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Verbalnoten des tadschikischen Auswärtigen Amtes sind grundsätzlich ein geeignetes Instrument zur Ausräumung der Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung.
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
G r ü n d e:
2Der Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der unter dem Aktenzeichen 12a K 1742/25.A geführten Klage gegen die in dem Bescheid des C. D. (im Folgenden: C.) vom 10. März 2025 enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen,
4über den der Berichterstatter gemäß § 76 Abs. 4 des Asylgesetzes – AsylG – als gesetzlicher Einzelrichter entscheidet, hat keinen Erfolg.
5Zwar ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 VwGO zulässig, insbesondere statthaft. Der Klage gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung in Ziffer 5. des Bescheides vom 10. März 2025 kommt nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –,§§ 36 Abs. 1, 75 AsylG keine aufschiebende Wirkung zu. Der am 2. Mai 2025 gestellte Antrag wurde zudem innerhalb der Wochenfrist (nach Bekanntgabe der Rücknahme der Aussetzung der Vollziehung) des § 36 Abs. 3 S. 1 AsylG gestellt.
6Der Antrag ist allerdings unbegründet.
7Die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 VwGO liegen nicht vor. Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag im Rahmen einer eigenen Ermessensentscheidung die aufschiebende Wirkung der Klage ganz oder teilweise anordnen, wenn das persönliche Interesse des Antragstellers an der beantragten Aussetzung der Vollziehung das sich aus § 75 AsylG ergebende öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsandrohung überwiegt. Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens ist gemäß § 36 Abs. 3 S. 1 AsylG die unter Setzung einer Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) ausgesprochene Abschiebungsandrohung. Die mit dieser Verwaltungsentscheidung intendierte umgehende Beendigung des Aufenthalts des Asylbewerbers im Bundesgebiet stützt sich auf die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet und ist deren Folge. Das Gericht hat im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes die Einschätzung des C. , dass die Voraussetzungen für die Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes (im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG) offensichtlich nicht vorliegen,
8vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1516/93 –,juris Rn. 91 ff.,
9sowie die Frage, ob Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 S. 1 des Aufenthaltsgesetzes – AufenthG – zu Recht verneint worden sind, zum Gegenstand seiner Prüfung zu machen. Die Aussetzung der Abschiebung und damit die aufschiebende Wirkung der Klage darf gemäß § 36 Abs. 4 S. 1 AsylG nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält.
10Vgl. zu diesem Maßstab BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996– 2 BvR 1516/93 –, juris Rn. 99.
11Hiervon ausgehend erweist sich die Abschiebungsandrohung (Ziffer 5. des streitgegenständlichen Bescheides) im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 S. 1 AsylG) als rechtmäßig. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinne des § 36 Abs. 4 S. 1 AsylG hinsichtlich der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet (Ziffer 1. bis 3. des streitgegenständlichen Bescheides), sowie hinsichtlich der Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 S. 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4. des streitgegenständlichen Bescheides). Damit überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das persönliche Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung der Klage.
12Soweit es die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet betrifft, nimmt der Einzelrichter zur Vermeidung von Wiederholungen in entsprechender Anwendung von § 77 Abs. 3 AsylG Bezug auf die ausführlichen Feststellungen und die Begründung des C. im streitgegenständlichen Bescheid vom 10. März 2025. Der Antragsteller, der seinen auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gerichteten Antrag trotz entsprechender Ankündigung in der Antragsschrift und gerichtlicher Aufforderung nicht begründet hat, ist dieser Begründung dementsprechend nicht entgegengetreten.
13Im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) bestehen auch keine ernstlichen Zweifel im Sinne des § 36 Abs. 4 S. 1 AsylG hinsichtlich der Verneinung eines Anspruchs auf Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 S. 1 AufenthG. Bei einer summarischen Prüfung sprechen vielmehr die überwiegenden Gesichtspunkte dafür, dass die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 5 AufenthG nicht vorliegen. Nach dieser Norm darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
14I.Dies ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) wegen der Unvereinbarkeit mit Art. 3 EMRK insbesondere dann der Fall, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der Betroffene im Falle seiner Abschiebung der ernsthaften Gefahr der Todesstrafe, der Folter oder der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung ausgesetzt wäre.
15Eine Verletzung von Art. 3 EMRK setzt die tatsächliche Gefahr der Folter oder unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung voraus. Nach der Rechtsprechung des EGMR, dessen Rechtsprechung zu den Kriterien einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK besondere Bedeutung zukommt,
16vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Februar 2019 – 1 B 2.19 –, juris Rn. 6; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 2004 – 2 BvR 1481/04 –, juris Rn. 38,
17muss eine ausreichende reale Gefahr bestehen, die nicht nur auf bloßen Spekulationen beruht, denen eine hinreichende Tatsachengrundlage fehlt. Die tatsächliche Gefahr einer Art. 3 EMRK zuwiderlaufenden Behandlung muss aufgrund aller Umstände des Falles ernsthaft bestehen und darf nicht hypothetisch sein.
18Vgl. EGMR, Urteile vom 28. Juni 2011 – Nr. 8319/07 und Nr. 11449/07, Sufi and Elmi/Vereinigtes Königreich –,InfAuslR 2012, 121 ff., Rn. 212 ff., vom 27. Mai 2008 – Nr. 26565/05, N./Vereinigtes Königreich –, NVwZ, 2008, 1334 ff., Rn. 34 ff. und vom 6. Februar 2001 – Nr. 44599/98, Bensaid/Vereinigtes Königreich – Rn. 36 ff., jeweils Ls. bei juris.
19Der Prognosemaßstab der tatsächlichen Gefahr entspricht dem der beachtlichen Wahrscheinlichkeit.
20Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 2022– BVerwG 1 C 10.21 –, juris Rn. 13 m. w. N.
21Für die Entscheidung, ob eine bestimmte Form der Misshandlung als Folter einzustufen ist, muss die Unterscheidung berücksichtigt werden, die Art. 3 EMRK zwischen Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung macht. Diese Unterscheidung ist in der Konvention vorgesehen, um das besondere Stigma der Folter vorsätzlichen Misshandlungen vorzubehalten, die starke und grausame Leiden verursachen. Zur Schwere der Behandlung kommt der Gesichtspunkt des verfolgten Ziels hinzu. Das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe definiert Folter daher als vorsätzliche Zufügung von großen Schmerzen oder Leiden, um unter anderem Aussagen zu erhalten, zu bestrafen oder einzuschüchtern.
22Vgl. EGMR, Urteil vom 13. Dezember 2012 – Nr. 39630/09, El-Masri/Mazedonien –, juris Rn. 197.
23Eine Misshandlung muss ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um die Voraussetzungen des Art. 3 EMRK zu erfüllen. Die Beurteilung dieses Mindestmaßes ist relativ und hängt von allen Umständen des Einzelfalls ab, wie die Dauer der Behandlung und ihre physischen und psychischen Wirkungen und manchmal das Geschlecht, das Alter und der Gesundheitszustand des Opfers. Eine Behandlung ist unmenschlich, wenn sie vorsätzlich und ohne Unterbrechung über Stunden zugefügt wurde und entweder körperliche Verletzungen oder intensives physisches oder psychisches Leid verursacht hat. Erniedrigend ist eine Behandlung, wenn sie eine Person demütigt oder erniedrigt, es an Achtung für ihre Menschenwürde fehlen lässt oder sie herabsetzt oder in ihr Gefühle der Angst, Beklemmung oder Unterlegenheit erweckt, geeignet, den moralischen oder körperlichen Widerstand zu brechen.
24Vgl. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – Nr. 30696/09 –, NVwZ 2011, 413, Rn. 219 f.
25Eine unmenschliche Behandlung liegt vor, wenn einer Person vorsätzlich schwere psychische oder physische Qualen oder Leiden von außergewöhnlicher Intensität oder Dauer zugefügt werden, die mit den allgemeinen Geboten der Menschlichkeit schlechthin unvereinbar sind, ohne dass der Eingriff die Intensität erreicht, die die Folter kennzeichnet. Eine erniedrigende Behandlung liegt vor, wenn die Behandlung Gefühle der Angst, des Schmerzes oder der Minderwertigkeit erweckt, die geeignet sind, das Opfer zu demütigen bzw. zu entwürdigen und möglicherweise seinen psychischen oder moralischen Widerstand zu brechen
26Vgl. EGMR, Urteil vom 26. Oktober 2000 – Nr. 30210/96 –, NJW 2001, 2694, Rn. 92.
27II.Bei zusammenfassender Würdigung der durch die ausgewerteten Erkenntnisquellen vermittelten Umstände besteht keine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass dem Antragsteller bei einer Abschiebung nach Tadschikistan dort Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht.
281.Zwar ist die tadschikische Regierung in großer Sorge vor radikalislamischen Einflüssen in ihrem Land. Auch wenn die Verfassung weltanschauliche Neutralität und Religionsfreiheit gewährt, schränkt die Regierung in der Praxis jedoch diese im Namen der nationalen Sicherheit stark ein, kontrolliert alle Glaubensgemeinschaften und verfolgt rigoros vor allem tatsächliche oder angebliche salafistische Aktivitäten. Die Herausforderung durch islamischen Extremismus und terroristische Organisationen, vor die sich viele zentralasiatische Staaten gestellt sehen, ist in Tadschikistan besonders spürbar, zumal die Stabilität des Landes keinesfalls gefestigt ist. Auch nach dem offiziellen Ende des Bürgerkriegs stellt der Missbrauch von Religion und islamischer Extremismus für das Land eine existenzielle Herausforderung dar. Die hohe Zahl tadschikischer Kämpfer in den Reihen von ISIS/DAESH und ihre Rückkehr in die Region ist tatsächlich eine Bedrohung für das Land, wird aber von der Regierung auch als Vorwand für Kontrolle und Unterdrückung von Glaubensausübung instrumentalisiert.
29Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan vom 1. August 2024 (Stand November 2023 in der Fassung vom 9. April 2024), S. 11 f.; Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Tadschikistan, Gesamtaktualisierung am 10. Mai 2024, S. 22; Counter Extremism Project (CEP), Tajikistan: Extremism and Terrorism.
30Durch die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan hat sich die Bedrohungslage für Tadschikistan – mit seiner weitgehend ungesicherten 1400 km langen Grenze zu Afghanistan – dramatisch verändert. Tadschikistan fürchtet die Einflüsse radikal-islamischer Ideologien, ein Übergreifen terroristisch-islamischer Gruppen sowie Flüchtlingsströme aus Afghanistan. Die militanten islamistischen Aktivitäten im Norden Afghanistans, jenseits der durchlässigen Grenze, stellen eine zentrale Bedrohung dar, insbesondere wenn der afghanische Konflikt auf Zentralasien übergreift.
31Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan vom 1. August 2024 (Stand November 2023 in der Fassung vom 9. April 2024), S. 16.
32a)
33Staatliche Repressionen gegen bestimmte Personen wegen ihrer politischen Überzeugung sind nicht selten. Diese dienen primär dazu, präventiv möglichen Gefahren für den Machterhalt entgegenzuwirken. Deutliche Repressionen gibt es aus Sorge vor Radikalisierung auch gegen echte oder vermeintliche Vertreter extremistischer Strömungen des Islams, vor allem gegen Salafisten.
34Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan vom 1. August 2024 (Stand November 2023 in der Fassung vom 9. April 2024), S. 8; Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Tadschikistan, Gesamtaktualisierung am 10. Mai 2024,S. 8f., 22.
35Die Repressionen gegenüber politischen Aktivisten können eskaliert werden: Sie beginnen mit Beobachtungen, Abhören, telefonischen Warnanrufen des Staatlichen Komitees für Nationale Sicherheit (GKNB), Einbestellungen zu Verhören, setzen sich gelegentlich in gewaltsamen Übergriffen durch staatlich beauftragte „Unbekannte“, in Festnahmen und Anklagen auf zweifelhafter Grundlage fort und enden schlimmstenfalls in Verurteilungen zu teilweise langen Haftstrafen.
36Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan vom 1. August 2024 (Stand November 2023 in der Fassung vom 9. April 2024), S. 8; Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Tadschikistan, Gesamtaktualisierung am 10. Mai 2024,S. 9.
37Eine Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis, die sich nach Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung richtet, ist zwar nicht festzustellen. Ausnahmen betreffen jedoch Täter, die als religiös extremistisch eingestuft oder wegen ihrer politischen Tätigkeit verfolgt werden. Nicht verifizierbaren Medienberichten zufolge wurden Anhänger des Islamischen Staates wegen Schwenkens der IS-Flagge zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Als für den Machterhalt gefährlich eingestufte politische Oppositionelle wurden zum Teil hinter verschlossenen Türen und häufig unter falschen Anschuldigungen zu langjährigen Haftstrafen verurteilt.
38Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan vom 1. August 2024 (Stand November 2023 in der Fassung vom 9. April 2024), S. 12; Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Tadschikistan, Gesamtaktualisierung am 10. Mai 2024,S. 9.
39Eine förmliche Verweigerung des Rechtsschutzes ist nicht bekannt. Als extremistisch und – potenziell – terroristisch eingestufte Personen laufen jedoch Gefahr, zu langen Haftstrafen verurteilt zu werden. Die Justiz arbeitet in dieser Hinsicht eng mit den Sicherheitsdiensten zusammen. Obwohl alle Prozesse öffentlich sind, finden Prozesse gegen politische Angeklagte auch hinter verschlossenen Türen statt. Da einige Juristen wegen angeblicher extremistischer „Straftaten“ verfolgt wurden, ist es im Ergebnis schwierig, rechtliche Hilfe zu finden, die bereit ist, politisch „heikle“ Fälle zu übernehmen.
40Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan vom 1. August 2024 (Stand November 2023 in der Fassung vom 9. April 2024), S. 12; Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Tadschikistan, Gesamtaktualisierung am 10. Mai 2024,S. 8f.
41Es gibt – trotz des nachstehend noch näher zu erläuternden verfassungsrechtlichen Schutzes der Menschenrechte – glaubwürdige Berichte über zahlreiche Menschenrechtsverletzungen unterschiedlichster Art. Die im August 2023 von der Regierung verabschiedete Nationale Strategie der Menschenrechte für den Zeitraum bis 2038 entspricht laut Kritikern nicht der gelebten Praxis.
42Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Tadschikistan, Gesamtaktualisierung am 10. Mai 2024, S. 15.
43Insgesamt sind die Haftbedingungen nach Berichten internationaler Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch katastrophal (überfüllte Einrichtungen, schlechte Hygienebedingungen, unzureichende Gesundheitsversorgung). Es liegen auch Berichte über Misshandlungen und Folter durch Wachpersonal und darüber vor, dass die Haftbedingungen für politische Straftäter noch schlechter seien als für „normale“ Strafgefangene, vor allem zu Beginn der Haftzeit. Im November 2018 wurde ein Gefangenenaufstand in Khudjand brutal niedergeschlagen mit mindestens zwanzig (wahrscheinlich mehr als fünfzig) Todesopfern. Mindestens 14 Gefangene starben im Juli 2019 unter verdächtigen Umständen während eines Gefangenentransportes.
44Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan, Stand November 2021, S. 10, und vom 1. August 2024 (Stand November 2023 in der Fassung vom 9. April 2024), S. 18.
45Im Mai 2019 gab es in Vahdat, sechs Meilen östlich der Hauptstadt Duschanbe, mindestens 29 Tote bei einer Revolte in einem Gefängnis, in welchem vor allem ehemalige IS-Kämpfer inhaftiert waren. Die Regierung machte die Terrormiliz Islamischer Staat verantwortlich. Das tadschikische Justizministerium teilte mit, dass der Aufstand am späten Sonntag ausgebrochen sei, als mit Messern bewaffnete Militante drei Bedienstete und fünf Mitgefangene töteten. Anschließend zündeten die Militanten das Gefängniskrankenhaus an, nahmen mehrere Häftlinge als Geiseln und versuchten, sich einen Weg nach draußen zu erkämpfen. Nach Angaben des Ministeriums töteten Sicherheitskräfte im Kampf um die Wiederherstellung der Ordnung im Gefängnis 24 Militante. Das Gefängnis beherbergt 1500 Insassen.
46Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan, Stand November 2021, S. 10; The Guardian, Dozens killed in riot at Tajikistan prison holding ISIS militants, 20. Mai 2019.
47b)
48Laut IKRK kommt Folter in Tadschikistan vor, ist derzeit aber nicht als systematisch zu betrachten, die Regierung möchte sie vielmehr bekämpfen.
49Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan vom 1. August 2024 (Stand November 2023 in der Fassung vom 9. April 2024), S. 17 f; Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Tadschikistan, Gesamtaktualisierung am 10. Mai 2024, S. 11.
50Tadschikistan hat unter anderem die Anti-Folter-Konvention CAT (Convention against Torture and Other Cruel and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment) vom 11. Januar 1995 ratifiziert. Zudem verbietet die Verfassung die Anwendung von Folter. Der Schutz der Menschenrechte ist in der Verfassung Tadschikistans vom 6. November 1994 verankert.
51Vgl. abrufbar unter: https://mfa.tj/uploads/berlin/2020/08/constitutsion-TheRepablik-of-Tajikistan.pdf.
52Nach Art. 5 der Verfassung sind der Mensch, seine Rechte und Freiheiten der höchste Wert. Leben, Ehre, Würde und andere natürliche Menschenrechte sind unantastbar. Die Rechte und Freiheiten des Menschen und der Bürger werden vom Staat anerkannt, beachtet und geschützt. Art. 14 der Verfassung sieht vor, dass die Rechte und Freiheiten des Einzelnen und des Bürgers durch die Verfassung, die Gesetze der Republik und von Tadschikistan anerkannte internationale Rechtsdokumente geschützt werden sollen. Die Rechte und Freiheiten des Einzelnen und des Bürgers werden direkt umgesetzt. Diese sollen die Ziele, den Inhalt und die Wirkung der Gesetze sowie die Durchführungstätigkeit der Gesetzgebung, der Exekutiv- und 19 Kommunalbehörden und lokalen Selbstverwaltungsorganen bestimmen und von der Justiz versichert werden. Eine Einschränkung bei der Ausübung der Rechte und Freiheiten des Bürgers ist nur zulässig, um die Rechte und Freiheiten anderer und die öffentliche Ordnung sicherzustellen und die Verfassungsstruktur und die territoriale Integrität der Republik zu wahren. Art. 17 der Verfassung gewährleistet die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz und dem Gericht. Der Staat garantiert die Rechte und Freiheiten für jeden Menschen, unabhängig von seiner Nationalität, Rasse, Geschlecht, Sprache, religiösen Überzeugung, politischen Überzeugung, Wissen, Sozial- und Eigentumsstatus. Der Staat gewährleistet nach Art. 18 Satz 2 der Verfassung die Unverletzlichkeit einer Person. Nach Satz 3 darf niemand Folter, Bestrafung und unmenschlicher Behandlung unterworfen werden („No one shall be subjected to torture, punishment, and inhuman treatment.“). Art. 19 der Verfassung gewährleistet den Schutz durch fachkundige, unabhängige und unparteiische Gerichte. Niemand darf ohne rechtliche Grundlage in Gewahrsam gehalten oder verhaftet werden. Jeder ist berechtigt, ab dem Zeitpunkt seiner Festnahme die Unterstützung eines Anwalts in Anspruch zu nehmen („Everyone shall be entitled to use the assistance of advocate from the moment of his arrest"). Die Art. 84 und 87 der Verfassung sehen die Unabhängigkeit des Justizsystems vor. Die Richter sind in ihrer Tätigkeit unabhängig und nur der Verfassung und dem Recht unterworfen. Tadschikistan hat die unter https://indicators.ohchr.org/ aufgeführten Menschenrechtsabkommen ratifiziert bzw. ist diesen beigetreten.
53Vgl. zum letzten Punkt: Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan vom 1. August 2024 (Stand November 2023 in der Fassung vom 9. April 2024), S. 17.
54Davon unter anderem erfasst ist der am 11. Januar 1995 erfolgte Beitritt Tadschikistans zu dem Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984 (Anti-Folter Konvention CAT – Convention against Torture and Other Cruel and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment), das die Vertragsstaaten auf das Verbot von Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe verpflichtet (vgl. insbesondere Art. 2 Abs. 1, Art. 16 Abs. 1 des Übereinkommens). Zudem ist Tadschikistan am 4. Januar 1999 dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966 (Zivilpakt CCPR – International Convenant on Civil and Political Rights) beigetreten. Nach dessen Art. 7 S. 1 darf niemand der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden. Gemäß Art. 10 Abs. 1 des Zivilpaktes muss jeder, dem die Freiheit entzogen wird, menschlich und mit Achtung vor der dem Menschen innewohnenden Würde behandelt werden. Am 29. Februar 2012 hat das tadschikische Unterhaus den Artikel 143-1 („Folter“) in das Strafgesetzbuch des Landes aufgenommen, der eine Definition von Folter enthält, die mit der in der Anti-Folter Konvention CAT übereinstimmt.
55Vgl. Joint NGO submission to the United Nations Human Rights Committee ahead of the consideration of Tajikistan's Third Periodic Report at the 126th session in July 2019, Torture, ill-treatment, the death penalty and the shrinking space for NGOs, Juni 2019, S. 10.
56Am 30. Mai 2017 wurde das Gesetz über Rechtsakte mit Verordnungscharakter verabschiedet. Es legt fest, dass die Rechtsetzung in Tadschikistan mit dem Ziel erfolgt, die Rechte und Freiheiten von Menschen und Bürgern anzuerkennen, zu achten und zu schützen. Art. 4 des Gesetzes legt darüber hinaus fest, dass die gesetzgebende Tätigkeit in Tadschikistan mit dem Ziel erfolgt, die Menschenrechte anzuerkennen, zu achten und zu schützen. Von Tadschikistan anerkannte internationale Rechtsakte sind integraler Bestandteil des Rechtssystems des Landes. Sie treten nach ihrer amtlichen Veröffentlichung in Kraft und werden sofort wirksam. Das Gesetz legt auch fest, dass im Falle von innerstaatlichen Gesetzen, die im Widerspruch zu den von Tadschikistan anerkannten internationalen Rechtsakten stehen, die Normen der internationalen Rechtsakte anzuwenden sind (Art. 10).
57Vgl. Joint NGO submission to the United Nations Human Rights Committee ahead of the consideration of Tajikistan's Third Periodic Report at the 126th session in July 2019, Torture, ill-treatment, the death penalty and the shrinking space for NGOs, Juni 2019, S. 4.
58In dem Zeitraum von 2012 bis 2019 hat Tadschikistan den Rechtsrahmen für Mechanismen und Verfahren zur Umsetzung der internationalen Menschenrechtsverpflichtungen des Landes verbessert („improved“).
59Vgl. Joint NGO submission to the United Nations Human Rights Committee ahead of the consideration of Tajikistan's Third Periodic Report at the 126th session in July 2019, Torture, ill-treatment, the death penalty and the shrinking space for NGOs, Juni 2019, S. 5.
60Seit der Menschenrechtsrat – Human Rights Committee's (HRC) – im Juli 2013 den zweiten periodischen Bericht Tadschikistans geprüft und abschließende Bemerkungen abgegeben hat, haben die tadschikischen Behörden mehrere wichtige Schritte („several significant steps“) unternommen, um die Besorgnis über Folter und Misshandlung auszuräumen und einige der Empfehlungen des Menschenrechtsausschusses umzusetzen.
61Vgl. Joint NGO submission to the United Nations Human Rights Committee ahead of the consideration of Tajikistan's Third Periodic Report at the 126th session in July 2019, Torture, ill-treatment, the death penalty and the shrinking space for NGOs, Juni 2019, S. 7 f., mit einer Aufzählung und Erläuterung der in dem Zeitraum 2014 bis 2019 von Tadschikistan hierzu ergriffenen Maßnahmen.
62Beim ersten Treffen mit dem Festgenommenen, dem Verdächtigen oder der beschuldigten Person ist nach tadschikischem Recht der Ermittler verpflichtet, die Person über seine Rechte, einschließlich des Rechts auf Rechtsverteidigung, zu informieren (Kapitel 6 der Strafprozessordnung). Gemäß Art. 51 der Strafprozessordnung ist der Ermittler auch verpflichtet, dem Häftling einen Rechtsbeistand zur Verfügung zu stellen. Wenn eine Person in einem Fall, in dem die Mitwirkung eines Rechtsanwalts gesetzlich vorgeschrieben ist, nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten wird, gilt dies als schwerwiegender Verstoß gegen das Strafprozessrecht und das Urteil muss aufgehoben werden (Art. 375 der Strafprozessordnung).
63Vgl. Joint NGO submission to the United Nations Human Rights Committee ahead of the consideration of Tajikistan's Third Periodic Report at the 126th session in July 2019, Torture, ill-treatment, the death penalty and the shrinking space for NGOs, Juni 2019, S. 16 f.
64Ungeachtet bzw. trotz dieses Normenbefundes kommt laut Berichten von Nichtregierungsorganisationen Folter durch staatliche Stellen in Tadschikistan vor, wobei die Zahlen erfasster Fälle in den jüngeren Jahren rückläufig waren. Für das Jahr 2023 gingen bei der Nichtregierungsorganisation „Koalition gegen Folter“ 16 Beschwerden über Folter und Misshandlung ein, fünf davon kamen von Frauen, zwei von Minderjährigen. Im Jahr 2022 wurden 16, im Jahr 2021 24, im Jahr 2020 hingegen noch 37 Fälle dokumentiert. Menschenunwürdige Behandlung kommt laut Berichten vor allem unmittelbar nach der Festnahme und während der Untersuchungshaft bei den Streitkräften und in Untersuchungsgefängnissen, sogenannten CISO, vor mit dem Ziel der Erzwingung von Geständnissen. Sie reichen von grober Behandlung bis zur Misshandlung mit Todesfolge. Laut dem Internationalen Roten Kreuz ist Folter in Tadschikistan derzeit jedoch nicht als systematisch zu betrachten.
65Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan vom 1. August 2024 (Stand November 2023 in der Fassung vom 9. April 2024), S. 17 f.; Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Tadschikistan, Gesamtaktualisierung am 10. Mai 2024, S. 11; IPHR – International Partnership for Human Rights, Human Rights Groups Call for Action to End Torture in Central Asia – Joint Statement on International Day in Support of Victims of Torture, vom 26. Juni 2024, abrufbar unter: https://iphronline.org/articles/human-rights-groups-callfor-action-to-end-torture-in-central-asia/.
66In den Jahren 2013 bis Anfang des Jahres 2019 hatten die Mitglieder der „Koalition gegen Folter und Straflosigkeit“ hingegen noch 25 (2013), 26 (2014), 45 (2015), 57 (2016), 66 (2017), 44 (2018) und 11 (im ersten Quartal 2019) neue Fälle von Männern, Frauen und Kindern, die mutmaßlich Folter oder Misshandlung ausgesetzt waren, registriert. In den meisten Fällen handelte es sich um körperliche Misshandlungen in den ersten Stunden der Haft mit dem Ziel, ein Geständnis zu erzwingen. Diese Zahlen stellen wohl nur einen Teil des Problems dar, da die Angst vor Repressalien, der mangelnde Zugang zu zivilgesellschaftlichen Aktivisten oder das mangelnde Vertrauen in das Strafrechtssystem als Mechanismus zur Erlangung von Gerechtigkeit viele Opfer oder ihre Angehörigen davon abhalten, Anzeige zu erstatten.
67Vgl. Joint NGO submission to the United Nations Human Rights Committee ahead of the consideration of Tajikistan's Third Periodic Report at the 126th session in July 2019, Torture, ill-treatment, the death penalty and the shrinking space for NGOs, Juni 2019, Seite 8.
68Auch nach Angaben des UN-Menschenrechtsausschusses gab es Berichte über Schläge, Folter und andere Formen der Nötigung der, um bei Verhören Geständnisse zu erzwingen.
69Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Tadschikistan, Gesamtaktualisierung am 10. Mai 2024, S. 11.
70Die Anwendung von Folter wird jedoch verfolgt und bestraft. Seit der Einführung von Artikel 143-1 („Folter“) in das Strafgesetzbuch im Jahr 2012 wurden elf Strafverfahren nach diesem Artikel eröffnet, wie aus dem dritten periodischen Bericht Tadschikistans an das CAT und zusätzlichen Informationen hervorgeht, die die Generalstaatsanwaltschaft auf einer Pressekonferenz am 25. Januar 2018 zur Verfügung stellte. Nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft registrierte sie im Jahr 2013 16 Beschwerden wegen Folter, 13 im Jahr 2014, 21 im Jahr 2015, 10 im Jahr 2016, 23 im Jahr 2017 und 54 im Jahr 2018. Nachdem sich die Vorwürfe in 10 dieser Fälle bestätigt hatten, leitete die Generalstaatsanwaltschaft jeweils ein Strafverfahren ein. Bis Ende April 2019 wurden in vier der Fälle fünf Personen zu Haftstrafen verurteilt. Die Generalstaatsanwaltschaft gibt nicht an, auf welcher Grundlage die (mutmaßlichen) Täter angeklagt wurden, und es ist nicht bekannt, wie viele Personen bisher nach Artikel 143-1 verurteilt wurden.
71Vgl. Joint NGO submission to the United Nations Human Rights Committee ahead of the consideration of Tajikistan's Third Periodic Report at the 126th session in July 2019, Torture, ill-treatment, the death penalty and the shrinking space for NGOs, Juni 2019, S. 11.
72Anderen Erkenntnismitteln zufolge ist in Tadschikistan bereits im Jahr 2019 ein Polizist u.a. wegen Folter zu 13 Jahren Haft verurteilt worden. Im Jahr zuvor waren bereits in derselben Angelegenheit ein anderer Polizist zu 13 Jahren und ein ranghohes Mitglied der Sicherheitskräfte zu 12 Jahren Haft verurteilt worden.
73Vgl. Neue Züricher Zeitung (NZZ), Polizist in Tadschikistan wegen Folter zu 13 Jahren Haft verurteilt, vom 1. Februar 2019, abrufbar unter: https://www.nzz.ch/panorama/polizist-in-tadschikistan-wegen-folter-zu13-jahren-haft-verurteilt-ld. 1456459.
74Im Jahr 2020 hat Tadschikistan das Strafgesetzbuch dahingehend geändert, dass Fälle von Folter nunmehr zu einer Haftstrafe von fünf bis acht Jahren führen können.
75Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan vom 1. August 2024 (Stand November 2023 in der Fassung vom 9. April 2024), S. 18; Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Tadschikistan, Gesamtaktualisierung am 10. Mai 2024,S. 11.
76Im Jahr 2023 wurden nach Angaben der IPHR gegen fünf Polizeibeamte Strafverfahren nach Artikel 143-1 des Strafgesetzbuchs eingeleitet. Alle angeklagten Polizeibeamten wurden für schuldig befunden und zu Gefängnisstrafen verurteilt, die sie in Hochsicherheitsgefängnissen verbüßen müssen.
77Vgl. IPHR – International Partnership for Human Rights, Human Rights Groups Call for Action to End Torture in Central Asia – Joint Statement on International Day in Support of Victims of Torture, vom 26. Juni 2024, abrufbar unter: https://iphronline.org/articles/human-rights-groups-callfor-action-to-end-torture-in-central-asia/.
78c)
79Seit 2015 verfolgt der tadschikische Staat eine versöhnliche Strategie gegenüber zurückkehrenden islamistischen Kämpfern. So wurde durch eine in diesem Jahr erfolgte Änderung der Strafgesetze den Behörden ermöglicht, tadschikische ausländische terroristische Kämpfer (Foreign Terrorist Fighters – FTFs) zu begnadigen, die freiwillig aus dem Irak oder Syrien zurückkehren, Reue für ihre Taten bekunden und sich von Verbindungen zu ausländischen militanten Gruppen lossagen.
80Vgl. Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Tadschikistan, Gesamtaktualisierung am 8. August 2022, S. 9.
81Insbesondere aus den Konfliktgebieten zurückkehrende Frauen und Kinder erhalten vom tadschikischen Staat Unterstützung. Tadschikistan unterstützt weiterhin die rund 84 Kinder von FTFs, die 2019 aus dem Irak zurückgeführt wurden. Tadschikistan hat selten Frauen verhaftet, die aus Konfliktgebieten wie Afghanistan, Syrien und dem Irak zurückgeführt wurden, und versucht stattdessen, sie wieder in die Gesellschaft zu integrieren.
82Vgl. Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Tadschikistan, Gesamtaktualisierung am 8. August 2022, Seite 38; United States Department of State, Country Reports on Terrorism 2020: Tajikistan, 16. Dezember 2021; Radio Liberty/Radio Free Europe, Tajik IS Widows Say They’re Paying For Their Husbands‘ Actions, But Courts Aren’t Convinced, 16. Januar 2022.
83Exilpolitisch aktive Mitglieder von als terroristische Organisationen verbotenen Gruppierungen und prominente Kritikerinnen und Kritiker müssten bei Rückkehr nach Tadschikistan mit massiven staatlichen Repressionen rechnen.
84Vgl. Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Tadschikistan, Gesamtaktualisierung am 10. Mai 2024,S. 11.
85Im Jahr 2015 erhielten wenige Personen, die als ehemalige Kämpfer oder Anwerber identifiziert werden konnten, Gefängnisstrafen.
86Vgl. Bulan Institute for Peace Innovations, The Repatriation, Rehabilitation and Reintegration of Women and Children from Syria and Iraq, The Experiences of Kazakhstan, Kyrgyzstan, Tajikistan and Uzbekistan, Report – June 2021, S. 17 f.; Radio Liberty/Radio Free Europe, Tajikistan prepares to repatriate families of Islamic State fighters form camps in Syria, 10. Dezember 2020.
87Auch gibt es Berichte darüber, dass tadschikische Gerichte mindestens fünf Frauen – die Ehefrauen mutmaßlicher IS-Kämpfer – wegen terroristischer Vorwürfe zu Gefängnisstrafen zwischen 12 und 14 Jahren verurteilt haben.
88Vgl. Radio Liberty/Radio Free Europe, Tajik IS Widows Say They’re Paying For Their Husbands‘ Actions, But Courts Aren’t Convinced, 16. Januar 2022.
89Das Middle East Institute berichtet, dass im Jahr 2018 ein ehemaliger Kämpfer des IS durch den tadschikischen Geheimdienst in der Ukraine entführt und in Tadschikistan inhaftiert wurde.
90Vgl. Middle East Institute, The Challenge of Foreign Fighters: Repatriating and Prosecuting ISIS Detainees, 27. Januar 2021.
91Das United Nations Office on Drugs and Crime (UNODC) hat in Zusammenarbeit mit der Gefängnisbehörde des Justizministeriums der Republik die Umsetzung des Programms zur Inhaftierung rückkehrender FTFs eingeleitet. Ein Teil des länderspezifischen Arbeitsplans ist die Umsetzung gezielter Rehabilitationsprogramme.
92Vgl. United States Department of State, Country Reports on Terrorism 2020: Tajikistan, 16. Dezember 2021.
93Nach eigenen Angaben soll das Programm die Fähigkeit der Republik Tadschikistan verbessern, Bedrohungen durch ausländische terroristische Kämpfer (FTFs) durch technische Hilfe für Strafverfolgungs-, Strafvollzugs- und Justizbehörden zu bewältigen und dadurch die Zusammenarbeit der Partner bei der Rückführung ihrer inhaftierten FTF-Staatsangehörigen fördern. UNODC ist bestrebt, die Kapazitäten der Republik Tadschikistan zur Bewältigung und Eindämmung der Bedrohung durch Terroristen und FTF-Häftlinge zu verbessern, indem es internationale Best Practices für Strafvollzugsmaßnahmen nutzt, darunter Klassifizierung und Fallmanagement, Schmuggelkontrolle, Zugangskontrolle zwischen Zellen und Gefängnisgebäuden sowie die Entwicklung von Aufnahmeprozessen. Das Programm wird auf der Umsetzung internationaler Verpflichtungen aufbauen, die durch die Annahme der Resolution 2396 (2017) eingegangen wurden, im Einklang mit den UN-Mindeststandardre-geln für die Behandlung von Gefangenen (Nelson-Mandela-Regeln), dem humanitären Völkerrecht und den Menschenrechtsgesetzen, sofern anwendbar und im Einklang mit dem einschlägigen Völkerrecht.
94Vgl. United Nations Office on Drugs and Crime (UNODC), UNODC and Prison Service of Tajikistan co-operate to adress Foreign Terrorist Fighters Threats in Prison.
95d)
96In der jüngsten Vergangenheit hat es Referenzfälle von Rückführungen von Personen aus dem islamistischen Spektrum nach Tadschikistan gegeben. Die überstellten bzw. freiwillig zurückgekehrten Personen waren, soweit den Behörden Erkenntnisse vorliegen, keiner Folter oder sonstiger unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung ausgesetzt.
97Ausweislich eines Behördenzeugnisses des Vizepräsidenten beim Bundesamt für Verfassungsschutz – BfV – war eine im Dezember 2024 aus Deutschland nach Tadschikistan abgeschobene Personen nach ihrer Rückkehr keinen flüchtlingsrechtlich relevanten Maßnahmen staatlicher Akteure ausgesetzt. Zunächst ist er durch die tadschikische Polizei befragt und sein Mobiltelefon durch diese ausgelesen worden. In der Folge ist er jedoch auf freien Fuß entlassen worden und konnte sich in Tadschikistan frei bewegen, ohne staatlichen Repressalien ausgesetzt zu sein. Darüber hinaus liegen dem BfV keine Erkenntnisse dazu vor, dass einem aus Deutschland nach Tadschikistan abgeschobenen tadschikischen Staatsangehörigen, zu dem tadschikischen Behörden nachweislich Erkenntnisse zu etwaigen islamistischen Bezügen der Person vorlagen, im Nachgang der Rückführung eine menschenrechtsverletzende Behandlung durch die tadschikischen Behörden widerfahren sei.
98Vgl. Behördenzeugnis des Vizepräsidenten beim Bundesamt für Verfassungsschutz an das Bundeskriminalamt vom 28. April 2025 bezüglich der Rückführung von Tadschiken nach Tadschikistan, S. 1f.
99Dem Bundesnachrichtendienst – BND – liegen hinsichtlich einzelner Personen aus dem Kreis islamistischer Kämpfer oder Aktivisten, die seit 2019 aus Deutschland nach Tadschikistan zurückgekehrt sind, als glaubhaft und glaubwürdig eingestufte Informationen vor, wonach diese Personen im Fokus der tadschikischen Sicherheitsbehörden sind und zumindest zum Teil Meldeauflagen unterliegen. Aufgrund dieser Informationen schätzt der BND es als eher wahrscheinlich ein, dass Personen aus diesem Kreis sich in Tadschikistan vergleichsweise frei bewegen können und auch Reisen ins Ausland möglich sind.
100Vgl. Behördenzeugnis des Referates Internationaler Terrorismus des Bundesnachrichtendienstes an das Bundeskriminalamt vom 27. März 2025, Religiös motivierter internationaler Terrorismus: Rückführungen nach Tadschikistan,S. 2.
101Der Deutschen Botschaft in Dushanbe liegen keine Erkenntnisse vor, dass die tadschikischen Behörden sich an bisherige Zusicherungen nicht gehalten hätten. In den Jahren 2022 bis 2025 wurden 13 Personen aus dem Kreis des islamistischen Terrorismus nach Tadschikistan zurückgeführt, in einem Fall mit diplomatischer Zusicherung. Zu zwei dieser Personen, die im Jahr 2024 ausgereist sind bzw. abgeschoben wurden, liegen dem Bundesministerium des Innern und für Heimat – BMI – Informationen vor, die nach dortiger Bewertung nahelegen, dass die Personen in Tadschikistan ihrem Leben nachgehen können, ohne durch die Behörden behelligt zu werden. Eine Person reiste, obwohl eine ihm bekannte aktive red notice-Ausschreibung (tadschikisches Fahndungsersuchen) vorlag, auf eigenen Wunsch nach Tadschikistan aus. Die deutsche Ehefrau reiste mit den gemeinsamen drei Kindern zunächst probeweise nach Tadschikistan nach. Sie hatte gegenüber den deutschen Polizeibehörden mitgeteilt, sofern ihr Ehemann in Tadschikistan nicht in Haft sei und es den Kindern dort gefallen würde, wolle man gemeinsam dauerhaft dort leben. Andernfalls „werde man sehen“. Frau und Kinder sind bislang nicht nach Deutschland zurückgekehrt. Die andere Person war neben weiteren Mitangeklagten wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland (IS) zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. In einem noch anhängigen Klageverfahren teilte der Prozessbevollmächtigte des abgeschobenen Klägers auf eine Betreibensaufforderung des Gerichts die Wohnanschrift in Tadschikistan mit. Sie entspricht der früheren Wohnanschrift. Zu den weiteren zurückgekehrten bzw. rückgeführten Personen liegen den deutschen Behörden keine Erkenntnisse vor.
102Vgl. Bundesministerium des Innern und für Heimat vom 24.April 2025, Az: MII5. 21006/5#6: Zusammenarbeit mit der Republik Tadschikistan, S. 1f.
103Eine der weiteren gemeinsam mit dem Antragsteller in der Verbalnote des tadschikischen Staates von 16. April 2025 aufgeführten Personen, ein wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland (IS) verurteilter Mitangeklagter, ist am 10. Mai 2025 freiwillig nach Tadschikistan zurückgekehrt. Nach Angaben dessen Verfahrensbevollmächtigter gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde hielt er sich nach seiner Ankunft in Tadschikistan zunächst zu Hause bei seiner Familie auf. Auch nach einer Vernehmung bei der regionalen Polizei befand er sich weiterhin auf freiem Fuß und war unversehrt.
1042.Die anhand dieser Erkenntnisse anzustellende Gefahrenprognose führt zu dem Ergebnis, dass dem Antragsteller in Tadschikistan nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht.
105In dem gemäß § 77 Abs. 1 AsylG für die gerichtliche Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung besteht keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Inhaftierung oder einer Misshandlung des Antragstellers. In der Verbalnote des Außenministeriums der Republik Tadschikistan vom 16. April 2025 ist ausgeführt, dass gegen den Antragsteller keine belastbaren Informationen vorliegen. Zwar ist dort zugleich ausgeführt, dass der Antragsteller ebenso wie alle anderen dort genannten Personen als Mitglied der Terrororganisation „Islamischer Staat“ verurteilt worden sei. Die Unrichtigkeit dieser letztgenannten Annahme, auf die es für die Entscheidung aber auch nicht ankommt, wird der durch Urteil von diesem Vorwurf freigesprochen Antragsteller allerdings ausräumen können. Der tadschikische Staat, der nach den vorliegenden Erkenntnissen regierungsfeindliche Betätigungen auch in Deutschland sehr genau beobachtet, wird seine Informationen nach dem zwischenzeitlichen Urteil bereits aktualisiert haben oder anderenfalls entsprechende Angaben des Antragstellers sehr schnell verifizieren können. Dem entspricht, dass der Antragsteller selbst asylrelevante staatliche Maßnahmen offenbar nur für den Fall befürchtet hatte, dass er vor einem freisprechenden Urteil abgeschoben worden wäre. Denn in der Anhörung vor dem C. am 20. Februar 2025 hatte er noch ausgeführt, er möchte nicht abgeschoben werden, sondern so lange hierbleiben, bis seine Unschuld bewiesen wurde, damit er offiziell etwas in der Hand habe (S. 9 des Anhörungsprotokolls). Doch selbst wenn man davon ausginge, dass der Antragsteller in Tadschikistan als wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Gruppierung verurteilte Person angesehen würde, drohte ihm – ausgehend von den maßgeblichen Verhältnissen im aktuellen Zeitpunkt – nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung.
106Diese Prognose beruht maßgeblich auf der in jüngerer Zeit zu beobachtenden deutlichen Verbesserung der Situation und insbesondere auf den Erfahrungen mit den von mehreren deutschen staatlichen Stellen berichteten Referenzfällen von Abschiebungen bzw. freiwilligen Ausreisen von Personen aus dem islamistischen Spektrum nach Tadschikistan. Gerade diesen Referenzfällen kommt für die gerichtliche Prognose aufgrund der Vergleichbarkeit der Situation besondere Bedeutung zu. Zeigen sämtliche der Kammer vorliegenden Informationen dahin, dass die in der jüngeren Vergangenheit nach Tadschikistan zurückgeführten oder freiwillig zurückgekehrten Personen aus dem vergleichbaren Personenkreis weder von Folter noch von unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung betroffen waren, so kann eine Gefahr einer solchen Behandlung auch für den Antragsteller nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden. Dies gilt erst recht angesichts des Umstandes, dass einer der Mitangeklagten des Antragstellers freiwillig nach Tadschikistan zurückgekehrt ist und sich nach letzten vorliegenden Informationen auch nach einer polizeilichen Befragung unversehrt auf freiem Fuß befindet. Hinzu kommt noch, dass der Antragsteller anders als der freiwillig zurückgekehrte Mitangeklagte im hiesigen Strafverfahren freigesprochen wurde und mithin für tadschikische Stellen potentiell von geringerem Interesse sein dürfte.
1073.
108Etwaige verbliebene Restzweifel, die sich auf die in den oben dargestellten Erkenntnissen berichteten Fälle von Folter gründen könnten, würden jedenfalls durch die zum parallelen Hauptsacheverfahren 12a K 1742/25.A gereichte Verbalnote des Außenministeriums der Republik Tadschikistan vom 16. April 2025 ausgeräumt.
109Nach der Rechtsprechung des EGMR und des Bundesverwaltungsgerichts ist in diplomatischen Zusicherungen unter bestimmten Voraussetzungen ein geeignetes Instrument zur Ausräumung der Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung selbst bei Staaten zu sehen, in denen systematisch gefoltert und misshandelt wird.
110Vgl. EGMR, Urteil vom 17. Januar 2012– Nr. 8139/09, Othman/Vereinigtes Königreich –, NVwZ 2013, 487 Rn. 188 f.; BVerwG, Beschluss vom 19. September 2017 – 1 VR 8.17 –, juris, Rn. 54-58.
111Bei der Prüfung, ob ein Betroffener tatsächlich Gefahr läuft, in dem Bestimmungsland misshandelt zu werden, setzt sich der EGMR sowohl mit der allgemeinen Lage in dem Land als auch mit den besonderen Verhältnissen des Betroffenen auseinander. Wenn das Bestimmungsland Zusagen gemacht hat, sind sie ein wichtiger Gesichtspunkt, der berücksichtigt werden muss. Sie reichen aber allein nicht aus, angemessen gegen die Gefahr von Misshandlungen zu schützen. Es muss vielmehr geprüft werden, ob sie in der Praxis eine ausreichende Garantie für den Schutz des Betroffenen vor der Gefahr von Misshandlungen bieten. Das Gewicht solcher Zusagen des Bestimmungslandes hängt in jedem einzelnen Fall von den zur maßgebenden Zeit gegebenen Verhältnissen ab. Bei der Beurteilung der praktischen Auswirkungen solcher Zusagen und ihres Gewichts ist die erste Frage, ob die allgemeine Menschenrechtslage im Bestimmungsland es allgemein ausschließt, Zusagen jeglicher Art zu berücksichtigen. Es wird allerdings nur selten der Fall sein, dass Zusagen wegen der allgemeinen Menschenrechtslage überhaupt kein Gewicht beigemessen werden kann.
112Vgl. EGMR, Urteil vom 17. Januar 2012– Nr. 8139/09, Othman/Vereinigtes Königreich –, NVwZ 2013, 487 Rn. 188 f.
113Dass eine Zusicherung tadschikischer Behörden generell unbeachtet bleiben müsse, ist weder vorgetragen noch sonst auf der Grundlage der dem Gericht vorliegenden Erkenntnismittel ersichtlich. Nach diesen ist – wie ausgeführt – Folter in Tadschikistan nicht als systematisch zu erachten, sondern wird von der Regierung aktiv bekämpft. Die Republik Tadschikistan hat die Anti-Folter-Konvention CAT (Convention against Torture and Other Cruel and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment) vom 11. Januar 1995 ratifiziert. Des Weiteren versucht die Republik Tadschikistan mit internationaler Hilfe, etwa rückkehrende IS-Kämpfer nach rechtsstaatlichen Maßstäben wieder in die Gesellschaft zu integrieren.
114Sofern nicht anzunehmen ist, dass Zusicherungen eines Staates generell kein Gewicht beizumessen ist, ist nach der Rechtsprechung des EGMR im Allgemeinen zunächst festzustellen, welches Gewicht die Zusagen haben, und dann, ob sie unter Berücksichtigung der Praxis in dem Bestimmungsland verlässlich sind.
115Vgl. EGMR, Urteil vom 17. Januar 2012– Nr. 8139/09, Othman/Vereinigtes Königreich –, NVwZ 2013, 487 Rn. 188 f.
116Welche konkreten Anforderungen an eine solche Zusicherung zu stellen sind, lässt sich nicht abstrakt beantworten, sondern hängt insbesondere von den Bedingungen im Abschiebezielstaat und dem konkreten Inhalt der Zusicherung ab. Wie die Zusicherung auszulegen ist und ob sie jeweils bestehenden Bedenken Rechnung trägt, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles festzustellen. Es ist anhand dieser Maßstäbe zu prüfen, ob die Zusicherung die Gefahr eines Verstoßes gegen Art. 3 EMRK und Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz – GG – wirksam ausschließt und insbesondere den vom EGMR entwickelten Anforderungen entspricht.
117Vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 24. Juli 2017– 2 BvR 1487/17 –, juris Rn. 49.
118Dabei berücksichtigt der EGMR u. a. die Gesichtspunkte, ob der Wortlaut der Zusagen mitgeteilt wurde, ob die Zusagen genau oder allgemein und vage sind, wer die Zusagen gegeben hat und ob diese Person das Bestimmungsland verpflichten kann, ob, wenn die Zusagen von der Zentralregierung des Bestimmungslands gemacht worden sind, erwartet werden kann, dass die örtlichen Behörden sie einhalten, ob die Zusagen eine Behandlung betreffen, die im Bestimmungsland rechtmäßig oder unrechtmäßig ist, ob die Zusagen von einem Konventionsstaat gemacht wurden, den Gesichtspunkt der Dauer und Bedeutung der bilateralen Beziehungen zwischen dem abschiebenden Staat und dem Bestimmungsland und ob dieses Land bisher ähnliche Zusagen eingehalten hat, des Weiteren, ob die Einhaltung der Zusagen auf diplomatischem Wege oder über andere Bewachungsmechanismen objektiv geprüft werden kann, einschließlich des unverzüglichen Zugangs zu einem Anwalt, ob es ein wirksames Schutzsystem gegen Folter in dem Bestimmungsland gibt und ob der Staat bereit ist, mit internationalen Überwachungsorganen einschließlich internationaler Menschenrechtsorganisationen zusammenzuarbeiten, bei Foltervorwürfen zu ermitteln und die Verantwortlichen zu bestrafen, ob der Betroffene früher im Bestimmungsland misshandelt wurde und ob die Verlässlichkeit der Zusagen von den Gerichten des abschiebenden Konventionsstaates geprüft wurde.
119Vgl. EGMR, Urteil vom 17. Januar 2012 – Nr. 8139/09, Othman/Vereinigtes Königreich – NVwZ 2013, 487 Rn. 188 f. m. w. N.
120Gemessen an diesen Maßstäben genügt die Verbalnote des Außenministeriums der Republik Tadschikistan vom 16. April 2025 unter Würdigung aller ersichtlichen Aspekte den an eine solche diplomatische Zusicherung zu stellenden Anforderungen.
121Sie ist, da der Antragsteller ausdrücklich bezeichnet wird, hinreichend individualbezogen und durch das Außenministerium von einer Stelle abgegeben worden, die dazu berufen ist, im diplomatischen Verkehr völkerrechtlich bindende Erklärungen für und gegen den tadschikischen Staat abzugeben. Angesichts dessen soll die Verbalnote sämtliche tadschikischen Behörden binden. Dass sich nachgeordnete Behörden gleichwohl nicht an eine solche völkerrechtlich bindende Erklärung des Außenministeriums halten würden, ist weder vorgetragen noch bieten die der Kammer bekannten Erkenntnismittel entsprechende Anhaltspunkte.
122Es wird hinreichend konkret zugesichert, dass der Antragsteller für den Fall, dass sich unter Änderung der aktuellen Situation Hinweise auf weitere Straftaten ergeben sollten, durch Polizei oder andere Sicherheitskräfte keiner Folter oder sonstiger unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen wird und dass ihm im Falle freiheitsentziehende Maßnahmen sämtliche Verfahrensgarantien gewährt werden. Dies folgt aus der Formulierung, dass Tadschikistan die Einhaltung der Rechte und Pflichten gewährleistet und bei der Prüfung der Handlungen der in der Verbalnote namentlich bezeichneten Personen, darunter des Antragstellers, die Einhaltung aller Rechte und Freiheiten gemäß den internationalen und nationalen Rechtsnormen sichergestellt wird. Für den Fall, dass sich Hinweise auf weitere Straftaten ergeben sollten, wird der rechtliche Schutz im Einklang mit der Strafprozessordnung der Republik Tadschikistan garantiert. Mit der Erklärung, dass bei Prüfung ihrer Handlungen die Einhaltung aller Rechte und Freiheiten gemäß den internationalen und nationalen Rechtsnormen sichergestellt wird, wird eine den Schutzgehalt des Art. 3 EMRK voll umfassende Zusicherung abgegeben. Dies gilt umso mehr, als das Verbot der Folter, wie vorstehend dargelegt, inzwischen auch in der tadschikischen Verfassung nominiert ist und Verstöße gegen dieses Verbot aktiv verfolgt werden. Dabei versteht der tadschikische Staat nach seinen innerstaatlichen Rechtsvorschriften die Begriffe der Folter und der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung bzw. Strafe auch deckungsgleich zu Art. 3 EMRK.
123Vgl. VG Arnsberg, Beschluss vom 17. Dezember 2024– 1 L 1157/24.A –, Seite 42 des Beschlussabdrucks.
124Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben auch vor seiner Ausreise aus Tadschikistan dort nicht misshandelt worden. Vielmehr hatte er Tadschikistan nach eigenen Angaben unverfolgt aus Gründen der Arbeitssuche verlassen. Auch seine Familienangehörigen sind nach seinen Angaben wegen des in Deutschland laufenden Prozesses – lediglich – polizeilich befragt worden.
125Die Zusicherung ist auch inhaltlich hinreichend belastbar. Dem steht bei einer wertenden Gesamtschau aller Umstände dieses Einzelfalls nicht entgegen, dass sie keine ausdrückliche Garantie des jederzeitigen Zugangs zu dem Antragsteller enthält.
126In einem anderen Fall im Ergebnis ebenso: BVerwG, Beschluss vom 3. Januar 2018 – 1 VR 16/17 –, juris Rn. 5.
127Insofern fällt hier zunächst ins Gewicht, dass für eine auf jederzeitigen Zugang während einer Inhaftierung gerichtete Zusicherung kein konkreter Anlass vorliegt, da für eine nach der Rückkehr des Antragstellers nach Tadschikistan kurzfristig drohende Inhaftierung keine konkreten Anhaltspunkte vorliegen. Ausweislich der Verbalnote des Außenministeriums der Republik Tadschikistan vom 16. April 2025 liegen dort gegen den Antragsteller keine belastenden Informationen vor. Hinzu kommt, dass er auch in dem in der Bundesrepublik Deutschland gegen ihn geführten Strafprozess freigesprochen wurde. Dem entspricht, dass der Antragsteller, wie oben bereits dargestellt, offenbar selbst asylrelevante staatliche Maßnahmen nur für den Fall befürchtet hatte, dass er vor einem Freispruch abgeschoben worden wäre. Denn in der Anhörung hatte er erklärt, so lange hierbleiben zu wollen, bis seine Unschuld bewiesen wurde, damit er offiziell etwas in der Hand habe.
128Hinzu kommt, dass der Deutschen Botschaft in Dushanbe keine Erkenntnisse vorliegen, dass die tadschikischen Behörden sich an bisherige Zusicherungen nicht gehalten hätten.
129Vgl. Bundesministerium des Innern und für Heimat vom 24.April 2025, Az: MII5. 21006/5#6: Zusammenarbeit mit der Republik Tadschikistan, S. 1.
130Des Weiteren kann eine objektive Überprüfung der Einhaltung der Zusicherung auch ohne eine entsprechende vorherige ausdrückliche Zusicherung in einer Verbalnote durch tadschikische Stellen ermöglicht werden. So ermöglichte Tadschikistan am9. April 2025 ein Gespräch der Deutschen Botschaft in Dushanbe mit einer bereits zurückgeführten Person, ohne dazu aus diplomatischen oder anderweitigen Gesichtspunkten verpflichtet zu sein. Für die Person lag ursprünglich eine red-notice Ausschreibung vor und es wurde eine diplomatische Zusicherung erteilt. Die Organisation eines persönlichen Gesprächs war jedoch nicht Inhalt der diplomatischen Zusicherung gewesen. Im Gespräch berichtete die Person, dass ihm aufgrund seiner Rückkehr nach Tadschikistan Amnestie gewährt worden sei, er sich in Freiheit befinde, erwerbstätig sei und es ihm körperlich gut gehe.
131Vgl. Bundesministerium des Innern und für Heimat vom 24.April 2025, Az: MII5. 21006/5#6: Zusammenarbeit mit der Republik Tadschikistan, Seite 2.
132Dass und weshalb eine solche Möglichkeit im Falle des Antragstellers in Abweichung von dem soeben berichteten Fall nicht bestünde, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
133III.
134Schließlich stehen dem Erlass der Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung auch keine kindlichen und/oder familiären Belange als inlandsbezogenes Abschiebungshindernis gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG entgegen. Insofern sieht der Einzelrichter in entsprechender Anwendung von § 77 Abs. 3 AsylG von einer weiteren Darstellung der Gründe ab und verweist auf die Begründung des Bescheides des C. vom 10. März 2025, der er zur Begründung dieses Beschlusses folgt. Der Antragsteller, der seinen Antrag nicht inhaltlich begründet hat, ist dieser Begründung nicht entgegengetreten.
135Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylG.
136Rechtsmittelbelehrung:
137Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).