Linie Sache des Schutz Suchenden, substantiiert Tatsachen vorzutragen, die ausnahmsweise eine Rückkehr in einen verfolgungssicheren Teil seines Heimatstaats als unzumutbar erscheinen lassen können.
97Vgl. BVerwG, Urteil vom 29.05.2008 - 10 C 11.07 -, BVerwGE 131, 186; OVG NRW, Beschluss vom 22.11.2010 - 9 A 3287/07.A -.
98Insbesondere Zuzugsbeschränkungen, die einer Rückkehr in den Heimatdistrikt entgegenstehen könnten, sind nach den vorliegenden Erkenntnissen nicht ersichtlich. Ganz im Gegenteil wird die Ansiedlung von Kurden - zu denen auch die Yeziden gezählt werden - in den so genannten umstrittenen Gebieten von den kurdischen Parteien KDP und PUK eher unterstützt.
99So OVG NRW, Beschluss vom 22.11.2010 - 9 A 3287/07.A -.
100In den de facto kurdisch verwalteten Gebieten hat die kurdische Regionalregierung insoweit keine Bedingungen aufgestellt.
101EZKS an VG Köln vom 26.05.2008, S. 41.
102Der Anteil der Kurden soll mit Blick auf ein geplantes Referendum in dieser Region so hoch wie möglich gehalten werden.
103EZKS an VG München vom 17.02.2010, S. 30.
104Ist demnach für die Herkunftsregion des Klägers geklärt, dass er dort keinen flüchtlingsrelevanten Verfolgungsmaßnahmen unterliegt, und hat er auch keine klärungsbedürftigen Umstände ausreichend substantiiert dargelegt, kommt es gemäß Art. 8 QRL auf etwaige Verfolgungshandlungen in anderen Gebieten des Irak grundsätzlich nicht an.
105Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28.03.2011 - 9 A 2563/10.A -, juris.
106Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG. Dies gilt zunächst im Hinblick auf § 60 Abs. 2 AufenthG. Nach dieser Vorschrift darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für diesen Ausländer die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Gemäß § 11 AufenthG i.V.m. Art. 6 QRL führen auch solche Gefahren zu einem Abschiebungsverbot, die von nicht staatlichen Akteuren ausgehen. Es kann offen bleiben, ob die vom Kläger behauptete Bedrohung auch eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i. S. d. Vorschrift umfasst. Denn das Vorbringen des Klägers zu einer Verfolgung ist insgesamt zu vage. Zudem steht trotz der Vermutung des Art. 4 Abs. 4 QRL nicht fest, ob sein Onkel das Casino auch derzeit betreibt und ob er weiterhin den vom Kläger vorgetragenen Bedrohungen unterliegt. Denn die Situation im Scheichan hat sich gemäß den oben genannten Auskünften beruhigt. Im Übrigen wäre der Kläger angesichts der wirtschaftlichen Potenz seiner Kernfamilie auch nicht faktisch darauf angewiesen, im Casino seines Onkels zu arbeiten. Die Angriffe auf yezidische Einrichtungen in der angrenzenden Provinz Dohuk vom 02. bis zum 05.12.2011 lassen aus den oben genannten Gründen nicht die Prognose zu, dass dem Kläger bei seiner Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit solche Gefahren drohen.
107Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die hilfsweise geltend gemachte Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Nach Auffassung der Kammer spricht bereits Vieles dafür, dass die im Zentralirak immer noch festzustellende Anwendung von Waffengewalt in Form von Übergriffen auf einzelne Personen und Bevölkerungsgruppen sowie von Gewalttaten wie z.B. Bombenanschlägen die Voraussetzungen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nicht erfüllt, weil es an einem entsprechenden Organisationsgrad der Teilnehmer fehlt und das Ausmaß eines Bürgerkriegs oder von Guerillakämpfen nicht erreicht wird. Das gilt zumindest für den Scheichan, weil dort die Lage nach den oben wiedergegebenen Auskünften derzeit ruhig ist. Jedenfalls fehlt es an der geforderten erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben des Klägers als Angehörigem der Zivilbevölkerung.
108So OVG NRW, Beschluss vom 22.11.2010 - 9 A 3287/07.A -.
109Für die Annahme, dass sich die Sicherheitslage im Jahr 2011 wesentlich verschärft hat oder künftig nochmals wesentlich verschärfen wird, gibt es keine gesicherten konkreten Anhaltspunkte. Das gilt auch in Ansehung der Angriffe auf yezidische Einrichtungen in der angrenzenden Provinz Dohuk vom 02. bis zum 05.12.2011, weil diese aus den oben genannten Gründen nicht die Prognose zulassen, dass in der Herkunftsregion des Klägers bei einer alsbaldigen Rückkehr ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt i. S. d. humanitären Völkerrechts herrschen wird.
110Mit dieser Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse befindet sich die Kammer in grundsätzlicher Übereinstimmung mit der jüngeren Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte.
111Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 28.03.2011 - 9 A 2563/10.A -, juris und vom 22.11.2010 - 9 A 3287/07.A - (jeweils bezogen auf den Distrikt Scheichan in der Provinz Ninive); BayVGH, Urteil vom 21.01.2010 - 13a B 08.30304 -, juris (bezogen auf Kirkuk); Urteil vom 21.01.2010 - 13a B 08.30283 -, juris (bezogen auf Bagdad); Urteil vom 21.01.2010 - 13a B 08.30285 -, juris (bezogen auf Mosul); VGH BW, Urteil vom 25.03.2010 - A 2 S 364/09 -, juris (bezogen auf die Provinz Tamin); Beschluss vom 12.08.2010 - A 2 S 1134/10 - (bezogen auf den Zentralirak).
112Der Kläger hat ebenso wenig einen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkret-individuelle Gefährdung des Klägers im Irak selbst besteht - wie dargelegt - nicht. Er ist vielmehr, wie die Bevölkerung seines Heimatlandes insgesamt oder zumindest einzelne Bevölkerungsgruppen, von einer allgemeinen Gefahrenlage betroffen. Eine solche allgemeine Gefahrenlage vermag - unbeschadet der derzeit gemäß §§ 60 Abs. 7 Satz 3, 60a Abs. 1, 23 Abs. 1 AufenthG geltenden Sperrwirkung einer durch Erlass geregelten grundsätzlichen Abschiebungsaussetzung - dann ein zwingendes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu begründen, wenn es dem Schutz Suchenden mit Blick auf den verfassungsrechtlich unabdingbar gebotenen Schutz insbesondere des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit nicht zuzumuten wäre, in sein Heimatland abgeschoben zu werden. Dies wäre dann der Fall, wenn er im Irak einer extremen Gefahrenlage dergestalt ausgesetzt wäre, dass er im Falle seiner Abschiebung dorthin gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert sein würde. Dafür reicht eine lediglich abstrakte Gefahr, die allein aus der relativ zum Aufnahmestaat schlechten Versorgungslage im Heimatstaat des Ausländers herrührt, nicht; ein sozio-ökonomisches Gefälle als solches ist flüchtlingsrechtlich irrelevant.
113Vgl. EGMR, Entscheidung vom 27.05.2008 - 26565/05 -, Entscheidungen Asyl 8/2008; VG Arnsberg, Urteil vom 23.08.2010 - 13 K 205/10.A -, juris.
114Dass der Kläger bei einer Rückkehr in seine Heimatregion einer darüber hinausgehenden extremen Gefährdungslage ausgesetzt sein könnte, ist nach den obigen Ausführungen nicht feststellbar. Es ist auch nicht anzunehmen, dass sich die allgemeine Gefahr beim Kläger durch individuelle Gefahr erhöhende Umstände zuspitzt. Die Sicherheit der Gruppe der Heimkehrer hängt nach den Erkenntnissen des
115AA, Lagebericht vom 28.11.2010 (Stand: Oktober 2010), S. 36,
116wesentlich davon ab, ob die Ethnie bzw. Glaubensgemeinschaft, welcher sie angehören, in der betreffenden Region die Mehrheit bildet. Da Kurden (neben Arabern und Turkmenen) in Ninive, einem ethnischen Mischgebiet, eine Hauptbevölkerungsgruppe darstellen,
117vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Informationszentrum Asyl und Migration: Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte, Januar 2010, S. 23; österreichisches Bundesasylamt, Analyse der Staatendokumentation (Sabina Catar): Die Sicherheitslage der Jesiden im Irak, 04.11.2009, S. 6,
118besteht keine Minderheitengefährdung.
119Es liegen beim Kläger auch keine individuellen Gefahr erhöhenden Umstände wie die (jetzige) Zugehörigkeit zu einer politischen Partei sowie etwa zur Berufsgruppe der Journalisten und Professoren, Ärzte und Künstler vor.
120Vgl. zu solchen Umständen: BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43.07 -, BVerwGE 131, 198; OVG NRW, Beschluss vom 22.11.2010 - 9 A 3287/07.A -.
121Besonderer Gefährdung sind des Weiteren die öffentlichen Personen des Wiederaufbaus ausgesetzt. Hierzu zählen Polizisten, Soldaten, Intellektuelle, alle Mitglieder der Regierung bzw. Repräsentanten des früheren Regimes, die inzwischen mit der neuen Regierung zusammenarbeiten.
122Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22.11.2010 - 9 A 3287/07.A -; AA, Lagebericht vom 28.11.2010 (Stand: Oktober 2010), S. 23; BAMF, Informationszentrum Asyl und Migration: Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte, Juni 2011, S. 6; SFH (Alexandra Geiser): Die aktuelle Entwicklung im Zentral- und Südirak, Update vom 05.11.2009, S. 11 f.
123Ihnen gilt der Schwerpunkt der Anschläge. Hierzu zählt der Kläger ebenfalls nicht.
124Eine besondere Gefahrenlage besteht auch nicht im Hinblick auf seine Gesundheit, auch wenn die medizinische Versorgung angespannt bleibt. So sind die für die Grundversorgung der Bevölkerung besonders wichtigen landesweit insgesamt 1.989 örtlichen Gesundheitszentren entweder geschlossen oder wegen baulicher, personeller und Ausrüstungsmängel nicht in der Lage, die medizinische Grundversorgung sicherzustellen. Seit 2003 sind erst 210 dieser Einrichtungen wiederhergestellt worden.
125AA, Lagebericht vom 28.11.2010 (Stand: Oktober 2010), S. 35.
126Eine extreme Gefahrenlage liegt im Ergebnis auch im Hinblick auf die allgemeine Versorgungslage nicht vor. Zwar wird darauf hingewiesen, dass das 1995 eingeführte System der Nahrungsmittelverteilung seit 2003 in einem immer schlechteren Zustand ist. Viele Menschen erhielten nicht die festgelegte Ration, und die Qualität der Nahrungsmittel sei oft minderwertig.
127OVG NRW, Beschluss vom 22.11.2010 - 9 A 3287/07.A -; SFH (Alexandra Geiser), Irak: Die aktuelle Entwicklung im Zentral- und Südirak, Update vom 05.11.2009, S. 16.
128Konkrete Anhaltspunkte für eine drohende Nahrungsmittelknappheit oder gar eine Hungerkatastrophe bestehen gleichwohl nicht, zumal internationale Hilfsgelder gezahlt werden und das Handelsministerium Nahrungsmittel verteilen lässt.
129OVG NRW, Beschluss vom 22.11.2010 - 9 A 3287/07.A -; AA, Lagebericht vom 28.11.2010 (Stand: Oktober 2010), S. 35.
130Zudem ist die ökonomische Situation in den Distrikten Scheichan, al-Scheichan und Til Kef vergleichsweise besser als in anderen Landesteilen. Aufgrund des regenreicheren Klimas sowie der wegen der Existenz von Bewässerungssystemen besseren Erschließung des Landes kann in effektiverer Weise Landwirtschaft betrieben werden. Aufgrund der besseren Sicherheitslage konnten zudem umfangreichere Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur ergriffen werden als beispielsweise im Sindjar. Investiert wird vor allem in den Straßenbau, aber auch in Wasserprojekte, auch und gerade in den yezidischen Zentraldörfern. Die infrastrukturelle Entwicklung des Scheichan schreitet rasant fort. Mit Blick auf die meisten Indikatoren zur Bestimmung des Entwicklungsstands nimmt der Scheichan im gesamtirakischen Vergleich - trotz der vor allem im Hinblick auf die Arbeitsmarktsituation nicht zufriedenstellenden Gesamtsituation - Plätze im oberen Drittel ein.
131Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22.11.2010 - 9 A 3287/07.A -; EZKS an VG München vom 17.02.2010, S. 25 f.
132Eine weitere Arbeitsmöglichkeit besteht im Pendeln zwischen den yezidischen Zentraldörfern im Scheichan und den Großstädten der de jure kurdisch verwalteten Region bzw. in die Stadt Ain Sifni.
133EKZS an VG München vom 17.02.2010, S. 26.
134Hier ist zusätzlich zu beachten, dass der Kläger in seiner Heimat noch Verwandte hat und deshalb dort auf einen intakten Familienverband zurückgreifen kann, der sogar wirtschaftlich hinreichend stark ist, die Mitglieder zu unterhalten.
135Der Kläger hat schließlich keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG. Nach dieser Bestimmung ist eine Abschiebung unzulässig, wenn sich dies aus der Anwendung der Europäischen Menschenrechtskonvention ergibt. Insofern bestehen keine Anhaltspunkte für die Annahme, der Kläger habe bei einer Rückkehr in den Irak mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i. S. d. Art. 3 EMRK durch staatliche Organe oder durch eine staatsähnliche Organisation landesweit,
136vgl. zu diesen Voraussetzungen: BVerwG, Urteile vom 15.04.1997 - 9 C 38.96 -, AuAS 1997, 242 und vom 17.10.1995 - 9 C 15.95 -, DVBl. 1996, 612 (jeweils zu § 53 Abs. 4 AuslG); a.A.: EGMR, Urteil vom 17.12.1996 (Ahmed) -, InfAuslR 1997, 279.
137zu erwarten.
138Die im streitbefangenen Bescheid enthaltene Abschiebungsandrohung bezüglich des Irak ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden.
139Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 83b Abs. 1 AsylVfG.