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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten über die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis.
3Bei der Klägerin handelt es sich um eine in Malta ansässige Gesellschaft, die unter anderem über die Internetseite „tipico.de“ Sportwetten veranstaltet. Ausweislich der amtlichen Liste nach Art. 9 Abs. 8 des Staatsvertrages zur Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag 2021 – GlüStV 2021), der sog. „Whitelist“, verfügt sie seit dem 9. Oktober 2020 (erstmaliges Erlaubnisdatum) bzw. 9. Dezember 2022 (Folgeerlaubnisdatum) über eine entsprechende, bundesweit gültige Konzession.
4Mit Schreiben vom 31. Januar 2020 beantragte die Klägerin bei der Bezirksregierung F. die glücksspielrechtliche Erlaubnis zur Vermittlung ihrer Sportwetten in mehreren Wettvermittlungsstellen, darunter auch einer solchen in dem Gebäude S.-straße N01 in R.. Die Wettvermittlungsstelle soll von der G., Klägerin des Verfahrens 6 K 2612/22, betrieben werden. In der Folgezeit reichte die Klägerin die notwendigen Formblätter nach und fügte entsprechende Anlagen einschließlich eines umfangreichen „Sozialkonzepts“ bei.
5Unter dem 16. September 2020 wandte die Bezirksregierung F. sich an die Stadt R. und erklärte, die zur Genehmigung gestellte Wettvermittlungsstelle unterschreite nach ihren Informationen den vorgeschriebenen Mindestabstand von 350 Metern Luftlinie zu öffentlichen Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe. Das Grundstück der N. (H.-straße), einer Grundschule, beginne in einem Abstand von ca. 337 Metern vom Eingang der geplanten Wettvermittlungsstelle, das des Q. (C.-straße) in einem Abstand von ca. 311 Metern. Die Stadt R. erhielt Gelegenheit zur etwaigen Stellungnahme.
6Mit Schreiben vom 13. Oktober 2020 teilte diese mit, die benannten Schulen befänden sich nach wie vor an den genannten Stellen und darüber hinaus sei im Umkreis von 350 Metern ein am 26. August 2020 genehmigtes Nachhilfeinstitut gelegen. Die Wettvermittlungsstelle sei unter dem 25. September 2014 bauaufsichtlich genehmigt worden. Für die Innenstadt R. liege keine bauplanungsrechtliche Entscheidung vor, in einem bestimmten Gebiet eine Vielzahl von Wettvermittlungsstellen anzusiedeln. Entsprechende Pläne bestünden auch für das übrige Stadtgebiet nicht. Es lägen im Umkreis des beantragten Standortes der Wettvermittlungsstelle keine städtebaulichen Besonderheiten vor, die einen größeren Umkreis rechtfertigten. In der näheren Umgebung seien weder Bahnlinien, Flussläufe noch größere Höhenunterschiede vorhanden. Sackgassen gebe es nur in den kleinen Anwohnerstraßen, die aber nicht direkt auf die S.-straße führten. Diese diene in dem interessierenden Bereich als Erschließungsstraße für die gesamte Innen- bzw. Altstadt.
7Im Juni 2022 fiel der Bezirksregierung durch Recherchen im Internet auf, dass sich im Umkreis der zur Genehmigung gestellten Wettvermittlungsstelle in einem Abstand von ca. 90 Metern der von der evangelischen Kirchengemeinde R. betriebene offene Jugendtreff „W.“ auf dem Grundstück Y.-straße 1/X.-straße 14 - 18 in R. befindet.
8Das Grundstück Y.-straße 1/X.-straße 14 - 18 befindet sich in einem Abstand von etwa 90 Metern (Luftlinie) vom Eingang der Wettvermittlungsstelle entfernt, wie der nachfolgende Kartenausschnitt (abgerufen auf tim-online.nrw.de) zeigt:
9[An dieser Stelle befindet sich in der Originalentscheidung eine Skizze]
10Mit Bescheid vom 7. Juni 2022 lehnte die Bezirksregierung F. die Erteilung der beantragten glücksspielrechtlichen Erlaubnis ab und erlegte die Kosten des Verfahrens der Klägerin auf. Zur Begründung führte sie aus: Für die zur Genehmigung gestellte Wettvermittlungsstelle gelte der für Bestandsbetriebe geltende reduzierte Mindestabstand von 100 Metern Luftlinie, da am Stichtag eine Baugenehmigung für die Wettvermittlungsstelle vom 25. September 2014 vorgelegen habe. Das Grundstück der evangelischen Kirchengemeinde, auf dem sich der offene Jugendtreff in dem Gebäude „Y.-straße“ 1 befinde, beginne in einem Abstand von 89,20 Metern (Luftlinie) vom Eingang der geplanten Wettvermittlungsstelle. Der reduzierte gesetzliche Mindestabstand sei somit unterschritten. Im Rahmen der Ermessensentscheidung seien keine Gründe ersichtlich, die Anlass zu einer Unterschreitung des reduzierten Mindestabstands gäben. Im vorliegenden Fall liege entsprechend der Stellungnahme der Stadt R. kein Ausnahmegrund vor. Es seien auch keine Tatsachen ersichtlich oder vorgetragen, die eine ausnahmsweise Abweichung von den Mindestabständen zu öffentlichen Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe rechtfertigten. Dass der Fußweg länger sei als die als Luftlinie gemessene Entfernung liege in der Natur der Sache und begründe keinen atypischen Fall. Ein größeres Hindernis wie etwa ein Flusslauf oder eine mehrspurige Schnellstraße ohne nahe Querungsmöglichkeit seien nicht gegeben. Auch Vertrauensschutzgesichtspunkte rechtfertigten keine abweichende Entscheidung.
11Hinsichtlich der Verwaltungsgebühr seien Veranstalterin und Vermittlerin als Gesamtschuldner zu betrachten. Die Inanspruchnahme der Veranstalterin diene unter Berücksichtigung ihrer anzunehmenden Solvenz und ihrer Stellung als gesetzlich vorgesehene Antragstellerin insbesondere der Sicherstellung einer erfolgreichen und verfahrensvereinfachenden einheitlichen Zahlungsabwicklung.
12Am 5. Juli 2022 hat die Klägerin Klage erhoben.
13Zur Begründung führt sie aus:
14Der streitgegenständliche Ablehnungsbescheid der Bezirksregierung, der sich ausschließlich auf die fehlende Einhaltung eines Mindestabstands zu einer Kinder- und Jugendeinrichtung stütze, sei rechtswidrig und verletze sie in ihren Rechten. Die Rechtswidrigkeit folge aus mehreren, selbständig tragenden Gründen:
15Erstens könne die Nichteinhaltung von Mindestabständen nicht Wettvermittlungsstellen – wie der hier streitgegenständlichen – entgegengehalten werden, die formell legal betrieben worden seien, bevor die Mindestabstände in Kraft getreten seien, also solchen Wettvermittlungsstellen, denen eine Sportwettvermittlungserlaubnis bei Betriebsaufnahme hätte erteilt werden müssen, wenn das beklagte Land hiervon nicht unionsrechtswidrig abgesehen hätte. Zum Zeitpunkt der Betriebsaufnahme am 25. September 2014 habe das nordrhein-westfälische Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag noch keine Mindestabstände zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe normiert, Mindestabstände seien erst mit Wirkung zum 1. Januar 2020 normiert worden. Die zuvor in der Glücksspielverordnung normierten Mindestabstände hätten nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts NRW nicht eingehalten werden müssen, da sie nicht auf einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage beruht hätten. Der streitigen Wettvermittlungsstelle hätte daher damals eine Erlaubnis erteilt werden können und müssen. Eine Erlaubniserteilung zum Zeitpunkt der Betriebsaufnahme sei nur deshalb nicht erfolgt, weil zum damaligen Zeitpunkt (bis Oktober 2020) keine Konzessionen an Sportwettveranstalter hätten erteilt werden können. Aus diesem Grund sei der Betrieb von Wettvermittlungsstellen seinerzeit nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts NRW formell legal gewesen. Auf die zum damaligen Zeitpunkt bestehende Unmöglichkeit, eine Sportwettkonzession zu erhalten, habe sie – die Klägerin – keinerlei Einfluss gehabt. Es habe sich vielmehr um eine Folge der unionsrechtswidrigen Durchführung des Sportwettkonzessionsverfahrens durch die bundesweit zuständige Konzessionsbehörde gehandelt. Dem Wettbürobetreiber dürfe daher nicht zum Vorwurf gemacht werden, über keine Wettvermittlungserlaubnis zu verfügen. Würde man einem Wettbüro, das formell legal Sportwetten vermittelt habe, nunmehr nachträglich in das Gesetz aufgenommene Abstandsvorgaben entgegenhalten, unterliefe man den Bestandsschutz.
16Zweitens sei die in § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW normierte Mindestabstandsregelung generell, unabhängig von dem hier in Rede stehenden konkreten Einzelfall, sowohl verfassungs- als auch unionsrechtswidrig. In Ergänzung der ausführlichen Begründung der aus ihrer Sicht vorliegenden Verfassungs- und Unionsrechtswidrigkeit der Mindestabstandsregelung legt die Klägerin zusätzlich die – jeweils in ihrem Auftrag erstellten – gutachterlichen Stellungnahmen von Prof. Dr. L., Universität V., von Juni 2018 sowie von Juli 2020 vor.
17Drittens stehe der Jugendtreff „W.“ der Ev. Kirchengemeinde R. – ungeachtet seines Abstandes zur Wettvermittlungsstelle – der Erlaubniserteilung schon grundsätzlich nicht entgegen. Einrichtungen, die nicht überwiegend von Kindern und Jugendlichen im Alter von 12 bis 18 Jahren aufgesucht würden, seien entgegen der Auffassung der Behörde von der gesetzlichen Regelung nicht erfasst. Das Gefährdungsrisiko im Bereich der Wettvermittlungsstellen bestehe nämlich erst für Kinder in dieser Altersstufe. Abstandsvorgaben für Kinder unter 12 Jahren, insbesondere solche im Grundschulalter, seien daher bereits nicht erforderlich und damit auch nicht verhältnismäßig. Auch Grundschulen unterfielen daher nicht der Mindestabstandsregelung. In einigen anderen Bundesländern sei deshalb sogar gesetzlich geregelt, dass nur Einrichtungen erfasst würden, die sich ihrem Wesen nach an Kinder ab dem 12. Lebensjahr richteten. Entsprechende Einrichtungen stünden einer Erlaubniserteilung daher auch dann nicht entgegen, wenn sie sich in einem geringeren Abstand als 100 m zur Wettvermittlungsstelle befänden. Der vom Beklagten benannte Jugendtreff „W.“ der Ev. Kirchengemeinde R. werde – jedenfalls aufgrund des insoweit ungeklärten Sachverhalts – nicht vorwiegend von Kindern und Jugendlichen zwischen 12 und 18 Jahren aufgesucht. Zudem handele es sich vorliegend nicht um eine öffentliche Jugendeinrichtung. Sinnvoll abzugrenzen sei danach, ob eine Einrichtung oder Schule in öffentlicher oder privater Trägerschaft stehe. Eine kirchliche Einrichtung – wie hier – stehe gerade nicht in öffentlicher Trägerschaft. Kirchliche Einrichtungen stellten keine „öffentlichen Einrichtungen“ dar.
18Jedenfalls habe ungeachtet der vorstehenden Ausführungen eine Abweichung von den Mindestabstandsvorgaben des § 13 Abs. 13 Satz 2 AG GlüStV NRW nahegelegen. Das beklagte Land habe sich nicht mit der Frage eines milderen Mittels, etwa einer Anpassung der Außengestaltung und/oder der Öffnungszeiten, auseinandergesetzt. Der streitgegenständliche Ablehnungsbescheid erweise sich daher als ermessensfehlerhaft.
19Die Klägerin beantragt (schriftsätzlich),
20das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheids vom 7. Juni 2022 (Az.: 21.03.02- 063/20) zu verpflichten, die beantragte Erlaubnis zum Betreiben einer Wettvermittlungsstelle unter der Anschrift Z.-straße. N01, N02 R., zu erteilen,
21hilfsweise das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheids vom 7. Juni 2022 (Az.: 21.03.02-063/20) zu verpflichten, den Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zum Betreiben einer Wettvermittlungsstelle unter der Anschrift Z.-straße. N01, N02 R., unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden,
22die Festsetzung der Kosten für den Ablehnungsbescheid aufzuheben.
23Das beklagte Land beantragt (schriftsätzlich),
24die Klage abzuweisen.
25Die das Land vertretende Behörde trägt vor, einen Bestandsschutz bei Unterschreiten der Abstandsregelungen sehe das neue Gesetz mit Ausnahme der Regelung in § 13 Abs. 15 AG GlüStV NRW nicht vor. Angesichts der Gesetzeshistorie habe den Betreibern von – lediglich baurechtlich genehmigten – Wettbüros bewusst sein müssen, dass das von ihnen betriebene Gewerbe mittelfristig einem gesetzlichen Regelungsregime unterworfen würde. Die restriktive Zulassungsabsicht des Gesetzgebers sei von Anfang an erkennbar gewesen. Ein schutzwürdiges Vertrauen auf eine unveränderte Fortführung ihres Gewerbebetriebes auch in unmittelbarer Nähe von öffentlichen Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe habe auch angesichts des etwa in § 1 Nr. 3 GlüStV 2008 genannten Ziels der Gewährleistung des Jugend- und Spielerschutzes bereits nicht entstehen können.
26Etwas Anderes folge nicht daraus, dass Wettanbieter in der Vergangenheit bis Oktober 2020 tatsächlich keine Konzession hätten erlangen können. Hierdurch sei keinesfalls ein mit dem Schutzbedürfnis von Bestandsspielhallen vergleichbarer Vertrauenstatbestand geschaffen worden, sondern die absehbare Regulierung des Wettvermittlungsmarktes lediglich zu Gunsten der Wettvermittlungsbetreiber verzögert worden.
27Die in Rede stehenden Regelungen seien auch nicht unionsrechts- oder verfassungswidrig. Es sei geklärt, dass die unterschiedliche Regelung verschiedener Glücksspielformen zulässig sei, sofern eine angemessene Suchtprävention nicht außer Acht gelassen werde. Das Ziel einer Gewöhnungsvermeidung bei Kindern und Jugendlichen bleibe auch in Ansehung der von der Klägerin als „Konterkarierung“ genannten Umstände gerechtfertigt.
28Dass Kinder im Grundschulalter bereits als schützenswerte Gruppe im Sinne des § 13 Abs. 13 AG GlüStV NRW gelten, stehe außer Frage. Der Abstandsschutz solle der Spielsucht bei Minderjährigen in einem möglichst frühen Stadium durch Vermeidung einer Gewöhnung an das Vorhandensein von Glücksspieleinrichtungen entgegenwirken und daher seien auch Einrichtungen zu berücksichtigen, die z.B. von Kindern im Grundschulalter aufgesucht würden.
29Wegen der sonstigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
30Entscheidungsgründe:
31Das Gericht entscheidet gemäß § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) im schriftlichen Verfahren, nachdem die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben.
32Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Entscheidung unter Ziffer 1 des Ablehnungsbescheids des beklagten Landes vom 7. Juni 2022 ist in der Sache rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf die Verpflichtung des beklagten Landes, die beantragte Erlaubnis zum Betreiben einer Wettvermittlungsstelle unter der Anschrift S.-straße N01 in R. zu erteilen, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO, noch hat sie einen Anspruch auf Neubescheidung, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO (dazu unter I.). Die von der Klägerin angefochtene Kostenentscheidung unter Ziffer 2 des Bescheids des beklagten Landes vom 7. Juni 2022 verletzt die Klägerin ebenfalls nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO (dazu unter II.).
33I.
34Die Rechtsgrundlage für die Erteilung der Erlaubnis zum Betreiben einer Wettvermittlungsstelle beinhalten § 4 Abs. 1 S. 1, § 21a Abs. 1 S. 2, Abs. 5 des Staatsvertrages zur Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland (GlüStV 2021) und § 4 Abs. 1, § 13 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Ausführungsgesetz (AG) zum GlüStV NRW. Gemäß § 21a Abs. 1 S. 2 GlüStV 2021 bedarf die Vermittlung von Sportwetten in Wettvermittlungsstellen der Erlaubnis nach § 4 GlüStV 2021; das Nähere regeln gemäß § 21a Abs. 5 GlüStV 2021 die Länder. § 13 Abs. 1 S. 1 AG GlüStV NRW bestimmt insoweit, dass die Vermittlung von Sportwetten in einer stationären Vertriebsstätte der Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 GlüStV 2021 und den weiteren Vorschriften des Ausführungsgesetzes bedarf. Dabei kann der Antrag auf Erlaubnis zum Betreiben einer Wettvermittlungsstelle durch einen Vermittler gemäß § 13 Abs. 2 S. 2 AG GlüStV NRW nur durch den Veranstalter gestellt werden. Nach § 4 Abs. 1 S. 5 AG GlüStV NRW soll die Erlaubnis erteilt werden, wenn die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 AG GlüStV NRW erfüllt sind.
35Vorliegend hat die Bezirksregierung die Erteilung der Erlaubnis in nicht zu beanstandender Weise auf der Grundlage von § 13 Abs. 13 S. 2 AG GlüStV NRW abgelehnt. Nach § 13 Abs. 13 S. 2 AG GlüstV NRW sollen Wettvermittlungsstellen nicht in räumlicher Nähe zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe betrieben werden; dabei soll regelmäßig ein Mindestabstand von 350 Metern zu Grunde gelegt werden. Für Wettvermittlungsstellen, die am 22. Mai 2019 bestanden und zu diesem Zeitpunkt über eine bestandskräftige Baugenehmigung verfügt haben, wie die streitgegenständliche Wettvermittlungsstelle, gilt nach § 13 Abs. 15 AG GlüstV NRW davon abweichend ein Mindestabstand von 100 Metern.
36Auf einen über die gesetzliche Regelung in § 13 Abs. 15 AG GlüstV NRW hinausgehenden Bestandsschutz kann die Klägerin sich nicht berufen.
37Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat in seinem den Beteiligten bekannten Urteil vom 6. November 2024 - 4 A 2279/22 -, juris Rn. 124 ff., dazu ausgeführt:
38„Die Erstreckung der Mindestabstandsregelung auch auf bereits bestehende Wettvermittlungsstellen ist nach den oben aufgezeigten Maßstäben verhältnismäßig. Verfassungs- oder unionsrechtlich zwingende Gründe dafür, dem Vertrauensschutz von Altbetreibern von Wettvermittlungsstellen über die Bestandsschutzregelungen in § 13 Abs. 15 AG GlüStV NRW hinausgehend Raum zu verschaffen, bestehen angesichts des fehlenden schutzwürdigen Vertrauens von Wettvermittlungsstellenbetreibern hingegen nicht.
39Mit den Bestandsschutzregelungen in § 13 Abs. 14 AG GlüStV NRW in der Fassung vom 3.12.2019 und § 13 Abs. 15 AG GlüStV NRW in der gegenwärtigen Fassung vom 23.6.2021 hat der Gesetzgeber bereits Erwartungen von Betreibern, deren Wettvermittlungsstellen zum Stichtag über eine wirksame Baugenehmigung verfügt haben, unter Vertrauensschutzgesichtspunkten Rechnung getragen.
40Vgl. LT-Drs. 17/12978, S. 85 f., und LT-Drs. 17/6611, S. 38 f.
41Den Betreibern von auf der Grundlage von bestandskräftigen Baugenehmigungen entstandenen Wettvermittlungsstellen wurde seit dem 1.7.2021 auch in Bezug auf öffentliche Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe ein "Bestandsschutz" zugebilligt. Dies galt allerdings zur Wahrung des Regelungszwecks nicht für alle Wettvermittlungsstellen. Ungeachtet hierfür erteilter Baugenehmigungen sollten Wettvermittlungsstellen in unmittelbarer Nähe zu öffentlichen Schulen sowie Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen auch durch diese Übergangsregelung wirksam vermieden werden.
42Vgl. LT-Drs. 17/12978, S. 85 f.; OVG NRW, Beschluss vom 8.12.2023 - 4 B 511/22 -, juris, Rn. 30.
43Weitergehender Bestandsschutzregelungen bedurfte es hingegen nicht, weil den bisherigen Betreibern von Wettvermittlungsstellen bewusst sein musste, dass das von ihnen betriebene Gewerbe jedenfalls mittelfristig einem ihre Betätigung einschränkenden Regelungsregime unterworfen würde.“
44Diesen Ausführungen schließt sich die erkennende Kammer an. Spätestens seit der Einführung des Abstandsgebotes zu öffentlichen Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe durch § 22 Abs. 1 der Glücksspielverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen (GlüSpVO NRW) im Jahr 2013 (Artikel 1 der Verordnung zur Änderung der Glücksspiel-VO NRW vom 8. März 2013, GV.NRW Seite 137 ff.) und damit bereits vor Erteilung der Baugenehmigung vom 25. September 2014 für die streitgegenständliche Wettannahmestelle hätte auch der Klägerin bewusst sein müssen, dass der Gesetzgeber den Betrieb von Wettvermittlungsstellen in räumlicher Nähe zu den genannten Schulen und Einrichtungen einschränken wollte. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht daraus, dass diese Abstandsvorgabe nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts NRW den Veranstaltern und Vermittlern von Sportwetten nicht entgegengehalten werden konnte, weil sie nicht auf einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage beruhte.
45Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. März 2017 - 4 B 919/16 -, juris Rn. 29.
46Die restriktive Zulassungsabsicht des Gesetzgebers war von Anfang an erkennbar. Etwas anderes folgt ferner nicht daraus, dass Vermittlungserlaubnisse in Nordrhein-Westfalen bis Oktober 2020 weder mit Aussicht auf Erfolg beantragt noch erteilt werden konnten, weil die Wettveranstalter in der Vergangenheit aus tatsächlichen Gründen keine Konzessionen nach § 10a Abs. 2 GlüStV 2012 erlangen konnten. Die absehbare Regulierung des Wettvermittlungsmarktes wurde letztlich lediglich zu Gunsten der Wettvermittlungsbetreiber verzögert. Ein Vertrauenstatbestand wurde damit jedoch nicht geschaffen.
47So bereits OVG NRW, Beschluss vom 30. Juni 2022 - 4 B 1864/21 -, juris Rn. 102ff.
48Gemäß § 13 Abs. 13 S. 4 AG GlüStV NRW darf die Erlaubnisbehörde allerdings unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standortes im Einzelfall von der Maßgabe zum Mindestabstand abweichen. Der Behörde steht insoweit Ermessen zu. Dem Zweck der Ermächtigung im Sinne von § 40 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) NRW und § 114 VwGO entspricht es, wenn sich die Behörde bei ihrer Entscheidung von der gesetzgeberischen Grundentscheidung in § 13 Abs. 13 S. 2 AG GlüStV NRW leiten lässt und nur in atypischen Fällen, in denen dies unter Berücksichtigung örtlicher Besonderheiten nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip angezeigt ist, überhaupt eine Unterschreitung des Mindestabstands in Betracht zieht.
49Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. Juni 2022 - 4 B 1864/21 -, juris Rn. 107, und Urteil vom 6. November 2024 - 4 A 2279/22 -, juris Rn. 194.
50In entsprechender Anwendung des § 5 Abs. 3 Annahme- und Vermittlungsstellenverordnung (AnVerVO) NRW können dabei bauplanungsrechtliche Vorgaben der Standortgemeinden, städtebauliche Besonderheiten hinsichtlich des jeweiligen Standorts und der Lage – etwa Geländehindernisse wie Bahnlinien oder Flussläufe, die die fußläufige Erreichbarkeit atypisch erschweren – und der minimale Umfang einer Unterschreitung des Mindestabstandsgebots berücksichtigt werden.
51Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. Juni 2022 - 4 B 1864/21 -, juris Rn. 109 ff., und Urteil vom 6. November 2024 - 4 A 2279/22 -, juris Rn. 196; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 24. November 2023 - 6 L 689/23 -, juris Rn. 30 ff.
52Im Rahmen der Ermessensentscheidung sind aber auch die besonderen Anforderungen des Kinder- und Jugendschutzes, dem der Mindestabstand zu öffentlichen Schulen und zu Kinder- und Jugendeinrichtungen dient, zu berücksichtigen.
53Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. Juni 2022 - 4 B 1864/21 -, juris Rn. 111, unter Hinweis auf den Erlass des Innenministeriums NRW vom 14. September 2021 (13-38.07.03-2), S. 6 f., 16., sowie Urteil vom 6. November 2024 - 4 A 2279/22 -, juris Rn. 196.
54Gemessen an diesen Maßstäben weist die Entscheidung der Bezirksregierung keine Rechtsfehler auf.
55Bei dem in Rede stehenden Jugendtreff der Evangelischen Kirchengemeinde R. handelt es sich um eine Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe im Sinne von § 13 Abs. 13 S. 2 AG GlüStV NRW. Erfasst werden von dieser Vorschrift entsprechend dem Regelungszweck alle Einrichtungen (der Kinder- und Jugendhilfe), die regelmäßig von Kindern und Jugendlichen aufgesucht werden.
56Vgl. nur OVG NRW, Beschlüsse vom 30. Juni 2022 - 4 B 1864/21 -, juris Rn. 114 f., vom 27. September 2022 - 4 B 654/22 -, juris Rn. 15, und vom 8. Dezember 2023 - 4 B 511/22 -, juris Rn. 46, sowie im Zusammenhang mit Spielhallen Urteil vom 10. März 2021 - 4 A 3178/19 -, juris Rn. 109; s. auch VG Gelsenkirchen, Urteil vom 9. Juli 2024 - 6 K 1184/22 -, juris, und Beschluss vom 24. November 2023 - 6 L 689/23 -, juris Rn. 24, mit weiteren Nachweisen, sowie den Auslegungserlass des Innenministeriums vom 4. Mai 2023 (13-38.07.03-2), S. 15 f.
57Dies ist bei dem in Rede stehenden Jugendtreff „W.“ der Evangelischen Kirchengemeinde R. der Fall. Die Arbeitsgemeinschaft der evangelischen Jugend in Nordrhein-Westfalen, zu der die Evangelische Gemeindejugend Westfalen gehört, zu der wiederum alle Kirchenkreise und Gemeinden der Evangelischen Landeskirche von Westfalen gehören, ist eine anerkannte Trägerin der freien Jugendhilfe und nimmt entsprechende Aufgaben im Sinne von § 1 Abs. 3 und § 2 Sozialgesetzbuch – Achtes Buch (SGB VIII) wahr. Die von ihr angebotene offene Jugendarbeit richtet sich an Kinder ab 10 Jahren und die Einrichtung kann von Montag bis Mittwoch im Zeitraum von 14:00 Uhr bis 20:00 Uhr und Donnerstag von 13:00 Uhr bis 18:00 Uhr besucht werden, und zwar überwiegend selbständig.
58Vgl. das Informationsangebot im Internet, abrufbar unter https://www.evangelische-kirche-T..de/offene-jugendarbeit und unter dem Instagram-Profil „D.“ des Jugendtreffs „W.“, sowie (noch mit anderen Öffnungszeiten) Stadt R., Kommunaler Kinder- und Jugendförderplan 2021-2025, S. 64 f. (auf www.T..de).
59Entgegen der Auffassung der Klägerin spielt es insoweit keine Rolle, dass der Jugendtreff von der evangelischen Kirche betrieben wird. Denn unabhängig von der Frage, ob das Tatbestandsmerkmal „öffentlich“ in § 13 Abs. 13 S. 2 AG GlüStV NRW sich überhaupt auf die Variante „Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe“ bezieht,
60näher dazu VG Münster, Urteil vom 7. November 2023 - 9 K 2936/22 -, juris Rn. 390 ff.,
61liegt auf der Hand, dass es hier nicht auf die Trägerschaft, sondern auf die Zugänglichkeit der Einrichtung für die Öffentlichkeit ankommt.
62Angesichts dessen, dass sich das Angebot des Jugendtreffs erst an interessierte Kinder und Jugendliche ab zehn Jahren richtet, kann offenbleiben, ob von § 13 Abs. 13 S. 2 AG GlüStV NRW nur solche Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe erfasst werden, die sich an ältere Kinder richten, da für Kinder im Grundschulalter kein Gefährdungsrisiko gesehen werde, wie die Klägerin meint.
63Gleichwohl sei darauf hingewiesen, dass die erkennende Kammer eine einschränkende, die Grundschulen aus dem Anwendungsbereich herausnehmende Auslegung nicht für angezeigt hält. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat dazu ausgeführt:
64„Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe im Sinne dieser Vorschrift sind entsprechend dem Regelungszweck Einrichtungen, die regelmäßig von Kindern und Jugendlichen aufgesucht werden. Hierunter fallen insbesondere Schulen, die nicht ausschließlich der Erwachsenenbildung dienen, unabhängig von der jeweiligen Trägerschaft.
65Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30.6.2022 - 4 B 1864/21 -, juris, Rn. 114 f., unter Hinweis auf das Urteil des Senats vom 10.3.2021 - 4 A 3178/19 -, juris, Rn. 110; siehe auch Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen, Erlass vom 14.9.2021 - 13-38.07.03-2 -, S. 15.
66Es besteht kein Anlass, mit Blick auf Sinn und Zweck der Abstandsregelung zu öffentlichen Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe die Grundschule aufgrund ihrer besonderen Schülerstruktur vom Anwendungsbereich auszunehmen. Die Abstandsregelung bezweckt nicht ausschließlich, konkrete Gefährdungen durch den Konsum von Glücksspielen zu vermeiden. Sie soll auch helfen, einen Gewöhnungseffekt bei Kindern und Jugendlichen zu verhindern.
67Vgl. LT-Drs. 17/6611, S. 36.
68Ohne Erfolg macht die Antragstellerin insoweit mit Blick auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 24.10.2018 – 2 K 49/18.KO -, juris, Rn. 20, und den Abschlussbericht aus dem Jahr 2014 zur Studie ‚Konsum von Glücksspielen bei Kindern und Jugendlichen: Verbreitung und Prävention‘ geltend, die zu schützende Einrichtung müsse sich dadurch auszeichnen, dass sich in ihr tatsächlich Mitglieder der durch das Glücksspiel besonders gefährdeten und deshalb durch den Glücksspielstaatsvertrag 2021 besonders geschützten Zielgruppe von Kindern und Jugendlichen aufhielten. Die damalige vom VG Koblenz angewandte Norm des Landesrechts in Rheinland-Pfalz (§ 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LGlüG a. F.) hatte im Sinne einer Gefährdungsabwehr ausschließlich öffentliche oder private Einrichtungen, die überwiegend von Minderjähren besucht werden, in den Blick genommen. § 13 Abs. 13 AG GlüStV NRW bezieht hingegen öffentliche Schulen (in ihrer Gesamtheit) zur Vermeidung des Gewöhnungseffekts in den Schutzbereich ein. Die Gefahr eines derartigen Effekts wird von der seitens der Antragstellerin benannten Studie bestätigt. Dort wird im Zusammenhang mit der glücksspielbezogenen Werbung ausgeführt:
69‚Zwar ist die reine Bekanntheit eines Produkts noch kein hinreichender Indikator für die reale Nutzung desselben, jedoch zeigen Studien zum sog. Mere Exposure Effect (also der häufigen und wiederholten Darbietung ein und desselben Objekts), dass allein die Vertrautheit, die sich durch häufige Konfrontation mit einem Objekt aufbaut, zu einer positiveren Bewertung desselben führt‘ (S. 134 der Studie).
70In diesem Zusammenhang greifen auch die Einwände der Antragstellerin nicht durch, es seien keine Erkenntnisse über negative Auswirkungen auf Besucher der Grundschule vorhanden und in der Praxis erreichten die Schüler die Grundschule auch gar nicht selbständig. Abgesehen davon, inwieweit diese Darstellung die tatsächlichen Umstände, auch mit Blick auf den erwähnten Schutzzweck der Regelung, nach dem auch Gewöhnungseffekte vermieden werden sollen, zutreffend wiedergibt, gehört die Kenntnis der eigenen Lebenssituation auch im Umfeld von Wohnort und Schule jedenfalls zur Kompetenzerwartung am Ende des Besuchs der Grundschule.
71Vgl. Lehrpläne für die Primarstufe in Nordrhein-Westfalen, RdErl. d. Ministeriums für Schule und Bildung vom 1.7.2021, S. 190 (Räume nutzen und schützen), https://www.schulentwicklung.nrw.de/lehrplaene/upload/klp_PS/ps_lp_sammelband_2021_08_02.pdf.
72Ungeachtet dessen ändert selbst eine Begleitung von Schulkindern auf dem Weg zur Grundschule nichts an der Gefahr eines Gewöhnungseffekts durch eine in der Nähe der Schule befindliche Wettvermittlungsstelle.“
73S. OVG NRW, Beschluss vom 27. September 2022 - 4 B 654/22 -, juris Rn. 15 ff.; ebenso im Ergebnis VG Köln, Urteil vom 5. Oktober 2022 - 24 K 1472/21 -, juris Rn. 117 ff.; VG Düsseldorf, Urteil vom 13. Juni 2023 - 3 K 3201/21 -, juris Rn. 81 ff.; VG Münster, Urteil vom 7. November 2023 - 9 K 1979 -, n.v., UA, S. 76 f.; VG F., Urteil vom 21. Februar 2024 - 1 K 1809/22 -, n.v., UA S. 16 f.
74Diesen Ausführungen schließt die Kammer sich an. Angesichts des besonders hohen Rangs des Kinder- und Jugendschutzes und des Umstands, dass ein früher Erstkontakt mit Glücksspielen zu einem erhöhten Risiko für nachfolgende fehlangepasste Entwicklungsverläufe führt,
75so z.B. Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen u.a., Glücksspielatlas Deutschland 2023 – Zahlen, Daten, Fakten, abrufbar unter anderem auf www.dhs.de, S.72 f.,
76erscheint es ohne weiteres nachvollziehbar, Wettvermittlungsstellen aus der unmittelbaren Umgebung auch von Kindern im Grundschulalter fernzuhalten, um schon das Risiko, dass hier frühzeitig eine Gewöhnung stattfindet und gegebenenfalls ein Interesse geweckt wird, zu reduzieren.
77So bereits VG Gelsenkirchen, Urteil vom 9. Juli 2024 - 6 K 1938/22 -, juris Rn. 43 ff.; siehe jetzt auch OVG NRW, Urteil vom 6. November 2024 - 4 A 2279/22 -, juris Rn. 191.
78Die Behörde hat ferner erkannt, dass sie hinsichtlich des Mindestabstands zu öffentlichen Schulen und zu Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe eine die Umstände des Einzelfalls berücksichtigende Ermessensentscheidung zu treffen hat und dass der für Bestandsvermittlungsstellen geltende reduzierte Mindestabstand nach § 13 Abs. 15 S. 2 AG GlüStV NRW zur Anwendung kommt.
79Der Abstand zu dem in Rede stehenden Jugendtreff „W.“ unterschreitet diese Schwelle. Denn gemäß § 13 Abs. 13 S. 3 i.V.m. § 5 Abs. 6 S. 1 und 2 AG GlüStV NRW ist insoweit auf die „Luftlinie“ abzustellen und bei Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe für die Messung des Abstands zum Eingang der Wettvermittlungsstelle die Grenze des Grundstücks maßgeblich, auf dem sich die Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe befindet. Der Abstand von der Grenze des vorliegend maßgeblichen (Kirchen-)Grundstücks (Y.-straße 1/X.-straße 14 – 18) zum Eingang der geplanten Wettvermittlungsstelle beträgt rund 90 Meter, wie sich anhand von Messungen in der landeseigenen Datenbank „TIM-online“ feststellen lässt.
80Die Entscheidung der Bezirksregierung, die Unterschreitung des Mindestabstands vorliegend nicht gemäß § 13 Abs. 13 S. 4 AG GlüStV NRW hinzunehmen, lässt Ermessensfehler nicht erkennen. Die Behörde hat sich mit den örtlichen Verhältnissen im Umfeld der geplanten Wettvermittlungsstelle auseinandergesetzt und nachvollziehbar angenommen, dass besondere Umstände, die ausnahmsweise („im Einzelfall“) entgegen dem gesetzlichen Grundsatz die Zulassung eines geringeren Abstands rechtfertigen könnten, nicht gegeben sind. So gibt es keine natürlichen oder städtebaulichen Barrieren, welche das Kirchengrundstück von der Wettvermittlungsstelle abschirmen oder den Fußweg zwischen beiden Orten in außergewöhnlicher Weise verlängern. Dass der Mindestabstand im vorliegenden Fall um „nur“ rund 10 Meter unterschritten wird, legt für sich genommen keine Ausnahme nahe. Denn die gesetzliche Festlegung eines „regelmäßig“ zu wahrenden Mindestabstands von 100 Metern für bestandsgeschützte Wettvermittlungsstellen impliziert, dass nur bei Vorliegen besonderer Umstände, also in Ausnahmefällen, ein geringerer Abstand von der Behörde toleriert werden soll. Von besonderen Umständen kann angesichts der für einen Ortskern typischen örtlichen Verhältnisse vorliegend keine Rede sein.
81Soweit die Klägerin meint, die Bezirksregierung hätte anstelle einer Ablehnung die Erteilung der Erlaubnis unter Anordnung „zusätzlicher Vorkehrungen zur Vermeidung von Anreizwirkungen auf Kinder und Jugendliche“ erwägen müssen, wie sie in § 5 Abs. 5 S. 3 AG GlüStV NRW für in die Vertriebsorganisation des staatlichen Veranstalters eingegliederte Annahmestellen vorgesehen sind, vermag die Kammer ihr nicht zu folgen. Der Gesetzgeber hat die beiden Formen des Glücksspielangebots erkennbar unterschiedlich geregelt und in § 13 Abs. 13 S. 4 AG GlüStV für die Unterschreitung des Mindestabstands durch Wettvermittlungsstellen eine speziellere, die konkreten örtlichen Verhältnisse in den Mittelpunkt stellende Regelung statuiert.
82Vgl. VG Köln, Urteil vom 5. Oktober 2022 - 24 K 1472/21 -, juris Rn. 173 f.; VG Düsseldorf, Urteil vom 13. Juni 2023 - 3 K 3202/21 -, juris Rn. 103 ff.; VG Münster, Urteil vom 7. November 2023 - 9 K 1044/22 -, juris Rn. 418 ff.; siehe jetzt auch OVG NRW, Urteil vom 6. November 2024 - 4 A 2279/22 -, juris Rn. 202.
83Dies hindert die Behörde zwar nicht, bei Vorliegen entsprechender Besonderheiten des Standorts und seines Umfelds eine Erlaubnis trotz Unterschreitung des Mindestabstands unter Anordnung zusätzlicher Vorkehrungen zu erteilen. Wenn sie eine solche Entscheidung in Fällen, in denen keine örtlichen Besonderheiten bestehen, ablehnt, kann dies angesichts der gesetzlichen Vorgabe aber regelmäßig nicht als ermessensfehlerhaft betrachtet werden. Dass sich gerade im vorliegenden Fall die Anordnung besonderer Vorkehrungen als milderes Mittel aufdrängt, ist weder von der Klägerin aufgezeigt worden, noch ersichtlich.
84§ 13 Abs. 13 S. 2 AG GlüStV NRW und die angesprochenen ergänzenden Vorschriften zum Abstandsgebot verstoßen entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht gegen höherrangiges Recht. Dies gilt sowohl für das Unionsrecht als auch für das nationale Verfassungsrecht.
85Die Kammer schließt sich insoweit der einhelligen Rechtsprechung der nordrhein-westfälischen Verwaltungsgerichte an. Sie sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Begründung ab und macht sich namentlich die entsprechenden Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land NRW in dessen den Beteiligten bekanntem Urteil vom 6. November 2024 - 4 A 2279/22 -, juris Rn. 52 ff., zu eigen.
86Ebenso bereits zuvor VG Gelsenkirchen, Urteile vom 9. Juli 2024 – 6 K 1184/22 – und 6 K 1938/22 -, jeweils juris; VG Köln, Urteil vom 5. Oktober 2022 - 24 K 1472/21 -, juris Rn. 175 ff.; VG Minden, Urteil vom 16. Februar 2023 - 3 K 990/22 -, juris Rn. 18 ff.; VG Düsseldorf, Urteil vom 13. Juni 2023 - 3 K 3201/21 -, juris Rn. 109 ff.; VG Münster, Urteil vom 7. November 2023 - 9 K 1044/22 -, juris Rn. 102 ff.; VG F., Urteil vom 21. Februar 2024 - 1 K 1809/22 -, n.v., UA S. 14 ff., sowie (im Eilverfahren) OVG NRW, Beschlüsse vom 30. Juni 2022 - 4 B 1864/21 -, juris Rn. 66 ff., und vom 8. Dezember 2023 - 4 B 511/22 -, juris Rn. 15 ff.
87Mit dem hilfsantraglich verfolgten Begehren auf Neubescheidung hat die Klage ebenfalls keinen Erfolg, da die Bezirksregierung den Antrag auf Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis für die streitgegenständliche Wettvermittlungsstelle – wie aufgezeigt – ermessensfehlerfrei abgelehnt hat.
88II.
89Die Kostenentscheidung unter Ziffer 2 des Ablehnungsbescheides der Bezirksregierung F. vom 10. Mai 2022 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
90Die Kostenentscheidung findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 1, 3, 9 und 13 des Gebührengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (GebG NRW). Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 GebG NRW ist zur Zahlung der Kosten verpflichtet, wer die Amtshandlung zurechenbar verursacht oder zu wessen Gunsten sie vorgenommen wird. Kommen danach mehrere Kostenschuldner in Betracht, sind diese gemäß § 13 Abs. 2 GebG NRW als Gesamtschuldner zu betrachten. Vorliegend kommen als Kostenschuldnerin sowohl die Wettvermittlerin in Betracht, zu deren Gunsten die Amtshandlung vorgenommen wurde, als auch die Klägerin als Veranstalterin, die die Amtshandlung durch ihre Antragstellung zurechenbar verursacht hat und zu deren Gunsten sie ebenfalls vorgenommen wurde. In dieser Situation, in der mehrere Personen als Gebührenschuldner in Betracht kommen, bedarf es einer ermessensgerechten Auswahlentscheidung zwischen diesen nach § 13 Abs. 2 GebG NRW.
91Vgl. OVG NRW, Urteil vom 14. Februar 2017 - 9 A 2655/13 -, juris Rn. 134.
92Diese Auswahlentscheidung hat die Bezirksregierung in nicht zu beanstandender Weise in dem angefochtenen Bescheid getroffen. Sie hat das ihr eingeräumte Auswahlermessen erkannt und pflichtgemäß ausgeübt. Sie ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin und die Vermittlerin nach § 13 Abs. 2 GebG NRW Gesamtschuldnerinnen sind und zur Begründung der Inanspruchnahme der Klägerin als Veranstalterin maßgeblich auf ihre Stellung als gesetzlich vorgesehene Antragstellerin und die Sicherstellung einer erfolgreichen und verfahrensvereinfachenden einheitlichen Zahlungsabwicklung abgestellt. Die Auswahlentscheidung dient der Verfolgung des legitimen Ziels, mit möglichst geringem Verwaltungsaufwand möglichst effektiv die Verwaltungsgebühren bei einem möglichst solventen Schuldner eintreiben zu können und ist daher nicht zu beanstanden.
93III.
94Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
95Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung.
96Rechtsmittelbelehrung:
97Innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils kann bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen schriftlich beantragt werden, dass das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster die Berufung zulässt. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
98Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster schriftlich einzureichen.
99Der Antrag ist zu stellen und zu begründen durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, oder eine diesen gleichgestellte Person als Bevollmächtigten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Auf die besonderen Regelungen in § 67 Abs. 4 Sätze 7 und 8 VwGO wird hingewiesen.