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Es ist die klare Intention des Gesetzgebers, die Zuständigkeit für die Abschiebungs-androhung im Asylverfahren beim Bundesamt zu bündeln.
Grundsätzlich ist die Bestimmung des Zielstaats einer Abschiebungsandrohung zwar nicht von der Staatsangehörigkeit des Betroffenen abhängig, denn er kann auch in einen Staat abgeschoben werden, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist (§§34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG).
Eine im Wesentlichen unsubstantiierte und auf bloßen Vermutungen beruhende Zielstaatsbestimmung stellt sich jedenfalls dann als willkürlich dar, wenn tatsachengestützte Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die abzuschiebende Person über eine andere Staatsangehörigkeit als die des Zielstaates verfügt. In diesem Fall obliegt es dem Bundesamt vor Erlass der Abschiebungsandrohung zu klären, ob der in der Abschiebungsandrohung benannte Zielstaat überhaupt verpflichtet wäre oder dazu bereit ist, die betroffene Person aufzunehmen.
Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers (14a K 3144/24.A) gegen die im Bescheid der Antragsgegnerin vom 2. Juli 2024 enthaltene Abschiebungsandrohung wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Gründe:
2I.
3Der am 00. August 0000 in New York, Vereinigte Staaten von Amerika, geborene Antragsteller verfügt über eine durch Vorlage eines gültigen Passes bei der Asylantragstellung nachgewiesene US-amerikanische Staatsangehörigkeit.
4Er ist der Sohn der am 00. Januar 0000 in Abu Dhabi, Vereinigte Arabische Emirate (VAE) geborenen Frau L., Klägerin zu 1. in dem beim erkennenden Gericht anhängigen Verfahren 14a K 703/24.A. Die Mutter des Antragstellers ist ursprünglich syrische Staatsangehörige und erwarb im August 2020 durch Einbürgerung die türkische Staatsangehörigkeit.
5Der am 00. Dezember 0000 ebenfalls in Abu Dhabi, VAE, geborene Bruder des Antragstellers, S., Kläger zu 2. in dem o.g. Klageverfahren, wies bei der Antragstellung durch Vorlage eines gültigen Passes eine syrische Staatsangehörigkeit nach.
6Die am 00. Februar 0000 in Sehitkamil, Provinz Gaziantep, Türkei, geborene Schwester des Klägers, W., Klägerin zu 3. im o.g. Klageverfahren, ist ausweislich des vorgelegten Passes türkische Staatsangehörige.
7Der Antragsteller lebte seit Oktober 2016 zusammen mit seiner Mutter, ihrem Ehemann und den Geschwistern in der Türkei. Der Ehemann der Mutter des Antragstellers arbeitet derzeit für eine amerikanische Hilfsorganisation in Afghanistan. Nach dem Erdbeben in der Südosttürkei am 6. Februar 2023 lebte die Mutter des Antragstellers mit den drei Kindern nach ihren Angaben bis zu ihrer Ausreise aus der Türkei in Istanbul und Ankara in AirBnB-Wohnungen.
8Der Antragsteller reiste zusammen mit seiner Mutter und seinen Geschwistern am 30. März 2023 mit einem Direktflug von Istanbul nach Düsseldorf aus der Türkei aus und in die Bundesrepublik Deutschland ein. Seine Mutter und seine Geschwister verfügten dabei über durch das deutsche Generalkonsulat in Istanbul ausgestellte Besuchs /Geschäftsvisa, die von März bis April 2024 gültig waren und nach der Einreise in Deutschland durch die Stadt B. aufgrund der Regelungen für Bewohner des Erdbebengebiets bis zum 10. Juli 2023 verlängert wurden.
9Der Antragsteller stellte zusammen mit seiner Mutter sowie seinen Geschwistern stellten am 18. Juli 2023 einen Asylantrag.
10Das Asylverfahren des Antragstellers wurde durch Verfügung vom 7. August 2023 von dem verfahren seiner Mutter und Geschwister abgetrennt.
11Bei ihren Anhörungen am 7. und 15. August 2023 erklärte die Mutter des Antragstellers im Wesentlichen, ausschlaggebend für die Ausreise aus der Türkei sei gewesen, dass es dort keine Sicherheit gebe. Sie schilderte zwei Übergriffe auf ihre Person durch jeweils unbekannte Männer. Auf Nachfrage gab sie an, bei den Angriffen habe es sich um absolute Zufälle gehandelt.
12Sie glaube, das fehlende Sicherheitsgefühl beruhe darauf, dass sie Ausländerin sei. In Syrien habe sie nie gelebt. Sie habe die Türkei gewählt als sie die Emirate verlassen habe, weil die Türkei in der Nähe ihrer Heimat sei. Dort habe sie auf die Entwicklungen in Syrien gewartet.
13Nach dem Erdbeben habe sie ihren Wohnsitz verlassen müssen. Sie habe eine Schwester in B., die ihr eine Einladung für Opfer des Erdbebens geschickt habe. Damit habe sie das Visum für Deutschland beantragt und bekommen.
14Sie habe auch schon vor den Angriffen auf ihre Person in der Türkei überlegt in Deutschland einen Asylantrag zu stellen und dort zu bleiben. Sie habe auch früher schon die Türkei verlassen und sei auch schon in Deutschland gewesen. Sie habe schon immer die Türkei verlassen wollen, aber dieses Visum sei die erste Gelegenheit gewesen, mit den Kindern ausreisen zu können. Ausschlaggebender Grund für die Ausreise sei das Erdbeben gewesen, es sei ihr entgegengekommen.
15Zunächst sei es ihr nur darum gegangen aus der Türkei wegzugehen, um die Angst zu überwinden, dass noch ein Nachbeben kommen könnte. Aber dann habe sie erkannt, dass es schwierig sein würde wieder in die Türkei zurückzukehren, zumal ein Sohn nur die syrische Staatsangehörigkeit habe. Weder in Syrien noch in der Türkei habe sie Verwandte.
16Eine Rückkehr in die Vereinigten Arabischen Emirate sei wegen ihrer zwei Kinder aus erster Ehe schwierig. Ihr Ehemann habe damals Probleme gemacht und sie hätte ihre älteren Kinder, Z. und den Antragsteller im vorliegenden Verfahren, verlieren können. Sie habe seit 2015 keinen Kontakt mehr mit ihrem ersten Mann. Sie hätten sich 2016 in den Vereinigten Arabischen Emiraten scheiden lassen.
17Bei einer Rückkehr in die Türkei habe sie immer das Gefühl der Unsicherheit. Wenn sie in die Türkei zurückgehen müssten, würden sie sich eine Wohnung mieten. Das hätten sie früher auch so gemacht. Nach dem Erdbeben habe sie Schwierigkeiten gehabt, eine AirBnB Wohnung anzumieten und es habe in Istanbul auch nur deswegen geklappt, weil der Vermieter Araber gewesen sei.
18Eine Rückkehr nach Syrien sei unmöglich, da ihre halbe Familie dort gesucht werde. Das sei seit 1978 so. 2004 oder 2005 sei sie bei der Einreise von den Sicherheitsbehörden angehalten worden sich jedes Mal anzumelden, wenn sie nach Syrien komme. Danach sei sie nicht mehr zu Besuch dort gewesen. Sie sei zuletzt 2011 nach Syrien zur Beerdigung ihres Vaters gereist. In Syrien sei sie selbst politisch nicht aktiv gewesen.
19Aufgrund der amerikanischen Staatsangehörigkeit des Antragstellers habe sie mit dem amerikanischen Konsulat gesprochen. Sie hätten ihr dort aber gesagt, es wäre schwierig, wenn sie sich in den USA niederlassen wollten.
20Eigene Gründe für den Antragsteller dieses Verfahrens machte sie nicht geltend.
21Mit Bescheid vom 1. Februar 2024 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) den Antrag der Mutter und der Geschwister des Antragstellers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und den Asylantrag sowie den Antrag auf subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ‑ AufenthG - nicht vorliegen. Es drohte die Abschiebung in die Türkei an und stellte fest, dass die Abschiebung nach Syrien nicht zulässig sei. Wegen der weiteren Einzelheiten des Bescheides und seiner Begründung wird auf diesen Bezug genommen.
22Auf den Antrag der Mutter des Antragstellers hat das erkennende Gericht mit Beschluss vom 3. April 2024 die aufschiebende Wirkung der gegen diesen Bescheid gerichteten Klage ‑ 14a K 703/24 ‑ gegen die in dem Bescheid enthaltene Abschiebungsandrohung angeordnet, weil ernstliche Zweifel an deren Rechtmäßigkeit bestanden. Diese begründeten sich - trotz der nicht zu beanstandenden Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet -weil bei der erforderlichen Entscheidung über das Vorliegen inländischer Abschiebungshindernisse nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG, nicht berücksichtigt wurde, dass über den (abgetrennten) Asylantrag des Antragstellers dieses Verfahrens. noch nicht entschieden wurde. Im Übrigen bestanden erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit er Abschiebungsandrohung, weil der Bruder des Klägers nach dem zum Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblichen Sachstand allein über die syrische Staatsangehörigkeit verfügte und weder aus dem Bescheid noch aus dem Verwaltungsvorgang ersichtlich war, ob die Voraussetzungen der §§ 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG vorliegen und es sich bei der Türkei um einen Staat handelt, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist.
23Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die den Beteiligten bekannte Begründung des Beschlusses Bezug genommen.
24In dem Verfahren des Antragstellers wurde am 2. Juli 2024 durch den Einzelentscheider folgender Vermerk aufgenommen:
25„Im Anhörungsprotokoll der Mutter des Antragstellers wurde vorgetragen, dass die Familie im Jahr 2020 die türkische Staatsangehörigkeit erworben hat. Die Geschwister sowie Mutter des Antragstellers wurden als türkische Staatsangehörige bearbeitet. Siehe Referenzakte. Aus diesem Grund ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass auch der Antragsteller neben der amerikanischen auch die türkische Staatsangehörigkeit besitzt. So muss die Akte auf das HKL Türkei, 163, umgeschlüsselt werden.“
26Mit Bescheid vom 2. Juli 2024 wurde der Asylantrag des Antragstellers als offensichtlich unbegründet abgelehnt, er wurde zur Ausreise aufgefordert und ihm wurde die Abschiebung in die Türkei angedroht.
27In der Begründung wird festgestellt, dass der Antragsteller nicht nach Syrien abgeschoben werden darf. Hinsichtlich Abschiebungsverboten für die Türkei wird ausgeführt, dass der Antragsteller nicht auf sich alleine gestellt sei und aufgrund seines Alters eine ständige Betreuung benötige. Bei einer gemeinsamen Rückkehr der Familie sei die Betreuung jedoch gewährleistet. Es lägen keine überwiegend schutzwürdigen kindlichen Belange vor, die einer künftigen Abschiebung des Antragstellers entgegenstehen könnten. Entsprechendes sei nicht vorgetragen worden und es existierten auch keine Anhaltspunkte.
28Wegen der weiteren Begründung wird auf den Bescheid Bezug genommen.
29Gegen den am 2. Juli 2024 als Einschreiben zur Post gegebenen Bescheid hat der Antragsteller am 9. Juli 2024 Klage erhoben (14a K 3144/24.A) und den vorliegend zu entscheidenden Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gestellt.
30Zur Begründung verweist er auf seine amerikanische Staatsangehörigkeit und ist der Ansicht, die angedrohte Abschiebung in die Türkei entbehre jeder Grundlage. Der Vermerk vom 2. Juli 2024 stelle lediglich die Vermutung der türkischen Staatsangehörigkeit auf.
31Er beantragt,
32die aufschiebende Wirkung der Klage 14a K 3144/24.A gegen den Bescheid vom 2. Juli 2024 anzuordnen.
33Die Antragsgegnerin beantragt,
34den Antrag abzulehnen.
35Sie bezieht sich zur Begründung auf die Begründung des Bescheides vom 2. Juli 2024.
36Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten auch der Verfahren 14a K 703/24einschließlich der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Beiakten 01 und 02 zum Verfahren 14a K 703/24 sowie Beiakten 01 bis 04 zum Verfahren 14a K 3144/24.A und 14a L 239/24.A)
37II.
38Der Antrag ist zulässig und begründet.
39Der Antrag ist zulässig. Er ist statthaft, weil die Klage gegen die in dem angegriffenen Bescheid des Bundesamtes unter Ziffer 5 erlassene Abschiebungsandrohung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. §§ 75 Abs. 1, 36 Asylgesetz (AsylG) infolge der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet keine aufschiebende Wirkung hat.
40Der Antrag ist auch begründet.
41Nach § 80 Abs. 5 VwGO i. V. m. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG kann das Gericht im Falle der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen, wenn an der Rechtmäßigkeit der auf §§ 34 Abs. 1, 36 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 59 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) gestützten Abschiebungsandrohung ernstliche Zweifel bestehen, § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG.
42Hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Abschiebungsandrohung bestehen vorliegend zwar keine ernstlichen Zweifel, soweit das Bundesamt davon ausgeht, dass der Antragsteller offensichtlich keinen Anspruch auf Asylanerkennung bzw. Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder subsidiären Schutzes hat und ferner auch keine (zielstaatsbezogenen) Abschiebungsverbote bestehen.
43Nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG richtet sich die Beurteilung der Offensichtlichkeitsentscheidung nach der am 27. Februar 2024 in Kraft getretenen Neufassung des § 30 AsylG.
44Der Asylantrag des Antragstellers ist durch das Bundesamt zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden.
45Für den Antragsteller wurden durch seine Mutter im Asylverfahren keine eigenen Umstände vorgebracht.
46Die seitens der Mutter für sich und ihre Kinder vorgetragenen Gründe für die Ausreise aus der Türkei waren sämtlich nur solche, welche für die Prüfung des Asylantrags nicht von Belang sind (§ 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG).
47Insoweit kann neben der Begründung des angefochtenen Bescheides auch auf die den Beteiligten bekannte Begründung des Beschlusses vom 3. April 2024 -14a L 239/24.A ‑ Bezug genommen werden. Dort war zwar aufgrund der Übergangsvorschrift des § 87 Abs. 2 Nr. 6 AsylG noch der Prüfungsmaßstab der „alten“ Fassung des § 30 AsylVfG anzuwenden. Danach war eine „Offensichtlichkeit“ der Unbegründetheit immer dann gegeben, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise kein Zweifel bestehen kann und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Ablehnung des Asylantrags geradezu aufdrängt.
48Vorliegend bestanden, wie sich auch aus der Begründung des vorgenannten Beschlusses ergibt, keine ernstlichen Zweifel an der „Offensichtlichkeit“, weil der Vortrag der Mutter des Antragstellers im Kern auf Umstände beschränkt war, die im Asylverfahren nicht von Belang sind, so dass an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Asylantrags des Antragstellers als offensichtlich Unbegründet auch nach dem nun maßgeblichen Prüfungsmaßstab des § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG keine Zweifel bestehen.
49Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung bestehen jedoch, soweit das Bundesamt dem Antragsteller die Abschiebung in die Türkei androht, da insoweit nach wie vor - wie auch bei dem Bruder S., Kläger zu 2. im Verfahren ‑ 14a K 703/24.A ‑, der nachbisherigem Erkenntnisstand lediglich über eine syrische Staatsangehörigkeit verfügt - noch ungeklärt ist, ob der Antragsteller überhaupt wieder (dauerhaft) in die Türkei einreisen darf.
50Der streitgegenständliche Bescheid unterstellt dem Antragsteller eine türkische Staatsangehörigkeit, die bislang allerdings weder nachgewiesen noch sonst ersichtlich ist. Der Vermerk beruht allein auf der Annahme, dass der Antragsteller über eine türkische Staatsangehörigkeit verfügen dürfte, weil seine Mutter und Geschwister vom Bundesamt als türkische Staatsangehörige bearbeitet wurden.
51Wie bereits im Beschluss des Gerichts vom 3. April 2024 -14a L 239/24.A ‑ ausgeführt, ergibt sich aus der dortigen Aktenlage jedoch nur für die Mutter des Antragstellers und für seine jüngere Schwester eindeutig eine türkische Staatsangehörigkeit. Aus dem Vermerk des Bundesamtes vom 22. September 2023 zur Staatsangehörigkeit der Antragsteller in der Verfahrensakte N07 zum Verfahren der Mutter und der Geschwister des Antragstellers (Seite 235ff der Beiakte 01 zum Verfahren 14a K 703/24.A) folgt, dass nach Art. 5 - 22 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes zwar grundsätzlich das Abstammungsprinzip gilt, so dass Kinder eines Elternteils mit türkischer Staatsangehörigkeit ebenfalls türkische Staatsangehörige sind.
52Vorliegend wurde die Mutter des Antragstellers jedoch eingebürgert. In diesem Fall erstreckt sich die Einbürgerung nur dann auf ein minderjähriges Kind der Eingebürgerten, wenn diese das Sorgerecht hat und der andere Elternteil zustimmt; falls die Zustimmung verweigert wird, entscheidet der Richter.
53Ob diese Voraussetzungen für die Erstreckung der Staatsangehörigkeit auf den Antragsteller vorliegen, ist nicht bekannt und im Rahmen der in diesem Verfahren allein möglichen summarischen Prüfung des Sachverhalts auch nicht zu ermitteln.
54Für den Antragsteller liegt lediglich ein US-amerikanischer Pass vor. Die Mutter des Antragstellers hat sowohl im Asylverfahren als auch in diesem Verfahren stets angegeben, der Antragsteller verfüge nur über die US-amerikanische Staatsangehörigkeit. Die Annahme, die ganze Familie sei eingebürgert worden, entspricht nicht der Aktenlage. Nach dem Vortrag der Mutter des Antragstellers ist sie aufgrund ihrer Qualifikation eingebürgert worden. Dafür, dass auch ihre Kinder aus der geschiedenen Ehe mit ihrem ersten Mann gleichzeitig mit ihr eingebürgert wurden, ergeben sich weder aus ihrem Vorbringen noch aus dem Akteninhalt Anhaltspunkte. Vielmehr sprechen die in dem o.g. Vermerk des Bundesamts vom 22. September 2023 dargestellte Rechtslage, der Umstand, dass die Mutter des Antragstellers glaubhaft vorträgt, seit 2015 keinen Kontakt mehr zu ihrem geschiedenen Mann, dem Vater des Antragstellers und seines Bruders, zu haben und die Tatsache, dass der Antragsteller sowie sein Bruder sowohl im Visumsverfahren als auch bei der Asylantragstellung, anders als ihre Mutter und jüngere Schwester, keine türkischen Reisepässe vorgelegt haben, dafür, dass sie nicht zusammen mit ihrer Mutter eingebürgert wurden.
55Grundsätzlich ist die Bestimmung des Zielstaats einer Abschiebungsandrohung zwar nicht von der Staatsangehörigkeit des Betroffenen abhängig, denn er kann auch in einen Staat abgeschoben werden, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist (§§34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG).
56Ob diese Voraussetzungen für die Türkei hinsichtlich des Antragstellers gegeben sind, ist ebenfalls weder aus dem Bescheid noch aus dem Verwaltungsvorgang ersichtlich und kann im Rahmen der summarischen Prüfung nicht weiter aufgeklärt werden.
57Die Klärung dieser Frage kann vor Erlass der Abschiebungsandrohung auch nicht deshalb dahinstehen, weil sie gegebenenfalls durch die Ausländerbehörde im Zuge der Durchführung der Abschiebung geklärt werden müsste.
58Es ist die klare Intention des Gesetzgebers, die Zuständigkeit für die Abschiebungsandrohung im Asylverfahren beim Bundesamt zu bündeln. Dies wird durch die europarechtliche Vorgaben umsetzenden Neuregelungen im Gesetz zur Verbesserung der Rückführung (Rückführungsverbesserungsgesetz) vom 21. Februar 2024,
59BGBl I 2024, Nr. 54, vom 26. Februar 2024, S. 1-14,
60noch einmal verdeutlicht.
61Eine im Wesentlichen unsubstantiierte und auf bloßen Vermutungen beruhende Zielstaatsbestimmung stellt sich jedenfalls dann als willkürlich dar, wenn - wie hier - tatsachengestützte Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die abzuschiebende Person über eine andere Staatsangehörigkeit als die des Zielstaates verfügt. In diesem Fall obliegt es dem Bundesamt vor Erlass der Abschiebungsandrohung zu klären, ob der in der Abschiebungsandrohung benannte Zielstaat überhaupt verpflichtet wäre oder dazu bereit ist, die betroffene Person aufzunehmen.
62Ob sich daneben die syrische Staatsangehörigkeit des älteren Bruders des Antragstellers als ein innerstaatliches Hindernis im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG für den Erlass einer Abschiebungsandrohung darstellt, weil insoweit bislang auch ungeklärt ist, ob eine gemeinschaftliche Abschiebung der Familie in die Türkei überhaupt möglich ist, kann vorliegend deshalb dahinstehen.
63Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
64Das Gericht hat keinen Anlass, den Gegenstandswert gemäß § 30 Abs. 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) aus Billigkeitsgründen aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls abweichend von den Bestimmungen des § 30 Abs. 1 RVG festzusetzen.
65Rechtsmittelbelehrung:
66Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 Asylgesetz).