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Kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG für einen alleinstehenden, volljährigen, männlichen Yeziden aus dem Sindjar (Irak) mit familiärer Unterstützungsmöglichkeit bei Rückkehr in den Irak (Stand Januar 2025).
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
2Der ausweislich seiner irakischen Ausweisdokumente am °°. Q. 2001 in Sinjar (Provinz Ninive) im Irak geborene, ledige Kläger ist irakischer Staatsangehöriger sowie kurdischer Volks- und yezidischer Religionszugehörigkeit. Er spricht kurdisch-kurmanci und arabisch.
3Den Irak hat er nach eigenen Angaben am 29. August 2022 in Richtung Türkei verlassen und ist von dort nach Griechenland gereist, wo er sich ab dem 3. September 2022 aufhielt. Am 6. Oktober 2022 erkannten die griechischen Behörden ihm die Flüchtlingseigenschaft zu. Am 1. Februar 2023 reiste er aus Griechenland mit dem Flugzeug in die Bundesrepublik Deutschland (Düsseldorf) ein. Seinen Asylantrag nahm das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend: Bundesamt) am 16. März 2023 entgegen.
4Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 17. März 2023 gab er an, sein Ziel sei von Anfang an Deutschland gewesen. In Griechenland habe er nach Anerkennung als Flüchtling die Unterkunft verlassen müssen und keine Leistungen mehr erhalten. Für seinen Lebensunterhalt in Griechenland habe er Geld von zu Hause bekommen, circa 1.500 Dollar. Nur anfangs habe er Essen vom griechischen Staat bekommen. Er sei nicht freiwillig in Griechenland geblieben, sondern bei der Durchreise erwischt worden. Er habe die Fingerabdrücke abgeben müssen. Als Yezide fühle er sich in Deutschland sicher. Als Yeziden wollten sie sich in einem Land versammeln, Deutschland habe ihnen am meisten geholfen. Seine Ausreise mit einem Schleuser habe 6.000 Euro gekostet. Dafür habe sein Vater dessen Auto verkauft. Der Familie gehe es nicht gut. Sie lebe im Dorf J. Im Irak lebten noch sechs Brüder, drei Schwestern und seine Großfamilie. Er habe Abitur gemacht und danach ein Jahr eine Ausbildung zum Buchhalter begonnen. Wegen Gebühren habe sie nicht beenden können. Gelegentlich habe er auf Baustellen gearbeitet. Zu seinen Ausreisegründen trug er vor, persönlich sei ihm nichts zugestoßen. Im Jahr 2007 habe es eine Explosion gegeben. Er habe gehofft, dass sich die Lage mit der Zeit verbessere. Doch im Jahr 2014 habe der IS angegriffen. Deshalb hätten sie fliehen müssen. Sie hätten in einem Rohbau gewohnt, den sie im Jahr 2022 hätten verlassen müssen. Sie hätten nicht in ihre Heimat zurückgehen können. Die Sicherheitslage dort sei sehr gefährlich. Sie hätten an einem anderen Ort ein Zelt aufbauen und dort leben müssen. Der Shingal sei immer noch nicht sicher. Dort werde weiterhin gekämpft. Dort seien mehr als sechs politische Parteien, die gegeneinander kämpften. Sein Heimatort werde ständig von der Türkei bombardiert. In seinem eigenen Land habe er als Flüchtling leben müssen, es gebe keine Arbeit. Der gesamte Irak sei für Yeziden nicht sicher. Auch in Kurdistan fühlten Yeziden sich nicht sicher.
5Die Ablehnung seines Asylantrags als unzulässig durch Bescheid vom 15. Mai 2023 (°°°°°°°°°°°) hatte das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen durch Urteil vom 23. Juni 2023 – 18a K 2257/23.A – aufgehoben.
6Das Bundesamt erkannte durch Bescheid vom 14. September 2023 (°°°°°°°°°°) dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zu (Ziff. 1), lehnte seinen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter ab (Ziff. 2), erkannte ihm den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Ziff. 3), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorlägen (Ziff. 4), forderte ihn auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe des Bescheides bzw. rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen, drohte ihm für den fruchtlosen Fristablauf die Abschiebung in den Irak oder einen anderen aufnahmebereiten oder -verpflichteten Staat an (Ziff. 5) und befristete das Einreiseverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziff. 6). Zur Begründung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter lägen nicht vor. Er habe den Irak nicht vorverfolgt verlassen, eine Gruppenverfolgung sei gegenwärtig nicht festzustellen. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen nicht vor. Dem Kläger drohe nicht die Vollstreckung oder Verhängung der Todesstrafe. Nicht ersichtlich sei, dass ein ernsthafter Schaden durch Folter oder durch eine erniedrigende Behandlung nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG eintrete. Weiterhin liege kein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG im Dorf Rekawa in der Provinz Dohuk vor, wo der Antragsteller sich zuletzt aufgehalten habe. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Auch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Klägers sei eine Verletzung des Art. 3 EMRK durch seine Abschiebung in den Irak nicht beachtlich wahrscheinlich. Die derzeitigen humanitären Bedingungen im Irak führten nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Er sei bei einer Rückkehr in den Irak nicht von Extremgefahren bedroht, insbesondere nicht von solchen, die auf den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in seinem Herkunftsland beruhten. Er sei ein junger, gesunder Mann. Zudem verfüge er mit drei Brüdern, drei Schwestern und seiner Großfamilie über ein breites soziales Netzwerk im Irak. Weiterhin habe er seine schulische Ausbildung mit dem Abitur abgeschlossen und gelegentlich auf Baustellen gearbeitet. Auch wenn er erklärt habe, sowohl seine finanzielle Situation als auch die seiner Familie im Irak seien nicht gut, so müsse doch bedacht werden, dass die Familie durch den Verkauf des Autos in der Lage gewesen sei 6.000 € für die Ausreise nach Deutschland aufzubringen. Unter Berücksichtigung aller genannten Faktoren sei daher davon auszugehen, dass er bei einer Rückkehr in den Irak zumindest in der Lage sein würde, sein Auskommen auf dem Niveau des ortsüblichen Existenzminimums sicherzustellen. Ebenso drohe keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG führe. Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG zu erlassen. Im Falle des Klägers lägen keine überwiegend schutzwürdigen kindlichen Belange vor, die seiner künftigen Abschiebung entgegenstehen könnten. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot werde gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und nach § 11 Abs. 2 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Für die weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des Bescheides (Beiakte Heft 1, Bl. 345-357) Bezug genommen.
7Hiergegen hat der Kläger am 27. September 2023 die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung hat sein Prozessbevollmächtigte auf den Vortrag des Klägers im Vorverfahren und auf den Akteninhalt verwiesen.
8Der Kläger beantragt,
9die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 14. September 2023 (°°°°°°°-°°°) zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und 4 AsylG zuzuerkennen,
10hilfsweise ihm den subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen
11und weiter hilfsweise, Abschiebungsverbote in seiner Person hinsichtlich Irak nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG festzustellen.
12Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
13die Klage abzuweisen.
14Zur Begründung bezieht sie sich auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides.
15Die Kammer hat den Rechtsstreit durch Beschluss vom 21. Dezember 2023 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Das Verfahren war durch Beschluss vom 16. Januar 2024 bis zum Abschluss des Verfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof C-753/22 auf den Vorlagebeschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. September 2022 – 1 C 26.21 – ausgesetzt und wurde durch Beschluss vom 19. Juli 2024 fortgesetzt.
16Mit Aufklärungsverfügung vom 19. Juli 2024 hat das Gericht der Beklagten aufgegeben, bei den griechischen Behörden den Status des dem Kläger dort gewährten internationalen Schutzes abzufragen, eine Abschrift der Entscheidung vom 6. Oktober 2022 aus Griechenland und der dortigen Anhörung anzufordern sowie dies übersetzt binnen zweier weiterer Monate zur Gerichtsakte zu übersenden. Mit Schriftsatz vom 9. September 2024 hat die Beklagte mitgeteilt, sie habe ein Informationsersuchen an den schutzgewährenden Mitgliedstaat Griechenland gerichtet, um die Entscheidung und die Anhaltspunkte, auf denen diese Entscheidung beruht, in Erfahrung zu bringen. Dem Mitgliedstaat sei eine Frist von fünf Wochen für die Übermittlung der angeforderten Informationen bzw. Unterlagen gesetzt worden. Für die Einzelheiten wird auf Bl. 65 f. der Gerichtsakte Bezug genommen.
17Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung zu seinem Vorbringen informatorisch angehört worden. Für die Einzelheiten wird auf die Niederschrift Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Bundesamtes Bezug genommen.
18Entscheidungsgründe
19Die Entscheidung ergeht gemäß § 76 Abs. 1 des Asylgesetzes (AsylG) durch den Einzelrichter. Das Gericht konnte in Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten entscheiden, weil diese gemäß § 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in der ordnungsgemäßen Ladung darauf hingewiesen wurde, das beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
20I. Der Bescheid des Bundesamtes vom 14. September 2023 ist, soweit er zur gerichtlichen Überprüfung gestellt war, rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die begehrten Ansprüche stehen ihm nicht zu.
21Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens ist das Asylgesetz in seiner aktuellen Fassung (derzeit: in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008, BGBl. I S. 1798, zuletzt geändert durch den am 31. Oktober 2024 in Kraft getretenen Artikel 2 des Gesetzes zur Verbesserung der inneren Sicherheit und des Asylsystems vom 25. Oktober 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 332). Im Rahmen der asylrechtlichen Streitigkeit hat das Tatsachengericht nach § 77 Abs. 1 AsylG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen.
221. Er hat keinen Anspruch auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und 4 AsylG.
23Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Weitere Einzelheiten zum Begriff der Verfolgung, den maßgeblichen Verfolgungsgründen sowie zu den in Betracht kommenden Verfolgungs- und Schutzakteuren regeln die §§ 3a - 3d AsylG in Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU.
241.1. Das Gericht kann vorliegend, wenngleich die griechischen Behörden im Vorfeld internationalen Schutz zuerkannt hatten, auf der Grundlage einer selbstständigen Prüfung, anhand genauer und aktueller Informationen aufgrund aller mit dem Herkunftsland der Klägerseite verbundene und zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Klage relevante Tatsachen, der maßgeblichen Angaben der Klägerseite, die von ihr vorgelegten Unterlagen sowie ihrer individuellen Lage und persönlichen Umstände (Art. 10 Abs. 3, Art. 33 Abs. 2 der Richtlinie 2013/32/EU i.V.m. Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2011/95/EU),
25vgl. EuGH, Urteil vom 18. Juni 2024 – C 753/22 –, ECLI:EU:C:2024:524, curia.europa.eu, Rn. 72 f.,
26keine Überzeugung (§ 108 Abs. 1 VwGO) für eine Verfolgung des Klägers im Irak gewinnen.
27Eine automatische Anerkennung von Zuerkennungsentscheidungen anderer Mitgliedstaaten, wie sie unionsrechtlich zulässig von Mitgliedstaaten vorgesehen werden kann, ist in der Bundesrepublik Deutschland gegenwärtig nicht vorgesehen.
28Vgl. EuGH, Urteil vom 18. Juni 2024 – C 753/22 –, ECLI:EU:C:2024:524, curia.europa.eu, Rn. 69.
29Vor dem Bundesamt hat der Kläger ausdrücklich angegeben, ihm persönlich sei nichts passiert. Sein in der mündlichen Verhandlung erfolgter Vortrag, er habe sich der PKK angeschlossen und befürchte bei Rückkehr in den Irak, wieder eine Waffe tragen und für die PKK kämpfen zu müssen, lag der griechischen Entscheidung nicht zugrunde. Er hat dies nach seinen Worten in der mündlichen Verhandlung das erste Mal berichtet. Die seit Juli 2024 durch das Bundesamt bei den griechischen Behörden angefragten und bis zum Termin der mündlichen Verhandlung ausgebliebenen griechischen Verfahrensunterlagen (Anhörung und Bescheid) können sich daher nicht zu diesem nachträglichen individuellen Vorbringen verhalten.
30Das Gericht braucht nicht länger den Eingang der vor fünf Monaten angefragten Unterlagen abzuwarten. Dies widerspräche der unionsrechtlichen Verfahrensmaxime, unverzüglich über Anträge auf internationalen Schutz zu entscheiden. Nach dem 18. Erwägungsrund der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes liegt es im Interesse sowohl der Mitgliedstaaten als auch der Personen, die internationalen Schutz beantragen, dass über die Anträge auf internationalen Schutz so rasch wie möglich, unbeschadet der Durchführung einer angemessenen und vollständigen Prüfung der Anträge, entschieden wird. Dem folgend stellen die Mitgliedstaaten nach Art. 31 Abs. 2 der Richtlinie 2013/32/EU sicher, dass das Prüfungsverfahren unbeschadet einer angemessenen und vollständigen Prüfung so rasch wie möglich zum Abschluss gebracht wird. Zeitlich nicht absehbare Verzögerungen durch ein nicht näher substantiiertes Ausbleiben von in einem anderen Mitgliedstaat angefragten Unterlagen wären damit nicht überein zu bringen. In diesem Licht sind die Maßgaben des Europäischen Gerichtshofs für die mit dem erneuten Antrag befasste Behörde zu sehen, einen Informationsaustausch mit der Behörde, die zuvor die Zuerkennung ausgesprochen hat, „unverzüglich“, einzuleiten.
31Vgl. EuGH, Urteil vom 18. Juni 2024 – C 753/22 –, ECLI:EU:C:2024:524, curia.europa.eu, Rn. 78, („[…] as soon as possible […]“, „[…] dans les meilleurs délais […]“.
32Dies berücksichtigend kann das Gericht im gegenwärtig maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage aufgrund der nachstehenden Erwägungen keine Überzeugung (§ 108 Abs. 1 VwGO) von einer Verfolgung des Klägers im Rückkehrfall gewinnen.
331.2. Eine selbst erlebte oder beachtlich wahrscheinlich zu erwartende individuelle Verfolgung hat der Kläger nicht geschildert. Vor dem Bundesamt hat er angegeben, ihm sei persönlich nichts passiert. In der Klageerhebung hat er darauf Bezug genommen, ohne eine individuelle Verfolgung zu schildern. Eine solche ist auch nicht ersichtlich. Sein Vortrag, bei einer Rückkehr befürchte er, wieder für die PKK kämpfen zu müssen, der er sich zuvor angeschlossen haben möchte, führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Glaubhaftigkeit dieses erst in der mündlichen Verhandlung erfolgten Vortrags kann dahinstehen. Jedenfalls ist der von dem Kläger geschilderte Grund für den späten Vortrag, er habe vorher Angst gehabt, nicht überzeugend, soweit er vor dem Bundesamt dazu kein Wort gesagt hat. Er hatte bereits in Griechenland die Flüchtlingseigenschaft erhalten, bevor er in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und vor dem Bundesamt angehört worden war. Gründe für eine Angst, ihm angeblich bei einer Rückkehr in den Irak drohende Repressalien wegen angeblich früherer Verbindungen mit der PKK zu schildern, sind weder ersichtlich noch hat er sie genannt. Im Übrigen war er nach seinem Vortrag über ein Jahr, nachdem er die PKK verlassen haben möchte, noch im Irak, ohne dass ihm etwas aus Richtung der PKK geschehen ist.
34Auf eine Gruppenverfolgung der Yeziden kann der Kläger sich nicht berufen. Insoweit wird auf die Ausführungen im Bescheid Bezug genommen, denen das Gericht sich anschließt (§ 77 Abs. 3 AsylG). Sie entsprechen im Wesentlichen der aktuellen Rechtsprechung zur gegenwärtigen Sachlage in der Provinz Ninive.
35Vgl. für die Region Ninive auch OVG NRW, Urteile vom 31. Juli 2024 – 9 A 1591/20.A – juris Rn. 36 und 45 ff., und vom 5. September 2023 – 9 A 1249/20.A –, juris Rn. 44 ff. sowie Beschluss vom 28. November 2024 – 9 A 1883/24.A –, juris Rn. 9; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Juli 2023 – A 10 S 400/23 –, juris Rn. 30.
36Nach der gegenwärtig gefestigten Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen und der Kammer im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung findet eine systematische Verfolgung von Yeziden durch den irakischen Staat wegen deren Religionszugehörigkeit im Irak nicht statt.
37Vgl. OVG NRW, Urteile vom 31. Juli 2024 – 9 A 1591/20.A – juris Rn. 36 und 45 ff., vom 5. September 2023 – 9 A 1249/20.A –, juris Rn. 34 ff., vom 21. Dezember 2022 – 9 A 1740/20.A –, juris Rn. 33 ff. und vom 10. Mai 2021 – 9 A 1489/20.A –, juris Rn. 49 ff. sowie Beschluss vom 28. November 2024 – 9 A 1883/24.A –, juris Rn. 9; VG Gelsenkirchen, Urteile vom 9. Dezember 2024 – 15a K 4958/23.A –, vom 8. November 2024 – 15a K 2059/24.A –, vom 7. Juni 2024 – 15a K 2182/21.A –, vom 23. Oktober 2023 – 15a K 2233/20.A – und vom 19. August 2022 – 15a K 1435/19.A –, mit Bezugnahmen auf die maßgebliche Erkenntnislage: Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Oktober 2022) vom 28. Oktober 2022; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Österreich, Länderinformation der Staatendokumentation – Irak, Stand: 9. Oktober 2023, S. 24f.; Bundesamt für O. und Flüchtlinge, Länderkurzinformation Irak, Die Situation der Jesidinnen und Jesiden, Stand: 08/2024, S. 2.; EUAA, Iraq - Security Situation, Country of Origin Information Report, May 2024, im Internet abrufbar unter https://coi.euaa.europa.eu/administration/easo/PLib/2024_05_EUAA_COI_Report_Iraq_Security_Situation.pdf, S. 32.
382. Der Kläger hat keinen, hilfsweise geltend gemachten, Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 Abs. 1 AsylG.
39Hinsichtlich § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 AsylG sind weder stichhaltige Gründe zur Annahme eines ernsthaft drohenden Schadens durch die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1) oder Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) vorgetragen oder sonst ersichtlich. Für die weiteren Einzelheiten wird insoweit auf die Begründung des Bundesamtes auf den Seiten vier und fünf angefochtenen Bescheides verwiesen, der das Gericht folgt (§ 77 Abs. 3 AsylG). Hinsichtlich des auf die PKK bezogenen Vortrags wird auf die vorstehenden Ausführungen zu § 3 Abs. 1 AsylG verwiesen.
40Auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG kann der Kläger sich ebenfalls nicht berufen. Weder in der Provinz Ninive (als ursprüngliche Herkunftsregion der Kläger) noch in der Region Kurdistan Irak – insoweit wird auf den Bescheid des Bundesamtes Bezug genommen (§ 77 Abs. 3 AsylG) – sind sein Leben oder die Unversehrtheit seiner Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ernsthaft und individuell bedroht. Dabei kann offenbleiben, ob derzeit im Irak bzw. in der Provinz Ninive oder im RKI ein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt festgestellt werden kann. Es fehlt jedenfalls an einer hinreichenden individuellen Bedrohung des Klägers infolge eines solchen Konflikts.
41Vgl. OVG NRW, Urteile vom 31. Juli 2024 – 9 A 1591/20.A – juris Rn. 121, 148 ff., und vom 5. September 2023 – 9 A 1249/20.A –, juris Rn. 172.
42Für die Annahme einer ernsthaften individuellen Bedrohung genügt nicht, dass ein innerstaatlich bewaffneter Konflikt zu einer permanenten Gefährdung der Bevölkerung führt. Die von einem bewaffneten Konflikt ausgehende allgemeine Gefahr kann sich jedoch individuell verdichten (Gefahrverdichtung). Eine ernsthafte individuelle Bedrohung für Leib oder Leben kann in erster Linie auf gefahrerhöhenden persönlichen Umständen beruhen. Dies sind solche Umstände, die den Ausländer von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen als andere. Möglich sind aber auch solche persönlichen Umstände, aufgrund derer der Ausländer als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte – etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit – ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht schon die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt. Im Ausnahmefall kann eine ernsthafte individuelle Bedrohung von Leib oder Leben aber auch durch eine allgemeine Gefahr hervorgerufen sein, die sich in besonderer Weise verdichtet bzw. zugespitzt hat. Davon ist auszugehen, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein.
43Vgl. EuGH, Urteile vom 17. Februar 2009 – Rs. C-465/07 (Elgafaji) –, juris Rn. 43, und vom 30. Januar 2014 – Rs. C-285/12 (Diakité) –, juris Rn. 30 ff.; BVerwG, Urteile vom 27. Q. 2010 – 10 C 4.09 –, juris Rn. 32, sowie vom 13. Februar 2014 - 10 C 6.13 –, juris Rn. 24.
44Für die Provinz Ninive liegt eine solche verdichtete Gefährdungslage nicht vor. Das Niveau willkürlicher Gewalt ist in der Provinz Ninive, als ursprüngliche Herkunftsregion des Klägers, auch nicht derart hoch, dass diesem trotzdem die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG droht. Für die Einzelheiten dieser Feststellung wird auf die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen Bezug genommen,
45Vgl. OVG NRW, Urteile vom 31. Juli 2024 – 9 A 1591/20.A – juris Rn. 121, 148 ff., und 5. September 2023 – 9 A 1249/20.A –, juris Rn. 193-229,
46denen sich das Gericht auch im Hinblick auf die Auswertung der Tatsachenlage anschließt.
47Individuelle gefahrerhöhende Umstände des Klägers im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
483. Der auf die Feststellung eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) in der Person des Klägers hinsichtlich Irak gerichtete weitere Hilfsantrag, ist ebenfalls unbegründet.
49Diese Prüfung der nicht unionsrechtlich determinierten und auf zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote gerichtete Anspruchsgrundlagen aus dem Recht des Mitgliedstaats,
50vgl. dazu VG Gelsenkirchen, Urteil vom 26. Januar 2024 – 15a K 4469/22.A –, Rn. 103, zu § 60 Abs. 5 AufenthG,
51erfolgt ohnehin ohne Berücksichtigung der griechischen Zuerkennungsentscheidung. Vorliegend geht es nicht um die Prüfung internationalen Schutzes.
52Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für den Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dies setzt das Bestehen einer individuellen und konkret drohenden Gefahr voraus. Eine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit im Rückkehrfall landesweit drohende individuelle Gefahr in diesem Sinne hat der Kläger weder substantiiert vorgetragen noch ist sie sonst ersichtlich. Seine auf Nachfrage seines Prozessbevollmächtigten erfolgte Angabe in der mündlichen Verhandlung, er sei traumatisiert, wenn er berichte, was er (nach Einmarsch des IS in den Shingal im Jahr 2014) erlebt habe, er könne sich einfachste Dinge nicht merken, ist kein substantiierter Vortrag einer Traumatisierung (vgl. entsprechend § 60a Abs. 2c Satz 3 ff. Aufenthaltsgesetz). Zudem ist er deswegen nach seinen Angaben nicht in medizinischer Behandlung. In dieser Lage kann das Gericht keine entscheidungserhebliche Erkrankung feststellen.
53Auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG ist nicht festzustellen. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Die Abschiebung eines Ausländers ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) insbesondere dann mit Art. 3 EMRK unvereinbar, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der Betroffene im Fall seiner Abschiebung der ernsthaften Gefahr („real risk“) der Todesstrafe, der Folter oder der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung ausgesetzt wäre.
54Vgl. EGMR, Urteile vom 23. März 2016, F.G. gegen Schweden, Nr. 43611/11, Rn. 110, m.w.N., und vom 28. Juni 2011, Sufi und Elmi gegen Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 u.a., Rn. 212.
55Die ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung kann sich in erster Linie aus individuellen Umständen in der Person des Ausländers ergeben. Sie kann aber ausnahmsweise auch aus der allgemeinen Sicherheits- oder humanitären Lage im Herkunftsland folgen, wobei dies nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht kommt, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung „zwingend“ sind.
56Vgl. EGMR, Urteile vom 29. Januar 2013, S.H.H. gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 60367/10, Rn. 75, und vom 28. Juni 2011, a.a.O., Rn. 218, 241, 278: „in very exceptional cases“ bzw. „in the most extreme cases“; BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 10 C 15.12 –, juris Rn. 22 ff.
57Erforderlich ist die tatsächliche Gefahr einer Art. 3 EMRK zuwiderlaufenden Behandlung; eine hypothetische, auf bloßen Spekulationen gründende Gefahr genügt nicht.
58Vgl. VG Karlsruhe, Urteil vom 15. Q. 2021 – A 13 K 5632/27 –, juris S. 10 f. UA, m.w.N.
59Das ist mit Blick auf die Annahme einer unmenschlichen Behandlung allein durch die humanitäre Lage und die allgemeinen Lebensbedingungen im Abschiebungszielstaat nur dann der Fall, wenn ein sehr hohes Gefährdungsniveau vorliegt. Nur dann liegt ein außergewöhnlicher Fall im Sinne der Rechtsprechung des EGMR und des Bundesverwaltungsgerichts vor, in dem eine Abschiebung eine Verletzung von Art. 3 EMRK nach sich ziehen würde. Die einem Ausländer im Zielstaat drohenden Gefahren müssen hierfür jedenfalls ein Mindestmaß an Schwere ("minimum level of severity") aufweisen. Die Bestimmung dieses Mindestmaßes an Schwere ist relativ und hängt von allen Umständen des Falls ab, insbesondere von der Dauer der Behandlung, den daraus erwachsenen körperlichen und mentalen Folgen für den Betroffenen und in bestimmten Fällen auch vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Betroffenen.
60Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10. Mai 2021 – 9 A 570/20.A –, juris Rn. 380 ff., mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des EGMR und des BVerwG.
61Bei der Feststellung, ob schlechte humanitäre Verhältnisse eine Gefahrenlage begründen, die im Einzelfall zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK führt, ist eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen, wie etwa der Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser, Nahrung, Gesundheitsversorgung sowie die Chance, eine adäquate Unterkunft zu finden, der Zugang zu sanitären Einrichtungen und nicht zuletzt die finanziellen Mittel zur Befriedigung elementarer Bedürfnisse, auch unter Berücksichtigung von Rückkehrhilfen.
62Die vorhersehbaren Folgen einer Rückkehr sind unter Berücksichtigung sowohl der allgemeinen Lage im Zielstaat der Abschiebung als auch der persönlichen Umstände des Ausländers zu prüfen.
63Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 10 C 15.12 –, juris Rn. 26; OVG NRW, Urteil vom 10. Mai 2021 – 9 A 570/20.A –, juris Rn. 343.
64Derartige außergewöhnliche Umstände liegen im Fall des Klägers nicht vor. Im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung wird er zur Überzeugung des Gerichts (§ 108 Abs. 1 VwGO) sein Existenzminimum im Irak in der Provinz Ninive sicherstellen können.
65Aufnahme wird er jedenfalls zur Überwindung von Anfangsschwierigkeiten bei seinen in Ninive lebenden Brüdern finden. Sie können ihn unterstützen, denn sie haben Arbeit und Obdach. Nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung ist ein Bruder bei der irakischen Armee beschäftigt, einer als Peschmerga, einer hat ein Geschäft und die anderen arbeiten als Tagelöhner. Sie alle leben in Mietwohnungen. Danach verfügen sie über die dafür erforderlichen Mittel. Die demnach unterstützungsfähigen Brüder des Klägers sind zur Überzeugung des Einzelrichters (§ 108 Abs. 1 VwGO), die sich auf die eigenen Angaben des Klägers stützt, auch unterstützungsbereit. Er hat auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung, warum er nicht bei seinen Brüdern wohnen könne, angegeben, vielleicht könne dies ein Monat oder zwei Monate oder auch ein Jahr sein. Wo er darüber hinaus wohnen solle, wisse er nicht. Damit steht die Möglichkeit fest, jedenfalls anfangs nach seiner Rückkehr Unterkunft und Versorgung bei seinen Brüdern zu finden, gegebenenfalls nacheinander/wechselnd bei ihnen. Dies genügt den Maßgaben des Art. 3 EMRK an ein sicheres Obdach und Nahrung. Zudem wird der Kläger als arbeitsfähiger Mann eine Erwerbsmöglichkeit aufnehmen können, wenngleich insgesamt im Irak die Jugendarbeitslosigkeit ist mehr als dreimal so hoch ist wie die Arbeitslosenquote bei Erwachsenen.
66Vgl. OVG NRW, Urteil vom 31. Juli 2024 – 9 A 1591/20.A –, juris Rn. 236 f. mit Hinweisen auf: UNHCR, International Protection Considerations with Regards to People Fleeing Iraq, Januar 2024, S. 70-72; Joel Wing, Iraq´s Youth Hit Hardest By Unemployment And Poverty, vom 22. Januar 2024 unter Bezugnahme auf WFP, Jugendarbeitslosenquote übersteigt 35%, vom 19. Januar 2024.
67Mit seinem Abiturabschluss verfügt er über eine gute Allgemeinbildung, auch Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten kommen in Betracht.
68Überdies und unabhängig von einer familiären Unterstützung sind für den Kläger erreichbare Rückkehrhilfen für die anfängliche Finanzierung ihrer Niederlassung zu berücksichtigen.
69Der Kläger kann über die Rückkehrprogramme REAG/GARP Reisekosten, eine finanzielle Unterstützung für die Reise sowie eine einmalige finanzielle Starthilfe erhalten, dazu zählen: Flug- oder Busticket, Fahrtkosten vom Wohnort zum Flughafen oder (Bus-)Bahnhof, eine Reisebeihilfe (Geld für die Reise) i.H.v. 200 EUR pro Person (100 EUR pro Person unter 18 Jahren), Medizinische Unterstützung während der Reise (zum Beispiel Rollstuhlservice, medizinische Begleitperson) und im Zielland (maximal 2.000 EUR für bis zu drei Monate nach Ankunft) sowie eine einmalige Förderung i.H.v. 1.000 EUR pro Person (500 EUR pro Person unter 18 Jahren, pro Familie maximal 4.000 EUR).
70Vgl. https://www.returningfromgermany.de/de/programmes, zum Stand im Januar 2025.
71Freiwillig Rückkehrende, die mit dem REAG/GARP-Programm ausreisen und eine reguläre Starthilfe erhalten, können im Irak eine ergänzende Reintegrationsunterstützung (Starthilfe-Plus, SHP) erhalten.
72vgl. https://www.returningfromgermany.de/de/programmes?programm=1, zum Stand am 10. Januar 2025.
73Zudem unterstützt die gemeinnützige Organisation „European Technology and Training Centre“ (ETTC) Aktivitäten zur beruflichen Weiterbildung für Arbeitnehmer im öffentlichen Sektor sowie Rückkehrende in den Irak bei der beruflichen und sozialen Reintegration. Abhängig von den individuellen Bedürfnissen der rückkehrenden Person werden folgende Leistungen angeboten: Empfang am Flughafen, Individuelle Betreuung, Unterstützung beim Aufbau eines kleinen Unternehmens oder bei der Jobsuche, Business Start-up Training und Jobmessen, Unterstützung bei der Suche nach einem passenden Bildungspfad oder einer Ausbildung, Weitervermittlung an Gesundheitseinrichtungen, Unterstützung bei der Suche nach Kontaktpersonen, Administrative Unterstützung, Informationen hinsichtlich des Landes. Das ETTC´s Hauptbüro und Trainingcenter ist in Erbil, weitere Zweigstellen befinden sich in Suleimaniyah, Duhok, Kirkuk und Baghdad.
74Vgl. https://www.returningfromgermany.de/de/programmes/ettc-kurdistan-irak, zum Stand am 10. Januar 2025.
75Das „European Reintegration Programme“ (EURP), vormals „Joint Reintegration Services“ (JRS) bietet individuelle Reintegrationshilfen für Rückkehrende in ihre Herkunftsländer, u.a. für eine Rückkehr in den Irak. Das EURP unterscheidet zwischen Kurzzeit- und Langzeitunterstützung (Post Arrival Package/Post Return Package). Die Kurzzeit-Unterstützung (Post Arrival Package) betrifft den Zeitraum bis zu vierzehn Werktage nach der Ankunft im Herkunftsland: Flughafenabholung, Weitertransport zum Zielort, Notwendige Übernachtungen vor der Zielorterreichung, Medizinischer Zusatzbedarf, Familienzusammenführung für unbegleitete Minderjährige, Die Kurzzeit-Unterstützung kann sowohl als Sachleistung und/oder in bar ausgezahlt werden. Die Höhe der Leistungen orientiert sich an folgenden Beträgen: Freiwillige Rückkehr 615 EUR pro Person, rückgeführte Personen: 205 EUR. Die Langzeit-Unterstützung (Post Return Package) erfasst einen Zeitraum bis zu 12 Monaten nach der Ausreise: Wohnungsunterstützung, Medizinischer Bedarf bei schweren Erkrankungen, Schulische und berufliche Bildungsmaßnahmen, Beratung zu Arbeitsmöglichkeiten und Hilfestellung bei der Suche nach einem Arbeitsplatz, Unterstützung bei der Gründung eines (eigenen) Geschäftes, Familienzusammenführung, Rechtliche Beratung und administrative Unterstützung, Psychosoziale Unterstützung. Die Langzeit-Unterstützung wird grundsätzlich nur als Sachleistung gewährt. Die Höhe der Unterstützung orientiert sich an folgenden Beträgen: Freiwillige Rückkehr (Hauptantragsteller/in) 2.000 EUR, jedes weitere Familienmitglied 1.000 EUR, Rückgeführte Personen 1.000 EUR.
76https://www.returningfromgermany.de/de/programmes/european-reintegration-programme-eurp, zum Stand am 10. Januar 2025.
77Eine Übersicht der Unterstützungsprogramme für eine Rückkehr in den Irak ist im Internet allgemein einsehbar.
78https://www.returningfromgermany.de/de/countries/iraq, zum Stand am 10. Januar 2025.
79Diese Rückkehrhilfen sind zur Überzeugung des Gerichts ausreichend, eine Rückkehr, Wohnungssuche und Aufnahme einer Beschäftigung zu erreichen. Anstrengungen, Mühen und auch die Überwindung einzelner Fehlschläge hierzu können verlangt werden. Überdies ist der Kläger, wie oben dargelegt, auf Unterstützung durch seine Brüder im Irak zu verweisen.
804. Die Abschiebungsandrohung gegenüber dem Kläger (Ziffer 5. des Bescheides) ist rechtmäßig. Die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage § 34 Abs. 1 AsylG liegen vor. Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 3 AsylG).
815. Die auf die Rechtsgrundlage in § 11 Abs. 1 AufenthG gestützte Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sowie dessen Befristung auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung ist rechtmäßig. Ermessensfehler bei der Fristbestimmung sind nicht ersichtlich (§ 114 Satz 1 VwGO).
82II. Die Kostenentscheidung zulasten des unterlegenen Klägers beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch der Gerichtskostenfreiheit beruht auf § 83b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 und 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2, 108 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung.
83Rechtsmittelbelehrung
84Binnen eines Monats nach Zustellung dieses Urteils kann bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen schriftlich beantragt werden, dass das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster die Berufung zulässt. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen und die Zulassungsgründe im Sinne des § 78 Abs. 3 Asylgesetz darlegen.
85Der Antrag ist durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, oder eine diesen gleichgestellte Person als Bevollmächtigten zu stellen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Auf die besonderen Regelungen in § 67 Abs. 4 Sätze 7 und 8 VwGO wird hingewiesen.