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An den Wahrscheinlichkeitsgrad für die Gefahr der Begehung strafbarer Handlungen durch Äußerungsdelikte auf einer politischen Veranstaltung einer politischen Partei, deren Verfassungswidrigkeit das Bundesverfassungsgericht nicht festgestellt hat (Art. 21 Abs. 4 GG), sind im Rahmen der Gefahrenprognose strenge Anforderungen zu stellen. Denn eine darauf gestützte Versagung des Zugangs zu einer öffentlichen Einrichtung greift in den verfassungsrechtlich garantierten Anspruch aus Art. 21, Art. 3 Abs. 1 GG auf Chancengleichheit politischer Parteien ein. Erforderlich ist daher eine hohe Wahrscheinlichkeit von Rechtsverletzungen.
1. Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Antragstellerin den in ihrer Antragsschrift vom 11. Juni 2024 als Antrag zu 1. bezeichneten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgenommen hat.
2. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, der Antragstellerin durch entsprechende Einwirkung auf die Beigeladene Zugang zur Grugahalle mit Foyer und Nebenräumen auf dem Gelände der Beigeladenen von Dienstag, 25. Juni 2024, ab 07:00 Uhr bis Montag, 1. Juli 2024, zur Vorbereitung, Durchführung und Abbau der Veranstaltung „15. Bundesparteitag“ der Antragstellerin am Samstag, 29. Juni 2024, und Sonntag, 30. Juni 2024, zu verschaffen, ohne hierfür die Abgabe der im Ratsbeschluss der Stadt Essen vom 29. Mai 2024 (Beschlussvorlage 0876/2024/2) benannten schriftlichen, strafbewehrten Selbstverpflichtung zu verlangen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragstellerin und die Antragsgegnerin jeweils zur Hälfte, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
3. Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
4. Der Tenor soll den Prozessbevollmächtigten der Beteiligten telefonisch bekannt gegeben werden.
Gründe:
2I. Das Verfahren war entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, soweit die Antragstellerin den in ihrer Antragsschrift vom 11. Juni 2024 als Antrag zu 1. bezeichneten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit am 13. Juni 2024 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz zurückgenommen hat.
3II. Der danach noch zur gerichtlichen Entscheidung gestellte Antrag,
4„Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, der Antragstellerin durch entsprechende Einwirkung auf die Geschäftsführer der Beizuladenden Zugang zur Grugahalle mit Foyer und Nebenräumen auf dem Gelände der Beigeladenen von Dienstag, 25.06.2024 ab 07:00 Uhr bis Montag, 01.07.2024 zur Durchführung der Veranstaltung „15. Bundesparteitag“ der Antragstellerin am Samstag, 29.06.2024 und Sonntag, 30.06.2024 zu verschaffen.“,
5ist unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Antragsschrift auf das wahre Rechtsschutzziel gerichtet (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO), die Einwirkung der Antragsgegnerin auf die Beigeladene herbeizuführen, um der Antragstellerin den Zugang zu der Grugahalle mit Foyer und Nebenräumen auf dem Gelände der Beigeladenen von Dienstag, 25. Juni 2024, ab 07:00 Uhr bis Montag, 1. Juli 2024, zur Durchführung der Veranstaltung „15. Bundesparteitag“ der Antragstellerin am Samstag, 29. Juni 2024, und Sonntag, 30.Juni 2024, zu verschaffen, ohne dafür die Abgabe der im Ratsbeschluss auf die Beschlussvorlage 0876/2024/2 (nachfolgend: Ratsbeschluss) genannten schriftlichen, strafbewehrten Selbstverpflichtung zu verlangen.
6Nach § 88 VwGO darf das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden; es hat vielmehr das tatsächliche Rechtsschutzbegehren zu ermitteln. Maßgebend für den Umfang des Klagebegehrens ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts das aus dem gesamten Parteivorbringen, insbesondere der Klagebegründung, zu entnehmende wirkliche Rechtsschutzziel. Insoweit sind die für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätze (§§ 133, 157 BGB) heranzuziehen. Maßgebend ist der geäußerte Parteiwille, wie er sich aus der prozessualen Erklärung und den sonstigen Umständen ergibt; der Wortlaut der Erklärung tritt hinter deren Sinn und Zweck zurück. Ist der Kläger im Verwaltungsprozess anwaltlich vertreten, kommt der Fassung des Klageantrags bei der Ermittlung des tatsächlich Gewollten zwar gesteigerte Bedeutung zu. Weicht das wirkliche Klageziel von der Antragsfassung jedoch eindeutig ab, darf auch die Auslegung vom Antragswortlaut abweichen.
7Vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Mai 2020 – 6 B 53.19 –, juris Rn. 3.
8Die konkrete Fassung des Tenors durch das Gericht beruht auf § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 938 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO).
9III. Der Verwaltungsrechtsweg ist für den noch zur gerichtlichen Entscheidung gestellten Antrag eröffnet. Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art gegeben.
10Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlicher Art ist, richtet sich nach der Rechtsnatur der Rechtsnormen, die das Rechtsverhältnis prägen, aus dem der geltend gemachte Anspruch hergeleitet wird.
11Vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 10. Juli 1989 – GmS-OGB 1/88 –, juris Rn. 8; BVerwG, Beschlüsse vom 19. Oktober 2022 – 1 B 65.22 –, juris Rn. 5, und vom 26. Mai 2020 – 10 B 1.20 –, juris Rn. 6.
12Bürgerliches Recht ist Jedermannsrecht. Öffentlich-rechtlicher Natur sind demgegenüber diejenigen Rechtsnormen, welche einen Träger öffentlicher Gewalt gerade als solchen berechtigen oder verpflichten, die also einen öffentlichen Verwaltungsträger zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben mit besonderen Befugnissen ausstatten oder besonderen Regeln unterwerfen.
13BVerwG, Beschluss vom 26. Mai 2020 – 10 B 1.20 –, juris Rn. 6.
14Entscheidend ist die wahre Natur des Anspruchs, wie er sich nach dem Sachvortrag des Klägers darstellt, und nicht, ob dieser sich auf eine zivilrechtliche oder eine öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlage beruft.
15Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 10. Juli 1989 – GmS-OGB 1/88 –, juris Rn. 8.
16Eine Streitigkeit ist danach öffentlich-rechtlich, wenn der Sachverhalt – die Richtigkeit des Sachvortrags des Klägers unterstellt – Rechtssätzen unterworfen ist, die nicht für jedermann gelten, sondern einem Sonderrecht des Staates oder sonstiger Träger öffentlicher Aufgaben, das sich zumindest auf einer Seite nur an Hoheitsträger wendet.
17Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 10. Juli 1989 – GmS-OGB 1/88 –, juris Rn. 9; BVerwG, Beschluss vom 30. Mai 2006 – 3 B 78.05 –, juris Rn. 4.
18Für Rechtsstreitigkeiten in Bezug auf gemeindliche öffentliche Einrichtungen ist zwischen dem Anspruch auf Zugangsgewährung („Ob“ des Zugangs) und der konkreten Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses („Wie“ des Zugangs) zu unterscheiden.
19Der Anspruch auf Zugang zu der Einrichtung ist regelmäßig nach öffentlichem Recht zu beurteilen und unterliegt darum nach § 40 Abs. 1 VwGO der Erkenntniszuständigkeit der Verwaltungsgerichte. Die Modalitäten der Benutzung andererseits können – wie hier – auch privatrechtlich ausgestaltet sein. Dann ist über ihre Ausgestaltung gemäß § 13 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) vor den ordentlichen Gerichten zu streiten.
20Vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Mai 1990 – 7 B 30.90 –, juris Rn. 4; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19. Mai 2003 – 1 S 1449/01 –, juris Rn. 24.
21Dies zugrunde gelegt, ist der vorliegende Streit ein öffentlich-rechtlicher. Streitentscheidende Normen sind Art. 21 des Grundgesetzes (GG), § 5 Abs. 1 Satz 1 des Parteiengesetzes (PartG), § 8 Abs. 2 der Gemeindeordnung NRW i.V.m. dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) sowie der Selbstbindung der Verwaltung. Diese prägen das Rechtsverhältnis, aus dem der geltend gemachte Anspruch hergeleitet wird. Sie unterwerfen Träger öffentlicher Gewalt gerade als solche besonderen Regeln.
22Zwar sind Streitigkeiten über die Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses im engeren Sinne (nur dann) im Verwaltungsrechtsweg zu entscheiden, wenn das Benutzungsverhältnis öffentlich-rechtlich ausgestaltet ist (etwa durch Satzung, Zulassung durch Verwaltungsakt nebst Auflagen bei Eigenbetrieb, schlicht-hoheitliches Handeln zum Betrieb einer eigenen kommunalen Internetpräsenz).
23Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Mai 2015 – 15 A 86/14 –, juris = MMR 2015, 775; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. April 1994 – 1 S 1144/94 –, juris; VG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 04.04.2024 – 6 B 6/24 –, n. v. (Anlage ASt 31, dort Seite 2).
24Dennoch folgt aus der vorliegend zivilrechtlichen Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses keine Streitzuweisung des Antrags in den Zivilrechtsweg. Der vorliegende Antrag zielt nicht darauf, Normen des Zivilrechts oder einen Anspruch auf Eingehung eines bestimmten Vertragsverhältnisses mit bestimmten Vertragsinhalten, die der zivilrechtlichen Privatautonomie unterfallen, zur gerichtlichen Entscheidung zu stellen. Die Antragstellerin begehrt keine Regelung durch das Gericht im Hinblick auf die Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses im engeren Sinne, sondern im Kern eine gerichtliche Entscheidung darüber, ob die öffentlich-rechtliche Antragsgegnerin ihr Einwirken auf die Beigeladene für eine Zugangsgewährung zur Grugahalle von der im Ratsbeschluss genannten Bedingung abhängig machen darf. Der Rat der Antragsgegnerin hat mit dem ihm zur Verfügung stehenden Mittel des Ratsbeschlusses hoheitlich gehandelt. Die Rechtsfolge dieser hoheitlichen Handlung bindet die Antragsgegnerin bei der Einwirkung auf die Beigeladene über deren Gesellschafterversammlung. Dies ist im vorliegenden Fall durch die Umsetzung des Ratsbeschlusses offenkundig. Diese hoheitlich fundierte Zugangshürde kann im Verwaltungsrechtsweg zur gerichtlichen Überprüfung gestellt werden.
25IV. Gemäß § 123 Abs. 1 VwGO ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der geltend gemachte materielle Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit der einstweiligen Sicherung (Anordnungsgrund) sind von dem Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2, § 294 ZPO).
26Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch (1.) und einen Anordnungsgrund (2.) glaubhaft gemacht.
271. Ein Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn ein Erfolg in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist, das heißt, wenn der geltend gemachte materielle Anspruch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit besteht.
28OVG NRW, Beschlüsse vom 15. Februar 2024 – 15 B 144/24 –, juris Rn. 6, vom 22. März 2023 – 15 B 244/23 –, juris Rn. 4, vom 28. Juni 2018 – 15 B 875/18 –, juris Rn. 6, vom 24. August 2017 – 15 B 940/17 –, juris Rn. 7, vom 29. Juni 2017 – 15 B 200/17 –, juris Rn. 25, und vom 8. Mai 2017 – 15 B 417/17 –, juris Rn. 8.
29Am gebotenen Maßstab der summarischen Prüfung gemessen steht der Antragstellerin der geltend gemachte Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf Verschaffung des Zugangs im beantragten Umfang durch Einwirkung auf die Beigeladene mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu.
301.1. Die MESSE ESSEN, einschließlich der Grugahalle, ist eine kommunale öffentliche Einrichtung im Sinne des § 8 Abs. 1 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Juli 1994, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 5. März 2024 (GV. NRW. S. 136) – GO NRW –. Dies stellt weder die Antragsgegnerin in Abrede noch folgt anderes aus dem Gesetz.
31Nach § 8 Abs. 1 GO NRW schaffen die Gemeinden innerhalb der Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit die für die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Betreuung ihrer Einwohner erforderlichen öffentlichen Einrichtungen.
32Auf der Grundlage dieser Bestimmung werden von dem Begriff der öffentlichen Einrichtung solche Gegenstände oder eine Gesamtheit von Gegenständen erfasst, die von der Gemeinde für bestimmte öffentliche Zwecke durch ausdrückliche oder konkludente Widmung der bestimmungsgemäßen Nutzung durch die Einwohner bzw. einen in der Zweckbestimmung festgelegten Personenkreis zugänglich gemacht werden. Als Indizien für einen entsprechenden Widmungswillen sind u.a. der Zweck, zu dem die Einrichtung hergestellt wurde, die Absicht, die Einrichtung allen Einwohnern oder einem bestimmten Kreis von Gemeindemitgliedern zur Verfügung zu stellen, und die Zulassungspraxis zu berücksichtigen.
33OVG NRW, Beschluss vom 11. April 2019 – 15 B 581/19 –, UA S. 4, Urteil vom 27. Januar 2015 – 16 A 1494/14 –, juris Rn. 177 ff., m.w.N.
34Die Widmung der öffentlichen Einrichtung kann auch für einen über die Gemeindeeinwohner hinausgehenden Personenkreis erfolgen.
35Vgl. Lange, Kommunalrecht, 2. Aufl. 2019, Kapitel 13 Rn. 12.
36Wenn nach diesen Indizien ein Erklärungswille hinsichtlich der privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Natur der Einrichtung nicht feststellbar ist, hat die Rechtsprechung die Vermutungsregel entwickelt, dass für die Allgemeinheit nutzbare kommunale Einrichtungen „öffentliche” Einrichtungen sind. Diese Vermutung ist durch die Gemeinde nur widerlegbar, wenn sie den Nachweis führen kann, dass sich aus der eindeutigen Beschränkung der Bereitstellung ergibt, die Einrichtung solle als private Einrichtung betrieben werden.
37OVG NRW, Beschluss vom 11. April 2019 – 15 B 581/19 –, UA S. 5; Urteil vom 16. September 1975 – III A 1279/75 –, NJW 1976, 820, 821.
38Auch eine von einer juristischen Person des Privatrechts betriebene Einrichtung kann eine gemeindliche Einrichtung sein. Um eine solche Einrichtung handelt es sich jedenfalls dann, wenn sie tatsächlich zu den von der Gemeinde verfolgten öffentlichen Zwecken zur Verfügung steht und wenn die Gemeinde die öffentliche Zweckbindung der Einrichtung nötigenfalls gegenüber der privatrechtlichen Betriebsgesellschaft durchzusetzen imstande ist.
39OVG NRW, Beschluss vom 11. April 2019 – 15 B 581/19 –, UA S. 6; BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 1989 – 7 B 184.88 –, juris Rn. 6.
40In diesen Fällen wandelt sich der Benutzungsanspruch in einen Verschaffungs- bzw. Einwirkungsanspruch.
41Vgl. Lange, Kommunalrecht, 2. Aufl. 2019, Kapitel 13 Rn. 62.
42Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe stellt die von der Beigeladenen betriebene MESSE ESSEN eine öffentliche Einrichtung der Antragsgegnerin dar. Die MESSE ESSEN verfolgt nach den Angaben in ihrem Geschäftsbericht für das Jahr 2022 (Seite 18) den Zweck, Messen und Ausstellungen im Stadtgebiet Essen durchzuführen; kulturelle, sportliche und unterhaltende Veranstaltungen, Konzerte, Shows und Sportveranstaltungen in der Grugahalle durchzuführen und das von der Stadt Essen der Gesellschaft überlassene Gelände an der Norbertstraße in Essen, die aufstehenden Ausstellungshallen sowie die Grugahalle und sonstige Gebäude und Bauwerke für die vorgenannten Zwecke der Gesellschaft zu errichten, zu vermieten und zu verpachten; sowie alle gemeinwohlorientierten Tätigkeiten, die zur Verwirklichung ihrer satzungsmäßigen Aufgaben erforderlich sind, zu realisieren.
43Vgl. https://www.messe-essen.de/media/neue-medien/dreiklang/downloads/imagebroschueren/geschaeftsbericht/geschaeftsbericht-2022.pdf.
44Dies entspricht den Angaben der als Anlage 3 zur Antragsschrift vorgelegten Handelsregisterauszug vom 11. Juni 2024 über den Gegenstand des Unternehmens der Beigeladenen:
45„a) Die Durchführung von Messen und Ausstellungen;b) die Durchführung von Kongressen, Tagungen, Versammlungen und Kundgebungen sowie kulturellen sportlichen, unterhaltenden und sonstigen Veranstaltungen;c) die ganze oder teilweise Vermietung und Verpachtung des von der Stadt Essen der Gesellschaft überlassenen Geländes an der Norbertstraße in Essen, der aufstehenden Ausstellungshallen sowie der Grugahalle für die unter lit. a) und b) genannten Zwecke der Gesellschaft und zu anderen gewerblichen Zwecken;d) die Errichtung von Gebäuden und sonstigen Bauwerken für die vorgenannten Zwecke.[…]“.
46Diese weite Zweckbestimmung steht der Einordnung als öffentliche Einrichtung nicht entgegen. Weder hat die Antragsgegnerin dies vorgetragen noch ist dies sonst ersichtlich. Zudem kommt auch die Durchführung von Veranstaltungen mit überregionalem Einzugsbereich den Einwohnern der Stadt zugute.
47Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11. April 2019 – 15 B 581/19 –, UA S. 5, Urteil vom 16. September 1975 – III A 1279/75 –, NJW 1976, 820, 822.
48Die Antragsgegnerin verfügt über hinreichende rechtliche und tatsächliche Einwirkungsmöglichkeiten auf die Beigeladene. Diese ist gemäß § 13 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) eine rechtsfähige juristische Person des Privatrechts. Ihre Geschäftsanteile zu 20,022 Prozent stehen ausweislich des vorerwähnten Handelsregisterauszugs in ihrem eigenen Eigentum und zu 79,97259 Prozent im Eigentum der Antragsgegnerin, die damit einen beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft hat. Zwölf weitere Gesellschafter verfügen zusammen über 0,00541 Prozent der Geschäftsanteile. Der beherrschende Einfluss der Antragsgegnerin zeigt sich zudem in der Besetzung des Aufsichtsrats der Beigeladenen, den laut Seite 43 des Geschäftsberichts für das Jahr 2022 die entsandten Ratsmitglieder des Rates der Stadt Essen zahlenmäßig dominieren.
49https://www.messe-essen.de/media/neue-medien/dreiklang/downloads/imagebroschueren/geschaeftsbericht/geschaeftsbericht-2022.pdf
50Die Möglichkeiten der Antragsgegnerin, auf die Beigeladene tatsächlich einzuwirken, sind überdies im Verwaltungsvorgang über den gegebenen Zusammenhang dokumentiert und gerade Anlass des vorliegenden Streitverfahrens.
511.2. Ihren Anspruch auf Zugang zu dieser öffentlichen Einrichtung kann die Antragstellerin als Bundesverband einer Partei (§§ 2 und 3 Satz 1 des Parteiengesetzes – PartG –) mit Sitz in Berlin zwar nicht auf § 8 Abs. 2 bis 4 GO NRW stützen, weil sie weder Einwohnerin der Antragsgegnerin ist noch in deren Gemeindegebiet ihren Sitz hat.
52Ihr Anspruch folgt jedoch aus dem Gleichbehandlungsanspruch aus § 5 Abs. 1 Satz 1 PartG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 und 3 Satz 1 sowie Art. 21 GG.
53Stellt eine Kommune diese im Rahmen der jeweiligen Widmung für die Durchführung von Veranstaltungen politischer Parteien zur Verfügung, entsteht dadurch auch jenseits der einfachgesetzlichen Bestimmungen des § 8 Abs. 2 und 4 GO NRW ein Gleichbehandlungsanspruch aus § 5 Abs. 1 Satz 1 PartG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 und 3 Satz 1 sowie Art. 21 GG. Das Recht auf Chancengleichheit einer Partei ist danach verletzt, wenn ein Träger öffentlicher Gewalt die Nutzung einer öffentlichen Einrichtung einer Partei verweigert, obwohl er sie anderen Parteien einräumt oder eingeräumt hat. Die Entscheidungsfreiheit der Kommune, in welchem Umfang sie Zugang zu ihrer Einrichtung gewährt, ist ausgehend davon begrenzt. Die jeweilige Vergabepraxis und -entscheidung muss durch sachliche Gründe gerechtfertigt sein.
54Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 15. Februar 2024 – 15 B 144/24 –, Rn. 9 f., vom 9. September 2021 – 15 B 1468/21 –, NWVBl 2022, 65 (66), juris Rn. 8 ff., vom 12. Mai 2021 – 15 B 605/21 –, juris Rn. 11, und vom 28. Juni 2018 – 15 B 875/18 –, juris Rn 13; SächsOVG, Beschluss vom 16. Mai 2012 – 4 B 140/12 –, juris Rn. 9; NdsOVG, Beschluss vom 14. April 2011 – 10 ME 47/11 –, juris Rn. 30.
55Dies zugrunde gelegt, steht der Antragstellerin der geltend gemachte Zulassungsanspruch dem Grunde nach zu. Die geplante Veranstaltung der Antragstellerin „15. Bundesparteitag“ ist von dem (konkludenten) Widmungszweck der Grugahalle als Teil der MESSE ESSEN umfasst (dazu unter 1.2.1.) und es besteht auch sonst kein sachlicher Grund für eine Versagung der begehrten Nutzung (dazu unter 1.2.2.).
561.2.1. An den Widmungsakt sind keine förmlichen Anforderungen zu stellen. Die Widmung kann demgemäß nicht nur durch Satzung oder Beschluss des Gemeinderats ausgesprochen werden, sondern sich auch aus einer Vergabepraxis ergeben.
57Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. Februar 2024 – 15 B 144/24 –, juris Rn. 12.
58So liegt der Fall hier. Die bisherige konkludente Widmung aufgrund der vergangenen Vergabepraxis umfasst auch Bundesparteitage politischer Parteien. Dies belegen die Umstände, dass die Antragstellerin am 4. und 5. Juli 2015 ihren außerordentlichen (4.) Bundesparteitag in der Grugahalle veranstaltet hat und die Beigeladene auf Ihrer eigenen Internetpräsenz für Bundesparteitage in der Grugahalle wirbt:
59„GRUGAHALLE - Alles ist möglich.
60Seit 60 Jahren ist die Grugahalle ein Garant für Spitzen-Entertainment: Besucher können sich auf eine große Bandbreite von musikalischen Stilen freuen, Comedy-Größen erleben und immer wieder neue Veranstaltungsformate kennenlernen. Alles ist möglich.
