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1. Eine Verwaltungspraxis, wonach das Vorliegen eines Unternehmensverbunds vermutet wird, wenn Eigentümer oder Geschäftsführer mehrerer am selben Markt tätiger Unternehmen familiär verbunden sind, ist nicht zu beanstanden.
2. Das beklagte Land ist vielmehr frei, den Anspruch auf Bewilligung von Überbrückungshilfe an strengere Maßstäbe zu knüpfen, als nach dem beihilferechtlichen Rahmen vorgegeben.
3. Der bei der Leistungsverwaltung bestehende weite Gestaltungsspielraum umfasst bei der Vergabe von Billigkeitsleistungen auch die Anwendung typisierender Kriterien, solange diese nicht dazu führen, dass Leistungen willkürlich nach unsachlichen Gesichtspunkten verteilt werden.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
2Die Klägerin ist ein Gastronomieunternehmen. Alleinige Anteilsinhaberin und Geschäftsführerin der Klägerin ist seit dem 13. Mai 2015 Frau B. C. . Der Ehemann der Klägerin, Herr D. C. , ist alleiniger Anteilsinhaber der C1. .K. .X. . F. und U. H. GmbH, welche seit dem 25. September 2020 100 % der Gesellschaftsanteile an der V59 H. GmbH hält. Herr C. ist Geschäftsführer von beiden sowie weiterer Gesellschaften. Diese und auch die Klägerin haben ihren Sitz an der W.-straße 63 in 00000 C2. .
3Anlässlich des Ausbruchs der SARS-CoV-2-Pandemie teilte die Europäische Kommission am 19. März 2020 mit, Beihilfen zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben der Mitgliedstaaten auf der Grundlage von Art. 107 Abs. 3 b) AEUV unter bestimmten Voraussetzungen als mit dem Binnenmarkt vereinbar anzusehen. Zur Milderung der wirtschaftlichen Notlage der betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gab das damalige Bundesministerium für Wirtschaft und Energie auf Grundlage der Mitteilung der Europäischen Kommission (2020/C91 I/01) am 26. März 2020 die Regelung zur vorübergehenden Gewährung geringfügiger Beihilfen im Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit dem Ausbruch von COVID-19 (Bundesregelung Kleinbeihilfe 2020) bekannt, welche notifiziert und am 24. März 2020 durch die Europäische Kommission genehmigt wurde. Der Bund legte das Hilfsprogramm „Corona-Überbrückungshilfe für kleine und mittelständische Unternehmen“ auf.
4Auf Grundlage einer entsprechenden Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Bund und dem beklagten Land übernahm Letzteres die eigenverantwortliche Organisation, Bewilligung und Auszahlung der Überbrückungshilfen. Am 24. August 2020 veröffentlichte das damalige Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen (nachfolgend: Landeswirtschaftsministerium) die „Richtlinie des Landes zur Gewährung von Überbrückungshilfe für kleine und mittelständische Unternehmen“ (Überbrückungshilferichtlinie) im Rahmen eines Runderlasses (– V A 3 – 81.11.18.02 –).
5Am 21. September 2020 beantragte die Klägerin bei der Bezirksregierung B1. über das bereitgestellte Antragsformular die Bewilligung einer Corona-Überbrückungshilfe für die Monate Juni, Juli und August 2020 in Höhe von insgesamt 9.842,30 Euro. Wegen der Aufschlüsselung nach Monaten und Kostenpositionen wird auf die elektronische Darstellung Bl. 24 ff. d. Beiakte verwiesen. Als „Antragsteller“ gab die Klägerin „D. C. “ und bei „Art des Unternehmens“ „Sonstige“ an. Durch Setzen eines Hakens bestätige der prüfende Dritte der Klägerin zudem, „dass der von [ihm] vertretene Antragsteller und der Vertretungsberechtigte des Unternehmens die in dem Abschnitt „bitte laden Sie hier die unterzeichnete Version der Erklärung des Antragstellers“ abrufbaren subventionsrechtlichen Erklärungen zur Kenntnis genommen und persönlich abgegeben und unterschrieben hat“ sowie, dass er dieses inhaltlich unveränderte Formular im Onlineantrag hochgeladen habe. Eine Erklärung der Klägerin war dem Onlineantrag nicht beigefügt.
6Am 7. Oktober 2020 teilte die Bezirksregierung B1. dem prüfenden Dritten über das Online-Portal mit, dass die Antragstellung steuer- und subventionsrechtlich unzulässig sei, da es sich bei der Klägerin als Teil der C. -Gruppe um ein verbundenes Unternehmen im Sinne der FAQ handle. Es sei nun mindestens der dritte Antrag der C. -Gruppe gestellt worden. Die Anträge sollten alle zurückgezogen und nur ein Antrag der C. -Gruppe mit Herrn D. C. als Geschäftsführer gestellt werden. Mangels Reaktion des prüfenden Dritten wiederholte die Bezirksregierung ihren Hinweis am 12. Oktober 2020. Auch hierauf erfolgte keine Rückmeldung seitens des prüfenden Dritten.
7Mit Bescheid vom 19. Oktober 2020 lehnte die Bezirksregierung B1. den Antrag der Klägerin ab. Zur Begründung verwies sie auf Ziffer 2 Abs. 5 der Überbrückungshilferichtlinie, wonach es sich bei der Klägerin um ein verbundenes Unternehmen handele. Für solche könne nach Ziffer 3 Abs. 4 der Überbrückungshilferichtlinie nur ein Antrag gestellt werden. Hierüber sei die Klägerin mit Mitteilung vom 7. Oktober 2020 informiert worden.
8Auszugsweise befanden sich in den „FAQ“ zur Corona-Überbrückungshilfe zu dem Zeitpunkt u.a. folgende Aussagen:
9Ziff. 5.2: „Welche Unternehmen als verbundene Unternehmen gelten, richtet sich nach der EU-Definition. [Fn. 15] Solche Unternehmen dürfen nur einen Antrag für alle verbundenen Unternehmen stellen. Sie können dementsprechend Überbrückungshilfe insgesamt nur bis zu einer Höhe von 150.000 Euro für drei Monate beantragen. Verbundene Unternehmen sind beispielsweise mehrere Tochterunternehmen und ihre Konzernmutter; hier darf nur eines der verbundenen Unternehmen einen Antrag auf Überbrückungshilfe für alle verbundenen Unternehmen stellen. Auch mehrere Unternehmen, die derselben natürlichen Person oder einer gemeinsam handelnden Gruppe natürlicher Personen gehören, [Fn. 16] sind verbundene Unternehmen, sofern sie ganz oder teilweise in demselben Markt oder in sachlich benachbarten Märkten tätig sind. Als „benachbarter Markt“ gilt der Markt für eine Ware oder eine Dienstleistung, der dem betreffenden Markt unmittelbar vor- oder nachgeschaltet ist (Anknüpfungspunkt ist nicht die örtliche Nähe). […]
1015 Anhang I Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung 651/2014/EU. Weiterführende Erläuterungen und Fallbeispiele zur Frage, in welchen Fällen mehrere Unternehmen als verbunden gelten, finden sich im Benutzerleitfaden zur Definition von kleinen und mittleren Unternehmen der Europäischen Kommission , insbesondere den Begriffsbestimmungen im Glossar ab Seite 33.
1116 Familiäre Verbindungen gelten als ausreichend für die Schlussfolgerung, dass natürliche Personen gemeinsam handeln. Des Weiteren sind als gemeinsam handelnd im Sinne dieser Definition natürliche Personen anzusehen, wenn sie sich abstimmen, um Einfluss auf die geschäftlichen Entscheidungen der betreffenden Unternehmen auszuüben, so dass diese Unternehmen unabhängig vom Bestehen vertraglicher Beziehungen zwischen den fraglichen Personen nicht als wirtschaftlich voneinander unabhängig angesehen werden können.“
12Die Klägerin hat am 30. Oktober 2020 Klage erhoben.
13Zur Begründung stützt sie sich darauf, dass die Entscheidung der Bezirksregierung ermessensfehlerhaft sei und sogar eine Ermessensreduktion auf Null vorliege, wonach eine stattgebende Entscheidung hätte erfolgen müssen. Sie, die Klägerin, erfülle nicht die Voraussetzungen von Ziffer 2 Abs. 5 der Überbrückungshilferichtlinie. Welches Unternehmen als verbundenes Unternehmen gelte, richte sich nach der EU-Definition. Weder die Klägerin noch Frau C. seien an den von Herrn C. geführten Geschäften oder sonstigen Unternehmen beteiligt. Auch seien keine anderen Unternehmen an der Klägerin beteiligt. Auch führe Frau C. nicht die Geschäfte anderer Unternehmen. Insbesondere stellten die Eheleute C. keine gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher Personen im beihilferechtlichen Sinn dar. Die Annahme, dass familiäre Bindungen für eine solche Schlussfolgerung ausreichten, sei mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 6 Abs. 1 GG zweifelhaft. Die Europäische Kommission habe familiäre Beziehungen zwischen Personen lediglich als eines von mehreren Kriterien angesehen und in eine Gesamtwürdigung miteinbezogen. Die Gesamtumstände, insbesondere die Beteiligungsverhältnisse und Vertragsausgestaltungen, sprächen vorliegen gegen eine gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher Personen. Selbst wenn man die Eheleute als gemeinsam handelnde Gruppe i. S. v. Ziffer 5 Abs. 5 letzter Abschnitt der Überbrückungshilferichtlinie ansehen wolle, fehle es jedenfalls an einem weiteren Tatbestandsmerkmal, wonach diese Gruppe in einer der oben genannten Beziehungen stehen müsse. Soweit sie ihrem Antrag die erforderlichen Erklärungen nicht beigefügt habe, rechtfertige dies keine Ablehnung ihres Antrags. Es sei zu berücksichtigen, dass es sich bei den Verfahren betreffend Corona-Überbrückungshilfen um Massenverfahren mit besonderer Fehleranfälligkeit bei der Antragstellung handle. Da eine ablehnende Entscheidung eine Gefährdung der Existenz der Antragsteller zur Folge hätte, müsse im konkreten Einzelfall geprüft werden, ob eine Abweichung von der Verwaltungspraxis gerechtfertigt sei. Hilfsweise sei dem Antrag auf Wiedereinsetzung (§ 32 VwVfG NRW) stattzugeben. Sie habe die erforderlichen Erklärungen des Antragstellers vom 29. September 2020 mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2020 vorgelegt.
14Die Klägerin beantragt,
15das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheids der Bezirksregierung B1. vom 19. Oktober 2020 zu verpflichten, ihr die beantragte Corona-Überbrückungshilfe zu gewähren.
16Der Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18In erster Linie verweist der Beklagte darauf, dass dem Antrag der Klägerin die unterschriebene Erklärung des Geschäftsführers nicht beigefügt gewesen sei und der prüfende Dritte der Klägerin auf wiederholte Rückfragen im Hinblick auf den Verdacht, es handle sich bei der Klägerin um ein verbundenes Unternehmen, nicht reagiert habe. Unter diesen Umständen sei der Antrag der Klägerin in ständiger Verwaltungspraxis abzulehnen gewesen. Zudem handle es sich bei der Klägerin um ein verbundenes Unternehmen i. S. v. Ziffer 2 Abs. 5 der Überbrückungshilferichtlinie. Diese Regelung könne im Einklang mit dem Beihilferecht ausgelegt werden, da sie die Definition verbundener Unternehmen in Art. 3 Abs. 3 Anhang I der AGVO wortgleich abbilde. Durch die Übernahme der Definition habe er diese so verwenden wollen, wie es der AGVO entspreche. Dies folge auch aus Ziffer 5.2 der FAQ zur Überbrückungshilfe. Er sei zudem vor dem Hintergrund des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV an das europäische Beihilferecht gebunden. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sei der Unternehmensbegriff funktional zu verstehen. Danach liege eine Verbindung von Unternehmen auch vor, wenn die Prüfung der zwischen ihnen bestehenden rechtlichen und wirtschaftlichen Beziehungen ergebe, dass sie vermittels einer natürlichen Person oder einer gemeinsam handelnden Gruppe natürlicher Personen eine einzige wirtschaftliche Einheit bilde, auch wenn sie formal nicht in einer der in Art. 3 Abs. 3 UAbs. 1 AGVO aufgeführten Beziehungen zueinander stünden. Als gemeinsam handelnd gälten danach natürliche Personen, die sich abstimmten, um Einfluss auf die geschäftlichen Entscheidungen der betreffenden Unternehmen auszuüben, sodass diese Unternehmen nicht als wirtschaftlich voneinander unabhängig angesehen werden könnten. Es werde vermutet, dass diese Voraussetzungen vorliegen, wenn ein Verwandtschaftsverhältnis zwischen den Eigentümern oder Geschäftsführern von Unternehmen am selben oder benachbarten Markt bestehe. Dieses vom ihm, dem Beklagten, zugrunde gelegte Verständnis sei mittlerweile vom Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen bestätigt worden (4 A 1581/23). Nach diesen Maßgaben sei die Klägerin als Teil eines Unternehmensverbundes anzusehen und stelle keine isoliert zu betrachtendes Unternehmen dar. Ein Verbund bestehe mit den Unternehmen des Ehemanns der Alleingesellschafterin der Klägerin, z. C1. . der C1. .K. .X. . F. und U. H. GmbH. Herr C. sei Alleingesellschafter dieser Gesellschaft. Diese Gesellschaft sei wiederum Alleingesellschafterin der V59 H. GmbH. Nach der ständigen Verwaltungspraxis seien die Eheleute C. als gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher Personen anzusehen. Die Klägerin und die V59 H. GmbH würden durch jeweils einen Ehepartner beherrscht und seien im selben Markt tätig. Bezeichnenderweise werde auch Herr C. im Antragsformular der Klägerin genannt und nicht seine Ehefrau. Infolgedessen, dass die Verwaltungspraxis zwingenden Vorgaben des EU-Beihilferechts entspreche, könne von einer Ungleichbehandlung nicht die Rede sein. Es sei dem beklagten Land auch nicht verwehrt, die Förderungspraxis im Rahmen der Überbrückungshilfe an zusätzliche, ggf. strengere Kriterien für die Einstufung als verbundenes Unternehmen zu knüpfen.
19Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
20Entscheidungsgründe
21Die als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Klage ist unbegründet.
22Die Ablehnung der begehrten Überbrückungshilfe ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, vgl. § 113 Abs. 5 VwGO. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Bewilligung der beantragten Überbrückungshilfe noch auf erneute Bescheidung ihres darauf gerichteten Antrags.
23Auf die Bewilligung von Überbrückungshilfe auf Basis der Richtlinien des Landes zur fortgesetzten Gewährung von Überbrückungshilfen für kleine und mittelständische Unternehmen im Runderlass des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie – V A 3 – 81.11.18.02 – vom 24. August 2020 (nachfolgend: FRL) besteht grundsätzlich kein gebundener Anspruch. Der Beklagte gewährt hiernach freiwillige Zahlungen in Form einer Billigkeitsleistung auf Grund seines pflichtgemäßen Ermessens im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel, die aus dem Bundeshaushalt stammen. Die Förderrichtlinien stellen keine unmittelbar Rechte eines Antragstellers begründenden Rechtsnormen dar, sondern sollen eine einheitliche Verwaltungspraxis bei der Ausübung des Ermessens gewährleisten. Sie beruhen auf einer diesem Zweck dienenden Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Bund und dem beklagten Land nebst Vollzugshinweisen des Bundes.
24Der jeweilige Antragsteller hat hiernach in aller Regel nur einen Anspruch darauf, dass über seinen Antrag ermessensfehlerfrei entschieden wird. Dieser Anspruch erlischt mit einer ermessensfehlerfreien Entscheidung. Diese ist mit dem Bescheid vom 19. Oktober 2020 erfolgt. Die Ablehnung des Antrags der Klägerin genügt den Anforderungen des § 114 Satz 1 VwGO. Nach dieser Vorschrift prüft das Gericht auch, ob die Ablehnung des begehrten Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Derartiges lässt sich hier nicht feststellen. Die Bezirksregierung B1. hat insbesondere die durch den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gezogenen gesetzlichen Grenzen des Ermessens gewahrt.
25Der Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Beklagten, im Einklang mit seiner allgemeinen Förderpraxis über Förderanträge zu entscheiden. Insoweit kommt dem Gleichbehandlungsgrundsatz anspruchsbegründende und anspruchsbegrenzende Wirkung zu. Anders als Gesetze oder Rechtsverordnungen können Förderbestimmungen eine anspruchsbegründende Außenwirkung nur ausnahmsweise vermittels des Gleichheitssatzes und des im Rechtsstaatsprinzip verankerten Gebots des Vertrauensschutzes durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis auf Basis der einschlägigen Bestimmungen begründen. Zur Ermittlung der allgemeinen Förderpraxis ist die FRL heranzuziehen. Die FRL ist dabei nicht wie eine Rechtsnorm auszulegen, sondern maßgeblich ist die vom Willen des Richtliniengebers gedeckte behördliche Interpretation und Anwendung der in Rede stehenden Richtlinie.
26Vgl. BVerwG, Urteile vom 8. April 1997 – 3 C 6.95 – und vom 23. April 2003 – 3 C 25.02 –, juris.
27Die Verwaltungspraxis kann ergänzend weiteren Umständen wie den Förderungsbescheiden selbst, den Antragsformularen und den die Erwartungen des Zuwendungsgebers zum Ausdruck bringenden FAQ entnommen werden.
28Hier ist eine Verwaltungspraxis, wonach der Klägerin die konkret in Streit stehende Überbrückungshilfe zu bewilligen gewesen wäre, nicht ersichtlich. Insbesondere konnte die Bezirksregierung ihre Ablehnungsentscheidung frei von Ermessensfehlern auf die Verbundenheit des klägerischen Unternehmens mit weiteren Unternehmen stützen.
29Nach der ständigen Verwaltungspraxis wurde das Vorliegen eines Unternehmensverbunds vermutet, wenn Eigentümer oder Geschäftsführer mehrerer am selben Markt tätiger Unternehmen familiär verbunden sind. Dies folgt in erster Linie aus dem Vorbringen des Beklagten im Rahmen der Klageerwiderung vom 4. Oktober 2024 sowie den einschlägigen FAQ, dort insbesondere Ziffer 5.2. Danach hat das beklagte Land es für die Annahme der Verbundenheit von Unternehmen genügen lassen, wenn diese derselben natürlichen Person oder einer gemeinsam handelnden Gruppe natürlicher Personen gehören, sofern sie ganz oder teilweise in demselben Markt oder in sachlich benachbarten Märkten tätig sind. Bei der Bestimmung dieser Merkmale hat sich das beklagte Land in ständiger Verwaltungspraxis an der europarechtlichen Ausgestaltung verbundener Unternehmen orientiert. Dies wird insbesondere deutlich durch den Verweis auf die unionsrechtliche Definition verbundener Unternehmen in Anhang I Artikel 3 Abs. 3 der Verordnung 651/2914/EU (im Folgenden: AGVO) in Fußnote 15 zu Ziffer 5.2 der FAQ, welche sich größtenteils auch in Ziffer 2 Abs. 5 der FRL wiederfindet. Ausgerichtet am unionsrechtlichen Verständnis kam es für die Frage einer gemeinsam handelnden Gruppe natürlicher Personen darauf an, ob diese sich abstimmen, um Einfluss auf die geschäftlichen Entscheidungen der betreffenden Unternehmen auszuüben, sodass diese Unternehmen nicht als wirtschaftlich voneinander unabhängig angesehen werden können. Ausweislich Fußnote 16 zu Ziffer 5.2 der FAQ galten familiäre Verbindungen dabei als ausreichend für die Schlussfolgerung, dass natürliche Personen gemeinsam handeln. Diese Schlussfolgerung findet ihre Stütze im Benutzerleitfaden der Europäischen Kommission zur Definition von KMU, auf welchen in den FAQ ausdrücklich verwiesen wird.
30 31Vgl. EuGH, Urteil vom 27. Februar 2014, – C-110/13 –, Celex-Nr. 62013CJ0110, juris Rn. 29, 34.
32Eine Kollision mit den beihilferechtlichen Vorschriften folgt insbesondere auch nicht daraus, dass der Beklagte trotz der nach dem Unionsrecht vorzunehmenden Einzelfallprüfung bei familiären Verbindungen zwischen natürlichen Personen eine gemeinsam handelnde Gruppe im oben genannten Sinn vermutet hat. Das europäische Beihilferecht, namentlich Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV, verbietet es zwar, Beihilfen an mehrere Unternehmen eines Unternehmensverbunds auszuzahlen. Es macht hingegen jedoch keine Vorgaben, welche Einzel- und Verbundunternehmen konkret gefördert werden müssen. Das beklagte Land ist vielmehr frei, den Anspruch auf Bewilligung von Überbrückungshilfe an strengere Maßstäbe zu knüpfen, als nach dem beihilferechtlichen Rahmen vorgegeben.
33Vgl. VG Karlsruhe, Urteil vom 18. Juli 2024 – 1 K 2711/23 –, juris Rn. 75; VG Schwerin, Urteil vom 17. März 2023 – 3 A 964/22 SN –, juris Rn. 28.
34Insofern bedarf keiner Klärung, ob – wie dem Benutzerleitfaden der Europäischen Kommission zur Definition von KMU auf Seite 35 zu entnehmen – auch nach dem Unionsrecht familiäre Verbindungen für die Annahme einer gemeinsam handelnden Gruppe stets ausreichen. Jedenfalls wird ihnen bei der nach dem europäischen Beihilferecht vorzunehmenden Einzelfallprüfung eines Unternehmensverbunds ein erhebliches Gewicht beigemessen.
35Vgl. Entscheidung der Kommission vom 7. Juni 2006 (2006/904/EG), ABl. L 353 vom 13.12.2006, S. 60ff.
36Die Anknüpfung der Förderpraxis an „familiäre Verbindungen“ begegnet auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht keinen Bedenken. Soweit die Klägerin im Hinblick auf die Verwaltungspraxis „Zweifel“ an einer Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 6 Abs. 1 GG geltend macht, greifen solche nicht durch. Es ist ihr als juristische Person bereits gemäß Art. 19 Abs. 3 GG verwehrt, sich auf den in Art. 6 Abs. 1 GG verbrieften Schutz von Ehe und Familie zu berufen.
37Vgl. VGH Baden-Württemberg Urteil vom 23. Juli 2024 – 14 S 604/24 –, juris Rn. 25.
38Die Verwaltungspraxis genügt, unabhängig davon, ob der Klägerin eine Berufung auf Art. 6 Abs. 1 GG oder allein Art. 3 Abs. 1 GG möglich wäre, verfassungsrechtlichen Anforderungen. Ungeachtet dessen, dass die Klägerin eine solche schon nicht behauptet, fehlt es bei Betrachtung der Förderpraxis bereits an einer unmittelbaren Benachteiligung der Familie. Zum einen ist hervorzuheben, dass das maßgebliche Kriterium für die Annahme eines Unternehmensverbunds nicht familiäre Verbindungen, sondern gemeinsam handelnde natürliche Personen sind, welche nach den FAQ auch anzunehmen sein können, wenn sie sich abstimmen, um Einfluss auf die geschäftlichen Entscheidungen der betreffenden Unternehmen auszuüben. Dass allein aus der Vermutung bei Familienangehörigen, zu denen nicht nur Eheleute zählen, eine Benachteiligung der Klägerin folgt, ist von ihr weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Zum anderen hat das beklagte Land anders als in Fällen der Eingriffsverwaltung bei der den Corona-Hilfen zugrundeliegenden Leistungsverwaltung einen weiten Gestaltungsspielraum. Dieser umfasst bei der Vergabe von Billigkeitsleistungen auch die Anwendung typisierender Kriterien, solange diese nicht dazu führen, dass Leistungen willkürlich nach unsachlichen Gesichtspunkten verteilt werden.
39Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 – 10 C 1.17 –, juris Rn. 17f.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Juli 2024 – 14 S 604/24 –, juris Rn. 25; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 7. November 2023 – 2 LZ 196/23 OVG –, juris Rn. 16.
40Von einer solchen Willkür ist vorliegend nicht auszugehen. Hierfür spricht bereits, dass für die Frage einer Unternehmensverbundenheit auch nach dem Unionsrecht an familiäre Verbindungen angeknüpft wird. Aber auch unabhängig davon erscheint die Annahme, dass auf demselben Markt unternehmerisch tätige (enge) Familienmitglieder wie Eheleute sich untereinander abstimmen und Einfluss auf die geschäftlichen Entscheidungen des jeweils anderen nehmen, jedenfalls nicht willkürlich. Nachvollziehbare Gründe für die typisierende Betrachtung lassen sich auch dem ergänzenden Leitfaden zu Verbundunternehmen vom 19. Juli 2024 entnehmen, welcher zwischen den Bewilligungsstellen der Länder und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz abgestimmt wurde und insbesondere auf den (finanziellen) Zusammenhalt des Familienverbunds in Notlagen abstellt. Hinzu kommt, dass das beklagte Land bei der Bearbeitung massenhafter Anträge im Zusammenhang mit der Corona-Überbrückungshilfe auf die Möglichkeit typisierender Beurteilungen angewiesen war und eine solche sich bei familiär verbundenen Gesellschaftern bzw. Geschäftsführern geradezu aufdrängen durfte.
41Die dargestellte Verwaltungspraxis zugrunde gelegt, ist die Bezirksregierung bei der Klägerin zutreffend von einem verbundenen Unternehmen ausgegangen. Die Eheleute C. stellen eine gemeinsam handelnde Gruppe im oben dargestellten Sinn dar. Beide waren und sind jeweils Anteilseigner und zugleich Geschäftsführer von auf dem gastronomischen Markt tätigen Unternehmen, namentlich der Klägerin und der V59 H. GmbH, an welcher Herr C. über seine Anteile an der C1. .K. .X. . F. und U. H. GmbH beteiligt ist. Anhaltspunkte dafür, dass die Eheleute sich nicht abstimmen, um Einfluss auf die geschäftlichen Entscheidungen ihrer Unternehmen auszuüben, gibt es keine. Vielmehr wird die Annahme einer gemeinsam handelnden Gruppe bei den Eheleuten C. durch die weiteren Gesamtumstände bestätigt. Nicht nur, dass die hier in Rede stehenden Gesellschaften denselben Geschäftssitz haben und Herr C. den Überbrückungshilfeantrag für die Klägerin gestellt sowie die nachgereichten allgemeinen Erklärungen und Erklärungen zu subventionserheblichen Tatsachen selbst unterschrieben hat. Auch hat der verantwortliche prüfende Dritte Herrn C. in seinem Schriftsatz vom 30. Oktober 2020 als „Antragsteller“ bezeichnet. Hinzu kommt, dass Herr C. anstelle seiner Ehefrau persönlich in der mündlichen Verhandlung erschienen ist und sich mit Blick auf die vom Gericht aufgeworfene Frage einer eventuellen Klagerücknahme mit dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zur Beratung zurückgezogen hat. Zudem hat er mit weiteren Angaben wie zu seiner Vermietung der Geschäftsräume an die Klägerin zusätzliche Anhaltspunkte für geschäftliche Verflechtungen zwischen den von den Eheleuten geführten Unternehmen geliefert.
42Auf die weiteren in Streit stehenden Umstände betreffend die dem Antrag nicht beigefügte Erklärung sowie die ausgebliebene Rückmeldung des prüfenden Dritten im Verwaltungsverfahren kommt es ungeachtet dessen, dass der streitgegenständliche Bescheid sich auf diese schon nicht stützt, nicht mehr an.
43Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, § 709 ZPO.
44Rechtsmittelbelehrung
45Innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils kann bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen schriftlich beantragt werden, dass das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster die Berufung zulässt. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
46Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster schriftlich einzureichen.
47Der Antrag ist zu stellen und zu begründen durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, oder eine diesen gleichgestellte Person als Bevollmächtigten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Auf die besonderen Regelungen in § 67 Abs. 4 Sätze 7 und 8 VwGO wird hingewiesen.