Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
16 Abs. 2 Satz 3 Nr. 7 AG GlüStV NRW gibt vor, dass jede Verbundspielhalle eine eigene Aufsichtsperson gewährleisten muss.
Eine glücksspielrechtliche Erlaubnis kann mit einer entsprechenden Auflage versehen werden.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand:
2Der Kläger ist Spielhallenbetreiber und gewerblicher Automatenaufsteller. Er betreibt u. a. auf dem Grundstück T. T1. . 000 in Essen zwei Spielhallen im Verbund.
3Mit Bescheid vom 1. August 2022 erteilte ihm die Beklagte auf Antrag die bis zum 31. Juli 2029 befristete glücksspielrechtliche Erlaubnis, die zur primären Spielhalle bestimmte Spielhalle 2 auf dem genannten Grundstück zu betreiben. Die Beklagte versah diese Erlaubnis u. a. mit der Auflage Nr. 5, dafür Sorge zu tragen, dass während der Öffnungszeiten in jeder Spielhalle eine Aufsichtsperson anwesend ist. Sie führte aus, für die zwei Spielhallen dürfe nicht nur eine Aufsichtsperson anwesend sein. Sie stützte die Auflage auf § 16 Abs. 2 Satz 3 Nr. 7 AG GlüStV NRW. Jede Spielhalle müsse für sich genommen die Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 AG GlüStV NRW erfüllen.
4Ausweislich Vermerken im Verwaltungsvorgang der Beklagten wurde der Bescheid mit einem Begleitschreiben am 1. August 2022 an die Prozessbevollmächtigten des Klägers „abgesandt“.
5Der Kläger hat am 7. September 2022 Klage gegen die obengenannte Auflage erhoben.
6Unter dem 21. März 2023 erteilte die Beklagte dem Kläger befristet bis zum 31. Dezember 2028 die glücksspielrechtliche Erlaubnis zum Betrieb der Spielhalle 1 auf dem vorgenannten Grundstück. Unter Ziffer 6 der Nebenbestimmungen verfügte sie unter Bezug auf § 16 Abs. 2 Satz 3 Nr. 7 AG GlüStV, dafür Sorge zu tragen, dass während der Öffnungszeiten für jede Spielhalle eine Aufsichtsperson anwesend ist. Begründend führte sie hierzu aus, die genannte Vorschrift sehe explizit eine Aufsicht für jede Spielhalle vor. Das ergebe sich auch aus dem Gesetzentwurf der Landesregierung zur Umsetzung des Glücksspielstaatsvertrags 2021. Insofern erfolge eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung. Das Erfordernis einer Aufsicht für jede Spielhalle sei zur Einhaltung des Spieler- und Jugendschutzes erforderlich. Die umfangreicher gewordenen Aufgaben, insbesondere die Überprüfung der Kunden im Rahmen des OASIS-Sperrsystems, die Gewährleistung des Verbots des gleichzeitigen Bespielens mehrerer Geldspielgeräte durch einen Kunden und die Umsetzung des Sozialkonzepts, könnten in aller Regel von nur einer Aufsicht für mehrere Verbundspielhallen nicht wahrgenommen werden.
7Am 21. April 2023 hat der Kläger die Klage per Telefax um das Begehren erweitert, die Auflage Nr. 6 zum Erlaubnisbescheid vom 21. März 2023 aufzuheben. An diesem Tag war eine elektronische Übermittlung des Schriftsatzes aufgrund einer Störung des Übermittlungswegs per beA nicht möglich.
8Der Kläger macht geltend, es fehle für die strittigen Auflagen an einer gesetzlichen Grundlage. Es bestehe für sie keine Notwendigkeit. § 16 Abs. 2 Satz 3 Nr. 7 AG GlüStV NRW entspreche seinem Wortlaut nach Hinweisen, die früher jede Erlaubnis nach § 33 i GewO enthalten habe. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen habe dies so ausgelegt, dass eine gemeinsame Beaufsichtigung „einer Verbundspielhalle“ durch eine Person möglich sei. Die von der Beklagten angesprochene Gesetzesbegründung sei vom Innenministerium verfasst und fehlerhaft.
9Der Kläger beantragt,
10Auflage Nr. 5 des Erlaubnisbescheids der Beklagten vom 1. August 2022 aufzuheben
11und
12Auflage Nr. 6 des Erlaubnisbescheids der Beklagten vom 21. März 2023 aufzuheben.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie trägt entsprechend der Begründung der Auflage Nr. 6 des Erlaubnisbescheids vom 21. März 2023 vor. Zuletzt festgestellte Verstöße und Anzeigen von Unregelmäßigkeiten verdeutlichten die Notwendigkeit der strittigen Anordnungen.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs verwiesen.
17E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
18Die Klageerweiterung ist zulässig (dazu unter I.). Die Klage ist zulässig (II.), aber unbegründet (III.).
19I.
20Die Klageerweiterung ist als Unterfall der Klageänderung jedenfalls gemäß § 91 Abs. 1 und 2 VwGO zulässig. Die Beklagte hat sich in der mündlichen Verhandlung auf die erweiterte Klage eingelassen.
21II.
22Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 1. Var. VwGO statthaft. Bei den angefochtenen Auflagen handelt es sich um belastende Nebenbestimmungen zu den jeweiligen Erlaubnisverwaltungsakten. Gegen solche Nebenbestimmungen kann grds. Anfechtungsklage erhoben werden, weil § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO Teilaufhebungen von Verwaltungsakten vorsieht. Hinzu kommt, dass die Auflagen selbst Verwaltungsakte sind. Sie treffen mit den Geboten, dafür Sorge zu tragen, dass während der Öffnungszeiten in jeder Spielhalle eine Aufsichtsperson anwesend ist, selbständig durchsetzbare Regelungen.
23Für eine Versäumung der jeweiligen Klagefrist nach § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO besteht kein Anhalt. Insbesondere ist nichts dafür ersichtlich, dass die Klage gegen die Auflage zum Bescheid vom 1. August 2022 später als einen Monat nach Bekanntgabe dieses Bescheids erhoben worden ist. Die Beklagte behauptet keine Bekanntgabe vor dem 7. August 2022, der ein Sonntag war. Ein solch früher Bekanntgabezeitpunkt folgt auch nicht aus der Fiktion nach § 41 Abs. 2 Satz 1 VwVfG NRW. Mit dem Vermerk „abgesandt“ ist insbesondere nicht dargetan, dass der Bescheid am 1. August 2022 zur Post aufgegeben wurde.
24Am 7. September 2022 hat der Kläger formwirksam Klage erhoben. An diesem Tag war eine Übermittlung per Fax nach den allgemeinen Vorschriften, hier § 81 Abs. 1 Satz 1 VwGO, gemäß § 55d Satz 3 VwGO zulässig. Eine elektronische Übermittlung war am 7. September 2022 aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, weil das System des besonderen Anwaltspostfachs durchgreifend gestört war. Dies haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers durch anwaltliche Versicherung im Sinne von § 55d Satz 4 VwGO glaubhaft gemacht und ist gerichtsbekannt.
25III.
26Die angefochtenen Auflagen sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
27Sie haben ihre Rechtsgrundlage in § 16 Abs. 2 Satz 5 AG GlüStV NRW. Danach können die nach § 16 Abs. 2 Satz 1 AG GlüStV erforderlichen glücksspielrechtlichen Erlaubnisse mit Inhalts- und Nebenbestimmungen versehen werden. Bei den streitgegenständlichen Auflagen handelt es sich um Nebenbestimmungen in diesem Sinne. Ihr Erlass steht im Ermessen der Erlaubnisbehörde.
28Die Beklagte hat dieses Ermessen nach dem Maßstab des § 114 S. 1 VwGO fehlerfrei ausgeübt. Weder sind die Grenzen des Ermessens überschritten noch hat sie von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht.
29Die tragende Erwägung, § 16 Abs. 2 Satz 3 Nr. 7 AG GlüStV NRW gebe vor, dass jede Verbundspielhalle eine eigene Aufsichtsperson gewährleisten müsse, entspricht der Gesetzeslage und damit auch dem Zweck der Ermächtigung. § 16 Abs. 2 Satz 3 Nr. 7 AG GlüStV verlangt, dass in jeder Spielhalle jeweils eine Aufsichtsperson anwesend ist. Das legt schon der Bezug zu § 16 Abs. 2 Satz 1 AG GlüStV nahe. Denn der darin bestimmte, für das Regelungsregime des Glücksspielstaatsvertrages und des Ausführungsgesetzes NRW zentrale Erlaubnisvorbehalt bezieht sich auf die einzelne Spielhalle. Konsequent sind auch die Versagungsgründe des Satzes 3 der Vorschrift strikt auf die jeweilige Spielhalle bezogen zu betrachten. Die Entstehungsgeschichte bestätigt diese strenge Auslegung. In der Begründung des Gesetzentwurfs vom 12. März 2021, LT-Drucks, 17/12978, ist ausdrücklich klargestellt, dass die Erlaubnis nunmehr auch zu versagen ist, wenn nicht sichergestellt ist, dass in jeder Spielhalle eine Aufsichtsperson anwesend ist (Hervorhebung durch das Gericht). Diese Intention kommt auch im weiteren Regelungskontext deutlich zum Ausdruck. In § 17a Abs. 3 Satz 1 AG GlüStV NRW wird mit der grammatikalischen Konstruktion „sowohl für die nach Absatz 2 erlaubte Spielhalle als auch für alle mitantragstellenden Spielhallen“ (Hervorhebung durch das Gericht) betont, dass die dort genannten Voraussetzungen für sämtliche Verbundspielhallen strikt und fortwährend gesondert zu betrachten sind. Dabei geht der Gesetzgeber ausweislich der Nummern 1 und 2 dieser Norm offenbar von jeweils eigenständigem Personal aus. Spielhallenleitungen (Hervorhebung durch das Gericht) und sonstiges Personal der Spielhallen werden im Plural angesprochen. In gleichartiger Weise wird in § 16 Abs. 4 und 5 AG GlüStV NRW das Erfordernis einer streng auf die jeweilige Spielhalle konzentrierten Betrachtung auch in Bezug auf Spielhallen betont, bei denen ein geringerer Mindestabstand zugelassen wird. All diese Bestimmungen fügen sich zu einem konsequent auf jede einzelne Spielhalle bezogenen Regelungsregime zusammen, in das sich das durch die historische Auslegung bestätigte Verständnis des § 16 Abs. 2 Satz 3 Nr. 7 AG GlüStV NRW nahtlos einreiht.
30Schließlich untermauert auch der Gesetzeszweck dieses Auslegungsergebnis. Jede Norm des Glücksspielstaatsvertrages und des Ausführungsgesetzes NRW ist dazu bestimmt, die in § 1 GlüStV aufgeführten Ziele insbesondere der Suchtbekämpfung, des Spieler- und des Jugendschutzes so effektiv wie möglich zu fördern und den gewichtigen Gefahren für die damit betroffenen überragend wichtigen Gemeinschaftsgüter maximal entgegenzuwirken. Diesem Zweck entspricht das dargelegte strenge Verständnis der durch § 16 Abs. 2 Satz 3 Nr. 7 AG GlüStV NRW bestimmten Aufsicht. Die Pflicht zur Anwesenheit mindestens einer Aufsichtsperson je Spielhalle ist geeignet, erforderlich und angemessen, Spielsuchtprobleme zu bekämpfen und den Spieler- und Jugendschutz zu gewährleisten. Einbußen an diesen Zielen würden namentlich eintreten, wenn nur eine vorhandene aufsichtsführende Person zugleich in beiden Verbundspielhallen Anlass hätte einzugreifen oder die aufsichtsführende Person – auch nur kurz – ihren Kontrollposten verließe.
31Vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 5. Juli 2023 – 11 ME 120/23 –, juris.
32Das vom Kläger angeführte Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 17. Oktober 2017 – 4 A 595/15 – stützt dessen gegenteilige Auffassung nicht. Diese Entscheidung betraf mit der Auslegung einer bestandskräftigen Auflage zu einer auf der Grundlage von § 33 i GewO erteilten Erlaubnis einen grundlegend anderen Streitgegenstand in einem ebenfalls grundlegend abweichenden Regelungszusammenhang. Soweit sich das Urteil – knapp – zur Erforderlichkeit einer Aufsichtsperson für jede Spielhalle äußert, ist diese Aussage durch die seither eingetretene grundlegende Verschärfung des spielhallenrechtlichen Regelungsregimes mit den an die Stelle von § 33i GewO getretenen glücksspielrechtlichen Gesetzen überholt. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass die unter dem Regime des Glücksspielstaatsvertrags und seines Ausführungsgesetzes NRW an Spielhallenbetreiber gestellten Anforderungen, insbesondere bei der Umsetzung des OASIS-Sperrsystems oder des Sozialkonzeptes, viel umfangreicher und anspruchsvoller geworden sind. Dass diese von einer gemeinsamen Aufsicht in Verbundspielhallen nicht hinreichend gewährleistet werden können, entspricht den dargelegten Maßgaben.
33Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
34Rechtsmittelbelehrung:
35Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
361. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
372. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
383. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
394. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
405. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
41Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, zu beantragen. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich einzureichen.
42Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
43Im Berufungsverfahren muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Berufung. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO.