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Die Möglichkeit der Übernahme der Bestattungskosten in § 74 SGB XII schließt die Annahme einer unbilligen Härte im Sinne des § 24 VO VwVG NRW regelmäßig aus.
Hinweis für die Dokumentation: Das Verfahren wurde nach Ablehnung der Bewilligung von PKH durch Klagerücknahme beendet. Eine begründete verfahrensbeendende Entscheidung erfolgte daher nicht mehr.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
2Der am 23. Mai 2024 nach Erlass des Änderungsbescheides der Beklagten vom 21. Mai 2024 (sinngemäß) gestellte Antrag des Klägers,
3ihm zur Durchführung des Klageverfahrens 1. Instanz Prozesskostenhilfe zu bewilligen, soweit mit dem Änderungsbescheid der Beklagten (weiterhin) die Zahlung des Betrages von N01 € festgesetzt worden ist,
4ist unabhängig davon, ob der Kläger aktuell außerstande ist, die Kosten der Prozessführung ganz, teilweise oder in Raten aufzubringen, deswegen abzulehnen, weil die diesbezügliche Rechtsverfolgung gemäß § 166 Verwaltungsgerichtsordnung –VwGO- i. V. m. § 114 Zivilprozessordnung –ZPO- keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Denn auch der nunmehr geänderte Bescheid vom 21. Mai 2024 über die Bestattungskosten nebst Gebühren in Höhe von N01 € ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
5Der Kläger ist zu Recht nach der Einäscherung seines verstorbenen Bruders W. X. im Wege des Sofortvollzuges zur Zahlung der dafür angefallenen hälftigen Kosten herangezogen worden, § 8 Bestattungsgesetz NRW (BestG), §§ 55 Abs. 2, 59 Abs. 1, 63 Abs. 1 Satz 3, 64 Satz 2, 77 Abs. 1 Verwaltungsvollstreckungsgesetz NRW (VwVG) in Verbindung mit §§ 15 Abs. 1 Nr. 11, 20 Abs. 2 Satz 1, 2 Nr. 7 Ausführungsverordnung VwVG (VO VwVG).
6Der insoweit angefochtene (Änderungs-) Bescheid findet seine Ermächtigungsgrundlage in § 77 Abs. 1 Satz 1 VwVG in Verbindung mit §§ 15 Abs. 1 Nr. 11, 20 Abs. 2 Satz 1, 2 Nr. 7 VO VwVG. Nach diesen Bestimmungen werden für Amtshandlungen nach dem VwVG von einem Vollstreckungsschuldner oder Pflichtigen Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben.
7Der Kostenforderung liegt hinsichtlich der Einäscherung des Verstorbenen eine rechtmäßige Ersatzvornahme im Wege des Sofortvollzuges gemäß § 55 Abs. 2 VwVG zugrunde. Die Beklagte handelte nach Maßgabe der Norm innerhalb ihrer Befugnisse. Das ist immer dann der Fall, wenn die Behörde in rechtmäßiger Weise einen Verwaltungsakt erlassen könnte. Sie war an der Durchführung des sog. gestreckten Verfahrens zudem wegen des Vorliegens einer gegenwärtigen Gefahr gehindert und der Sofortvollzug war notwendig.
8Die Beklagte hat als Ordnungsbehörde die Einäscherung des Verstorbenen im Wege der Ersatzvornahme durch einen Bestatter ausführen lassen. Der Kläger war neben seinem Bruder R. X. nach § 8 Abs. 1 Satz 1 BestG NRW als weiterer volljähriger Bruders des zum Todeszeitpunkt ledigen Verstorbenen zur Bestattung verpflichtet und richtiger Adressat eines (fiktiven) Grundverwaltungsaktes.
9Auch eine fehlende finanzielle Leistungsfähigkeit stünde seiner Bestattungspflicht grundsätzlich nicht entgegen. Denn diese Pflicht knüpft allein an die über den Tod hinauswirkenden familienrechtlichen Verhältnisse an. Diese bestehen unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten des Bestattungspflichtigen. Das Bestattungsgesetz begründet eine ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit und dient der Gefahrenabwehr. Die Bestattungspflicht erfüllt in Verbindung mit der Frist des § 13 Abs. 3 BestG den ordnungsrechtlichen Zweck, im öffentlichen Interesse die ordnungsgemäße und zeitige Durchführung der Bestattung Verstorbener oder deren Totenasche zu gewährleisten und so sicherzustellen, dass von einem Leichnam keine Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen.
10Vgl. OVG NRW, Beschl. v. 15. Oktober 2001,-19 A 571/00-, NVwZ 2002, 996.
11Es ist zudem ein allgemein anerkannter Grundsatz des Ordnungsrechts, dass die Verantwortlichkeit eines Störers allein auf der ihm zuzurechnenden Gefahrverursachung beruht, nicht jedoch auf seinen individuellen persönlichen Verhältnissen. Insoweit kommt es weder auf Vorsatz an, noch darauf, ob der Verantwortliche wirtschaftlich dazu in der Lage ist, die von ihm zu verantwortende Gefahr zu beseitigen, ob er mit anderen Worten finanziell leistungsfähig ist.
12Vgl. Denninger in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Auflage Rdnr. 73 f.; Pieroth/Schlink/ Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, 3. Auflage 2005, Rn. 86 ff.
13Die Nichtbestattung eines Leichnams verletzt das postmortale Persönlichkeitsrecht eines Verstorbenen. Deshalb gilt die Bestattungspflicht naher Angehöriger nach der gesetzlichen Konzeption des § 8 Abs. 1 BestG unbedingt und uneingeschränkt.
14Ob sie im Einzelfall aus Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten dann einmal entfallen könnte, wenn eine Verpflichtung des Angehörigen zur Bestattung ihrerseits dessen Menschenwürde beeinträchtigen würde, weil etwa der Verstorbene nachweislich schwere Straftaten gegen die körperliche Integrität des Bestattungspflichtigen selbst begangen hat,
15vgl. OVG NRW, Urteil v. 25. Juni 2015 -19 A 488/13-; VG Köln, Urteil v. 20. März 2009, -27 K 5617/07-; beide juris und nrwe.de,
16bedarf hier keiner Entscheidung. Denn ein bloß fehlender Kontakt zum Angehörigen, auch wenn dieser wie vom Kläger vorgetragen seit 30 Jahren nicht bestand, stellt ersichtlich eine solche Verfehlung gegenüber dem Kläger nicht dar, die seine Menschenwürde verletzen würde.
17Es bedurfte vor der Einäscherung auch nicht des Erlasses eines die Bestattungspflicht unter Fristsetzung einfordernden Verwaltungsaktes und der Androhung und Festsetzung des Zwangsmittels gegenüber dem Kläger. Denn die Einäscherung war zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr notwendig. Der Bruder des Klägers war am 15. Oktober 2023 verstorben. Gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 BestG in seiner seit dem 1. Oktober 2014 geltenden Fassung sind Erdbestattungen und Einäscherungen innerhalb von zehn Tagen durchzuführen. Das unverzügliche Einschreiten der Ordnungsbehörde im Wege des Sofortvollzuges ist mithin notwendig, um zu verhindern, dass in den Fällen, in denen die bestattungspflichtigen Angehörigen ihrer Bestattungspflicht –wie hier- nicht nachkommen, die gesetzliche Frist für die Bestattung überschritten wird.
18Vorliegend ergibt sich aus dem Verwaltungsvorgang, dass weder der Bruder des Klägers noch der Kläger nach Mitteilung ihrer Bestattungspflicht durch die Beklagte eine Bestattung innerhalb der gesetzten Frist vorgenommen haben. Insoweit war die Einäscherung des Verstorbenen durch die Beklagte nach Ablauf der gesetzten Frist am 25. Oktober 202 zu veranlassen, da die gegenwärtige Gefahr eines Verstoßes gegen das Bestattungsgesetz durch die Überschreitung der Bestattungsfrist bestand.
19Der Kläger ist auch zu Recht als Kostenschuldner herangezogen worden. Von seiner Inanspruchnahme war auch nicht aus Billigkeitsgründen nach § 24 Abs. 2 VO VwVG abzusehen. Nach dieser Vorschrift kann die Vollstreckungsbehörde von der Berechnung und Beitreibung der Gebühren und Auslagen unter anderem dann ganz oder teilweise absehen, wenn die Beitreibung der Kosten für den Schuldner eine unbillige Härte bedeuten würde, wobei nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen die Möglichkeit, einen sozialhilferechtlichen Anspruch auf Übernahme der erforderlichen Bestattungskosten gemäß § 74 SGB XII geltend zu machen, bereits eine unbillige Härte im Sinne des § 24 Abs. 2 VO VwVG NRW ausgeschlossen ist.
20Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. Februar 2021 - 19 E 145/20 -, n. v.
21Nach § 74 SGB XII werden die erforderlichen Kosten einer Bestattung übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen. Das Merkmal der Unzumutbarkeit im Sinn des § 74 SGB XII ist dabei so weit zu verstehen, dass das Bestehen einer unbilligen Härte daneben ausgeschlossen ist, weil die Rechtsordnung mit § 74 SGB XII eine Regelung bereitstellt, die gewährleistet, dass sich aus der Bestattung keine unzumutbaren Verpflichtungen ergeben. Insbesondere ist anerkannt, dass zur Begründung der Unzumutbarkeit im Sinn von § 74 SGB XII neben den wirtschaftlichen Voraussetzungen auch weitere Gesichtspunkte herangezogen werden können, die als solche im Allgemeinen sozialhilferechtlich unbeachtlich sind, so solche persönlichere Natur, wie eine gröbliche Verletzung der Unterhaltspflicht des Verstorbenen gegenüber dem Bestattungspflichtigen.
22Ausführlich OVG NRW, Urteil vom 25. Juni 2015 - 19 A 488/13 -, NWVBl. 2016, 68, juris, Rn. 55 ff.; näher zur Zumutbarkeit im Sinn des § 74 SGB XII z. B. BSG, Urteil vom 4. April 2019 ‑ B 8 SO 10/18 R ‑, FamRZ 2020, 63, juris, Rn. 14 ff.; Siefert, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 74 SGB XII Rn. 62 f. m. w. N.
23Danach kann der vom Kläger vorgebrachte Gesichtspunkt keine unbillige Härte im Sinn von § 24 Abs. 2 VO VwVG NRW begründen, weil er allenfalls im Rahmen eines Sozialhilfeantrags nach § 74 SGB XII zu berücksichtigen war, der soweit ersichtlich vom Kläger schon nicht gestellt worden ist.
24Soweit noch auf etwaige Vermögenswerte des Verstorbenen abgestellt worden ist, die ggf. vorrangig hätten verrechnet werden können, sind solche nicht ersichtlich. Auf Nachweise zu den Umständen des Todes des Verstorbenen oder auf vom Kläger erwähnte Erbfolgen kommt es unter keinem Gesichtspunkt an.
25Der Bescheid begegnet auch hinsichtlich der in ihm geltend gemachten Kostenpositionen und deren jeweiliger Höhe keinen rechtlichen Bedenken. Die nach § 20 Abs. 2 S. 2 Nr. 7 VO VwVG NRW erstattungsfähigen Auslagen sind von der Beklagten durch Übersendung der Rechnungen bzw. Bescheide dargelegt worden und sind nicht zu beanstanden.
26Auch die von der Beklagten geltend gemachte Verwaltungsgebühr entspricht den Vorgaben des § 15 Abs. 1 Nr. 11 VO VwVG NRW.
27Soweit die Beklagte ursprünglich hinsichtlich der Beisetzung der Urne im Wege der Ersatzvornahme auch dafür Kosten in Höhe von 304,00 € in Ansatz gebracht hat, hat sie daran mit Erlass des Änderungsbescheides nicht mehr festgehalten und dem Begehren in Höhe von N02 € insoweit abgeholfen. Mithin ist vorliegend –der Prozesskostenhilfeantrag ist auch erst nachfolgend gestellt- darüber nicht (mehr) zu entscheiden.
28Rechtsmittelbelehrung
29Gegen die Ablehnung der Prozesskostenhilfe kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen oder Postfach 10 01 55, 45801 Gelsenkirchen) schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls das Verwaltungsgericht ihr nicht abhilft. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist eingeht bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster.