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Für Änderungen und Nutzungsänderungen eines bestehenden Gebäudes, das selbst nicht genehmigt ist, kann kein selbständiger Bauantrag gestellt werden.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
2Die Klägerin ist Eigentümerin des mit Gebäuden einer ehemaligen Hofstelle bebauten, knapp 15.000 qm großen Grundstücks J.-straße 72 in Gelsenkirchen (Gem. U., Flur .., Flurstück ..). Das Grundstück liegt im baurechtlichen Außenbereich und hier im Bereich des Landschaftsschutzgebietes Nr. 1 „östlich und westlich der P. Straße“. Ein Bebauungsplan besteht für den hier interessierenden Bereich nicht. Der Flächennutzungsplan stellt den Bereich als „Fläche für die Landwirtschaft“ dar.
3Die weiteren Einzelheiten sind aus dem folgenden Kartenausschnitt ersichtlich:
4An dieser Stelle befindet sich in der Originalentscheidung ein Skizze
5Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Erteilung einer Baugenehmigung für die Änderung von Teilbereichen eines auf ihrem Grundstück vorhandenen ehemaligen Pferdestalls zu einer Wohneinheit.
6Der Pferdestall wurde in seiner ursprünglichen Gestalt als Anbau zusammen mit dem Wohnhaus um 1890 von einem Landwirt errichtet. Wann die Hofstelle aufgegeben wurde, ergibt sich nicht aus den Akten. In den siebziger Jahren des vorherigen Jahrhunderts erwarb die Familie der Klägerin die Hofstelle. 1978 erteilte die Beklagte dem Rechtsvorgänger der Klägerin eine Baugenehmigung für den Umbau und die Modernisierung des Wohnhauses, in dem drei Wohneinheiten entstehen sollten, sowie die Erweiterung des Pferdestalls um eine Vorhalle. Ausweislich dieser Baugenehmigung sollte das Erdgeschosses des Stallanbaus der Unterstellung von Pferden dienen, das Obergeschoss als Heuboden.
7Am 7. August 2020 beantragte die Klägerin die Erteilung einer Baugenehmigung zur Nutzungsänderung von Teilbereichen des Pferdestalls im Erdgeschoss in eine abgeschlossene Wohneinheit. Ausweislich der Bauvorlagen soll im nördlichen, wohnhausnahen Teilbereich im Erdgeschoss des derzeit ungenutzten Gebäudes eine dritte, barrierefreie Wohneinheit entstehen. Den Bauzeichnungen zufolge besteht in dem Gebäudekomplex derzeit eine Wohneinheit im Erd- und ersten Obergeschoss des Haupthauses, eine weitere Wohneinheit im Obergeschoss und teilweise im Spitzboden des ehemaligen Stallanbaus. Im Dachgeschoss des Haupthauses befindet sich zudem neben Abstellräumen ein Büro nebst WC.
8Nach Anhörung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 21. März 2022 die beantragte Baugenehmigung ab und führte zur Begründung aus, das Vorhaben beeinträchtige als sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 Baugesetzbuch (BauGB) im Außenbereich zahlreiche öffentliche Belange. Namentlich stünden dem Vorhaben die Darstellungen des Flächennutzungsplans entgegen, der Landschaftsschutz werde beeinträchtigt und der Umbau des Pferdestalls zu einer Wohnung führe zudem zu einer weiteren Zersiedlung der Landschaft und zu der Verfestigung einer Splittersiedlung. Eine Teilprivilegierung nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB könne das Vorhaben nicht für sich in Anspruch nehmen. Die Vorschrift ermögliche nicht die mehrmalige Nutzungsänderung eines ehemals privilegierten Gebäudes.
9Am 12. April 2022 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, das Vorhaben unterfalle der Teilprivilegierung des § 35 Abs. 4 Satz 1 BauGB. Die heute gültige Fassung des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB lasse im Gegensatz zur Vorgängerfassung für eine mögliche Begünstigung ausreichen, dass das Gebäude „unter den Voraussetzungen des Abs. 1 Nr. 1 errichtet worden sei“. Es sei für eine Teilprivilegierung unschädlich, wenn das Gebäude zwischenzeitlich eine andere – nicht privilegierte – Nutzung gehabt habe. Diese Voraussetzung und auch die weiteren Voraussetzungen des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 a bis f) BauGB seien vorliegend gegeben.
10Die Beklagte hat daraufhin mitgeteilt, nicht mehr daran festhalten zu wollen, dass § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB nur die erstmalige Umnutzung ehemals privilegiert genutzter Gebäude erfasse, nach der Neufassung der Norm seien vielmehr auch mehrmalige Änderungen zulässig. Vorliegend werde das Vorhaben der Klägerin aber gleichwohl nicht von der Teilprivilegierung des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB erfasst, da infolge erheblicher, nicht genehmigter Änderungen an dem Gebäudekomplex die äußere Gestalt des Gebäudes nicht im Wesentlichen gewahrt bleibe.
11Nach Inaugenscheinnahme im Rahmen des Ortstermins am 19. Juli 2023 hat die Beklagte sodann eingeräumt, die bisherigen Änderungen an dem Komplex hätten noch nicht dazu geführt, dass die äußere Gestalt des Gebäudes nicht mehr im Wesentlichen gewahrt bleibe. Sie hat ihre Bereitschaft erklärt, auf einen erneuten Bauantrag der Klägerin zur Legalisierung der beiden auf der Hofstelle bereits vorhandenen Wohnungen sowie einer dritten Wohneinheit im Erdgeschoss des ehemaligen Stallgebäudes bei unveränderter Außenkubatur des beim Ortstermin vorgefundenen Gebäudes die Teilprivilegierungsregelung des § 35 Abs. 4 Nr. 1 BauGB anzuwenden.
12Daraufhin hat die Klägerin im Februar 2024 einen die vorgenannten Wohneinheiten umfassenden Bauantrag eingereicht, über den bislang noch nicht entschieden worden ist.
13Die vorliegende, den Bauantrag aus dem Jahre 2020 betreffende Klage führt die Klägerin dennoch fort. Sie ist der Auffassung, dieser Bauantrag sei genehmigungsfähig.
14Die Klägerin beantragt,
15die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 21. März 2022 zu verpflichten, ihr auf ihren Bauantrag vom 5. August 2020 hin die von ihr begehrte Baugenehmigung für die Nutzungsänderung eines Pferdestalles zu einer Wohneinheit auf dem Grundstück J.-straße 72, Gemarkung U., Flur .., Flurstück .. (Az: 02896-20-05) zu erteilen.
16Die Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Sie tritt der Klage entgegen und meint, ohne eine Legalisierung des übrigen Bestandes seien der Umbau und die Nutzungsänderung nicht genehmigungsfähig.
19Am 19. Juli 2023 hat die Berichterstatterin den bereits angesprochenen Ortstermin durchgeführt. Wegen des Ergebnisses wird auf das Protokoll vom selben Tage Bezug genommen.
20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
21Entscheidungsgründe
22Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
23Die mit Bescheid vom 21. März 2022 erfolgte Ablehnung der beantragten Baugenehmigung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 S. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Erteilung der Baugenehmigung.
24Eine Baugenehmigung ist gemäß § 74 Abs. 1 Bauordnung (BauO) NRW 2018 zu erteilen, wenn dem Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen. Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt.
25Der Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften folgt daraus, dass mit dem streitgegenständlichen Bauantrag lediglich Änderungen und eine Nutzungsänderung innerhalb eines Teils des Erdgeschosses des Bestandsgebäudes zur Genehmigung gestellt werden, obwohl es derzeit an einer Baugenehmigung für das vorhandene Bestandsgebäude fehlt. Für Änderungen und Nutzungsänderungen eines bestehenden Gebäudes, das selbst nicht genehmigt ist, kann kein selbständiger Bauantrag gestellt werden, da die durch die Änderung betroffenen Bauteile untrennbare Bestandteile des Gebäudes sind. Vielmehr bedarf es eines einheitlichen Bauantrags für das Gesamtbauvorhaben (Bestand mit Änderungen).
26Vgl. Gaßner/Reuber, in Busse/Kraus, BayBO, Stand Juni 2024, Art. 64 Rn. 54; so im Ergebnis auch Hüwelmeier, in BeckOK Bauordnungsrecht NRW, Stand 1. Juli 2024, § 74 Rn. 42, und Weinmann, in BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, Stand 1. Juli 2024, Art. 64 Rn. 35.
27Eine bloße Änderungs- und Nutzungsänderungsgenehmigung würde sich als - unzulässige - Torsogenehmigung darstellen.
28Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. August 2005 - 10 A 4694/03 -, juris Rn. 39; VG Düsseldorf, Urteil vom 14. Juli 2016 - 9 K 8505/14 -, n.v.; zum Verhältnis von Änderungs- und Nutzungsänderungs- zur Ausgangsgenehmigung auch OVG NRW, Beschuss vom 13. Dezember 2012 - 2 B 1250/12 -, juris Rn. 15 ff.
29So liegt es hier, denn für den aktuellen Gebäudebestand, zumindest aber für den ehemals als Stall und später als Pferdestall genehmigten Anbau, liegt keine Baugenehmigung mehr vor. Die letzte Baugenehmigung zur Modernisierung des Stallgebäudeteils nebst Anbau einer Vorhalle vom 6. Juli 1978 ist zwischenzeitlich durch die erfolgte Nutzungsaufgabe und die durchgeführten massiven Umbaumaßnahmen erloschen.
30Der Bestandsschutz aufgrund der formellen Legalisierungswirkung einer Baugenehmigung besteht, solange die Nutzung andauert oder - bei einer Unterbrechung - solange nach der Verkehrsauffassung mit ihrer Wiederaufnahme zu rechnen ist bzw. sich die erteilte Baugenehmigung nicht erledigt hat.
31Vgl. OVG NRW, Urteil vom 20. September 2007 - 7 A 1434/06 -, juris Rn. 38, und Beschluss vom 9. August 2013 - 2 A 2510/12 -, BRS 81 Nr. 170 = juris Rn. 10 ff.
32Die Frage, ob eine erteilte und auch ausgenutzte Baugenehmigung trotz zwischenzeitlicher Nutzungsaufgabe weiterhin rechtswirksam ist, richtet sich nach § 43 Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) NRW. Diese Norm regelt als Inhaltsbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, in welchem Umfang das Vertrauen in den Fortbestand einer bestimmten Rechtsposition Schutz genießt.
33Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 7. November 1997 - 4 C 7.97 -, juris Rn. 21, 23.
34Nach § 43 Abs. 2 VwVfG bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Da das Gesetz den Wirksamkeitsverlust des Verwaltungsakts bei den übrigen in § 43 Abs. 2 VwVfG genannten Varianten entweder - wie in den Fällen der Rücknahme, des Widerrufs oder der anderweitigen Aufhebung - an ein formalisiertes Handeln der Behörde oder - wie im Fall des Zeitablaufs - an einen eindeutig bestimmbaren Tatbestand knüpft, ist die Annahme einer Erledigung "auf andere Weise" im Sinne der letzten Variante der Vorschrift nur in eng begrenzten Ausnahmefällen gerechtfertigt.
35Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 9. Mai 2012 - 6 C 3.11 -, juris Rn. 19.
36Inwieweit das vom Bundesverwaltungsgericht als Auslegungshilfe zu dem in § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauGB enthaltenen Tatbestandsmerkmal „alsbald“ entwickelte Zeitmodell für die Auslegung des Rechtsbegriffs der Erledigung der Baugenehmigung auf andere Weise im Falle der Nutzungsunterbrechung geeignet ist, mag dahinstehen.
37Vgl. zum Meinungsstreit Sächsisches OVG, Beschluss vom 28. Oktober 2019 - 1 B 7/19 – juris Rn. 44 ff. mit zahlreichen Nachweisen.
38Einigkeit besteht aber insoweit, als allein der zeitliche Umfang der Nutzungsunterbrechung noch nicht dazu führen kann, von einem Verzicht im Hinblick auf die ursprünglich genehmigte Nutzung auszugehen. Ähnlich wie bei der Figur der Verwirkung hat das Zeitmoment einer Nutzungsaufgabe bzw. einer Nutzungsunterbrechung aus sich heraus keinen eindeutigen Erklärungswert. Es muss regelmäßig durch ein wie auch immer geartetes Umstandsmoment ergänzt werden, um (rechtsvernichtende) Rechtsfolgen auslösen zu können.
39Besteht die bauliche Anlage - wie hier - in weiterhin nutzbarer Weise fort, ist von einer endgültigen Nutzungsaufgabe mit der Folge des Erlöschens der Baugenehmigung auf sonstige Weise nur dann auszugehen, wenn sich der (tatsächliche) Verzicht auf die weitere Nutzung der baulichen Anlage zugleich als (rechtlicher) Verzicht auf die Baugenehmigung darstellt. Ein solcher Verzicht kann ausdrücklich oder konkludent - durch schlüssiges Verhalten - erklärt werden. Ein konkludenter Verzicht liegt nur dann vor, wenn in dem schlüssigen Verhalten ein dauerhafter und endgültiger Verzichtswille unmissverständlich zum Ausdruck kommt; eine bloße Nichtweiterführung der genehmigten Nutzung lässt ohne zusätzliche Anhaltspunkte in der Regel nicht auf einen dauerhaften Verzichtswillen schließen.
40Ob das der Fall ist, ist im Wege einer Gesamtbetrachtung aus der Sicht eines objektiven Dritten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. In dem Verhalten des Eigentümers muss sein dauerhafter und endgültiger Verzichtswille hinreichend eindeutig zum Ausdruck kommen.
41Vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. Juli 2016 - 8 S 969/16 -, juris Rn. 13 ff.; vergleichbar auch OVG NRW, Urteil vom 7. Mai 2019 - 2 A 2995/17 -, juris Rn. 130 ff., Beschlüsse vom 9. August 2013 - 2 A 2510/12 -, juris Rn. 10 ff., und vom 18. April 2017 - 2 A 916/15 -, juris Rn. 18 ff.; OVG Lüneburg, Urteil vom 7. Februar 2024 - 1 ME 134/23 -, juris Rn. 16; Sächsisches OVG, Beschluss vom 28.Oktober 2019 - 1 B 7/19 - juris Rn. 44 ff.
42Die Gesamtbetrachtung ergibt vorliegend, dass die Baugenehmigung vom 7. Juli 1978 für den Pferdestall infolge des eindeutigen und nach außen erkennbaren Verzichtswillens der Klägerin oder ihres Rechtsvorgängers erloschen ist. Die Baugenehmigung ist dem Rechtsvorgänger der Klägerin kurz nach Erwerb des Grundstücks zum Unterstellen seiner Pferde im Erdgeschoss - die Familie betrieb seinerzeit eine Traberzucht - und zur Lagerung von Heu im Obergeschoss erteilt worden. Der Pferdestall wird aber offenbar bereits seit etwa 30 Jahren nicht mehr zur Unterstellung von Pferden genutzt, denn schon 1993 wurden ein Bauvorbescheid zur Umnutzung des Stallgebäudes in vier Wohneinheiten beantragt und Überlegungen der Beklagten angestellt, dort eine Unterkunft für Asylbewerber einzurichten. Auch die Pferdeboxen im Inneren des Stallgebäudes wurden abgebaut. Die insofern verstrichene Zeit ist bereits ein sehr starkes Indiz für eine endgültige Nutzungsaufgabe. Bei einer derart langen Zeitspanne rechnet die Verkehrsauffassung jedenfalls bei einem zur Traberzucht genutzten Stallgebäude - gleichgültig ob gewerblich oder landwirtschaftlich auf eigener Futterbasis - auf dem Wohngrundstück der ehemaligen Betreiber grundsätzlich nicht mehr mit einer Wiederaufnahme der Nutzung, weil sich die wirtschaftlichen und persönlichen Rahmenbedingungen einer Nutzung während einer derart langen Zeit typischerweise grundlegend verändert haben. Auch hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung dazu erklärt, man habe die Traberzucht aufgegeben, nachdem man die damalige Trainingsbahn habe aufgeben müssen und so keine Gelegenheit zum erforderlichen Training der Pferde mehr bestanden habe.
43Entscheidende Bedeutung für den nach außen erkennbaren Verzichtswillen der Klägerin oder ihres Rechtsvorgängers misst die Kammer neben der zeitlichen Komponente, den Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung und den diversen Versuchen, das Stallgebäude einer neuen Nutzung zuzuführen, den zwischenzeitlich erfolgten massiven Umbaumaßnahmen und Umnutzungen des ehemaligen Pferdestalls zu. Im ehemals als Lagerfläche für Heu genehmigten Obergeschoss des Stallanbaus wurden über die gesamte Grundfläche des Obergeschosses und in Teilen des Dachgeschosses, für das keinerlei Nutzungsgenehmigung vorlag, in der Vergangenheit bereits ohne Genehmigung eine großzügige Wohneinheit geschaffen und in diesem Zusammenhang diverse Dachflächenfenster und Gauben eingebaut sowie eine aufgeschüttete, überdachte Terrasse angelegt. Dass es sich dabei um eine Nutzung außerhalb der genehmigten Variationsbreite einer Nutzung als Stall handelt, die zudem erkennbar dauerhaft und nicht nur vorübergehend ausgeübt werden soll, liegt auf der Hand.
44Vgl. zum Erlöschen des Bestandsschutzes in einem Fall einer auf Dauer angelegten Nutzungsänderung, OVG NRW, Beschluss vom 15. Februar 2021 - 7 B 1780/20 -, juris Rn. 8.
45Dahinstehen kann, ob die in der Vergangenheit vorgenommenen umfangreichen baulichen Veränderungen am Bestandsgebäude unabhängig von der Nutzungsaufgabe bereits für sich genommen zum Erlöschen der Baugenehmigung geführt haben, wofür allerdings einiges spricht.
46Vgl. in diesem Zusammenhang etwa OVG NRW, Beschluss vom 28. Juni 2016 - 7 A 1371/13 -, juris.
47Offenbleiben kann nach alledem auch, ob infolge der erheblichen Umbaumaßnahmen im Inneren neben dem formellen Bestandsschutz auch der materielle Bestandsschutz (jedenfalls) für den ehemaligen Stallanbau erloschen ist.
48Vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 22. August 2016 - 10 A 601/16 -, juris Rn. 8.
49Ebenfalls dahingestellt bleiben kann die zunächst im Fokus der Parteien stehende Frage, ob die geplante Änderung als sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB von der Teilprivilegierung des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB profitieren könnte.
50Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
51Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung.
52Rechtsmittelbelehrung:
53Innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils kann bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen schriftlich beantragt werden, dass das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster die Berufung zulässt. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
54Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster schriftlich einzureichen.
55Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
56Der Antrag ist zu stellen und zu begründen durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, oder eine diesen gleichgestellte Person als Bevollmächtigten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Auf die besonderen Regelungen in § 67 Abs. 4 Sätze 7 und 8 VwGO wird hingewiesen.