Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
1. Auch bei Erfüllung der körperlichen Voraussetzungen besteht ein Anspruch auf Einrichtung eines personenbezogenen Schwerbehindertenparkplatzes nur, wenn das Ermessen der Behörde auf Null reduziert ist.2. Ein Sonderparkrecht kommt dann nicht in Betracht, wenn auf eigenem Grund und Boden Parkmöglichkeiten bestehen oder in zumutbarer Weise geschaffen werden können oder sonst in ausreichender Menge Parkraum in unmittelbarer Nähe der Wohnung bzw. der Arbeitsstätte der schwerbehinderten Person vorhanden ist.3. Eine schwerbehinderte Person kann nicht darauf verwiesen werden, am Straßenrand vor der eigenen Garageneinfahrt über eine hinreichend gesicherte Parkmöglichkeit zu verfügen, wenn sich in diesem Bereich zugleich eine Bordsteinabsenkung befindet. Denn das nach § 12 Abs 3 Nr 5 StVO vor Bordsteinabsenkungen bestehende Parkverbot gilt grundsätzlich auch für den Zufahrtsberechtigten einer hinter der Bordsteinabsenkung befindlichen Einfahrt.
Die Beklagte wird verpflichtet, für den Kläger vor dessen Wohnung unter der Anschrift G.-straße, N02 Y. durch Aufstellung der Verkehrszeichen 314 mit entsprechenden Zusatzzeichen an geeigneter Stelle einen personenbezogenen Schwerbehindertenparkplatz einzurichten.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet
Tatbestand
2Der Kläger begehrt die Einrichtung eines personenbezogenen Schwerbehindertenparkplatzes vor seiner Wohnung unter der Anschrift G.-straße, N02 Y.. Er verfügt seit dem 00. April 0000 über einen Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen G und aG (außergewöhnliche Gehbehinderung).
3Auf dem Grundstück des Klägers befindet sich im Untergeschoss des Gebäudes eine Garage, die von außen über eine abschüssige Zufahrt zu erreichen ist. Die Breite der Zufahrt beträgt 3,00 Meter. Im Bereich vor der Zufahrt ist der Bordstein des Gehweges über eine Breite von 6,90 Metern abgesenkt. Im Inneren der Garage beträgt die Breite zwischen den Innenwänden 3,87 Meter. Die Garage kann auch von innen durch die Kellerräume betreten werden. Der Keller ist über eine Treppe mit dem Erdgeschoss des Hauses verbunden.
4Am 10. Januar 2024 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Einrichtung des begehrten Schwerbehindertenparkplatzes vor seiner Wohnung. Hierbei gab er an, zwar über eine Garage am Haus zu verfügen, diese jedoch wegen des steilen Zugangs nicht nutzen zu können.
5Nach schriftlicher Anhörung lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 18. März 2024 ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass bei der zu treffenden Ermessensentscheidung der Behörde maßgeblich zu berücksichtigen sei, ob das begehrte Parksonderrecht erforderlich sei. Dies sei nicht der Fall, wenn bereits eine gesicherte Parkmöglichkeit (Garage, Stellplatz, etc.) für das Fahrzeug bestehe. Da der Kläger seine Garage aus gesundheitlichen Gründen nicht nutze, habe er die Möglichkeit, sein Fahrzeug vor der Garagenzufahrt zu parken. Die Zufahrt sei ausreichend breit und vor ihr bestehe für andere Verkehrsteilnehmer ein Parkverbot nach § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO. Der Kläger hingegen könne den Bereich zum Parken nutzen, da das Verbot allein den Zufahrtsberechtigten vor Behinderungen bei der Ein- und Ausfahrt schützen solle und er deshalb als Inhaber der Zufahrt von dem Parkverbot ausgenommen sei. Soweit der Kläger sich darauf berufe, dass der Zufahrtsbereich von anderen Verkehrsteilnehmenden fehlbelegt werde, sei dies bei der Prüfung, ob eine gesicherte Parkmöglichkeit zur Verfügung stehe, nicht zu berücksichtigen. Abhilfe könne in einer solchen Situation durch den Verkehrsüberwachungsdienst erfolgen.
6Der Kläger hat gegen den Bescheid am 26. März 2024 Klage erhoben. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, dass die Beklagte ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt habe. Aufgrund der abschüssigen Zufahrt zur Garage – der Höhenunterschied betrage 2,5 Meter – sei diese für den Kläger aufgrund seiner Behinderung nicht nutzbar. Entgegen der Annahme der Beklagten werde der Bereich vor der Zufahrt ständig durch andere Verkehrsteilnehmer fehlbelegt. Dies lasse sich durch Lichtbilder, die der Kläger zur Akte gereicht hat, sowie mehrere benannte Zeugen beweisen. Der Kläger habe die Parkverstöße vor der Zufahrt auch bei der Beklagten gemeldet. Nachdem diese aber untätig geblieben sei, habe er davon abgesehen, sich weiter an sie zu richten. Die Einrichtung eines Schwerbehindertenparkplatzes sei daher zwingend erforderlich. Insbesondere sei es dem Kläger auch nicht gelungen, die Anordnung eines Halteverbots vor seiner Garagenzufahrt zu erstreiten. Insofern verweist er auf das Verfahren 14 K 3963/22.
7Der Kläger beantragt,
8die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18. März 2024 zu verpflichten, für ihn einen personenbezogenen Schwerbehindertenparkplatz vor seiner Wohnung unter der Anschrift G.-straße, N02 Y. einzurichten.
