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1. Eine Zufahrt ist befahrbar im Sinne von § 4 BauO NRW 2018, wenn sie durch im Straßenverkehr zugelassene Kraftfahrzeuge, insbesondere auch Rettungs- und Feuerwehrfahrzeuge, ungehindert benutzt werden kann.
2. Zur Konkretisierung des Begriffs der "Befahrbarkeit" im Sinne von § 4 BauO NRW 2018 können auch die Vorgaben des § 5 BauO NRW 2018 und der Muster-Richtlinie über Flächen für die Feuerwehr herangezogen werden.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
2Der Kläger ist Eigentümer des unbebauten Grundstücks Gemarkung Q., Flur N01, Flurstück N02 (H.-straße) in Q. sowie Miteigentümer des Flurstücks N03 Weiterer Miteigentümer des letztgenannten Grundstücks sowie Eigentümer der benachbarten Flurstücke N04, N05 und N06 ist der Nachbar P., der das in zweiter Reihe aufstehende Einfamilienhaus H.-straße N07 bewohnt. Dieses Wohnhaus ist durch eine zwischen den Häusern H.-straße N08 und N09 verlaufende, rund drei Meter breite Zufahrt auf dem Flurstück N10 erschlossen. Im Grundbuch von Q. (Blatt N11) sind zu Lasten der Grund- bzw. Flurstücke N04 und N05 jeweils Geh- und Fahrrechte sowie Leitungsrechte zugunsten des Flurstücks N02 eingetragen.
3Weitere Einzelheiten zeigt der nachfolgende Kartenausschnitt:
4[An dieser Stelle befindet sich in der Originalentscheidung eine Skizze]
5Die genannten Grundstücke liegen sämtlich im Geltungsbereich des im Jahre 1971 in Kraft getretenen und zuletzt im Jahre 2019 (6. Änderung) geänderten Bebauungsplans Nr. 23 „U.-straße“. Dieser Bebauungsplan setzt im betreffenden Teilbereich unter anderem ein allgemeines Wohngebiet mit zweigeschossiger Bebauung und Baugrenzen in Form von Baufenstern fest. Das später errichtete Wohnhaus H.-straße N07 liegt ebenso wie ein Teil des Flurstücks N02 in einem entsprechenden Baufenster. Die hier entstehende Bebauung sollte nach dem Konzept des Bebauungsplans allerdings nicht von der H.-straße her, sondern über eine von der Straße U.-straße nach Westen abzweigende, parallel zur H.-straße verlaufende Stichstraße erschlossen werden. Diese Straße ist bislang nicht hergestellt worden.
6Die oben genannten Flurstücke sind durch eine Grundstücksteilung im Jahre 1991 entstanden. Die damalige Eigentümerin übertrug sie sodann – offenbar auf der Grundlage einer Schenkung – auf Frau P. und eine Frau L., um beiden die Errichtung eines Wohnhauses auf den heutigen Flurstücken N02 und N06 zu ermöglichen. Da die Herstellung der im Bebauungsplan vorgesehenen Stichstraße seinerzeit nicht absehbar war, wurden das hälftige Miteigentum an dem Flurstück N10 begründet und die Grunddienstbarkeiten zu Lasten der Flurstücke N04 und N05 eingetragen.
7Während das Grundstück H.-straße N07 alsbald mit dem heute dort aufstehenden Wohnhaus bebaut wurde, blieb das Grund- bzw. Flurstück N02 vorläufig unbebaut und wurde im Jahre 1996 an eine Frau V. verkauft und übereignet. Die Eheleute V. reichten im Februar 1998 Bauvorlagen für ein Wohnhaus auf dem Flurstück N02 im Genehmigungsfreistellungsverfahren ein. Die Beklagte erklärte daraufhin, die Verwirklichung des Bauvorhabens sei derzeit nicht zulässig, weil es an einer öffentlich-rechtlichen Sicherung der Zuwegung fehle.
8Frau V. verklagte Frau P. daraufhin auf Bewilligung einer entsprechenden Baulast zu Lasten der Flurstücke N04, N10 und N05. Diese Klage hatte vor dem Landgericht Dortmund (12 O 250/98) Erfolg, im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Hamm (5 U 228/98) unterlag Frau V. jedoch. Eine zweite Klage hatte ebenfalls vor dem Landgericht Dortmund (12 O 452/99) Erfolg, scheiterte aber in zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht Hamm (5 U 78/00). Eine dritte Klage wurde durch das Landgericht Dortmund (12 O 248/01) als unzulässig abgewiesen. Auf die Berufung der Frau V. verurteilte das Oberlandesgericht Hamm (5 U 172/01) Frau P., die entsprechende Baulast zu bewilligen. Grundlage der Entscheidung war ein Bauvorbescheid der Beklagten vom 8. April 2002 (N12), mit dem die Errichtung eines Wohnhauses auf dem Flurstück N02 unter Ausklammerung der Erschließung für zulässig erklärt worden war. In einem Schreiben vom 4. Juni 2002 hatte die Beklagte zudem erklärt, dass die Übernahme und Eintragung der im Raum stehenden Baulast ausreicht, damit die Erschließung öffentlich-rechtlich gesichert ist.
9Auf der Grundlage des Urteils des Oberlandesgerichts wurden am 16. September 2002 folgende Baulasten zu Lasten der Flurstücke N04 und N05 in das Baulastverzeichnis der Beklagten eingetragen (Baulastblatt Nr. N13 und Nr. N14):
10„Verpflichtung zur Duldung, dass auf der im beigefügten Lageplan zur Baulasteintragung vom 21. Mai 2002 […] grün schraffierten […] Fläche eine Zuwegung zum Anschluss des Grundstücks Gemarkung Q., Flur N01, Flurstück N02 an die H.-straße angelegt, unterhalten und genutzt wird. Diese Zuwegungsbaulast erlischt, sobald die Flurstücke N04 und N05 durch Ausbau eines Wendehammers zur öffentlichen Verkehrsfläche oder zu einer Verkehrsfläche einer privaten Erschließungsanlage werden.“
11Der beigefügte Lageplan zeigt eine 3,07 m breite Zuwegung, die vom nördlichen Ende des Flurstücks N10 in einem engen gleichmäßigen Bogen über die Flurstücke N04 und N05 bis an die nordwestliche Ecke des Flurstücks N02 heranführt:
12[An dieser Stelle befindet sich in der Originalentscheidung eine Skizze]
13Eine auf Aufhebung des Bauvorbescheides vom 8. April 2002, Löschung der Baulast und Feststellung der Rechtswidrigkeit des Schreibens vom 4. Juni 2002 gerichtete Klage der Frau P. wies das erkennende Gericht mit Urteil vom 28. Februar 2007 (6 K 1479/03) ab. Auch der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen diese Entscheidung hatte vor dem Oberverwaltungsgericht (10 A 1066/07) keinen Erfolg.
14Eine im Jahre 2008 vor dem Landgericht Dortmund (8 O 12/08) erhobene Klage der Frau P. auf Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr den Schaden zu ersetzen, der durch die Verurteilung zur Abgabe einer Baulast im Zusammenhang mit der im Jahre 2002 erteilten Auskunft der Beklagten entstanden ist und zukünftig noch entsteht, hatte keinen Erfolg. Auch die Berufung der Frau P. wurde durch das Oberlandesgericht Hamm mit Urteil vom 5. März 2010 (11 U 115/09) zurückgewiesen.
15Im Zusammenhang mit Verhandlungen über den Erwerb des Flurstücks N02 und des Miteigentumsanteils an dem Flurstück N10 beantragte der Kläger am 4. November 2018 die Erteilung eines Bauvorbescheides zu der Frage: „Ist es planungsrechtlich zulässig, ein Wohngebäude mit 3 Wohneinheiten und 3 Stellplätzen auf dem Grundstück mit den eingetragenen Erschließungsbaulasten zu errichten?“. Zur Erläuterung führte er aus, das Wohnhaus solle innerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche gemäß Bebauungsplan errichtet werden; lediglich die Erschließung solle abweichend vom Bebauungsplan erfolgen. Mit Vorbescheid vom 28. November 2018 (Az. N15) stellte die Beklagte antragsgemäß fest, dass „die vom Bebauungsplan abweichende Erschließung für das Mehrfamilienhaus planungsrechtlich zulässig“ ist. Der Bescheid enthält den Hinweis, bauordnungsrechtliche Belange seien nicht geprüft worden.
16Am 19. November 2019 erhob Herr P., der nach dem Tod seiner Frau (2016) Eigentümer des Nachbargrundstücks geworden war, Klage gegen den Bauvorbescheid und trug zur Begründung vor, der Bebauungsplan sehe eine Erschließung des Baugrundstücks über eine nördlich verlaufende öffentliche Zuwegung vor. Zwar sei eine Zuwegung über die Flurstücke N04 und N05 durch Grunddienstbarkeiten und Baulasten eingeräumt. Die Baulast habe sich allerdings auf ein bestimmtes Vorhaben bezogen und könne nicht für ein anderes verwendet werden. Zudem sei die Erschließung nicht gesichert, weil sie nicht dem Bebauungsplan entspreche. Nach Durchführung eines Ortstermins wies die erkennende Kammer die Nachbarklage mit Urteil vom 14. April 2021 (6 K 5505/19) ab. Ein Antrag auf Zulassung der Berufung gegen diese Entscheidung hatte vor dem Oberverwaltungsgericht (10 A 1160/21) keinen Erfolg.
17Unter dem 30. April 2021 wandte der Nachbar P. sich an die Beklagte und forderte diese auf, entweder den Bebauungsplan Nr. 23 aufzuheben oder ihrer Erschließungspflicht nachzukommen. Er könne die Flurstücke N04 und N05 nicht nutzen, solange hier die geplante Stichstraße festgesetzt sei. Im Mai 2021 erhob Herr P. eine entsprechende Klage vor dem erkennenden Gericht, welche die Kammer mit Gerichtsbescheid vom 5. April 2023 (6 K 2003/21) abwies.
18Der Kläger hatte unterdessen (am 15
15
.
September 2019) unter Bezugnahme auf den Bauvorbescheid vom November 2018 die Erteilung der Baugenehmigung für die Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit drei Wohneinheiten, zwei Garagen und zwei Außenstellplätzen beantragt. Anschließend war zwischen den Beteiligten über die Frage der ausreichenden Grundstückszufahrt korrespondiert und auch vor Ort gesprochen worden, nachdem die Brandschutzdienststelle der Beklagten erklärt hatte, es fehle an einer ausreichenden Zufahrt und Aufstellfläche für die Feuerwehr. Bereits unter dem 29. Juni 2020 hatte die Beklagte den Kläger zum beabsichtigten Erlass eines Ablehnungsbescheides angehört. Im März 2021 hatte der Kläger darum gebeten, das Baugenehmigungsverfahren vorerst ruhen zu lassen.
Im August 2023 führten die Beteiligten ein Telefonat betreffend das weitere Vorgehen.
20Mit Bescheid vom 26. September 2023 – zugestellt am 13. Oktober 2023 – lehnte die Beklagte den Bauantrag ab. Zur Begründung führte sie aus: Das Vorhaben verstoße gegen § 4 Bauordnung NRW 2018, weil es an einer befahrbaren, öffentlich-rechtlich gesicherten Zufahrt zur Straße in für den Einsatz von Feuerlösch- und Rettungsgeräten angemessener Breite fehle. Die durch Baulast gesicherte Zufahrt weise eine Breite von 3,07 m und einen Kurvenradius von 11,02 m auf. Nach der baurechtlich eingeführten Muster-Richtlinie über Flächen für die Feuerwehr müsse die Breite einer Feuerwehrzufahrt bei einem Kurvenradius zwischen 10,5 m und 12,0 m jedoch mindestens 5 m betragen. Zudem müsse vor der Kurve ein 11 m langer Übergangsbereich vorhanden sein. Auch die Vorgaben des § 5 Bauordnung NRW 2018 würden durch das Vorhaben nicht eingehalten.
21Am 13. November 2023 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.
22Zur Begründung seiner Klage führt er aus: Die Behauptung in dem angefochtenen Bescheid, er habe bei dem Telefonat vom August 2023 um Bescheidung seines Antrags gebeten, sei unzutreffend. Vielmehr habe er die Gespräche über eine Lösung des Zuwegungsproblems fortsetzen wollen. Er habe einen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung. Denn das Grundstück sei über die Baulastflächen erschlossen. Die Baulast sei seinerzeit nach konkreten Vorgaben der Beklagten zur baurechtlichen Erschließung eingetragen worden. Es sei nicht nac
hvollziehbar, warum heute derart überhöhte Anforderungen gestellt würden. Das sei auch ersichtlich durch einen Vergleich mit der Bebauung Kiefernweg
I.-straße
62a
N16
bis 68
N17
, bei der der Kurvenradius noch weit enger sei. Ähnliches gelte für die Gebäude Eichenstraße
N18
N08, Falkstraße
R.-straße
79
N19
und 81
N20
, Akazienstraße
N21
15
N22
bis N01 sowie das geplante Baugebiet Billmerich
G.
im Bereich Hermann-Osthoff-Straße
Z.-straße
und Langes Kamp
F.-straße
. Zu Unrecht halte die Beklagte die Vorgaben der Muster-Richtlinie für Feuerwehrflächen für zwingend, ohne auf die Einzelheiten des konkreten Bauvorhabens einzugehen. Wenn die Baulasten nicht geeignet seien, eine ausreichende Zuwegung zu schaffen, hätten sie zudem mangels Erforderlichkeit niemals eingetragen werden dürfen. Die Eintragung der Baulast begründe einen Bestandsschutz; er habe auf die damit hergestellte Sicherung der Erschließung vertrauen dürfen. Dies gelte umso mehr unter Einbeziehung des Schreibens der Beklagten vom 4. Juni 2002.
Der Kläger beantragt,
24die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 26. September 2023 zu verpflichten, ihm die beantragte Baugenehmigung für die Errichtung eines Mehrfamilienhauses auf dem Grundstück Gemarkung Q., Flur N01, Flurstück N02, zu erteilen.
25Die Beklagte beantragt,
26die Klage abzuweisen.
27Zur Begründung trägt sie vor: Das Bauvorhaben sei bauordnungsrechtlich unzulässig, weil das Gebäude von Feuerwehr- und Rettungsfahrzeugen nicht angefahren werden könne. Die Baulast sei auf der Grundlage von § 4 BauO NRW 2000 eingetragen worden. In der aktuellen Bauordnung seien die Voraussetzungen um die Zugänglichkeit für die Feuerwehr ergänzt worden. Die Bewertung falle daher anders aus. Der Hinweis auf Bebauung an anderer Stelle sei nicht zielführend, weil die dortige Bebauung an der öffentlichen Verkehrsfläche liege und noch auf einer anderen Rechtsgrundlage genehmigt worden sei. Aus dem Schreiben vom 4. Juni 2002 könne der Kläger nichts anderes herleiten. Es handele sich hier um eine bloße Rechtsauskunft im Zusammenhang mit dem seinerzeitigen Rechtsstreit vor dem OLG Hamm, die überdies damals zutreffend gewesen sei.
28Wegen der sonstigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des vorliegenden und der Verfahrens 6 K 5505/N01
19
und 6 K 2003/21 sowie auf den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
30Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
31Die mit Bescheid der Beklagten vom 26. September 2023 erfolgte Ablehnung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO); der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung.
32Die Baugenehmigung ist gemäß § 74 Abs. 1 Bauordnung (BauO) NRW 2018 zu erteilen, wenn dem Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen. Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt.
33Dem zur Genehmigung gestellten Vorhaben steht § 4 Abs. 1 BauO NRW 2018 entgegen. Nach dieser Vorschrift dürfen Gebäude nur errichtet werden, wenn gesichert ist, dass ab Beginn ihrer Nutzung das Grundstück in für die Zufahrt und den Einsatz von Feuerlösch- und Rettungsgeräten angemessener Breite an einer befahrbaren öffentlich-rechtlichen Verkehrsfläche liegt oder wenn das Grundstück eine befahrbare öffentlich-rechtlich gesicherte Zufahrt zu einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche hat; Wohnwege, an denen nur Gebäude der Gebäudeklasse 1 bis 3 zulässig sind, brauchen nur befahrbar zu sein, wenn sie länger als 50 m sind. Während § 5 BauO NRW 2018 die „innere Erschließung“ auf dem Grundstück selbst regelt, enthält § 4 Abs. 1 BauO NRW 2018 Vorgaben zu dessen „äußerer Erschließung“, also zur Erreichbarkeit des Grundstücks. Im Zusammenspiel gewährleisten beide Vorschriften unter anderem, dass Feuerwehreinsatzkräfte von der öffentlichen Verkehrsfläche zum Gebäude gelangen können, um die erforderlichen Lösch- und Rettungsmaßnahmen vornehmen zu können.
34Vgl. Dreesen, in: Spannowsky/Saurenhaus, BeckOK BauordnungsR NRW, 20. Edition 1.11.2024, § 5 Rn. 4; Radeisen, in: Boeddinghaus/Hahn/Schulte, BauO NRW, Kommentar, Stand: September 2024, § 5 Rn. 1.
35Da das Baugrundstück nicht unmittelbar an eine öffentlich-rechtliche Verkehrsfläche angrenzt, ist vorliegend eine öffentlich-rechtlich gesicherte Zuwegung notwendig. Diese liegt in Form der durch Grunddienstbarkeiten und Baulasten gesicherten Verbindung von der H.-straße über die Flurstücke N10, N04 und N05 bis auf das Baugrundstück grundsätzlich vor.
36Da der Weg von der H.-straße bis zu diesem Grundstück über die vorgenannte Zuwegung mehr als 50 m lang ist (nämlich ungefähr 95 m), muss es sich insoweit allerdings um eine befahrbare Zufahrt handeln. Eine Zufahrt ist befahrbar im Sinne von § 4 Abs. 1 BauO NRW 2018, wenn sie durch im Straßenverkehr zugelassene Kraftfahrzeuge, insbesondere auch Rettungs- und Feuerwehrfahrzeuge, ungehindert benutzt werden kann.
37Vgl. Dreesen, in: BeckOK BauordnungsR NRW, 20. Edition 1.11.2024, § 4 Rn. 29; Johlen, in Gädtke u.a., BauO NRW, 15
15
. Aufl. 2024, § 4 Rn. 23, § 5 Rn. 3.
Dass bei der Frage der Befahrbarkeit auch die Bedürfnisse von Feuerwehr- und Rettungskräften einzustellen sind, wird seit der Novelle 2018 dadurch betont, dass diese im Gesetzestext bei der ersten Alternative von § 4 Abs. 1 S. 1 BauO NRW 2018 ausdrücklich erwähnt werden; für die zweite Alternative kann insoweit nichts anderes gelten. Im Übrigen war dieses Verständnis des hier verwendeten Begriffs „Befahrbarkeit“ auch vor der Novelle 2018 allgemein anerkannt.
39Vgl. (zur BauO NRW 2000) OVG NRW, Urteile vom 8. Mai 2009 - 7 A 3366/07 -, juris Rn. 40, und vom 30. Oktober 2009 - 7 A 2548/08 -, juris Rn.
¨
67; VG Gelsenkirchen, Urteil vom N09
12
. Juli 2012 - 5 K 2628/N08
10
-, juris Rn. 72; Heintz, in: Gädtke u.a., BauO NRW, 11. Aufl. 2008, § 4 Rn. 24 und 34.
Zur Konkretisierung der Anforderungen können insoweit auch die Vorgaben des § 5 BauO NRW 2018 herangezogen werden.
41Vgl. Dreesen, in: BeckOK BauordnungsR NRW, 20. Edition 1.11.2024, § 4 Rn. 27 und 29; siehe auch bereits OVG NRW, Beschluss vom 5. Mai 2000 - 3 A 3132/99 -, juris Rn. 1.
42Denn es ergäbe keinen Sinn, wenn an gemäß § 4 Abs. 1 BauO NRW 2018 notwendige Zufahrten zu einem Baugrundstück geringere Anforderungen zu stellen wären, als an die durch § 5 BauO NRW 2018 geregelten Zufahrten auf dem Baugrundstück selbst.
43Folglich können auch die auf der Grundlage von § 3 Abs. 2 S. 3 und § 88 BauO NRW 2018 durch die Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (dort Ziffer 2.2.1.1.) zur Konkretisierung von § 5 BauO NRW 2018 eingeführten Vorgaben der Muster-Richtlinie über Flächen für die Feuerwehr von Februar 2007, zuletzt geändert durch Beschluss der Fachkommission Bauaufsicht der Bauministerkonferenz vom Oktober 2009, zur Konkretisierung des Begriffs „Befahrbarkeit“ herangezogen werden. Nach Ziffer 2 der Muster-Richtlinie muss die lichte Breite der Zu- oder Durchfahrten mindestens drei Meter betragen. Der Einsatz der Feuerwehrfahrzeuge wird nach Ziffer 3 der Muster-Richtlinie durch Kurven in Zu- und Durchfahrten nicht behindert, wenn die in der zugehörigen Tabelle den Außenradien der Gruppen zugeordneten Mindestbreiten nicht unterschritten werden. Dabei müssen vor oder hinter Kurven auf einer Länge von mindestens elf Metern Übergangsbereiche vorhanden sein.
44Gemessen an diesen Vorgaben handelt es sich vorliegend nicht um eine befahrbare Zufahrt im Sinne des § 4 Abs. 1 BauO NRW 2018. Denn der Außenradius der durch Baulast gesicherten Zufahrt beträgt lediglich rund 11 m. Bei einer derart engen Kurve ist nach der genannten Tabelle in der Muster-Richtlinie eine Fahrbahnbreite von mindestens 5 m erforderlich. Tatsächlich beträgt die Fahrbahnbreite aber nur 3,07 m und es sind im Übrigen auch keine Übergangsbereiche vor und hinter der Kurve vorhanden. Die Vorgaben der Muster-Richtlinie werden also sehr deutlich verfehlt; die Zufahrt ist für Feuerwehrfahrzeuge nicht (vollständig) befahrbar.
45Die Kammer vermag auch nicht zu erkennen, dass wegen besonderer Umstände des vorliegenden Falles entgegen der Forderung der Muster-Richtlinie keine befahrbare Zufahrt erforderlich ist. Der Vertreter der Brandschutzdienststelle hat in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt, dass es sich hier um eine grundlegende Anforderung handelt, die der Planung und Einübung von Einsatzroutinen der Feuerwehren zugrunde liegt. Dies sei auch deshalb von Bedeutung, weil Feuerwehrkräfte, die im Einzelfall aus Nachbargemeinden herangezogen werden müssten oder nicht hauptamtlich für die Feuerwehr arbeiteten, darauf angewiesen seien, gewisse Bedingungen für den Lösch- und Rettungseinsatz vorzufinden.
46Dass die Zufahrt auf ihrem ersten, weitgehend geraden Teil möglicherweise von Feuerwehrfahrzeugen befahren werden kann und die verbleibende Strecke bis zum Baugrundstück weniger als 50 m beträgt, vermag an dem Ergebnis nichts zu ändern. Der Vertreter der Brandschutzdienststelle hat in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar erläutert, dass auf der wenig mehr als 3 m breiten Zufahrt bei einer Breite der Feuerwehr-Großfahrzeuge von rund 2,50 m zu wenig Platz verbliebe, um auszusteigen und die notwendigen Gerätschaften auszuladen und dass die auf der Zufahrt stehenden Fahrzeuge zudem von den mit Einsatzmontur und -gerätschaften ausgerüsteten Feuerwehrleuten angesichts der beidseits fehlenden Bewegungsfläche nicht mehr ungehindert passiert werden könnten. Diese Ausführungen korrespondieren wiederum mit Vorgaben der Muster-Richtlinie, welche die Anforderungen an Bewegungsflächen um das Feuerwehrfahrzeug beschreibt.
47Der Hinweis des Klägers auf verschiedene „Vergleichsfälle“ führt nicht weiter. Es ist schon fraglich, ob die in Rede stehenden Gebäude, bei denen jeweils erkennbar andere Zuwegungssituationen bestehen als im vorliegenden Fall, taugliche Vergleichsobjekte und ob sie auf derselben Rechtsgrundlage genehmigt worden sind. Jedenfalls würde auch eine großzügigere Genehmigungspraxis in diesen Fällen nicht zu einem Anspruch des Klägers führen, weil der Behörde bei der Anwendung von § 4 Abs. 1 BauO NRW weder ein Ermessens-, noch ein Beurteilungsspielraum zukommt.
48Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30. Oktober 2009 - 7 A 2548/08 -, juris Rn.60.
49Soweit der Kläger vorträgt, er sei bereit, das Fehlen einer der Muster-Richtlinie entsprechenden Zufahrt durch zusätzlich Brandschutzmaßnahmen zu kompensieren – etwa durch den Anbau einer Spindeltreppe als zweiter Rettungsweg für das Obergeschoss, durch die Verlegung einer trockenen Löschwasserleitung nebst entsprechendem Hydranten oder durch das Vorhalten von Schläuchen und sonstigem Rettungsgerät – verhilft dies der Klage nicht zum Erfolg. Unabhängig von den Fragen, ob insoweit nicht der nach § 69 Abs. 2 BauO NRW 2018 erforderliche schriftliche und begründete Abweichungsantrag hätte gestellt werden müssen und ob durch die im Raum stehenden Maßnahmen die Brandschutzanforderungen in gleichem Maße erfüllt werden (vgl. § 3 Abs. 2 S. 2 und § 88 Abs. 1 S. 3 BauO NRW 2018), sind die genannten Vorkehrungen jedenfalls nicht Gegenstand des von der Behörde entschiedenen und dem Klageverfahren zugrundeliegenden Bauantrags. Das Gericht ist auf die Prüfung des zur Genehmigung gestellten Vorhabens beschränkt.
50Angesichts des festgestellten Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 BauO NRW 2018 braucht die Kammer nicht zu entscheiden, ob das Bauvorhaben auch gegen § 5 BauO NRW 2018 verstößt und ob ein solcher Verstoß trotz der durch § 64 Abs. 1 S. 1 BauO NRW 2018 statuierten Beschränkung des Prüfungsumfangs im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zur Versagung der Baugenehmigung führen kann.
51Vgl. zur letztgenannten Frage im Zusammenhang mit Brandschutzvorschriften nur OVG NRW, Urteile vom 28. Januar 2009 - N08
10
A 1075/08 -, juris, und vom 26. Juni 2014 - 7 A 2057/N09
12
-, juris, Beschluss vom 18. Juli 2013 - 7 A 1040/13 -, juris; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 20. Januar 2015 - 6 K 2405/13 -, juris.
Auch das Verhalten der Beklagten in der Vergangenheit schließlich führt nicht zu einem Anspruch des Klägers auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung.
53Der von der Beklagten erteilte positive Bauvorbescheid vom 8. April 2002 klammerte die Frage der Erschließung gerade aus und musste dies auch tun, weil zum Zeitpunkt seines Erlasses die Zuwegungsbaulasten noch nicht bewilligt und eingetragen waren. Aus dem Bauvorbescheid konnte daher von vornherein keine Bindung der Beklagten hinsichtlich der Frage der Zuwegung entstehen.
54Das an die Prozessbevollmächtigten der damaligen Grundstückseigentümerin gerichtete Schreiben vom 4. Juni 2002, in welchem die Beklagte mitteilt, dass die Eintragung der im Raum stehenden Baulast ausreicht, um die Erschließung öffentlich-rechtlich zu sichern, vermag einen Genehmigungsanspruch ebenfalls nicht zu begründen. Selbst wenn man in diesem Schreiben eine verbindliche Zusicherung im Sinne von § 38 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) NRW sehen wollte,
55vgl. in diesem Zusammenhang nur OVG NRW, Urteil vom N09
12
. Mai 1987 - 7 A 240/86 -, NWVBl. 1988, 49 ff.,
könnte der Kläger vorliegend keine Bindung der Beklagten für sein Vorhaben beanspruchen. Denn das Schreiben vom 4. Juni 2002 ist unzweifelhaft auf den damals vorliegenden Bauvorbescheid bezogen. Dies ergibt sich schon daraus, dass dieser Vorbescheid in der Betreffzeile des Schreibens konkret benannt wird. Es ist darüber hinaus aber auch deshalb zwingend, weil Gegenstand der Zusicherung nur ein bestimmter Verwaltungsakt sein kann. Ohne den Bauvorbescheid vom 8. April 2002 ist ein hinreichend konkretes Vorhaben, dessen Genehmigung die Beklagte zugesichert haben könnte, nicht erkennbar. Dass die Behörde über das damals geplante Bauvorhaben hinaus verbindlich zugesagt haben könnte, die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 BauO NRW 2000 auch bei anderen Vorhaben auf dem Grundstück als erfüllt anzusehen, ist auszuschließen, weil die konkreten Anforderungen an die Zuwegung stets vor dem Hintergrund des jeweiligen Vorhabens zu bestimmen sind. Lässt sich die „Mitteilung“ der Beklagten vom 4. Juni 2002 somit nicht von dem Bauvorbescheid vom 8. April 2002 lösen, so kann der Kläger sich auf eine etwaige Bindung der Behörde an ihr Schreiben nicht berufen. Denn der Bauvorbescheid vom 8. April 2002 ist nach Ablauf seiner zweijährigen Geltungsdauer, die seinerzeit um die Dauer des Widerspruchs- und des Klageverfahrens verlängert worden sein dürfte, unwirksam geworden. Auch die Mitteilung der Beklagten vom 4. Juni 2002 kann daher jedenfalls heute keine Wirkung mehr entfalten. Zudem ist das von dem Kläger zur Genehmigung gestellte Vorhaben nicht mit demjenigen identisch, das Gegenstand des Bauvorbescheids vom 8. April 2002 gewesen ist.
57Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
58Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung.
59Rechtsmittelbelehrung
60Innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils kann bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen schriftlich beantragt werden, dass das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster die Berufung zulässt. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
61Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster schriftlich einzureichen.
62Der Antrag ist zu stellen und zu begründen durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, oder eine diesen gleichgestellte Person als Bevollmächtigten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Auf die besonderen Regelungen in § 67 Abs. 4 Sätze 7 und 8 VwGO wird hingewiesen.