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Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
2Der Kläger wendet sich gegen einen Haftungsbescheid, mit dem er als ehemaliger Geschäftsführer der als „A. N01 W. GmbH“ firmierenden Gesellschaft für rückständige Gewerbesteuern in Anspruch genommen wird.
3Der Kläger war vom 0. April 0000 bis zum 00. März 0000 als Geschäftsführer der A. N01 W. GmbH im Handelsregister eingetragen (Amtsgericht O., HRB N02). Hierbei handelt es sich um eine gewerbliche Automatenaufstellerin, die im Stadtgebiet O. eine Spielhalle betreibt. Die A. N01 W. GmbH wurde am 0. Dezember 0000 als L. N01 Spielhallen GmbH ins Handelsregister O. unter HRB N02 eingetragen. Mit Gesellschafterversammlung vom 4. Juni 2015 wurde die Änderung des Namens in A. N01 W. GmbH beschlossen.
4Die Beklagte erließ für die Steuerpflichtige A. N01 W. GmbH zunächst Gewerbesteuerbescheide vom 27. Januar 2017 für das Jahr 2015 (keine Festsetzung), vom 22. März 2019 für die Jahre 2016 und 2017 (Fälligkeit: 25. April 2019) und vom 21. Februar 2020 für das Jahr 2018 (Fälligkeit: 24. März 2020). Infolge einer Betriebsprüfung am 3. April 2019 ergingen für die Jahre 2015 bis 2018 geänderte, deutlich höhere Festsetzungen. Der Gewerbesteuerbescheid für die Jahre 2015 bis 2017 erging am 6. März 2020 (Fälligkeit. 9. April 2020). Für das Jahr 2018 erfolgte eine gesonderte Festsetzung mit Gewerbesteuerbescheid vom 15. Mai 2020 (Fälligkeit: 18. Juni 2020). Weil von der Steuerpflichtigen keine Zahlungen geleistet wurden und auch Vollstreckungsmaßnahmen ohne Ergebnis verliefen, erfolgte eine Haftungsprüfung. Die Beklagte hörte den Kläger mit Schriftsatz vom 12. März 2021 zum Erlass eines Haftungsbescheides an und verband dies mit einem umfassenden Fragenkatalog, den der Kläger nicht beantwortete.
5Mit Haftungsbescheid vom 8. Juni 2021, zugestellt am 17. Juni 2021, nahm die Beklagte den Kläger für rückständige Gewerbesteuerforderungen der A. N01 W. GmbH i.H.v. insgesamt 139.886,05 € in Anspruch (33.203,10 € Gewerbesteuer 2015, 31.859,65 € Gewerbesteuer 2016, 26.631,35 € Gewerbesteuer 2017, 23.338,45 € Gewerbesteuer 2018, 1.679,00 € Gewerbesteuervorauszahlung 2020, 3.394,00 € Gewerbesteuervorauszahlung 2021 1. und 2. Quartal, 8.833,50 € Säumniszuschläge, 5.810,00 € Nachforderungszinsen 2015, 3.543,00 € Nachforderungszinsen 2016, 1.463,00 € Nachforderungszinsen 2017, 113,00 € Nachforderungszinsen 2018). Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus: Die rückständigen Steuerforderungen hätten bei der GmbH durch Beitreibungs- und Vollstreckungsmaßnahmen nicht realisiert werden können. Der Kläger habe als Geschäftsführer der GmbH seine Pflichten dadurch verletzt, dass er in den Steuererklärungen für die Jahre 2015 bis 2018 unrichtige Angaben gemacht habe. Zudem habe es der Kläger versäumt, im Rahmen der Mittelvorsorge Rückstellungen für die zu erwartenden Steuerforderungen zu bilden, so dass die Begleichung der Gewerbesteuern 2015 bis 2018 und der angepassten Vorauszahlungen ab 2020 nicht aus dem Firmenvermögen vorgenommen worden sei. In den unrichtigen Angaben in den Steuererklärungen 2015 bis 2018 und der Nichtzahlung der festgesetzten Gewerbesteuern sei die Ursächlichkeit des eingetretenen Haftungsschadens zu sehen.
6Mit Schreiben vom 28. Juni 2021 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Haftungsbescheid und führte zur Begründung aus, dass keine vorsätzliche oder grob fahrlässige Pflichtverletzung vorliege. Er sei vielmehr selbst Opfer einer möglichen Täuschung.
7Mit Bescheid vom 31. August 2021, zugestellt am 6. September 2021, wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit der Begründung zurück, dass im Rahmen der durchgeführten Außenprüfung des Finanzamtes O.-West zweifelsfrei belegt worden sei, dass die Steuererklärungen für die Jahre 2015 bis 2018 unrichtig eingereicht worden seien. Darüber hinaus habe der Kläger zu keinem Zeitpunkt gegen die Feststellungen der Außenprüfung und die daraus resultierenden Gewerbesteuerfestsetzungen der Jahre 2015 bis 2018 Rechtsmittel eingelegt, Anträge auf Stundung oder Ratenzahlung oder auf Aussetzung der Vollziehung gestellt, sodass auch die Pflichtverletzung der Nichtzahlung vorliege.
8Durch Beschluss des Amtsgerichts O. (251 IN 57/21) vom 21. Oktober 2021 wurde über das Vermögen der A. N01 W. GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet.
9Der Kläger hat am 6. Oktober 2021 Klage erhoben.
10Zur Begründung macht er geltend, es liege keine vorsätzliche oder grob fahrlässige Pflichtverletzung vor, sondern er sei Opfer und nicht Täter. Der Kläger habe die bei der Betriebsprüfung am 3. April 2019 festgestellten Unregelmäßigkeiten selbst bei intensiven Recherchen nicht erkennen können, so dass er im Ergebnis seine Geschäftsführertätigkeit ordnungsgemäß ausgefüllt habe. Grundlage für die erfolgten Hinzuschätzungen seien Unregelmäßigkeiten bei den Auslesestreifen der Geldspielgeräte gewesen. Man müsse sich vergegenwärtigen, dass die in den Betrieben eingesetzten Geldspielgeräte regelmäßig kassiert und bei den Kassierungen die auf der Grundlage der Spielverordnung vorgegebenen Auslesestreifen gespeichert würden. Diese Auslesestreifen würden die Kassenbewegungen des Geldspielgerätes dokumentieren, das heißt die Einsätze, die Auszahlungen, die Auffüllungen, den Kassenbestand und viele weitere statistische Werte. Der in den Auslesestreifen vermerkte "Saldo 2" sei Grundlage für die Verbuchung der tatsächlichen Einnahmen. Der Saldo 2 sei also faktisch der Kassenbestand, der dem Unternehmen zufließe und der schlussendlich auch Grundlage für die Umsatzbesteuerung sei. Der Kläger sei selbst weder mit der Kassierung noch mit dem Ausdruck und der Speicherung der Auslesestreifen befasst gewesen. Dies sei von Mitarbeitern veranlasst worden. Für den Kläger sei nicht erkennbar gewesen, dass Auslesestreifen manipuliert gewesen seien. Solche Manipulationen seien auch weder vom Finanzamt noch vom Steueramt der Beklagten erkannt worden. Erst nach umfänglichen Ermittlungen und einer umfassenden Verprobung der Streifen sei der Verdacht der Manipulation entstanden.
11Der Kläger habe keineswegs auf die ordnungsgemäße Aufgabenerledigung durch Dritte vertraut. Er habe vielmehr regelmäßig die im Unternehmen tätigen Mitarbeiter überwacht; Fehlverhalten habe er nicht feststellen können. Dabei gehe es im konkreten Fall nicht um formelle Kassenführungsmängel. Es gehe auch nicht darum, dass keine Ertragssteuer-Erklärungen oder Umsatzsteuererklärungen abgegeben worden seien. Es gehe einfach darum, dass Auslesestreifen manipuliert worden seien, ohne dass man dies anhand der Streifen hätte feststellen können. Selbstverständlich sei der Kläger mit einer Überwachung seiner Mitarbeiter befasst gewesen. Diese Überwachung gehe aber nicht so weit, dass jeder einzelne Kassiervorgang an jedem einzelnen Gerät hätte überwacht werden müssen. Es seien lediglich Stichproben erforderlich. Diese stichprobenartigen Überprüfungen hätten ergeben, dass die in den Auslesestreifen vermerkten Kasseninhalte deckungsgleich gewesen seien mit den Beträgen, die bar oder per Einzahlung auf das Geschäftskonto hätten vereinnahmt werden können. Habe der Kläger die Kassierung begleitet, dann seien Auslesestreifen und Kasseninhalte identisch gewesen, habe er die Kassierungen nicht begleitet, seien Auslesestreifen und Kasseninhalte ebenfalls identisch gewesen. Für ihn sei es schlicht unmöglich gewesen, die Manipulation der Streifen auch nur ansatzweise festzustellen. Eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Pflichtverletzung käme nur in Betracht, wenn er selbst Manipulationen vorgenommen hätte. Schließlich habe die Beklagte hinsichtlich der Haftungsinanspruchnahme auch kein Auswahlermessen bezüglich der haftenden Personen ausgeübt. Hier habe es alleine den Rückgriff auf den damaligen Geschäftsführer gegeben, ohne dessen Verantwortung bezüglich der Manipulationen auch nur ansatzweise aufzuklären. Sämtliche Gesellschafter der Steuerschuldnerin seien Beschuldigte im Ermittlungsverfahren gewesen. Die Beklagte habe es trotz allem unterlassen zu prüfen, ob nicht auch andere Personen, wie beispielsweise die Gesellschafter, die ausschließlich die wirtschaftlichen Vorteile aus den Taten gezogen hätten, als haftende Personen für die streitgegenständlichen Steuerschulden in Betracht kämen. Dem Kläger fehle jedenfalls jeglicher kriminelle Hintergrund, weshalb seine Inanspruchnahme in rechtswidriger Art und Weise erfolgt sei.
12Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2022 den streitgegenständlichen Haftungsbescheid vom 8. Juni 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2022 insoweit aufgehoben, dass der Kläger noch für insgesamt 121.666,80 € als Haftungsschuldner in Anspruch genommen wird (33.067,55 € Gewerbesteuer 2015, 31.859,65 € Gewerbesteuer 2016, 26.631,35 € Gewerbesteuer 2017, 22.625,25 € Gewerbesteuer 2018, 850,00 € Gewerbesteuervorauszahlung 2020, 4.183,00 € Nachforderungszinsen 2015, 1.797,00 € Nachforderungszinsen 2016, 438,00 € Nachforderungszinsen 2017, 33,00 € Nachforderungszinsen 2018). Soweit die Beklagte die angefochtenen Bescheide aufgehoben hat, haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.
13Der Kläger beantragt schriftsätzlich (sinngemäß),
14den Gewerbesteuerhaftungsbescheid der Beklagten vom 8. Juni 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2021 und in Gestalt des Schriftsatzes der Beklagten vom 4. Oktober 2022 aufzuheben.
15Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
16die Klage abzuweisen.
17Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, das zuständige Finanzamt O.-West habe in dem Bericht über die Betriebsprüfung bei der A. N01 W. GmbH (Bl. 92-108 des Verwaltungsvorgangs) festgestellt, dass ein schwerwiegender formeller Kassenführungsmangel vorgelegen und dass bereits eine stichprobenartige Überprüfung diverse Auffälligkeiten ergeben habe. Das Finanzamt habe explizit grobe Verstöße gegen steuerliche Pflichten festgestellt. Wenn dies durch eine bereits stichprobenartige Überprüfung festgestellt werden könne, sei hierdurch belegt, dass der Kläger den ihm obliegenden Verpflichtungen offenkundig nicht nachgekommen sei. Dies stelle eine grob fahrlässige Pflichtverletzung dar. Der Einwand, dass für den Kläger nicht erkennbar gewesen sei, dass Auslesestreifen manipuliert gewesen seien und er selbst Opfer sei, sei vor diesem Hintergrund als bloße Schutzbehauptung zu werten. Wenn der Kläger zudem ausführe, dass er weder mit der Kassierung, noch mit dem Ausdruck und der Speicherung der Auslesestreifen befasst gewesen sei, so verkenne der Kläger die ihm obliegenden Überwachungspflichten, denen er jedenfalls nicht nachgekommen sei. In diesem Zusammenhang gingen auch die Ausführungen des Klägers, dass weder das Finanzamt, noch das Steueramt der Beklagten solche Manipulationen erkannt hätten, offenkundig ins Leere. Die entsprechenden Überwachungspflichten träfen den Kläger als gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft und nicht etwa die Finanzverwaltung. Zudem sei die Beklagte bei der Festsetzung der Gewerbesteuer an die Feststellungen und Festsetzungen des Betriebssitzfinanzamtes gebunden und nicht etwa gehalten, eigene Ermittlungen anzustellen. Auch wenn im Betriebsprüfungsbericht N. Y. als Geschäftsleiter der A. N01 W. GmbH eine verhinderte Vermögensmehrung vorgeworfen werde, trage letztendlich der Geschäftsführer die Verantwortung für die Mitarbeiter.
18Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 4. März 2024 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen.
20Entscheidungsgründe:
21Das Gericht entscheidet gemäß § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung, nachdem die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben.
22Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war das Verfahren analog § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen. Dies betrifft die Aufhebung des Haftungsbescheides vom 8. Juni 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2021 durch die Beklagte, soweit dort ein über 121.666,80 € hinausgehender Betrag festgesetzt worden ist (ursprüngliche Haftungssumme in Höhe von 139.886,05 €, abzüglich 3.394,00 € [Gewerbesteuervorauszahlung 1. u. 2. Quartal 2021], abzüglich 8.833,50 € [Säumniszuschläge], abzüglich 4.296,00 € [Reduzierung Nachforderungszinsen 2015-2018], abzüglich 135,55 € [Reduzierung Gewerbesteuer 2015], abzüglich 713,N01 € [Reduzierung Gewerbesteuer 2018], abzüglich 847,00 € [Reduzierung Gewerbesteuervorauszahlung 2020]).
23Im Übrigen ist die Klage unbegründet, da der Haftungsbescheid vom 8. Juni 2021 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 31. August 2021 in der noch streitgegenständlichen Höhe von 121.666,80 € rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
24Der Kläger haftet kraft Gesetzes für Gewerbesteuerschulden der A. N01 W. GmbH für die Veranlagungsjahre 2015 bis 2018 und 2020 in Höhe von insgesamt 121.666,80 € (Gewerbesteuern für die Veranlagungsjahre 2015 bis 2018 in Höhe von 33.607,55 €, 31.859,65 €, 26.631,35 € und 22.625,25 €, Gewerbesteuervorauszahlung für das Veranlagungsjahr 2020 in Höhe von 850,- € und Nachforderungszinsen für die Veranlagungsjahre 2015 bis 2018 in Höhe von 4183,- €, 1.979,-€, 438,- € und 33,- €).
25Der streitgegenständliche Haftungsbescheid findet seine Rechtsgrundlage in §§ 191 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. 69, 34 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO). Gemäß § 191 Abs. 1 Satz 1 AO kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet. Gemäß § 69 Satz 1 AO haften die in den §§ 34 und 35 AO bezeichneten Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) in Folge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Nach § 34 Abs. 1 AO haben die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten.
26Der Kläger war im Zeitraum vom 0. April 0000 bis zum 00. März 0000 als Geschäftsführer gesetzlicher Vertreter der juristischen Person A. N01 W. GmbH (§§ 35 Abs. 1 Satz 1, 13 Abs. 1 GmbHG).
27Zu den steuerlichen Pflichten des gesetzlichen Vertreters gehört unter anderem die Abgabe korrekter Steuererklärungen für die juristische Person. Diese Pflicht hat der Kläger nach Aktenlage für die Veranlagungsjahre 2015 bis 2018 nicht erfüllt. Die A. N01 W. GmbH hat nach Aktenlage in den Veranlagungsjahren 2015 bis 2018 erheblich höhere Gewinne aus Gewerbebetrieb erzielt als in ihren Gewerbesteuererklärungen für diese Veranlagungsjahre angegeben.
28Die Gewinne der A. N01 W. GmbH resultierten im Wesentlichen aus den Gewinnen der in der Spielhalle A. Straße N01 in O. aufgestellten Geldspielgeräte. Diese waren nach Aktenlage in den Veranlagungsjahren 2015 bis 2018 erheblich höher, als in der Buchhaltung der A. N01 W. GmbH verbucht. Nach den Angaben des Klägers war Grundlage für die Verbuchung der Einnahmen der A. N01 W. GmbH der in den Auslesestreifen der Geldspielgerätevermerkte „Saldo 2“. Die der Buchhaltung der A. N01 W. GmbH zugeführten Auslesedaten der Geldspielgeräte der Spielhalle A. Straße N01 waren jedoch nach Aktenlage dergestalt manipuliert, dass sie zu geringe Salden auswiesen. Dies ergibt sich aus den Feststellungen des Finanzamts O.-West im Betriebsprüfungsbericht vom 27. November 2019. Demnach waren die von der Steuerfahndung F. bei der Durchsuchung der Spielhalle A. Straße N01 am 3. April 2019 in den dortigen Geldspielgeräten vorgefundenen Bargeldbeträge erheblich höher als die Geldbeträge laut Auslesestreifen. Ferner war bei den fünf Geldspielgeräten des Herstellers „adp merkur service“ die Bilanz (Summe aller Einsätze minus Summe aller Gewinne) laut der im Hintergrund aufgezeichneten Ewigdaten für den Zeitraum vom 14. Februar bis zum 3. April 2019 erheblich höher als der Spieleraufwand (Summe aller Einsätze minus Summe aller Gewinne) laut Auslesestreifen (Betriebsprüfungsbericht S. 9 - 11). Die Manipulationen erfolgten offenbar bereits seit dem Jahr 2011, denn im Rahmen weiterer Durchsuchungsmaßnahmen fand die Steuerfahndung 14 Auslesestreifen von Geldspielgeräten des Standorts A. Straße N01 vom 2. Dezember 2011, die erheblich höhere „Saldo 2“-Beträge auswiesen als die bei der Beklagten vorgelegten Auslesestreifen für denselben Zeitraum (Betriebsprüfungsbericht S. 15). Dass die der Buchführung der A. N01 W. GmbH zugrundeliegenden Auslesedaten der Geldspielgeräte manipuliert waren, wird erhärtet durch die Ausführungen des Amtsgerichts F. im Durchsuchungsbeschluss vom 19. April 2022 - 64 Gs 2539/22 -. Demnach manipulierten die Beschuldigten planmäßig die der Besteuerung zugrundeliegenden Auslesestreifen aus den Geldspielgeräten (u.a. der A. N01 W. GmbH), indem sie die in den Auslesestreifen ausgewiesenen Umsätze (Saldo-Werte) regelmäßig um 50 % kürzten (Beschlussabdruck S. 6 f.).
29Die Pflichtverletzung des Klägers war auch grob fahrlässig. Grob fahrlässig im Sinne des § 69 Satz 1 AO handelt, wer die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, in ungewöhnlich hohem Maße verletzt.
30Vgl. BFH, Urteil vom 28. Juni 2005 - I R 2/04 -, juris, Rdnr. 10.
31Der Kläger hat im vorliegenden Fall die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten imstande war, in
32ungewöhnlich hohem Maße verletzt. Nach den Feststellungen der Steuerfahrdung F. wurden die Geldspielgeräte der A. N01 W. GmbH mittels Internetverbindung mit Hilfe der Software „Casinonet“ fernausgelesen und die Daten über
33ein PC-System verarbeitet. Die Ausleseprotokolle wurden nicht mit einem Thermodrucker direkt z.B. aus dem „MAS3tech“-Auslesegerät, sondern über eine PC-Schnittstelle auf DIN-A 4-Papier ausgedruckt (Betriebsprüfungsbericht, S. 7 f.). Da die Auslesedaten der Geldspielgeräte demnach nicht mit einem Auslesegerät des Herstellers, z.B. dem Auslesegerät „MAS3tech“ der Fa. Gauselmann, direkt an den Geldspielgeräten ausgelesen und unmittelbar ausgedruckt wurden, bestand keine ausreichende Gewähr dafür, dass die der Buchhaltung der A. N01 W. GmbH zugeführten Auslesedaten nicht manipuliert waren. Es liegt auf der Hand, dass Daten, die mittels einer Software über das Internet fernausgelesen und dann verarbeitet werden, manipulationsanfälliger sind, als wenn die Daten unmittelbar am Geldspielgerät mittels eines Auslesegeräts des Herstellers ausgelesen und ausgedruckt werden.
34Der Kläger hätte daher entweder seine Mitarbeiter in der Spielhalle anweisen müssen, die Daten der Geldspielgeräte nicht mehr mittels Internetverbindung fernauszulesen, sondern die Daten mit einem herstellereigenen Auslesegerät direkt an den Geldspielgeräten auszulesen und auszudrucken, und die Einhaltung dieser Anweisung auch überwachen müssen, oder er hätte zumindest zu Beginn seiner Geschäftsführertätigkeit im April 2014 und danach fortlaufend zumindest stichprobenartig die Kassierung, das heißt die Entnahme der Barbeträge aus den Geldspielgeräten, persönlich vor Ort überwachen und die Ergebnisse der Kassierung mit den der Buchhaltung der A. N01 W. GmbH zugeführten fernausgelesenen Daten der Geldspielgeräte abgleichen müssen. Wenn er letzteres getan hätte, wäre ihm sofort bei der ersten Kassierung bei einem Abgleich der den Geldspielgeräten entnommenen Barbeträge mit den der Buchhaltung der A. N01 W. GmbH zugeführten Auslesedaten aufgefallen, dass letztere manipuliert waren.
35Der Sorgfaltsverstoß des Klägers war auch ungewöhnlich groß. Der Kläger hat offenbar während der gesamten Zeit seiner Stellung als Geschäftsführer der A. N01 W. GmbH vom 0. April 0000 bis zur Durchsuchung der Spielhalle durch die Steuerfahrdung F. am 3. April 2019 kein einziges Mal die Kassierung der Geldspielgeräte in der Spielhalle persönlich vor Ort überwacht und das Ergebnis mit den der Buchhaltung zugeführten Auslesedaten abgeglichen, sonst wäre ihm sofort der eklatante Unterschied zwischen den in den Geldspielgeräten vorgefundenen Geldbeträgen und den Auslesedaten aufgefallen. Außerdem hätte es sich dem Kläger aufdrängen müssen, dass fernausgelesene und weiterverarbeitete Daten nicht manipulationssicher sind.
36Soweit der Kläger vorgetragen hat, er habe die Kassierung der Geldspielgeräte stichprobenartig überwacht; wenn er die Kassierung begleitet habe, dann seien Auslesestreifen und Kasseninhalte identisch gewesen, wenn er sie nicht begleitet habe, seien Auslesestreifen und Kasseninhalte ebenfalls identisch gewesen, glaubt die Kammer ihm dies nicht. Der diesbezügliche Vortrag des Klägers ist wechselnd. Zunächst hat er vorgetragen, er selbst sei weder mit der Kassierung noch mit dem Ausdruck und der Speicherung der Auslesestreifen befasst gewesen. Dies sei von Mitarbeitern veranlasst worden (Schriftsatz vom 27. Januar 2022, S. 2). Sodann hat er vorgetragen, er habe die Kassierung der Geldspielgeräte stichprobenartig überwacht. Habe er die Kassierung begleitet, dann seien Auslesestreifen und Kasseninhalte identisch gewesen, habe er sie nicht begleitet, seinen Auslesestreifen und Kasseninhalte ebenfalls identisch gewesen (Schriftsatz vom 8. April 2022, S. 1 unten und 2 oben). In der Begründung im PKH-Beschwerdeverfahren trägt der Kläger vor, er habe die regelmäßige Kassierung der Geldspielgeräte, die Einzahlung der kassierten Gelder auf ein Bankkonto der Gesellschaft und die Weiterleitung der Auslesestreifen an Buchhaltung und Steuerberater veranlasst (Beschwerdebegründung vom 31. Oktober 2022, S. 1 unten und 2 oben), aber nicht, dass er die Kassierung der Geldspielgeräte persönlich stichprobenartig vor Ort überwacht und das Ergebnis mit den Auslesestreifen der Geldspielgeräte abgeglichen habe.
37Infolge der Pflichtverletzung des Klägers ist die Gewerbesteuer der A. N01 W. GmbH für die Veranlagungsjahre 2015 bis 2018 nicht rechtzeitig in der zutreffenden Höhe festgesetzt worden. Wenn der Kläger die Gewerbesteuererklärungen für die A. N01 W. GmbH in zutreffender Höhe abgegeben hätte, hätte die Beklagte die Gewerbesteuern für die A. N01 W. GmbH für die Veranlagungsjahre 2015 bis 2018 bereits mit Gewerbesteuerbescheiden vom 27. Januar 2017, 22. März 2019 und 21. Februar 2020 in zutreffender Höhe festgesetzt.
38Die Pflichtverletzung des Klägers war auch ursächlich für den entstandenen Steuerschaden. Es ist davon auszugehen, dass die A. N01 W. GmbH zu den genannten Zeitpunkten über ausreichende Mittel aus den von ihr betriebenen Geldspielgeräten verfügte, um die zutreffend festgesetzten Gewerbesteuern für die Veranlagungsjahre 2015 bis 2018 zu bezahlen.
39Ferner hat der Kläger auch seine Pflicht zur Entrichtung der Gewerbesteuern für die Veranlagungsjahre 2015 bis 2018, der Gewerbesteuervorauszahlung für das Veranlagungsjahr 2020 und der Nachforderungszinsen für die Veranlagungsjahre 2015 bis 2018 aus den Mitteln der A. N01 W. GmbH nicht erfüllt. Nach § 34 Abs. 1 Satz 2 AO haben die gesetzlichen Vertreter juristischer Personen insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten. Die A. N01 W. GmbH hat nach Aktenlage die durch die Beklagte mit Bescheiden vom 21. Februar, 6. März und 15. Mai 2020 festgesetzten Gewerbesteuern für die Veranlagungsjahre 2015 bis 2018, die Gewerbesteuervorauszahlung für das Veranlagungsjahr 2020 und die Nachforderungszinsen für die Veranlagungsjahre 2015 bis 2018 bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids am 31. August 2021 nicht entrichtet. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die A. N01 W. GmbH nicht über die erforderlichen Mittel verfügte, um die genannten Gewerbesteuern, Vorauszahlungen und Nachforderungszinsen zu entrichten. Der Kläger hat trotz Aufforderung durch die Beklagte mit Schreiben vom 12. März und 7. Mai 2021 keine Angaben zu den Vermögensverhältnissen der A. N01 W. GmbH im hierfür maßgeblichen Zeitraum vom 24. März 2020 (Fälligkeit der ersten rückständigen Teilforderung der Gewerbesteuer für das Veranlagungsjahr 2018 in Höhe von 713,N01 €) bis zum 00. März 0000 (Ausscheiden des Klägers als Geschäftsführer der A. N01 W. GmbH) gemacht. Zwar waren die genannten Gewerbesteuer-, Vorauszahlungs- und Nachforderungszinsforderungen der Antragsgegnerin gegen die A. N01 W. GmbH recht hoch. Außerdem scheinen weitere Forderungen anderer Gläubiger gegen die A. N01 W. GmbH in Höhe von mindestens 264.883,06 € bestanden zu haben (Drittschuldnererklärung der Berliner Volksbank eG vom 7. Oktober 2020). Andererseits ist davon auszugehen, dass die A. N01 W. GmbH die Spielhalle in der A. Straße N01 in O. im vorgenannten Zeitraum weiter betrieben und hiermit hohe Gewinne erzielt hat. Der Kläger hat trotz entsprechender Nachfrage der Beklagten mit Schreiben vom 12. März und 7. Mai 2021 nicht vorgetragen, dass die A. N01 W. GmbH ihren Geschäftsbetrieb bis zu seinem Ausscheiden als Geschäftsführer am 00. März 0000 eingestellt hatte. Laut Betriebsprüfungsbericht des Finanzamts O.-West vom 27. November 2019 haben allein die fünf Geldspielgeräte des Herstellers „adp merkur service“ in der Spielhalle der A. N01 W. GmbH in der Zeit vom 14. Februar bis zum 3. April 2019 eine Bilanz (Summe aller Einsätze minus Summe aller Gewinne) von 37.763,- € erzielt (Betriebsprüfungsbericht S. 10 f.). Dass ein Gläubiger am 15. Juli 2021 einen Insolvenzantrag gegen die A. N01 W. GmbH gestellt hat, spricht vor diesem Hintergrund nicht durchgreifend gegen das Vorhandensein ausreichender Mittel bei der A. N01 W. GmbH im hier maßgeblichen Zeitraum vom 24. März 2020 bis zum 00. März 0000. Dass das Amtsgericht O. mit Beschluss vom 21. Oktober 2021 - 251 IN 57/21 - das Insolvenzverfahren über das Vermögen der A. N01 W. GmbH eröffnet hat, ist für das vorliegende Verfahren unerheblich, weil dieses Ereignis erst nach Erlass des Widerspruchsbescheids vom 31. August 2021 eingetreten ist.
40Die genannte Pflichtverletzung des Klägers war auch grob fahrlässig. Die Nichtzahlung festgesetzter, fälliger Steuern und Abgaben indiziert das Verschulden des Verantwortlichen im Sinne des § 69 Satz 1 AO.
41Vgl. BFH, Urteil vom 14. Dezember 2021 - VII R 14/19 -, juris, Rdnr. 17.
42Der Kläger würde auch dann für die Nichtentrichtung der Gewerbesteuern und der Nachforderungszinsen für die Veranlagungsjahre 2015 bis 2018 haften, wenn die A. N01 W. GmbH im vorgenannten Zeitraum (24. März 2020 bis 00. März 0000) über keine ausreichenden Mittel mehr verfügt hätte, um die genannten Forderungen zu begleichen. Der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist bereits vor Fälligkeit der Steuern verpflichtet, die Mittel des Steuerschuldners so zu verwalten, dass dieser zur pünktlichen Tilgung auch erst künftig fällig werdender Steuerschulden in der Lage ist. Welche Anforderungen an die einem Geschäftsführer obliegende Mittelvorsorgepflicht zu stellen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Von ihm ist zu verlangen, dass er vorausschauend plant und insbesondere in der Krise finanzielle Mittel zur Entrichtung der geschuldeten Steuern bereithält; vom Eintritt der Fälligkeit der Steuern ist diese Pflicht unabhängig. Ein Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung verletzt seine ihm gegenüber dem Steuergläubiger obliegenden Pflichten deshalb auch dann, wenn er sich durch Vorwegbefriedigung anderer Gläubiger oder in sonstiger Weise schuldhaft außerstande setzt, künftig fällig werdende Steuerforderungen, deren Entstehung ihm bekannt ist, zu tilgen. Dies gilt auch für Steuerforderungen, mit denen der Geschäftsführer rechnen muss bzw. deren Entstehung absehbar ist.
43Vgl. BFH, Beschluss vom 29. August 2018 - XI R 57/17 -, juris, Rdnr. 45 f.
44Im vorliegenden Fall hätte der Kläger aufgrund der hohen Gewinne der A. N01 W. GmbH aus den Geldspielgeräten mit entsprechend hohen Gewerbesteuerforderungen der Beklagten für die Veranlagungsjahre 2015 bis 2018 rechnen müssen. Er hätte daher aus den Gewinnen der A. N01 W. GmbH entsprechende Rücklagen für die zu erwartenden Gewerbesteuerforderungen bilden müssen. Dies hat der Kläger offenbar nicht getan, denn er hat die entsprechenden Fragen der Beklagten aus dem Schreiben vom 12. März 2021 nicht beantwortet und ist auf den entsprechenden Vorwurf im Haftungsbescheid vom 8. Juni 2021 nicht eingegangen.
45Das Unterlassen des Klägers war auch grob fahrlässig. Es hätte sich ihm aufgrund der hohen Gewinne der A. N01 W. GmbH aus den Geldspielgeräten aufdrängen müssen, dass diese auch entsprechend hohe Gewerbesteuerforderungen der Beklagten zur Folge haben würden.
46Die Beklagte hat schließlich auch das ihr in § 191 Abs. 1 Satz 1 AO eröffnete Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Insbesondere war es nicht ermessensfehlerhaft, dass die Beklagte es nach Aktenlage nicht in Betracht gezogen hat, den Herrn N.
47Y. oder andere (mutmaßliche) Mittäter, Anstifter oder Gehilfen einer zu Lasten der Beklagten hinsichtlich der A. N01 W. GmbH begangenen Steuerhinterziehung neben oder anstelle des Klägers in Haftung zu nehmen. Allerdings haftet nach § 71 AO auch, wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 AO und die Zinsen nach § 233a AO, soweit diese nach § 235 Abs. 4 AO auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden. Hier bestanden im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids am 31. August 2021 jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte, die die Beklagte hätten veranlassen müssen, in eine entsprechende Haftungsprüfung hinsichtlich des Herrn Y. oder anderer Personen einzutreten. Der einzige Hinweis auf Herrn Y. bestand darin, dass das Finanzamt O.-West in seinem Betriebsprüfungsbericht vom 27. November 2019 dem Herrn Y. die Mehrgewinne der A. N01 W. GmbH in den Jahren 2015 bis 2018 als verdeckte Gewinnausschüttung zugerechnet hatte. Der Herr Y. habe die verhinderte Vermögensvermehrung als Gesellschafter (der A. N01 W. GmbH) zu vertreten, denn sie wäre bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nicht eingetreten. Aufgrund seiner besonderen Stellung in
48der Firma P. Z. GmbH würden daher die verdeckten Gewinnausschüttungen dem Herrn Y. zugerechnet (Betriebsprüfungsbericht, S. 15). Soweit
49diesen Ausführungen überhaupt ein Hinweis dafür entnommen werden konnte, dass
50Herr Y. (einer) der Drahtzieher der Manipulation der Auslesedaten der Geldspielgeräte bei der A. N01 W. GmbH gewesen sein könnte, war dieser Hinweis jedenfalls viel zu vage, um die Beklagte zu veranlassen, in eine aufwändige Prüfung einzutreten, ob Herr Y. eine Steuerhinterziehung zu Lasten der Beklagten begangen hat und daher neben oder anstelle des Klägers für den entsprechenden Steuerschaden in Haftung genommen werden könnte. Ebenso ergab sich aus den genannten Ausführungen kein tragfähiger Anhaltspunkt dafür, dass Herr Y. als Verfügungsberechtigter im Namen der A. N01 W. GmbH aufgetreten sein könnte (vgl. § 35 AO). Daher musste die Beklagte auch unter diesem Aspekt in keine Prüfung eintreten, ob Herr Y. neben oder anstelle des Klägers für die Steuerschulden der A. N01 W. GmbH in Anspruch genommen werden konnte.
51Die Zahlungsaufforderung im Haftungsbescheid vom 8. Juni 2021 in der noch streitgegenständlichen Höhe von 121.666,80 € ist nach alledem rechtmäßig. Die Voraussetzungen des § 219 Satz 1 AO für die Zahlungsaufforderung liegen vor.
52Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen, dem Kläger auch die Kosten des übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärten Teils des Verfahrens aufzuerlegen, unabhängig davon, inwieweit die Beklagte ohne den Eintritt des erledigenden Ereignisses unterlegen wäre. Denn der übereinstimmend für erledigt erklärte Teil des Verfahrens macht nur einen geringen Teil des insgesamt streitigen Betrags aus (vgl. § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO).
53Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
54Rechtsmittelbelehrung:
55Dieses Urteil ist hinsichtlich der teilweisen übereinstimmenden Erledigungserklärungen unanfechtbar (§ 92 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog und § 158 Abs. 2 VwGO).
56Im Übrigen steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
571. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
582. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
593. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
604. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
615. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
62Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, zu beantragen. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich einzureichen.
63Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
64Im Berufungsverfahren muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Berufung. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO.