Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Zulassungsbehörde bei der Eintragung des Erstzulassungsdatums für Importfahrzeuge, deren konkrete Erstzulassung im Ausland unbekannt ist, nach dem vom Kraftfahrtbundesamt herausgegebenen Leitfaden zur Ausfüllung der Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II" verfährt.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
2Die Klägerin betreibt einen Gebrauchtwagenhandel mit Autohaus in B.. Sie ist spezialisiert auf den Import und Verkauf von US-amerikanischen Fahrzeugen. Sie beantragt nach eigenen Angaben jeden Monat die erstmalige Zulassung mehrerer Fahrzeuge im Gebiet der Europäischen Union bei der Beklagten
3Die Beklagte überprüfte im Jahr 2023 ihre Verwaltungspraxis bei derartigen Zulassungen und erließ eine Dienstanweisung zur Erfassung des Erstzulassungsdatums, die auf den „Leitfaden zur Ausfüllung der Zulassungsbescheinigungen Teil I und Teil II“ des Kraftfahrt-Bundesamtes (Leitfaden) Bezug nimmt.
4Auf Nachfrage der Klägerin erläuterte die Beklagte dem Bevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 4. Dezember 2023 die auf der erlassenen internen Dienstanweisung beruhende Verwaltungspraxis anhand zweier von der Klägerin benannter Beispielsfälle. Grundsätzlich werde bei Vorlage von Unterlagen, wie einem sogenannten „Carfax“ das nachgewiesene Erstzulassungsdatum eingetragen. Wenn dieses unbekannt sei, werde das Datum anhand des Leitfadens nach dem Baujahr bestimmt und eingetragen.
5Die Klägerin beantragte am 11. Dezember 2023 die Zulassung des Dodge Challenger mit der FIN N01 unter Vorlage eines Gutachtens der der Hauptuntersuchung des TÜV Süd zur Erlangung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 70 StVZO und zur Erlangung der Einzelbetriebserlaubnis gemäß § 21 StVZO vom 6. Dezember 2023 sowie eines „Certificate of Title“.
6Das Gutachten legte das Erstzulassungsdatum auf den 1. Juli 2023 fest. Das Erstzulassungsdatum sei anhand des Typenschilds ermittelt worden.
7Mit Ausstellungsdatum vom 11. Dezember 2023 erteilte die Stadt B. die beantragte Zulassungsbescheinigung Teil I mit der Nummer N02 und Teil II mit der Nummer N03. In Feld B der Zulassungsbescheinigung Teil I – Datum der Erstzulassung – wurde, ebenso wie im Feld B der Zulassungsbescheinigung Teil II, der 1. Juli 2022 eingetragen. Zusätzlich wurde dort in Feld (25) – Zusätzliche Vermerke der Zulassungsbehörde – eingetragen: „Tag der ersten Zulassung: 01.07.2022“. In der Zulassungsbescheinigung Teil I vermerkte die Beklagte im Feld 22 „Import*Baudatum 11-2022*Modelljahr 2022*“
8Am 19. Dezember 2023 legte die Klägerin bei der Beklagten ein sogenanntes „Carfax“ zu dem Fahrzeug vor, aus dem sich das Erstzulassungsdatum 18. April 2023 ergab. Die Beklagte änderte auf den Antrag der Klägerin die Zulassungsbescheinigungen rückwirkend zum 11. Dezember 2023. Die zuvor ausgestellten Zulassungsbescheinigungen N02 und N03. wurden eingezogen und neue ausgestellt (N04 und N05).
9Die Klägerin beantragte am 19. Januar 2024 die Zulassung des Dodge Challenger mit der FIN N06 unter Vorlage eines Gutachtens der Hauptuntersuchung des TÜV Süd zur Erlangung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 70 StVZO und zur Erlangung der Einzelbetriebserlaubnis gemäß § 21 StVZO und eines „Certificate of Title“. Durch den TÜV Süd wurde im Gutachten über die Hauptuntersuchung, und zur Begutachtung nach § 21 StVZO und zur Erlangung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 70 StVZO, das Datum der Erstzulassung auf den 1. Juli 2018 festgesetzt.
10Mit Ausstellungsdatum vom 19. Januar 2024 erteilte die Beklagte die beantragte Zulassungsbescheinigung Teil I mit der Nummer N07 und Teil II mit der Nummer Nr. N08 für das Fahrzeug. Als Erstzulassungsdatum wurde der 1. Juli 2017 eingetragen. Auch zu diesem Fahrzeug wurde im Feld 22 der Zulassungsbescheinigung Teil I das Baudatum Dezember 2017 vermerkt.
11Die Klägerin legte am 30. Januar 2024 ein sogenanntes „Carfax“ zu dem Fahrzeug vor, aus dem sich das Erstzulassungsdatum 25. Januar 2018 ergab. Die Beklagte änderte daraufhin die Zulassungsbescheinigungen ab, zog die Bescheinigungen N07 und N08 ein und stellte neue Bescheinigungen aus (N09 und N10).
12Am 30. Januar 2024 beantragte die Klägerin die Zulassung eines weiteren Dodge Challenger mit der FIN N11, unter Vorlage eines Gutachtens des TÜV-Süd und vom 29. Januar 2024, in dem das Erstzulassungsdatum auf den 1. Juli 2021 festgesetzt wurde.
13Die Beklagte erteilte am 30. Januar 2024 die Zulassungsbescheinigung Teil I Nr. N12 und Teil II Nr. N13 mit dem Erstzulassungsdatum 1. Juli 2020.
14Die Klägerin hat am 10. Januar 2024 Klage erhoben und mit Schriftsätzen vom 24. Januar 2024, 9. und 19. Februar 2024 sowie 24. Oktober 2024 abgeändert und erweitert.
15Hinsichtlich der Klageumstellung auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage habe die Klägerin ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse, da eine dauerhafte Wiederholungsgefahr bestehe. Zudem bestehe für die Klägerin ein berechtigtes Interesse an einem zuverlässigen und für den Rechtsverkehr nachvollziehbaren Verfahren für die Festsetzung des Erstzulassungsdatums von Importfahrzeugen. Dabei habe die Beklagte ermessensfehlerfrei die Erstzulassungsdaten von Importfahrzeuge einzutragen, die zur Gewährleistung von Rechtssicherheit im Rechtsverkehr mit Importfahrzeugen zumindest in tatsächlicher Hinsicht nachvollziehbar sein müssten.
16Das tatsächliche Erstzulassungsdatum könne nicht für jedes US-Importfahrzeug durch ein sogenanntes „Carfax“ belegt werden. Eine Ermittlung und Festlegung des Erstzulassungsdatums entsprechend dem Leitfaden des Kraftfahrtbundesamtes sei deshalb in vielen Fällen erforderlich. Das Geschäftsmodell der Klägerin sei gerade der Import amerikanischer Fahrzeuge und deren Verkauf in Deutschland. Sie habe somit ein erhebliches wirtschaftliches Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der vorgenommenen Eintragungspraxis der Beklagten.
17Sie macht in der Sache geltend, dass das in den Zulassungsbescheinigungen eingetragene Datum der ersten Zulassung in allen drei Fällen vor dem aus dem Typenschild des Fahrzeugs durch den Sachverständigen abzuleitenden Baudatum der streitgegenständlichen Fahrzeuge liege.
18Die Beklagte habe somit offensichtlich ein mit der Realität nicht übereinstimmendes Datum der ersten Zulassung des Fahrzeugs gewählt und in die Zulassungsbescheinigungen eingetragen.
19Die Vorgabe des Kraftfahrt-Bundesamtes bei unbekanntem Jahr der Erstzulassung den 01.07. des Baujahres als Datum der Erstzulassung einzutragen sei eine unzulässige Vorgabe für den Fall des Vorliegens und der Kenntnis eines konkreteren Baudatums als die alleinige Angabe des Baujahrs. Vorgabe wäre in diesen Fällen, ein offensichtlich und bekannt fehlerhaftes Erstzulassungsdatum in den Zulassungsbescheinigungen Teil I und II einzutragen. Sofern der Beklagten ein Ermessen bei der Beurteilung zukomme, handele sich bei der Vorgabe und entsprechenden Anwendung um eine unzulässige ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift und um eine ermessensfehlerhafte Entscheidung der Beklagten.
20In den Hauptuntersuchungen der Sachverständigen des TÜV Süd sowie durch andere entsprechend zugelassene technische Dienste werde das Datum der Erstzulassung von Importfahrzeugen unter Zugrundelegung des Leitfadens und unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Umstände festgelegt. Die Sachverständigen hätten auch die notwendige Fachkunde und Spezialwissen, um ein am ausgewiesenen Baudatum orientiertes Datum der Erstzulassung ermitteln zu können. Dabei werde insbesondere berücksichtigt, dass ein auf Typenschildern oder anderweitig ausgewiesenes Baudatum nicht mit dem Datum der Erstzulassung übereinstimme. Das Baudatum weise lediglich den Beginn des Produktionsprozesses eines Kraftfahrzeugs aus, der mindestens 6 Monate betrage. Den staatlich anerkannten Sachverständigen und dem Technischen Dienst seien die Hintergründe und Abläufe der Produktion von Kraftfahrzeugen umfassend bekannt. Der Ablauf und die Dauer der Produktionsprozesse sowie die anschließenden Zeiträume bis zu einer Erstzulassung könnten von den Sachverständigen sachgerecht bewertet und dementsprechend ein realistisches Erstzulassungsdatum festgelegt werden.
21In den vergangenen Jahren habe die Beklagte durchweg zutreffenderweise die in den Hauptuntersuchungen festgelegten Zeitpunkte der Erstzulassung der Importfahrzeuge übernommen. Ohne dass sich die den Eintragungen zugrundeliegenden gesetzlichen Vorgaben oder der Wortlaut des Leitfadens des Kraftfahrt-Bundesamtes geändert hätten, würden sämtliche Mitarbeiter der Zulassungsbehörde der Beklagten nicht mehr die Feststellungen des Gutachtens der Hauptuntersuchungen hinsichtlich des Datums der Erstzulassung der Fahrzeuge übernehmen.
22Die fehlerhafte Eintragung eines unzutreffenden Erstzulassungsdatums mit Abweichung von bis zu einem Jahr habe für die Klägerin unmittelbare wirtschaftliche Auswirkungen. Der Verkaufspreis eines Dodge Challenger mit Erstzulassung im Juli 2022 sei um ca. 4.000,00 € geringer als der erzielbare Verkaufswert eines Dodge Challenger mit dem ausgewiesenen Datum der Erstzulassung im Juli 2023. Da es sich in der Regel um junge Fahrzeuge mit geringer bisheriger Fahrleistung handele, bewirke ein um ein Jahr variierendes Datum der Erstzulassung einen Verkehrswertunterschied von ca. 4.000,- €.
23Die offensichtlich falsche Eintragung eines Erstzulassungsdatums bewirke zudem Rechtsunsicherheit für jede Behörde, jeden Käufer oder Verkäufer eines betroffenen Fahrzeugs. Die Angabe eines Erstzulassungsdatums, das vor dem ausgewiesenen Baudatum liege, lasse im Rechtsverkehr bereits an der Echtheit einer Zulassungsbescheinigung zweifeln. Dies wirke umso schwerwiegender, da bekanntermaßen Zulassungsbescheinigungen nur von den zuständigen staatlichen Behörden ausgestellt und zuvor ausgefüllt würden. Dass eine staatliche Stelle jedoch zu umfangreichen Beweiszwecken bestimmte Urkunden wie die Zulassungsbescheinigung mit offensichtlich objektiv falschen Angaben erstelle und ausstelle, sei jedoch für keinen Teilnehmer am Rechtsverkehr nachvollziehbar.
24Um eine hinreichende Sicherheit und Vertrauenswürdigkeit der Zulassungsbescheinigungen im Rechtsverkehr zu gewährleisten, könne die Richtlinie des Kraftfahrt-Bundesamtes auch nicht in jedem Fall strikt entsprechend ihrem Wortlaut angewandt werden.
25Die Klägerin habe einen Anspruch auf die Übernahme des in der gutachterlich bescheinigten Fahrzeugbeschreibung festgehaltenen Erstzulassungsdatums, da die Behörde gemäß des eindeutigen Wortlauts des § 21 Absatz 1 Satz 6 Halbsatz 2 StVZO an diese Feststellungen gebunden sei. Es handele sich bei den Beschreibungen des Fahrzeugs in dem Gutachten zur Erlangung einer Einzelbetriebserlaubnis nicht bloß um eine Empfehlung des Sachverständigen, sondern um eine konkret festgestellte und bescheinigte Eigenschaft des begutachteten Fahrzeugs.
26Gleichfalls stelle der Leitfaden des Kraftfahrt-Bundesamtes eindeutige Vorgaben zur Ausfüllung der Zulassungsbescheinigungen durch die Zulassungsbehörden. Unter „1. Allgemeine Ausführungen“ werde ausdrücklich vorgeschrieben, dass, soweit ein Abruf von Fahrzeugdaten nicht aus einer Übereinstimmungsbescheinigung möglich sei, die Daten von den Zulassungsbehörden aus den vorgelegten Unterlagen, z.B. aus dem Gutachten nach § 21 StVZO in die Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II übernommen werden müssten.
27Das ausgewiesene Baujahr des streitgegenständlichen Dodge Challenger der Gegenstand des Klageantrags zu 1. sei, sei zwar 2022. Offensichtlich sei eine Zulassung des Dodge Challenger, dessen Bauauftrag erst im November 2022 angelegt wurde, nicht vor Beginn des Jahres 2023 möglich gewesen. Dementsprechend habe der beauftragte und amtlich anerkannte Sachverständige unter Anwendung seiner besonderen Sach- und Fachkenntnis als Sachverständiger von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, das tatsächliche Baujahr zu schätzen und ein möglichst zutreffendes Datum der Erstzulassung festzulegen.
28Die Klägerin beantragt sinngemäß nach letztem Stand,
291. festzustellen, dass die Beklagte bei der Zulassung des Dodge Challenger mit der FIN N01 am 11. Dezember 2023 die Eintragung des Erstzulassungsdatums 1. Juli 2022 rechtwidrig vorgenommen hat und der 1. Juli 2023 als Datum der Erstzulassung hätte eingetragen werden müssen.
hilfsweise
32festzustellen, dass die Beklagte bei der Zulassung des Dodge Challenger mit der FIN N01 am 11. Dezember 2023 die Eintragung des Erstzulassungsdatums 1. Juli 2022 rechtwidrig vorgenommen hat und der 1. November 2022 als Datum der Erstzulassung hätte eingetragen werden müssen.
332. festzustellen, dass die Beklagte bei der Zulassung des Dodge Challenger mit der FIN N15 die Eintragung des Erstzulassungsdatums 1. Juli 2017 rechtswidrig vorgenommen hat und dass die Beklagte am 19.Januar 2024 zur Eintragung des Erstzulassungsdatums 1. Juli 2018 verpflichtet war.
hilfsweise
36festzustellen, dass die Beklagte bei Zulassung des Dodge Challenger mit der FIN N06 die Eintragung des Erstzulassungsdatums 1. Juli 2017 rechtswidrig vorgenommen hat und dass die Beklagte am 19.Januar 2024 zur Eintragung des Erstzulassungsdatums 1. Januar 2018 als Datum der Erstzulassung verpflichtet war.
37weiter hilfsweise
38festzustellen, dass die Eintragung des 1. Juli 2017 als Datum der Erstzulassung bei Zulassung des Dodge Challenger mit der FIN N06 am 19. Januar 2024 durch die Beklagte rechtswidrig war und die Beklagte zur Eintragung des 1. Dezember 2017 als Datum der Erstzulassung verpflichtet war.
393. die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung der Zulassungsbescheinigung Teil I Nr. N12 und Teil II Nr. N13 des Dodge Challenger mit der FIN N11 mit dem Erstzulassungsdatum 1. Juli 2020, der Klägerin hinsichtlich des vorbenannten Fahrzeugs Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II unter Angabe des 1. Juli 2021 als Datum der Erstzulassung auszustellen,
hilfsweise
42die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung der Zulassungsbescheinigung Teil I Nr. N12 und Teil II Nr. N13 des Dodge Challenger mit der FIN N11 mit dem Erstzulassungsdatum 1. Juli.2020, der Klägerin hinsichtlich des vorbenannten Fahrzeugs Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II unter Angabe des 1. September 2020 als Datum der Erstzulassung auszustellen.
43Die Beklagte beantragt,
44die Klage abzuweisen.
45Die Klage sei unbegründet.
46Die Verwaltungspraxis der Beklagten richte sich nach dem Leitfaden des Kraftfahrtbundeamtes.
47Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs handele es sich bei dem Erstzulassungsdatum nicht um eine technische Spezifikation im Sinne einer technischen Vorschrift. Das durch das Gutachten ausgewiesene Erstzulassungsdatum sei daher nicht verbindlich, sondern stelle lediglich eine Empfehlung dar.
48Im konkreten Fall sei das Erstzulassungsdatum im Gutachten jeweils aufgrund des Typenschildes ermittelt worden. Ein Nachweis zum Typenschild zur selbständigen Prüfung durch die Beklagte habe nicht vorgelegen, daher sei das Erstzulassungsdatum nicht eindeutig zu bestimmen gewesen und das Datum habe entsprechend des Leitfadens bestimmt werden müssen. Anhand des Leitfadens sei dann der 1.Juli des Baujahres als Erstzulassungsdatum zu bestimmen. Eine weitere Interpretation, abweichend von dem Leitfaden sei nicht möglich.
49Die Kammer hat am 8. Oktober 2024 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, in der die Sach- und Rechtslage eingehend erörtert wurde. Wegen der Einzelheiten wird auf das den Beteiligten bekannte Protokoll Bezug genommen.
50Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung vom 8. Oktober 2024 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne Mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter erklärt.
51Entscheidungsgründe
52Die Entscheidung erfolgt im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden als Berichterstatter (§ 87a Abs. 2 und 3; § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –).
53Die Klage ist sowohl mit ihren Haupt- als auch ihren Hilfsanträgen zulässig.
54Soweit die Klägerin die Anträge auf Fortsetzungsfeststellungsklagen umgestellt hat, nachdem die Erstzulassungsdaten in den Zulassungsbescheinigungen durch die beklagte nach Vorlage der ergänzenden Unterlagen geändert wurden, besteht insbesondere das erforderliche Feststellungsinteresse.
55Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Klägerin aufgrund ihres Geschäftskonzepts regelmäßig bei der Beklagten US-Importfahrzeuge zulässt, bei denen das Erstzulassungsdatum nicht nachgewiesen werden kann oder nicht bekannt ist. Die Frage, welches Erstzulassungsdatum in die Zulassungsbescheinigungen einzutragen ist, wird sich daher auch in gleichgelagerten Fällen in der Zukunft stellen, so dass eine das (Fortsetzungs-)feststellungsinteresse begründende Wiederholungsgefahr besteht.
56Soweit hinsichtlich des Klageantrags zu 3. die Eintragung eines bestimmten fiktiven Zulassungsdatums begehrt wird, kann vorliegend dahinstehen, ob dieser Eintragung ein Regelungscharakter zukommt, so dass es sich um einen Verwaltungsakt handelt, mit der Folge der Statthaftigkeit einer Verpflichtungsklage, oder ob es sich bei der Eintragung lediglich um einen Realakt handelt, der im Wege der allgemeinen Leistungsklage zu verfolgen wäre. In beiden Fällen ist ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin gegeben, da – unabhängig von der Rechtsnatur im Übrigen – das in der Zulassungsbescheinigung eingetragene Erstzulassungsdatum in der Regel Einfluss auf den Marktwert eines gebrauchten Kfz hat.
57Die Klage ist jedoch insgesamt unbegründet.
58Die streitgegenständlichen Entscheidungen der Beklagten über die Eintragung eines fiktiven Erstzulassungsdatums sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, so dass weder ein Anspruch der Klägerin auf die haupt- und hilfsweise beantragten Feststellungen noch auf eine Neubescheidung der Zulassungsanträge oder gar die Verpflichtung der Beklagten zur Eintragung der (haupt- und hilfsweise) beantragten Zulassungsdaten besteht.
59Rechtsgrundlage für die Zulassung von Kraftfahrzeugen für den Straßenverkehr sind die Bestimmungen der auf Grundlage des § 6 ff StVG erlassenen Verordnung über die EG-Genehmigung für Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger sowie für Systeme, Bauteile und selbstständige technische Einheiten für diese Fahrzeuge – EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung (EG-FGV) – welche der Umsetzung u.a. der Richtlinie2007/46/EG in nationales Recht dient; sowie §§ 16; 19ff Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) in Verbindung mit den Bestimmungen der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr - Fahrzeugzulassungsverordnung (FZV).
60Als Grundlage für die begehrte Eintragung des Datums der Erstzulassung kommen allein §§ 13 und 14 FZV in der seit dem 1. September 2023 geltenden Fassung in Verbindung mit den zugehörigen Anlagen in Betracht. Diese Bestimmungen regeln die Einzelheiten der Gestaltung der Zulassungsbescheinigungen Teil I und II.
61Jeweils in Feld „B“ der Zulassungsbescheinigungen Teil I und II ist nach den Anlagen 6 und 8 zur FZV das Datum der Erstzulassung einzutragen.
62Nähere Regelungen zur Definition oder der Bestimmung dieses Datums enthalten weder die Fahrzeugzulassungsverordnung noch andere gesetzliche Bestimmungen.
63Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur hat darüber hinaus gemeinsam mit den für das Zulassungsrecht zuständigen Obersten Landesbehörden die „Richtlinie zur Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II“ (Richtlinie) im Verkehrsblatt bekanntgegeben.
64Richtlinie zur Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II, VkBl. 2016, Heft 24, Seite 803ff.
65Die Festlegung des Inhalts beider Teile der Zulassungsbescheinigung ist nach dieser Richtlinie von dem Bestreben getragen, neben den von der EG-Richtlinie, geforderten obligatorischen Angaben nur solche weiteren Angaben aufzunehmen, die der Funktion des jeweiligen Teils der Zulassungsbescheinigung entsprechen.
66Die Richtlinie verweist hinsichtlich des für die Zulassungsbescheinigung maßgeblichen Datenumfangs auf den gesonderten „Leitfaden zur Ausfüllung der Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II“ (Leitfaden), den das Kraftfahrt-Bundesamt im Internet bereitstellt.
67In der zum Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten maßgeblichen Fassung Stand September 2023 zuletzt abgerufen am 20. November 2024, 12.30 Uhr unter https://www.kba.de/DE/Themen/ZentraleRegister/ZFZR/Info_behoerden/Regelungen_ZulBescheinigungen/leitfaden_Ausfuellung_Zulassungsbescheinigung_Teil_I_und_II.pdf?__blob=publicationFile&v=4;
68In der zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblichen und soweit hier entscheidungserheblich - gleichlautenden Fassung Stand Juni 2025 zuletzt abgerufen am 20.06.2025 um 10.30 Uhr unter
69https://www.kba.de/DE/Themen/ZentraleRegister/ZFZR/Info_behoerden/Regelungen_ZulBescheinigungen/leitfaden_Ausfuellung_Zulassungsbescheinigung_Teil_I_und_II.pdf?__blob=publicationFile&v=2/1000.
70Sowohl bei der Richtlinie als auch bei dem Leitfaden handelt es sich um Verwaltungsvorschriften, welche zwar die Beklagte als Behörde – ebenso wie alle anderen Zulassungsstellen –, nicht jedoch das Gericht binden und bundesweit eine gleichmäßige Verwaltungspraxis der Zulassungsstellen sicherstellen.
71Das Gericht ist jedoch nicht daran gehindert, sich den Inhalt solcher Verwaltungsvorschriften bei seiner Überzeugungsfindung zu Eigen zu machen und im Übrigen darauf beschränkt zu überprüfen, ob die von einer solchen Verwaltungsvorschrift getragene Verwaltungsentscheidung rechtmäßig ist.
72Dies ist bei den hier streitgegenständlichen Entscheidungen der Beklagten sowohl in formeller als auch materieller Hinsicht der Fall.
73Da es sich bei den hier streitgegenständlichen Fahrzeugen um Importfahrzeuge handelt, die nicht über eine EU-Typengenehmigung verfügen, ist die Betriebserlaubnis gemäß § 21 Straßenverkehrszulassungsverordnung – StVZO – vom Verfügungsberechtigten bei der nach Landesecht zuständigen Behörde – hier der Zulassungsstelle der Beklagten – zu beantragen. Mit dem Antrag auf Erteilung der Betriebserlaubnis ist das Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen für den Kraftfahrzeugverkehr oder eines nach § 30 EG FGV der jeweiligen Fahrzeugklasse benannten technischen Dienstes vorzulegen. Das Gutachten muss die technische Beschreibung des Fahrzeugs in dem Umfang enthalten, der für die Ausfertigung der Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II erforderlich ist.
74Die Klägerin hat vorliegend die erforderlichen Anträge, verbunden mit dem Gutachten eines zugelassenen Kraftfahrzeugsachverständigen gestellt und die Zulassung der Fahrzeuge beantragt.
75Nach § 21 Abs. 1 Satz 6, letzter Halbsatz StVZO überträgt die Genehmigungsbehörde die Angaben aus dem Gutachten in die Zulassungsbescheinigung Teil I und, soweit vorgesehen, in die Zulassungsbescheinigung Teil II.
76Den erforderlichen Umfang der technischen Beschreibung definiert § 21 StVZO jedoch nicht näher, es handelt sich um einen ausfüllungsbedürftigen unbestimmten Rechtsbegriff.
77Vorliegend ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die in dem Gutachten enthaltenen Aussagen des Sachverständigen zum (fiktiven) Erstzulassungsdatum nicht übernommen, sondern auf der Grundlage des vom Kraftfahrtbundesamtes herausgegebenen Leitfadens abweichend von den Ausführungen im Gutachten des Kfz-Sachverständigen selbst bestimmt hat.
78Die Richtlinie zur Zulassungsbescheinigung bestimmt in Ziffer 5.2.3, dass sich das Mitwirken durch amtlich anerkannte Sachverständige für den Kraftfahrzeugverkehr auf das Erstellen des für das Erteilen der Einzelgenehmigung notwendigen Gutachtens (§§ 19 und/oder 21 StVZO bzw. § 13 EG-FGV) beschränkt. Zwar darf nach der Richtlinie die nach Landesrecht zuständige Behörde ohne Beteiligung des amtlich anerkannten Sachverständigen für den Kraftfahrzeugverkehr oder eines Technischen Dienstes nur dann Abweichungen vom Gutachten vornehmen, wenn Codierungen (Schlüsselnummern) und/oder die hierfür jeweils zu verwendenden Klartextangaben vom amtlich anerkannten Sachverständigen für den Kraftfahrzeugverkehr oder eines Technischen Dienstes nicht oder unzutreffend dargestellt wurden. In anderen Fällen ist das Einvernehmen mit dem amtlich anerkannten Sachverständigen oder des technischen Dienstes herbeizuführen oder ggf. eine Korrektur des Gutachtens zu fordern.
79Dies gilt jedoch nicht für das Datum der ersten Zulassung. Dieses gehört nämlich nicht zur von § 21 Abs. 1 Satz 6 StVZO erfassten und allein dem Sachverständigen obliegenden technischen Beschreibung des Fahrzeugs, sondern es handelt sich um ein zusätzliches und davon zu unterscheidendes Merkmal des Fahrzeugs.
80Dies ergibt sich sowohl aus der Systematik des § 21 StVZO als auch aus der Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung. Ihr Wortlaut steht einer solchen Auslegung nicht entgegen.
81Mit Übernahme der Richtlinie 1999/37/EG des Rates vom 29. April 1999 über Zulassungsdokumente für Fahrzeuge
82ABl. L 138 vom 01.06.1999, S. 57,
83in der Fassung der Richtlinie 2003/127/EG der Kommission vom 23. Dezember 2003 zur Änderung der Richtlinie 1999/37/EG des Rates über Zulassungsdokumente für Fahrzeuge
84ABl. L 10 vom 16.01.2004, S. 29,
85und deren Berichtigung
86ABl. L 77 vom 21.03.2015, S. 18,
87in nationales Recht wurde die Zulassungsbescheinigung für Fahrzeuge auch in Deutschland an die harmonisierten Regelungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union in ihren wesentlichen Teilen angepasst.
88Die Einzelheiten der Gestaltung der Zulassungsbescheinigungen Teil I und II sind in §§ 13 und 14 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr (Fahrzeug-Zulassungsverordnung - FZV) in Verbindung mit den zugehörigen Anlagen geregelt. Welche technischen Angaben zur Beschreibung des Fahrzeugs erforderlich sind, folgt daraus jedoch nicht.
89Die Zulassungsbescheinigung Teil I dokumentiert die Zulassung zum Verkehr und stellt das wesentliche Legitimationspapier bei Verkehrskontrollen dar. Sie enthält daher u. a. die wichtigsten Angaben zum Fahrzeug. Auf die Aufnahme bestimmter technischer Daten, die aus anderen Unterlagen entnommen werden können, z. B. der Übereinstimmungsbescheinigung bei Fahrzeugen mit EG-Typgenehmigung oder der Datenbestätigung (Muster 2d zu § 20 StVZO) bei Fahrzeugen mit nationaler Typgenehmigung (Allgemeine Betriebserlaubnis - ABE) wird dabei aus Gründen des Umfangs und der Übersichtlichkeit der Zulassungsbescheinigung verzichtet.
90Die Zulassungsbescheinigung Teil II dient vor allem als Nachweis der Verfügungsberechtigung im Zulassungsverfahren. Vor diesem Hintergrund konnte der Datenumfang auf die von Anhang II Nummer II der Richtlinie 2003/127/EG geforderten obligatorischen Angaben sowie einige weitere für die Identifizierung des Fahrzeugs und für die Aufgabenerledigung der nach Landesrecht zuständigen Behörden (Zulassungsbehörden) und des Kraftfahrt-Bundesamtes notwendigen Angaben beschränkt werden.
91Aus dem Leitfaden ergibt sich, dass Datengrundlage sowohl der Zulassungsbescheinigung Teil I als auch der Zulassungsbescheinigung Teil II die genehmigungskonformen Daten der Übereinstimmungsbescheinigung sind, welche in der zentralen Datenbank der Übereinstimmungsbescheinigungen des Kraftfahrt-Bundesamtes vorgehalten wird oder – falls dort nicht vorliegend – aus der Datenbank der Übereinstimmungsbescheinigungen eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union abgerufen werden können. Soweit keine Daten in den Übereinstimmungsdatenbanken vorliegen und vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) Typdaten für das Fahrzeug erstellt wurden, können diese für die Erstellung der Zulassungsdokumente genutzt werden. Soweit ein Abruf der Daten der Übereinstimmungsbescheinigung nicht möglich ist, Typdaten nicht bestehen oder nicht vollständig sind, müssen die korrekten Daten von den nach Landesrecht zuständigen Zulassungsbehörden aus den vorgelegten Unterlagen, z. B. aus einem Gutachten nach § 21 StVZO, im Einzelfall herausgearbeitet und in die Zulassungsbescheinigung Teil I und/oder Teil II übernommen werden.
92Zu den herauszuarbeitenden und in die Zulassungsbescheinigungen zu übernehmenden Daten gehört nach der in dem Leitfaden auf Seite 6ff enthaltenen Übersicht zwar das Datum der Erstzulassung des Fahrzeugs. Allein der Umstand der Aufnahme in diese Übersicht führt jedoch nicht dazu, dass es sich bei dem Erstzulassungsdatum um einen Teil der nach § 21 StVZO zu erstellenden technischen Beschreibung des Fahrzeugs in dem Gutachten des Sachverständigen handelt. Denn die Auflistung der in die Zulassungsbescheinigung aufzunehmenden Angaben enthält auch zahlreiche weitere Merkmale, die zweifellos nicht zur – die allgemeine Betriebserlaubnis, bzw. Typenbeschreibung ersetzenden – technischen Beschreibung im Gutachten nach § 21 StVZO gehören, wie z.B. das amtliche Kennzeichen, Name oder Firmenname des Halters, bzw. Verfügungsberechtigten, dessen Anschrift oder die Anzahl der vorherigen Halter.
93Ebenso wie das Erstzulassungsdatum sind diese Daten im Fall einer abstrakten Typenbeschreibung, bzw. –zulassung regelmäßig nicht bekannt und für die technische Beschreibung des Fahrzeugs offensichtlich irrelevant. Gleiches gilt für das Erstzulassungsdatum.
94Diese Auslegung wird bestätigt durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, der Regelungen über die Bestimmung des Erstzulassungsdatums nicht als technische Vorschrift ansieht, die dem Anwendungsbereich der Richtlinie 83/189 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften in der Fassung der Richtlinie 88/122 unterfallen. Der EUGH führt dazu aus, dass Vorschriften, die dazu dienen, für die Ausstellung des Kraftfahrzeugscheins den Zeitpunkt der Erstzulassung eines Fahrzeugs zum Verkehr zu bestimmen, kein Merkmal des Erzeugnisses als solches vorschreiben. Nach Artikel 1 Nummer 1 der Richtlinie 83/189 ist nämlich eine technische Spezifikation im Sinne dieser Richtlinie, soweit Erzeugnisse [..] hiervon betroffen sind, eine "Spezifikation, die in einem Schriftstück enthalten ist, das Merkmale eines Erzeugnisses vorschreibt". Die technischen Spezifikationen im Sinne der Richtlinie 83/189 müssen sich somit auf das Erzeugnis als solches beziehen,
95Vgl. EuGH, Urteil vom 12. Oktober 2000 – C-314/98 –, juris
96Das Erstzulassungsdatum betrifft aber nicht das Erzeugnis – hier ein Kraftfahrzeug – als solches, sondern einen individuellen Umstand, der für den Sinn und Zweck der technischen Beschreibung nach § 21 StVZO, nämlich die Konformität des Fahrzeugs mit den geltenden technischen Regeln für die Zulassung von Kraftfahrzeugen überprüfen zu können, nicht von Belang ist.
97Da vorliegend allein die Bindung der Beklagten an die gutachterliche Feststellung des (fiktiven) Erstzulassungsdatums streitig ist, kann dahinstehen, ob die Beklagte hinsichtlich der Übernahme der technischen Beschreibung im Übrigen durch den Wortlaut des § 21 StVZO an die Feststellungen des Sachverständigen gebunden ist, wofür allerdings überwiegendes spricht.
98Vorliegend war die Beklagte mithin nicht daran gehindert, auch ohne Einvernehmen mit dem Sachverständigen, das Erstzulassungsdatum abweichend von dem durch den Gutachter angenommenen (fiktiven) Erstzulassungsdatum festzulegen.
99Es ist nicht zu beanstanden, dass sie sich dabei – unter Aufgabe ihrer früheren Verwaltungspraxis – an die Verwaltungsvorschrift in Gestalt des Leitfadens gehalten hat.
100Allein aus dem Umstand, dass die Beklagte Ihre Verwaltungspraxis geändert hat, ohne dass eine Rechtsänderung oder eine Änderung der Verwaltungsvorschriften erfolgt wäre, folgen weder eine Rechtsverletzung der Klägerin noch die geltend gemachten Ansprüche.
101Es ist allgemein anerkannt, das eine Behörde ihre Verwaltungspraxis – nicht nur, aber insbesondere dann, wenn die bisherige Praxis sich als rechtswidrig erwiesen hat – jederzeit ändern kann.
102Vorliegend wich die vorhergehende Praxis der Beklagten vom insoweit eindeutigen Wortlaut des durch das Kraftfahrbundesamt herausgegebenen Leitfadens ab. Dies zieht auch die Klägerin letztendlich nicht in Zweifel.
103Eine solche abweichende Praxis von dem bundesweit durch die Zulassungsstellen anzuwendenden Leitfaden stellt eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung dar, die gerade zu der von der Klägerin monierten Rechtsunsicherheit führt. Denn der Leitfaden, mit seinen abgestuften und eindeutigen Regelungen zur Bestimmung eines fiktiven Zulassungsdatums für die Fälle, in denen ein tatsächliches Zulassungsdatum nicht zuverlässig festgestellt werden kann, führt zu einer bundeseinheitlich gleichmäßigen Bestimmung des für den merkantilen Wert eines Fahrzeugs im Regelfall bedeutsamen Zulassungsdatums.
104Die von der Beklagten umgesetzten Regelungen des Leitfadens zur Bestimmung des fiktiven Zulassungsdatumsführen auch nicht zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung der Beklagten in den hier streitgegenständlichen Fällen, insbesondere nicht zu Ermessensfehlern.
105Das hier allein streitgegenständliche Datum der Erstzulassung bzw. der erstmaligen Inbetriebnahme bezeichnet nach dem Leitfaden den Tag, an dem für das Fahrzeug erstmals (im Inland oder im Ausland) ein amtliches Kennzeichen oder aber ein Ausfuhrkennzeichen zugeteilt worden ist.
106Ist dieses Datum – wie hier – unbekannt, muss die zuständige Landesbehörde bei der Ausstellung der Zulassungsbescheinigungen ein fiktives Datum eintragen.
107Dazu bestimmt der Leitfaden
108„Ist das Datum der Erstzulassung bzw. der erstmaligen Inbetriebnahme nicht bekannt, ist wie folgt zu
109verfahren:
110nur Tag nicht bekannt: es ist der 01. des Monats einzutragen,
Monat nicht bekannt: es ist der 01.07. des Jahres einzutragen,
Jahr nicht bekannt: es ist der 01.07. des Baujahres einzutragen, ggf. ist das Baujahr zu schätzen.
Diese Regelung stellt einen angemessenen und vor allen Dingen praktikablen Ausgleich zwischen der Unsicherheit über das Datum der Erstzulassung und dem zweifellos bestehenden Interesse des Fahrzeugeigentümers an der amtlichen Feststellung dieses zweifellos wertbildenden Faktors dar.
115Es liegt in der Natur der Sache, dass jedes fiktive Datum nur für 1/365 aller in einem Jahr denkbaren Zulassungsdaten zutreffend ist und in allen anderen Fällen ein „willkürlich“ gewähltes Datum darstellt. Diesen Zeitpunkt in die Mitte des als Baujahr bekannten Kalenderjahres zu legen, ist ebenso naheliegend, wie den Anfang oder das Ende des Jahres anzunehmen.
116Entscheidend für die Verhältnismäßigkeit und damit die Rechtmäßigkeit der Verwendung eines solch fiktiven Datums ist die gleichmäßige Anwendung einer solchen Regelung auf alle ihr unterfallenden Lebenssachverhalte.
117Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag der Klägerin, das von der Beklagten eingetragene fiktive Datum könne aufgrund der Feststellungen des Sachverständigen zum Monat der Herstellung offensichtlich nicht zutreffen.
118Der Umstand, dass das fiktive Datum unter Umständen in Einzelfällen aufgrund anderer Indizien als unwahrscheinlich oder sogar mit Sicherheit unzutreffend festgestellt werden kann, ist deshalb zur Sicherung der verlässlich bundesweit einheitlichen Zulassungspraxis hinzunehmen.
119Zwar hat die Kammer keinen Zweifel daran, dass ein Sachverständiger aus dem Typenschild einzelner Fahrzeuge den Monat der Herstellung ermitteln kann. Dies sagt aber nichts über das hier allein im Streit stehende Zulassungsdatum aus. Denn unabhängig davon, welches Datum als Herstellungsdatum vom Hersteller zugrunde gelegt wird und wie lange ein Herstellungsprozess in der Regel dauert und wie gut diese regelmäßige Dauer zu belegen ist, kommt es – wie allgemein bekannt ist – weltweit durchaus vor, dass fertiggestellte Fahrzeuge noch teilweise erhebliche Zeit „im Lager“ des Herstellers oder beim Händler stehen, bevor sie erstmalig zugelassen werden. Dementsprechend ist es sachgerecht, bei der fiktiven Bestimmung eines Zulassungsdatums allein auf das Baujahr und nicht auch auf den Monat der Herstellung oder die Einschätzung eines Sachverständigen zur üblichen Dauer des Herstellungsprozesses abzustellen.
120Darauf, ob im konkreten Fall die Aussage des Sachverständigen zum frühestmöglichen Erstzulassungsdatum auf der Grundlage des Typenschildes hinreichend belegt ist, kommt es vorliegend deshalb nicht an.
121Die Regelung ist auch weder geeignet zu Rechtsunsicherheiten zu führen, noch benachteiligt sie die Klägerin unangemessen. Dabei ist zunächst in den Blick zu nehmen, dass die von der Klägerin mit ihren Hauptanträgen verfolgte Datumseintragung ebenfalls fiktiv ist und nur auf allgemeinen wenn auch sachverständigen Mutmaßungen des Gutachters zur durchschnittlichen Dauer des Produktionsprozess und dann ergänzend auf der Fiktionsregel des Leitfadens beruht.
122Aus der Anwendung der Fiktionsregel des Leitfadens auch in Fällen, in denen der Herstellungsbeginn des Fahrzeugs bekannt ist, entsteht der Klägerin auch kein unzumutbarer Nachteil. Denn in solchen Fällen ist es der Klägerin möglich, Kunden, sofern ihnen der Umstand nicht ohnehin bekannt ist, auf den fiktiven Charakter des eingetragenen Erstzulassungsdatums hinzuweisen und dieses zu erläutern. Dies umso mehr, als die Beklagte in den streitgegenständlichen Fällen in die Zulassungsbescheinigung den Hinweis auf den von dem Sachverständigen ermittelten Herstellungsmonat als Bemerkung in die Zulassungsbescheinigung aufgenommen hat.
123Auch auf die in den Hilfsanträgen begehrte Eintragung eines dem aus dem Typenschild ersichtlichen Herstellungsmonats entsprechenden Erstzulassungsdatums besteht aus den oben genannten Gründen kein Anspruch.
124Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
125Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
126Rechtsmittelbelehrung:
127Innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils kann bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen schriftlich beantragt werden, dass das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster die Berufung zulässt. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
128Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster schriftlich einzureichen.
129Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
130Der Antrag ist zu stellen und zu begründen durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, oder eine diesen gleichgestellte Person als Bevollmächtigten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Auf die besonderen Regelungen in § 67 Abs. 4 Sätze 7 und 8 VwGO wird hingewiesen.