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Leistungen im Rahmen der Überbrückungshilfe IV kann nur erhalten, wer Umsatzeinbußen erlitten hat, die direkte Folge staatlicher Pandemiebekämpfungsmaßnahmen sind. Darunter fallen insbesondere staatliche Schließungsanordnungen.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
2Die Klägerin betreibt ein Hotel in E. .
3Am 20. Mai 2022 stellte sie einen Antrag auf Überbrückungshilfe IV in Höhe von 40.629,39 Euro für den Förderzeitraum Januar bis Juni 2022. Sie gab hierzu über den von ihr beauftragten prüfenden Dritten u. a. die von dem beklagten Land eingeforderte vorformulierte Bestätigung ab, im Jahr 2020 einen Jahresumsatz von nicht mehr als 750,- Mio. Euro gehabt zu haben bzw. zu einer der direkt von Schließungsanordnungen betroffenen Branchen zu gehören oder ein Unternehmen der Pyrotechnikbranche, des Großhandels und der Reisebranche zu sein. Außerdem erklärte sie, dass der Hotelbetrieb nach Ende der staatlichen Einschränkungen aktuell nicht mehr von staatlichen Einschränkungen betroffen sei.
4Mit Bescheid vom 16. Juni 2022 gewährte die Bezirksregierung der Klägerin die begehrte Überbrückungshilfe IV dem Grunde nach. Der Bescheid war mit folgenden Hinweisen versehen: Er diene allein der Fristwahrung. Er stehe unter dem Vorbehalt der vollständigen Prüfung der Antragsberechtigung und Berechnung der Anspruchshöhe. Das Ergebnis dieser Prüfung könne auch sein, dass der Anspruch entfalle. Insofern bestehe kein Vertrauensschutz, Überbrückungshilfe IV endgültig zu erhalten.
5Ab dem 16. August 2022 bat die Bezirksregierung den prüfenden Dritten um Erläuterung der Corona-Bedingtheit des Umsatzeinbruchs im Förderzeitraum, besonders im zweiten Quartal nach Wegfall der Beschränkungen. Der prüfende Dritte führte daraufhin am 24. September 2022 im Wesentlichen aus: Das von der Klägerin betriebene Hotel befinde sich im Stadtzentrum von E. und sei vor der Pandemie gut besucht gewesen. Die Gäste seien zum Großteil Geschäftskunden (Messebesucher, Montagearbeiter, allgemeine Geschäftsreisende) gewesen. Durch die Corona-Pandemie habe sich das Verhalten von Unternehmen von persönlichen Meetings hin zu Online-Konferenzen gewandelt. Messebesuche würden scheinbar ebenso zurückgefahren wie auch die Versendung von Montagearbeitern. Aus Sicht der Klägerin seien für die Umsatzrückgänge keine anderen Ursachen als eine durch Corona bedingte Verhaltensänderung der Unternehmen anzunehmen. Eine Umstellung auf private Gäste würde sich wegen der eher für Geschäftskunden passenden Lage schwierig gestalten.
6Mit Bescheid vom 1. Dezember 2022 bewilligte die Bezirksregierung B. der Klägerin eine Überbrückungshilfe IV in Höhe von 26.049,39 Euro und lehnte den Antrag im Übrigen ab. Die Bestimmungen des Bescheids vom 16. Juni 2022 wurden vollständig durch den Ablehnungsbescheid ersetzt. Zur Begründung führte die Bezirksregierung aus: Ausweislich der vorliegenden Unterlagen seien die Umsatzrückgänge in den Monaten April und Mai 2022 in Bezug auf einen Corona-bedingten Umsatzrückgang nicht plausibel dargestellt worden. Der Bewilligungsbetrag sei daher um 14.580 Euro reduziert worden. Gründe, die eine Abweichung von der regelmäßigen Entscheidungspraxis begründen würden, seien nicht ersichtlich.
7Die Klägerin hat am 30. Dezember 2022 Klage erhoben.
8Sie trägt neben der Wiederholung ihres Vorbringens im Verwaltungsverfahren vor: Die Rückgänge in den Monaten April und Mai 2022 seien genauso coronabedingt wie die Rückgänge zuvor. Auch im April und Mai 2022 sei die (begründete) Furcht vor Ansteckungen noch sehr weit verbreitet gewesen war. Deshalb seien auch zuvor die Buchungen abgesagt worden. Insoweit habe es nur Corona als Grund für den Ausfall der Buchungen im Hotelgewerbe und so auch bei der Klägerin gegeben. Nach Wegfall der Corona-Beschränkungen sei es wieder zu verbesserten Umsätzen im Betrieb der Klägerin gekommen. Zuvor hätten die Corona-Bekämpfungsmaßnahmen dazu geführt, dass die früheren Stammgäste und andere Reisende von Reisen abgesehen hätten, weshalb es zu dem Rückgang an Buchungen und Nutzung der Hotelkapazitäten bei der Klägerin gekommen sei.
9Die Klägerin beantragt,
10den Bescheid über Billigkeitsleistungen der Bezirksregierung B. vom 1. Dezember 2022 dahingehend abzuändern, als der Klägerin die Billigkeitsleistungen für die Monate April und Mai 2022 verweigert wurden und die Beklagte zu verpflichten, einen neuen Bescheid für die Billigkeitsleistung bezüglich der Monate April und Mai 2022 entsprechend der Rechtsauffassung des Gerichtes zu erlassen.
11Das beklagte Land beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Es trägt vor: Die Klägerin sei für die Monate April bis Juni 2022 nicht antragsberechtigt. Maßgeblich sei insoweit allein die tatsächliche Verwaltungspraxis. Für eine Antragsberechtigung sei danach eine ausschließliche Coronabedingtheit notwendig. Denn nach der Verwaltungspraxis des Beklagten liege eine Pandemiebedingtheit nur vor, wenn die Umsatzeinbuße direkt auf eine staatliche Pandemiebekämpfungsmaßnahme zurückzuführen sei. Unstreitig hätten ab April 2022 keine die Klägerin treffenden staatlichen Pandemiebekämpfungsmaßnahmen bestanden. Dies habe auch die Klägerin nicht behauptet. Sie habe als Grund für den Umsatzrückgang auf eine geringere Nachfrage von Vereinen und Firmen verwiesen. Ein Umsatzwegfall aufgrund weniger Dienstreisen und des Gebrauchs von Onlinealternativen sei aber keine ausschließliche Coronafolge. Auch beruhe eine Angst der Kunden vor Ansteckung und der daraus resultierenden Einschränkung von Dienstreisen gerade nicht auf einer Maßnahme des Bundes oder der Länder zur Eindämmung der Coronapandemie.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs verwiesen.
15Entscheidungsgründe
16Die Entscheidung ergeht aufgrund des Übertragungsbeschlusses der Kammer durch den Einzelrichter (§ 6 Abs. 1 VwGO).
17Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die in dem Bescheid vom 1. Dezember 2022 ausgesprochene Teilablehnung der beantragten Überbrückungshilfe IV ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
18Der Beklagte gewährt auf der Grundlage von § 53 der Landeshaushaltsordnung in Verbindung mit der vorbezeichneten Richtlinie aufgrund pflichtgemäßen Ermessens im Rahmen verfügbarer Haushaltsmittel eine Überbrückungshilfe in Form einer Billigkeitsleistung. Bei der genannten Förderrichtlinie handelt es sich nicht um eine gesetzliche Regelung, sondern um eine Verwaltungsvorschrift. Als solche ist sie grundsätzlich dazu bestimmt, für die Verteilung von Fördermitteln Maßstäbe zu setzen und regelt insoweit das Ermessen der letztlich für die Verteilung der jeweiligen Leistungen bestimmten Stellen. Verwaltungsvorschriften begründen nicht wie Gesetzesvorschriften bereits durch ihr Vorhandensein subjektive Rechte. Sie unterliegen daher auch keiner eigenständigen richterlichen Auslegung wie Rechtsnormen.
19Vgl. BVerwG, Urteile vom 8. April 1997 – 3 C 6.95 – und vom 2. Februar 1995 – 2 C 19.94 –; NdsOVG, Urteil vom 23. Januar 2014 – 8 LA 144/13 –, jeweils juris.
20Als Anspruchsgrundlage kommt vor diesem Hintergrund nur Art. 3 Abs. 1 GG in Betracht. In diesem Rahmen können Verwaltungsvorschriften über die ihnen zunächst nur innewohnende interne Bindung hinaus anspruchsbegründende Außenwirkung im Verhältnis zum Bürger begründen, soweit sie eine etablierte Verwaltungspraxis begründen. Jeder Leistungsbewerber hat dann einen Anspruch darauf, entsprechend dieser Verwaltungspraxis mit anderen Leistungsbewerbern in gleich gelagerten Fällen gleich behandelt zu werden. Entscheidend ist dabei allein, wie die zuständigen Behörden die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt haben und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebunden sind.
21Vgl. BVerwG, Urteile vom 8. April 1997 – 3 C 6.95 – und vom 23. April 2003 – 3 C 25.02 –, juris.
22Das gilt selbst dann, wenn die Förderpraxis von den Förderrichtlinien abweicht.
23Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. April 2012 – 8 C 18.11 –, juris.
24Darüber hinaus kann eine Abweichung von der ständigen Verwaltungspraxis lediglich in Fällen zu beanspruchen sein, in denen diese Praxis gegen das Willkürverbot verstößt.
25Hieran gemessen kann die Klägerin die begehrte Überbrückungshilfe in dem Umfang ihrer Ablehnung durch die Bezirksregierung nicht beanspruchen; der Beklagte hat deren Gewährung ermessensfehlerfrei abgelehnt.
26Der Beklagte gewährt im Wege der ständigen Verwaltungspraxis Leistungen im Rahmen der Überbrückungshilfe IV nur, wenn der jeweilige Antragsteller Umsatzeinbußen erlitten hat, die direkte Folge staatlicher Pandemiebekämpfungsmaßnahmen sind. Die Umsatzeinbußen der Klägerin gehen aber nicht direkt auf staatliche Pandemiebekämpfungsmaßnahmen zurück. Die Klägerin hat selbst als Ursache für die Rückgänge die Angst der Gäste vor Ansteckung und das geänderte Verhalten von Unternehmen (Wechsel von persönlichen Meetings hin zu Online-Konferenzen) benannt. Messebesuche würden ihrer Ansicht nach scheinbar ebenso zurückgefahren wie auch die Versendung von Montagearbeitern. Die von der Klägerin genannten Umstände mögen zwar Folge der Corona-Pandemie sein, stellen aber keine direkte Folge einer gegen die Klägerin gerichteten staatlichen Maßnahme dar, sondern verdeutlichen lediglich die allgemeine Vorsicht und Verunsicherung angesichts der auch im zweiten Quartal 2022 noch vorhanden gewesenen pandemischen Lage. Allein diese kausale Verbindung reicht nach den dargelegten Maßstäben für eine „Corona-Bedingtheit“ im Sinne der maßgeblichen Verwaltungspraxis des Beklagten aber nicht aus.
27Unabhängig von den von der Klägerin benannten Ursachen war der Hotelbetrieb der Klägerin in dem gegenständlichen Zeitraum des zweiten Quartals 2022 auch tatsächlich nicht (mehr) von staatlichen Pandemiebekämpfungsmaßnahmen, insbesondere staatlichen Schließungsanordnungen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie („Lockdown“) – siehe dazu Ziffern 3. (3a) und 5. (1b) der Richtlinien des Beklagten zur fortgesetzten Gewährung von Überbrückungshilfe für kleine und mittelständische Unternehmen 2022 („Überbrückungshilfe IV NRW“ – Runderlass des MWIDE vom 14. März 2022, aktualisierte Fassung vom 24. März 2022) – betroffen.
28Eine weitergehende als die von der Beklagten dargelegte ständige Verwaltungspraxis ist von der Klägerin nicht aufgezeigt worden und auch sonst nicht ersichtlich. Ziffer 1.1 der FAQs zur „Corona-Überbrückungshilfe IV“ (abrufbar unter https://www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de/DE/FAQ/Ubh-IV/ueberbrueckungshilfe-iv.html) bietet schon deswegen keinen Anhalt für eine großzügigere Verwaltungspraxis, weil die Antragsberechtigung danach ebenfalls voraussetzt, dass die geltend gemachten Umsatzeinbußen „coronabedingt“ sind. Ziffer 1.2 der genannten Richtlinie erläutert – einhergehend mit der ständigen Verwaltungspraxis des Beklagten –, dass der Nachweis des Antragstellers, individuell von einem coronabedingten Umsatzeinbruch betroffen zu sein, zum Beispiel dadurch geführt werden könne, dass der Antragsteller in einer Branche tätig sei, die von staatlichen Schließungsanordnungen betroffen sei. Die Klägerin war aber, wie ausgeführt, in dem betreffenden Zeitraum des zweiten Quartals 2022 gerade nicht (mehr) von staatlichen Schließungsanordnungen betroffen.
29Gegen die Verwaltungspraxis des Beklagten ist nach Maßgabe höherrangigen Rechts nichts zu erinnern. Es stand dem Beklagten frei, eine Förderung nicht allgemein an wirtschaftliche Einbußen durch die Pandemie, sondern enger an Einbußen als direkte Folge staatlicher Maßnahmen zu knüpfen, um für von diesen Betroffene einen Ausgleich zu schaffen. Die Unmittelbarkeit des Zusammenhangs zwischen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung und den finanziellen Belastungen des Antragstellers ist kein willkürliches, sondern ein sachlich nachvollziehbares Förderkriterium.
30Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. Dezember 2023 – 4 B 455/23 –, juris.
31Europarechtliche Vorschriften, die der Beschränkung der Überbrückungshilfe auf direkt von staatlichen Pandemiebekämpungsmaßnahmen betroffene Unternehmen entgegenstehen, gibt es nicht. Insbesondere hat die Europäische Kommission keine entgegenstehenden Vorgaben gemacht.
32Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
33Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 709 S. 1 ZPO.
34Rechtsmittelbelehrung
35Innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils kann bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen schriftlich beantragt werden, dass das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster die Berufung zulässt. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
36Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster schriftlich einzureichen.
37Der Antrag ist zu stellen und zu begründen durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, oder eine diesen gleichgestellte Person als Bevollmächtigten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Auf die besonderen Regelungen in § 67 Abs. 4 Sätze 7 und 8 VwGO wird hingewiesen.