61Als Mittelpunkt in der Kulturlandschaft Rhein-Ruhr präsentiert die Grugahalle Jazz-, Pop- und Rockgrößen aus aller Welt. Sie ist Showbühne und Konzertsaal für Stars und Orchester, Sportkulisse für Tennis, Handball, Turnen, Boxen und Fußball. Sie ist Zirkusmanege und Eispalast. Ob Bundesparteitage, Kirchentage, Hauptversammlungen oder Gewerkschaftstage, unter dem denkmalgeschützten Dach des Schmetterlings findet alles Platz. (ohne Hervorhebungen im Original)“Vgl. https://www.grugahalle.de/mehrzweckhalle/
62Mit der Vergabe der Grugahalle an die Antragstellerin in der Vergangenheit hat sie bereits eine entsprechende Vergabepraxis/konkludente Widmung der Grugahalle begründet.
63Die streitgegenständliche Veranstaltung „15. Bundesparteitag“ der Antragstellerin bewegt sich innerhalb des bisherigen Nutzungszwecks der Grugahalle. Durch ihre Vergabepraxis hat die Antragsgegnerin eine konkludente Widmung dieser Einrichtung vorgenommen, von der sie nicht ohne sachlichen Grund zu Ungunsten der Antragstellerin abweichen darf. Gegenwärtig hat sie die Widmung nicht allgemein eingeschränkt. Deshalb kommt es auf die insoweit in der Antragserwiderung auf Seite 15 erwähnte geplante Satzungsänderung/-erstellung nicht weiter an.
641.2.2. Erfolgt die beabsichtigte Nutzung durch den Antragsteller danach im Rahmen der Widmung, bestehen auch sonst keine sachlichen Gründe für die Versagung des Nutzungsanspruchs.
65a. Eine Grenze für die zulässige Nutzung im Rahmen des geltenden Rechts ist dort zu ziehen, wo durch die Nutzung etwa die Gefahr der Begehung strafbarer Handlungen (z.B. §§ 86 und 86a, §§ 130, 185 des Strafgesetzbuchs) besteht.
66Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Januar 2022 – 8 C 35.20 –, BVerwGE 174, 367-374, juris Rn. 21; BayVGH, Urteil vom 17. November 2020 – 4 B 19.1358 –, juris Rn. 55; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 8. März 2023 – 15 L 230/23 –, juris Rn. 63.
67Hierzu lässt sich sowohl unter Berücksichtigung der Antragserwiderung vom 13. Juni 2024 als auch der im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes möglichen Amtsermittlung (§ 86 Abs. 1 VwGO) des Gerichts im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keine hinreichend gefestigte Gefahrenprognose treffen, die den verfassungsrechtlich (Art. 21, Art. 3 Abs. 1 GG, § 5 Abs. 1 PartG) fundierten Anspruch der Antragstellerin auszuschließen geeignet wäre.
68An den Wahrscheinlichkeitsgrad für die Gefahr der Begehung strafbarer Handlungen durch Äußerungsdelikte auf einer politischen Veranstaltung einer politischen Partei, deren Verfassungswidrigkeit das Bundesverfassungsgericht nicht festgestellt hat (Art. 21 Abs. 4 GG), sind im Rahmen der Gefahrenprognose strenge Anforderungen zu stellen. Denn eine darauf gestützte Versagung des Zugangs zu einer öffentlichen Einrichtung greift in den verfassungsrechtlich garantierten Anspruch aus Art. 21, Art. 3 Abs. 1 GG auf Chancengleichheit politischer Parteien ein. Erforderlich ist daher eine hohe Wahrscheinlichkeit von Rechtsverletzungen.
69Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 PartG sollen alle Parteien gleichbehandelt werden. Auch wenn die Vorschrift ihrem Wortlaut nach als Sollvorschrift ausgestaltet ist, normiert sie vor dem Hintergrund der in Art. 21 GG verfassungsrechtlich verbürgten und streng zu verstehenden parteienrechtlichen Gleichbehandlung eine strikte Verpflichtung der Träger öffentlicher Gewalt zur Gleichbehandlung von Parteien.
70Vgl. OVG NRW, Urteil vom 14. Dezember 2009 – 16 A 1821/07 –, juris Rn. 34 ff.; SächsOVG, Urteil vom 19. August 2014 – 4 A 810/13 –, juris Rn. 28; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 19. April 2024 – 15 K 4314/23 –, zur Veröffentlichung bei www.nrwe.de vorgesehen.
71Eine Ungleichbehandlung im Vergleich zu anderen Parteien verlangt damit bereits wegen der damit verbundenen Ungleichbehandlung von Personengruppen eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung,
72vgl. BVerfG, Urteile vom 2. März 1999 – 1 BvL 2/91 –, BVerfGE 99, 367 <388f.>, vom 17. Dezember 2014 – 1 BvL 21/12 –, BVerfGE 138, 136 Rn. 121 f., und vom 26. Mai 2020 – 1 BvL 5/18 –, BVerfGE 153, 358 Rn. 94 f., Beschlüsse vom 7. Mai 2013 – 2 BvR 909, 1981/06, 288/07 –, BVerfGE 133, 377 Rn. 75 m.w.N., vom 19. Juni 2012 – 2 BvR 1397/09 –, BVerfGE 131, 239 <256>, vom 12. Oktober 2010 – 1 BvL 14/09 –, BVerfGE 127, 263 <280> und vom 7. Juli 2009 – 1 BvR 1164/07 –, BVerfGE 124, 199 <219f.>, jeweils m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2022 –, 8 CN 1.21 –, juris Rn. 21., zur verfassungsrechtlich regelmäßig gebotenen strengen Bindung an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei der Ungleichbehandlung von Personengruppen; vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 19. April 2024 – 15 K 4314/23 –, zur Veröffentlichung bei www.nrwe.de vorgesehen,
73aus der die strengen Anforderungen an den Wahrscheinlichkeitsgrad für die Gefahr der Begehung strafbarer Handlungen durch Äußerungsdelikte auf einer politischen Veranstaltung einer politischen Partei folgen.
74Die hiervon abweichende Auffassung der Antragsgegnerin auf Seite 7 der Antragserwiderung, erforderlich sei (lediglich) eine sog. „hinreichende Wahrscheinlichkeit“ von Rechtsverletzungen, unter Hinweis auf die Rechtsprechung der Kammer,
75VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 8. März 2023 – 15 L 230/23 –, juris,
76die das Zugangsbegehren einer juristischen Person des Privatrechts behandelt hat, setzt sich nicht mit den vorstehend dargelegten erhöhten Anforderungen des Art. 21, 3 Abs. 1 GG i.V.m. § 5 Abs. 1 PartG auseinander, denen hoheitliches Handeln gegenüber politischen Parteien genügen muss.
77Die dem Ratsbeschluss der Antragsgegnerin zugrundeliegende Stellungnahme ist hierfür untauglich, was der Oberbürgermeister ausweislich des Verwaltungsvorgangs der Sache nach erkannt hatte. Der Stellungnahme fehlt als wissenschaftliche Ausarbeitung im Sinne einer (parteilichen) gutachterlichen Stellungnahme (von der Antragserwiderung als „Untersuchung“ bzw. „fachliche Beurteilung“ bezeichnet) grundlegend die Darstellung angewandter wissenschaftlicher Methoden und deren Abarbeitung für eine empirische Ergebnisfindung. Der Ausarbeitung fehlt bei genauer Betrachtung jeder empirische Gehalt. Der Verfasser schließt von mündlichen oder schriftlichen Äußerungen einzelner Personen auf die von ihm angenommene Wahrscheinlichkeit, diese Äußerung – letztlich betrachtet er nur eine Äußerung (die ab Seite 8 erwähnte Parole der SA) – würde auf der streitgegenständlichen Veranstaltung getroffen. Die Annahme kann zutreffen, sie muss es aber nicht. Das ist nicht wissenschaftlich, jedenfalls belegt sie keine tatsachenbasierte Prognose, die geeignet ist, aufgrund stichhaltiger Anhaltspunkte eine hinreichend gefestigte Gefahrenprognose zu treffen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit die Äußerung strafbaren Inhalts erwarten lässt.
78Insoweit obliegt, anders als die Antragserwiderung behauptet, die Darlegungs- und Beweislast im gegebenen Maßstab (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, 294 ZPO) der Antragsgegnerin, die unter Berufung auf ihre Gefahrenprognose der Antragstellerin den Zugang zu der öffentlichen Einrichtung verweigert. Der Antragsgegnerin obliegt, ihr – die Antragstellerin belastendes – Handeln insoweit zu rechtfertigen.
79Letztlich lässt sich eine solche Gefahrenprognose am strengen Maßstab einer hohen Wahrscheinlichkeit nicht treffen, ohne die Äußerungen zu kennen. Hierfür bedürfte es Kenntnis vorab von den Redebeiträgen, die im Hinblick auf einen Bundesparteitag gerichtsbekannt nicht zu erlangen ist, denn selbst „gesetzte Redner“ weichen mitunter von vorbereiteten Manuskripten ab und äußern sich anders als zuvor geplant. Für spontane Wortmeldungen und Redebeiträge lässt sich vorab wie bei freien Reden keine Bewertung des Inhalts vornehmen.
80An diesem Maßstab gemessen, kann die Gefahr eines strafbaren Verlaufs der streitbefangenen Veranstaltung jedenfalls im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht als hochwahrscheinlich bezeichnet werden. Zwar sieht das Gericht, dass jedes Thema in seinem Verlauf oder auch durch spontane Äußerungen in den strafbaren Bereich führen kann, dies bliebe dann einer strafrechtlichen Aufarbeitung vorbehalten. Eine „hohe Wahrscheinlichkeit“ strafbarer Äußerungen lässt sich damit vor der Veranstaltung nicht feststellen.
81Die in der Antragserwiderung aufgelisteten Äußerungen von den Mitgliedern der Antragstellerin und ihren Anhängern trägt kein anderes Ergebnis. Vorliegend ist der 15. Bundesparteitag der Antragstellerin entscheidend. Soweit bekannt, nehmen daran Parteimitglieder als Delegierte teil.
82Der Bundesparteitag besteht aus 600 von den Landesverbänden entsandten Delegierten und zusätzlich denjenigen Mitgliedern des Bundesvorstands, die nicht gewählte Delegierte sind (§ 11 Abs. 3 Satz 1 der Bundessatzung Alternative für Deutschland vom 29. November 2015, zuletzt geändert am 28. Juli 2023 (https://www.afd.de/satzung/). Anhänger, die keine Mitglieder sind, sowie Mitglieder, die nicht Delegierte sind, können sich dort nicht äußern.
83Von denen in der Antragserwiderung genannten Personen, die die vorbenannte SA-Parole geäußert haben sollen, sind nach Vortrag der Antragstellerin die Herren H., S. und Q. gegenwärtig keine Mitglieder der Antragstellerin. Die Antragsgegnerin ist dem nicht entgegengetreten. Eine strafbare Äußerung auf einem der, mit der streitgegenständlichen Veranstaltung hinsichtlich Konzept und Rahmen vergleichbaren, 14 vergangenen Bundesparteitage der Antragstellerin hat die Antragsgegnerin nicht glaubhaft gemacht.
84Die auf den Seiten 11 und 12 der Antragserwiderung vom 13. Juni 2024 abgedruckten Äußerungen von Mitgliedern des Bundesvorstands der Antragstellerin anlässlich des Urteils des Landgerichts Halle vom 14. Mai 2024 sind als überzogene und bisweilen unsachliche Urteilskritik in einem Rechtstaat grundsätzlich hinzunehmen. Ob einzelne von der Antragsgegnerin wiedergegebene Aussagen des Verurteilten („Saubande“, „…Attentat…“, „…Eliminierung des politischen Gegners…“) für sich betrachtet strafbaren Inhalts sind, bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Der Kontext der Äußerungen im Nachgang der Verurteilung lässt nicht ohne Weiteres den Rückschluss zu, auf dem andere Aufgaben wahrnehmenden streitgegenständlichen Bundesparteitag der Antragstellerin komme es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu strafbaren Äußerungen.
85Nach alledem lässt sich im maßgeblichen gegenwärtigen Zeitpunkt keine hohe Wahrscheinlichkeit strafbarer Äußerungen auf der streitgegenständlichen Veranstaltung gerichtlich feststellen.
86Dies gilt umso mehr, als nach dem Bundesverfassungsgericht für die Beurteilung von Äußerungen auf deren konkreten Inhalt im konkreten Kontext abzustellen ist. Auf die parteiliche Programmatik, die möglicherweise den Hintergrund einer Äußerung bildet, kommt es nicht an. Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht etwa im Hinblick auf antisemitische Äußerungsinhalte ausgeführt:
87„Dabei gebieten die besonderen Erfahrungen der deutschen Geschichte, insbesondere die damals durch zielgerichtete und systematische Hetze und Boykottaufrufe eingeleitete und begleitete Entrechtung und systematische Ermordung der jüdischen Bevölkerung Deutschlands und Europas, eine gesteigerte Sensibilität im Umgang mit der abwertenden Bezeichnung eines anderen als "Juden", zumal wenn sie durch weitere pejorative Zusätze ergänzt wird. Insoweit wird in der Regel zu prüfen sein, ob hierin eine die Friedlichkeitsgrenze überschreitende Aggression liegt. Je nach Begleitumständen im Einzelfall, insbesondere wenn die sich äußernde Person ersichtlich auf eine Stimmungsmache gegen die jüdische Bevölkerung zielt, sich in der Äußerung mit der nationalsozialistischen Rassenideologie identifiziert oder die Äußerungen sonst damit in direktem Zusammenhang stehen, kann darin eine menschenverachtende Art der hetzerischen Stigmatisierung von Juden und damit implizit verbunden auch eine Aufforderung an andere liegen, sie zu diskriminieren und zu schikanieren. Maßgeblich für die Beurteilung einer Äußerung bleibt allerdings diese selbst und ihr unmittelbarer Kontext, nicht die innere Haltung oder die parteiliche Programmatik, die möglicherweise den Hintergrund einer Äußerung bilden“,
88BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 7. Juli 2020 – 1 BvR 479/20 –, juris Rn. 15.
89Anhand dieses verfassungsgerichtlichen Maßstabs kann ohne Kenntnis konkreter Äußerungen und ihres unmittelbaren Kontextes im Vorfeld der Veranstaltung anhand der vorgebrachten Tatsachen strafbares Verhalten nicht geprüft werden.
90b. Eine andere Bewertung des Einwirkungsanspruchs der Antragstellerin ergibt sich auch nicht aus der gerichtsbekannten Presseberichterstattung über für den 29. und 30. Juni 2024 zu erwartende Gegendemonstrationen. Die Befürchtung, dass es anlässlich der geplanten Veranstaltung zu Demonstrationen kommen wird, rechtfertigt grundsätzlich nicht die Versagung der Zulassung zu der öffentlichen Einrichtung. Es ist Aufgabe der (Polizei- und Ordnungs-) Behörden, Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren und eingetretene Störungen zu beseitigen. Die mit der Veranstaltung möglicherweise verbundenen Risiken liegen im Bereich dessen, was in einer auf Demokratie und Meinungsfreiheit beruhenden Rechtsordnung als Begleiterscheinung öffentlicher politischer Auseinandersetzungen prinzipiell in Kauf genommen werden muss. Für Veranstaltungen einer Partei gilt dies, solange diese nicht gemäß Art. 21 Abs. 2 GG vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden ist. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn Tatsachen vorlägen, die die Befürchtung rechtfertigten, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit polizeilichen Mitteln nicht aufrechterhalten werden könnte, also im Fall eines so genannten polizeilichen Notstands.
91Vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 28. Juni 2018 – 15 B 875/18 –, juris Rn. 24 f. m.w.N., und vom 15. Februar 2024 – 15 B 144/24 –, juris Rn. 20 f.
92Hierfür fehlt es an jedweden konkreten Anhaltspunkten. Der anderweitigen Auffassung der Antragsgegnerin ist entgegenzuhalten, dass allgemeinbekannt aus der tagesaktuellen Tages- und Regionalpresse, zahlreiche Demonstrationsveranstalter angekündigt haben, unabhängig von einem stattfindenden Bundesparteitag der Antragstellerin ihre Versammlungen stattfinden lassen zu wollen. Etwaige Gewaltaufrufe in nicht beherrschbarem Umfang hat die Antragsgegnerin nicht glaubhaft gemacht.
932. Die Antragstellerin hat auch einen die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigenden Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO). Mit ihrem Antrag begehrt sie keine vorläufige Maßnahme, sondern eine endgültige Vorwegnahme der in einem künftigen Hauptsacheverfahren zu erstrebenden Entscheidung. Wird der Antragsgegnerin antragsgemäß im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, auf die Beigeladene einzuwirken, der Antragstellerin die Durchführung des 15. Bundesparteitages in der Grugahalle zu ermöglichen, würde sich eine noch anhängig zu machende Hauptsache bereits erledigen.
94Solchen, die Hauptsache vorweg nehmenden Anträgen ist im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO nur ausnahmsweise dann stattzugeben, wenn das Abwarten in der Hauptsache für den Antragsteller schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte. Dabei ist dem jeweils betroffenen Grundrecht und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen.
95Vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. November 2013 – 6 VR 3.13 –, juris Rn. 5, m.w.N.; OVG NRW, Beschlüsse vom 15. Februar 2024 – 15 B 144/24 –, juris Rn. 28, vom 9. September 2021 – 15 B 1468/21 –, NWVBl 2022, 65, juris Rn. 5, vom 28. Juni 2018 – 15 B 875/18 –, juris Rn. 29, und vom 8. Mai 2017 – 15 B 417/17 –, juris Rn. 8.
96Die Sache ist eilbedürftig. Vor dem Beginn der für den 29. und 30. Juni 2024 geplanten Veranstaltung kann die Antragstellerin Rechtsschutz in einer Hauptsache nicht erlangen. Dieser käme zu spät, um den zur Entscheidung gestellten Zulassungsanspruch zu regeln oder zu sichern. Bei der Beurteilung des Anordnungsgrunds ist zudem zu berücksichtigen, dass der Antragstellerin zuvor bereits der Zugang für die geplante Veranstaltung gewährt war, sie auf dieser Grundlage mit der Beigeladenen den Veranstaltungsvertrag vom 20. Januar 2023 geschlossen und die damit im Zusammenhang stehenden Dispositionen getroffen hat.
97Soweit der Antragsgegnerin für die Termingestaltung grundsätzlich ein Organisationsermessen bei der Vergabe ihrer öffentlichen Einrichtungen auf der Grundlage einer sachgerechten, einzelfallbezogenen Abwägung zusteht,
98OVG NRW, Beschlüsse vom 15. Februar 2024 – 15 B 144/24 –, juris Rn. 32, und vom 28. Juni 2018 – 15 B 875/18 –, juris Rn. 34,
99hat sie dieses bereits im Zusammenhang mit der vorerwähnten zuvor erfolgten Zugangsgewährung ausgeübt.
100Der Antragsgegnerin war ausreichend rechtliches Gehör gewährt. Dem eingangs der Antragserwiderung geäußerten Hilfsantrag, „uns zu weiterem Vortrag in angemessener Frist Gelegenheit zu geben“, war nicht nachzugehen, weil er der eigenen Ankündigung der Antragsgegnerin nachgeschaltet war, „Wir behalten uns deshalb vor, ergänzend vorzutragen.“. Die von ihr als zu kurz befundene vom Nachmittag/Abend des 11. Juni 2024 nach Eingang des Eilantrags bis zum 13. Juni 2024, 13.00 Uhr, gesetzte Stellungnahmefrist war mit etwa eineinhalb Arbeitstagen bemessen. Einer anwaltlich vertretenen Hoheitsträgerin, zumal von einer Kanzlei der hier in Rede stehenden Größe (rd. 400 Anwälte und Steuerberater), ist in einem – in der Tagespresse angekündigten – Eilverfahren, wie hier, zumutbar, erhöhte Arbeitskraft zum verfahrensbezogenen Vortrag einzusetzen. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Prozessbevollmächtigten ausweislich des Verwaltungsvorgangs der Antragsgegnerin (682 Seiten) bereits vorgerichtlich intensiv in die Bearbeitung der Angelegenheit eingebunden waren, einschließlich der Vorbereitung der Ratsbeschlussvorlage. Überdies und unabhängig davon hat sie nicht vorgetragen, zu welchen streitentscheidenden Punkten sie ergänzenden Vortrag, über die 21-seitige Antragserwiderung hinaus, zur Gewährung rechtlichen Gehörs für geboten erachtet.
101V. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 2, 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Kosten für den zurückgenommenen Antrag zu 1. fallen der Antragstellerin zur Last. Die Antragsgegnerin hat die Kosten im Umfang ihres Unterliegens zu tragen. Das Gericht wertet die Anteile mit jeweils 1/2. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen hat diese selbst zu tragen (§ 162 Abs. 3 VwGO). Sie sind nicht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse aufzuerlegen. Die Beigeladene hat sich mangels Sachantragstellung keinem Kostenrisiko ausgesetzt.
102VI. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 39, § 40, § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 des Gerichtskostengesetzes i.V.m. Ziff. 22.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31. Mai/1. Juni 2012 und am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen. Zwar hat die Antragstellerin den Wert ihres wirtschaftlichen Interesses mit 100.000 Euro angegeben und den Preis der Zurverfügungstellung der Räumlichkeiten i.H.v. 64.732,50 Euro durch Vorlage des Veranstaltungsvertrages glaubhaft gemacht. Allerdings kann die Kammer darauf keine Streitwertfestsetzung stützen, weil keine Angaben zu den Kosten für die Umplanung, für die Neuanmietung, zu Ausfallkosten vorliegen, die im Fall eines Unterliegens das wirtschaftliche Interesse bilden und damit den Wert des Streits für die Antragstellerin. Die Antragsbegründung verhält sich dazu nicht und die Antragstellerin hat nach Festsetzung des vorläufigen Streitwerts durch Beschluss vom 11. Juni 2024 auf 5.000 Euro im Hinblick auf die endgültige Festsetzung nicht ergänzend vorgetragen.
103Rechtsmittelbelehrung:
104Der Beschluss zu 1. ist unanfechtbar (analog § 92 Abs. 3 Satz 2 VwGO).
105Gegen den Beschluss zu 2. steht den Beteiligten die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster zu.
106Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Beschlusses schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, einzulegen. Sie ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
107Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
108Im Beschwerdeverfahren gegen den Beschluss zu 2. muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO.
109Gegen den Beschluss zu 3. findet innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
110Die Beschwerde ist schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, einzulegen. Über sie entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, falls das beschließende Gericht ihr nicht abhilft.
111Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.