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Der Bescheid des Beklagten vom 08.01.2009
wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
2Die Klägerin ist Inhaberin der vom Beklagten am 04.04.1995 ausgestellten Waffenbesitzkarte Nr. 000/00, auf der vier Langwaffen und eine Pistole eingetragen sind. Die Waffenbesitzkarte wurde der Klägerin im Wege der Erbfolge nach ihrem am 27.07.1993 verstorbenen Ehemann H. L. erteilt.
3Mit Schreiben vom 28.12.2007 wies der Beklagte die Klägerin auf die geänderten Anforderungen für die Aufbewahrung von Waffen nach dem nunmehr gültigen Waffengesetz hin und fragte an, ob sich die in der Waffenbesitzkarte eingetragenen Waffen noch in ihrem Besitz befänden. Die Klägerin teilte hierzu mit, dass sie mangels Aufstellmöglichkeit eines Tresors die Waffen zu ihrem Sohn I. L. nach Husum verbracht habe, der die Waffen nach ihrem Ableben ohnehin erben solle. Zugriff zu den Waffen habe alleine sie, denn nur sie habe die Schlüssel für den in Husum stehenden Tresor. Nachdem der Beklagte ermittelt hatte, dass es sich bei dem Sohn der Klägerin um einen waffenrechtlich Nichtberechtigten handelte, wies er sie unter dem 23.01.2008 darauf hin, dass die Waffenaufbewahrung bei dem Sohn nur zulässig sei, wenn die Klägerin dort mit Nebenwohnsitz gemeldet sei und sich auch in gewissen Abständen dort aufhalte. Sollte dies nicht der Fall sein, müssten die Waffen in einem geeigneten Sicherheitsbehältnis an dem Hauptwohnsitz der Klägerin in Meckenheim gelagert werden. Die Klägerin überreichte über ihre Prozessbevollmächtigten unter dem 28.02.2008 ein Foto des Waffenschranks in Husum und fragte im Übrigen an, aufgrund welcher Rechtsgrundlage die Waffenaufbewahrung bei ihrem Sohn nur unter den vom Beklagten bezeichneten Voraussetzungen zulässig sein solle. In der Folgezeit erfolgte weiterer Schriftverkehr zwischen den Beteiligten, in dessen Verlauf die Klägerin den Erwerb und die Aufstellung eines auch zur Aufbewahrung von Kurzwaffen geeigneten Tresors in Husum nachwies. Darüber hinaus trugen die Klägerin und der Beklagte gegensätzliche Standpunkte zur waffenrechtlichen Zulässigkeit der Aufbewahrung der Waffen in den in Husum aufgestellten Sicherheitsbehältnissen vor, in diesem Zusammenhang stellte die Klägerin insbesondere die örtlichen Verhältnisse bei ihr in Meckenheim und bei ihrem Sohn in Husum dar. Mit Bescheid vom 08.01.2009 ordnete der Beklagte an, dass die Klägerin ihm innerhalb eines Monats nach Bestandskraft der Verfügung gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 WaffG die sichere Aufbewahrung ihrer Waffen nachzuweisen habe. Dabei wies er darauf hin, dass er nach einigem Schriftwechsel die Klägerin zuletzt mit Schreiben vom 30.09.2008 aufgefordert habe, ihm einen entsprechenden Nachweis über die sichere Aufbewahrung der Waffen im Zugriffsbereich der Klägerin nachzuweisen. Zugleich drohte er der Klägerin, gestützt auf §§ 55, 57, 60 und 63 VwVG NRW, ein Zwangsgeld in Höhe von 250,00 EUR für den Fall an, dass die Klägerin auch weiterhin den vorstehenden Anordnungen zur Beibringung von Nachweisen bzw. der Auskunftserteilung nicht nachkomme.
4Die Klägerin hat am 31.01.2009 Klage erhoben.
5Zur Begründung trägt sie vor, dass die Aufbewahrungsbelange des § 36 WaffG in ihrem Falle erfüllt seien. Sie sei nicht verpflichtet, die Waffen im unmittelbaren Umkreis ihrer Wohnung zu verwahren. Sie habe sich - hierzu hat sie eine Meldebescheinigung der Stadt Husum vom 22.01.2009 vorgelegt - unter der Anschrift ihres Sohnes bei diesem mit Nebenwohnsitz angemeldet, es bestehe insoweit eine häusliche Gemeinschaft mit ihrem Sohn. Damit sei für sie die Zugriffsmöglichkeit auf das Behältnis in einem ihr allein frei zugänglichen Bereich gegeben. Keine andere Person habe Zugriff zu den Waffen in den beiden für die Langwaffen sowie für die Kurzwaffe aufgestellten Sicherheitsbehältnissen, nur sie habe die Schlüssel. Die Sach- und Rechtslage sei daher nicht anders zu beurteilen, als wenn die Klägerin ihre Waffen in einem Bankschließfach deponiert hätte. Auch sei ihr Sohn, der aufgrund testamentarischer Verfügung nach ihrem Ableben die Waffen erben solle, absolut zuverlässig. Einbrüche in die Wohnung in Husum, wo die Kriminalitätsrate außerordentlich niedrig sei, seien aufgrund der Beschaffenheit der Wohnung ausgeschlossen.
6Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,
7den Bescheid des Beklagten vom 08.01.2009 aufzuheben.
8Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Zur Begründung trägt er vor, dass er sich aufgrund des fruchtlos verlaufenden Schriftwechsels betreffend den Aufbewahrungsort der Waffen veranlasst gesehen habe, der Klägerin als Mindermaßnahme gegenüber einem Widerruf der Waffenbesitzkarte aufzugeben, ihm die sichere Aufbewahrung der Waffen in ihrem Zugriffsbereich darzulegen. Soweit die Klägerin geltend mache, dass sie an ihrer Wohnanschrift in Meckenheim keine Unterbringungsmöglichkeit für Sicherheitsbehältnisse habe, sei dies aufgrund der festgestellten örtlichen Gegebenheiten nicht nachvollziehbar. Soweit sie sich erst nach Erlass seiner Anordnung vom 08.01.2009 mit Nebenwohnsitz in Husum angemeldet habe, liege die Vermutung nahe, dass es sich um eine Scheinanmeldung handele. Das Waffengesetz sehe entgegen der Auffassung der Klägerin eine Aufbewahrungspflicht im unmittelbaren Umkreis der Wohnung des Berechtigten vor. Aus einer Zusammenschau des § 36 WaffG und des § 13 AWaffV - dort insbesondere Abs. 10 - lasse sich erkennen, dass dem Gesetzgeber daran gelegen gewesen sei, die Aufbewahrung von Waffen so zu regeln, dass nur Berechtigte Zugriff auf diese hätten. Es liege in der Natur der Sache, dass ein Sicherheitsbehältnis gleich welcher Art kein unüberwindbares Hindernis darstelle. Das vom Gesetz geforderte Sicherheitsbehältnis allein genüge daher nach dem Willen des Gesetzgebers nicht, einem unberechtigten Dritten den Zugriff zu verwehren. Hinzutreten müsse vielmehr die Möglichkeit des Berechtigten, eine weitergehende Kontrolle über das Behältnis selber wahren zu können, nämlich durch Aufstellungen des Behältnis in seiner Wohnung, zumindest aber in einem ihm frei zugänglichen Bereich. Dafür spreche auch § 13 Abs. 10 AWaffV, wonach die gemeinschaftliche Aufbewahrung von Waffen und Munition durch berechtigte Personen, die in einer häuslichen Gemeinschaft leben, zulässig sei. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber hier die gemeinschaftliche Aufbewahrung von Waffen (bei zwei oder mehr Berechtigten) nur zulassen wolle, wenn eine häusliche Gemeinschaft besteht, lasse erkennen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers der jeweilige Berechtigte auch tatsächlich Zugang zu den Waffen haben müsse und somit auch über sie verfügen könne. Dies sei vorliegend indes nicht gewährleistet.
11Die Beteiligten haben auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
12Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gerichtsakte VG Köln - 20 L 128/09 (Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes) sowie den vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgang Bezug genommen.
13E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
14Aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
15Die Klage ist begründet.
16Der Bescheid des Beklagten vom 08.01.2009 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
17Es besteht bereits keine Ermächtigungsgrundlage für die vom Beklagten vorliegend verfügte Maßnahme. Soweit der Beklagte die getroffene Maßnahme, nämlich ihm einen entsprechenden Nachweis über die sichere Aufbewahrung der Waffen im Zugriffsbereich der Klägerin nachzuweisen, (wohl) auf die Vorschrift des § 36 Abs. 3 Satz 1 WaffG stützt, wo die Nachweispflicht des betroffenen Waffenbesitzers betreffend eine sichere Aufbewahrung der Waffen gegenüber der Behörde normiert ist, kann dahinstehen, ob die Waffenbehörde einem Betroffenen überhaupt durch Verwaltungsakt aufgeben kann, bestimmte Maßnahmen zur Aufbewahrung von Waffen gemäß den in § 36 WaffG und § 13 AWaffV genannten Anforderungen zu treffen oder aber zumindest die von ihm insoweit bislang konkret getroffenen Maßnahmen nachzuweisen. Dass die Waffen in ausreichenden, d.h. den in § 36 WaffG und § 13 AWaffV bezeichneten Anforderungen genügenden Behältnissen verwahrt werden, hat die Klägerin bereits vor Erlass der angegriffenen Verfügung nachgewiesen. Wenn von ihr nunmehr dem Wortlaut des Bescheides nach dennoch ein Nachweis der sicheren Aufbewahrung verlangt wird, so wird ihr angesichts des Verlaufs des Verwaltungsverfahrens und des erkennbaren Willens des Beklagten tatsächlich aufgegeben, die Waffen von Husum aus der Wohnung ihres Sohnes in ihren - räumlich gemeinten - "Zugriffsbereich" zu verbringen. Es ist indes weder in § 36 WaffG noch in § 13 AWaffV ausdrücklich die Pflicht von Waffenbesitzern normiert, dass die Waffen in der eigenen Wohnung oder zumindest in deren Nähe (wobei es insoweit einer genauen Definition bedürfte) verwahrt werden müssen. Soweit der Beklagte diesbezüglich geltend macht, dass der Gesetzgeber hiervon ausgehe, kann aus dieser Erwägung jedenfalls keine konkrete, die angefochtene Maßnahme stützende Eingriffsgrundlage hergeleitet werden. Im Übrigen ergibt sich auch aus § 13 Abs. 6 AWaffV, wonach Langwaffen auch in einem nicht dauernd bewohnten Gebäude aufbewahrt werden dürfen, dass Schusswaffen zumindest nicht zwangsläufig in den vom Berechtigten bewohnten Räumen aufbewahrt werden müssen. Was die von dem Beklagten angeführte Regelung des § 13 Abs. 10 AWaffV anbetrifft, die - ausnahmsweise - eine gemeinsame Aufbewahrung von Waffen mehrerer Berechtigter, die in häuslicher Gemeinschaft leben, gestattet, lässt diese Sonderregelung keine Schlüsse für die hier in Rede stehende Fallkonstellation zu.
18Es bedarf auch keiner Vertiefung und Klärung der Frage, ob Waffenbehörden Verpflichtungen der hier vorliegenden Art möglicherweise im Wege der nachträglichen Erteilung einer - einzelfallbezogenen - Auflage zu der Waffenbesitzkarte nach Maßgabe des § 9 Abs. 1 und 2 WaffG durchsetzen können, denn diesen - im behördlichen Ermessen stehenden - Weg hat der Beklagte vorliegend erkennbar nicht beschritten.
19Vgl. hierzu Thüringer OVG, Beschluss vom 10.03.2006 - 3 E 946/05 -, juris
20(betr. die Fallkonstellation einer Anordnung des Verbringens von
21Sicherheitsbehältnissen aus der mit einem unzuverlässigen Lebensgefährten
22gemeinsam bewohnten Wohnung in eine anderen Wohnung).
23Die Verfügung vom 08.01.2009 ist darüberhinaus rechtswidrig, weil sie gegen das Gebot der hinreichenden Bestimmtheit (§ 37 Abs. 1 VwVfG NRW) verstößt.
24Der Klägerin ist aufgegeben worden, die sichere Aufbewahrung der Waffen in ihrem Zugriffsbereich nachzuweisen. Was unter "Zugriffsbereich" zu verstehen ist bzw. bei objektiver Betrachtungsweise verstanden werden muss, bleibt unklar. Soweit der Beklagte möglicherweise - ausschließlich - die von der Klägerin bewohnte Wohnung, die sich zur Zeit in Meckenheim befindet, meinen sollte, hätte er dies unmissverständlich zu Ausdruck bringen müssen (oder aber eine räumlich weitergehende Alternative eindeutig bestimmen bzw. abgrenzen müssen). Es ist auch nicht hinreichend klargestellt, inwiefern der Beklagte unter dem verwendeten Begriff eine rechtlich abgesicherte Zugriffsmöglichkeit versteht, denn er macht in dem Bescheid ausdrücklich geltend, dass die Klägerin in Husum nicht mit Zweitwohnsitz gemeldet sei "und daher formell gesehen nicht einmal von einem Zugangsrecht ausgegangen werden könne".
25Des Weiteren ist der angefochtene Bescheid auch ermessensfehlerhaft ergangen (§ 40 VwVfG NRW, § 114 VwGO) .
26Der Beklagte ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass es sich um eine Ermessensentscheidung gehandelt hat, ausweislich der Begründung seiner Verfügung hat er aber hierfür eine unzutreffende Sach- und Rechtslage zugrunde gelegt. Seine Erwägung, dass die Klägerin in Husum nicht mit Zweitwohnsitz gemeldet sei und daher formell gesehen nicht einmal von einem Zugangsrecht ausgegangen werden könne, ist nicht haltbar, denn die melderechtliche Situation ist nicht maßgeblich für die hier zu treffenden Feststellungen im Rahmen von waffenrechtlichen Aufbewahrungspflichten. Ob die Klägerin (jederzeit) die Möglichkeit hat, an die in der Wohnung ihres Sohnes aufbewahrten Waffen zu gelangen, richtet sich allein nach den tatsächlichen Gegebenheiten, ggfls. der zivilrechtlichen Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen Wohnungsinhaber und Waffenbesitzer. Insofern sind vorliegend im Übrigen keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Klägerin bei eigenem Wunsch nicht beliebig Zugriff auf ihre Waffen nehmen kann. Darüber hinaus hat der Beklagte bei seiner Entscheidung darauf abgestellt, dass es sich bei dem Sohn der Klägerin - was unstreitig ist - um einen Nichtberechtigten handelt, dieser Umstand ist indes für das Bestehen eine Verpflichtung der Klägerin - wie vom Beklagten angenommen - zur Aufbewahrung ihrer Waffen in unmittelbarer räumlicher Nähe nicht maßgeblich.
27Die Zwangsgeldandrohung (die ihre Rechtsgrundlage nicht, wie vom Beklagten angegeben, im Verwaltungsvollstreckungsgesetz Nordrhein-Westfalen, sondern in §§ 50, 51, 53 und 56 PolG NRW finden dürfte) war ebenfalls aufzuheben, denn sie teilt rechtlich das Schicksal der in der Sache ergangenen Maßnahme.
28Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
29Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.