9Die Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Ergänzend führt sie nunmehr aus, dass dem Kläger schon die Nutzung der Garage selbst möglich und zumutbar sei, da sie im Innenraum breit genug sei und der Kläger sie über die Kellertreppe, die eine normale Treppe mit geradem Verlauf sei, erreichen könne. Eventuell erforderliche Maßnahmen an der Treppe oder an der Zufahrt seien zumutbar. Zudem sei der Kläger auch in der Lage, die Stufen der Eingangstreppe vor dem Haus zu bewältigen. Es bleibe ferner dabei, dass der Kläger auch außerhalb der Garage vor der Zufahrt eine Parkmöglichkeit habe. Diese sei auch breit genug, weil nach § 12 Abs. 3 Nr. 5 StVO über die gesamte Breite der Bordsteinabsenkung das Parken grundsätzlich unzulässig sei. Da der Kläger Zufahrtsberechtigter sei, würde gegen ihn jedoch nach dem Opportunitätsprinzip in der Regel nicht eingeschritten. Die Beklagte führt ferner aus, dass eine Fehlbelegung des Zufahrtsbereichs zur Garage bei verschiedenen Ortsterminen nicht habe beobachtet werden können. Auch wenn die Tiefgarage nicht angefahren werde, stehe daher grundsätzlich eine Parkmöglichkeit am Haus zur Verfügung. Ein Fehlverhalten anderer Verkehrsteilnehmer lasse sich schließlich auch durch die Anordnung eines Schwerbehindertenparkplatzes nicht stets vermeiden.
12Das Gericht hat am 8. August 2024 einen Ortstermin unter der klägerischen Anschrift durchgeführt und die Örtlichkeit in Augenschein genommen. Auf das Protokoll sowie die angefertigten Lichtbilder wird verwiesen.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte einschließlich der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
14Entscheidungsgründe
15Die Klage hat Erfolg. Sie ist als Verpflichtungsklage zulässig und auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 18. März 2024 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Einrichtung eines personenbezogenen Schwerbehindertenparkplatzes vor seiner Wohnung.
16Rechtsgrundlage für die Einrichtung des begehrten Parksonderrechts ist § 45 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2 StVO. Hiernach treffen die Straßenverkehrsbehörden die notwendigen Anordnungen im Zusammenhang mit der Kennzeichnung von Parkmöglichkeiten für schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung, beidseitiger Amelie oder Phokomelie oder mit vergleichbaren Funktionseinschränkungen sowie für blinde Menschen. Den genannten Personenkreisen wird die Begünstigung hiernach nicht schon als Rechtsreflex zuteil. Vielmehr steht die Entscheidung nach § 45 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2 StVO im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. Ein Anspruch auf Kennzeichnung von Parkmöglichkeiten kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn im Einzelfall ausnahmsweise eine Reduzierung des verkehrsbehördlichen Regelungsermessens auf Null gegeben ist.
17Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. Juni 2004 – 8 A 2057/03 –, juris Rn. 32.
18Das von der Behörde nach § 45 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2 StVO auszuübende Ermessen wird durch die Vorgaben der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (vom 26. Januar 2001, zuletzt geändert durch Erlass vom 8. November 2021, - VwV StVO -) im Sinne einer bundeseinheitlich gleichmäßigen und am Gesetzeszweck orientierten Anwendung gelenkt.
19Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. Juni 2004 – 8 A 2057/03 –, juris Rn. 43.
20Unter Ziffer IX. Buchst. a) der VwV zu § 45 StVO heißt es:
21„Parkplätze für bestimmte schwerbehinderte Menschen des oben erwähnten Personenkreises, z.B. vor der Wohnung oder in der Nähe der Arbeitsstätte, setzen eine Prüfung voraus, ob
22- ein Parksonderrecht erforderlich ist. Das ist z.B. nicht der Fall, wenn Parkraummangel nicht besteht oder der schwerbehinderte Mensch in zumutbarer Entfernung eine Garage oder einen Abstellplatz außerhalb des öffentlichen Verkehrsraumes hat,
23- ein Parksonderrecht vertretbar ist. Das ist z.B. nicht der Fall, wenn ein Haltverbot (Zeichen 283) angeordnet wurde,
24- ein zeitlich beschränktes Parksonderrecht genügt.“
25Im Rahmen der vorzunehmenden Prüfung kommt es demnach insbesondere darauf an, ob die betroffene Person auf die Einrichtung des Sonderparkplatzes im Einzelfall angewiesen ist. Dies ist etwa dann nicht der Fall, wenn auf eigenem Grund und Boden Parkmöglichkeiten bestehen oder in zumutbarer Weise geschaffen werden können oder sonst in ausreichender Menge Parkraum in unmittelbarer Nähe der Wohnung bzw. der Arbeitsstätte der schwerbehinderten Person vorhanden ist.
26Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. Juni 2004 – 8 A 2057/03 –, juris Rn. 35 ff; VG Düsseldorf, Urteil vom 6. Februar 2024 – 14 K 1723/23 –, juris Rn. 22.
27Die von der Behörde unter diesen Gesichtspunkten zu treffende Ermessensentscheidung ist dabei nur einer beschränkten gerichtlichen Überprüfung zugänglich. Das Gericht prüft gemäß § 114 Satz 1 VwGO lediglich, ob die Behördenentscheidung deshalb rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist.
28Nach diesen Maßstäben sind die Voraussetzungen für einen Anspruch des Klägers auf Einrichtung eines personenbezogenen Schwerbehindertenparkplatzes im vorliegenden Einzelfall erfüllt.
29Der Kläger gehört zunächst zu dem Personenkreis, dem grundsätzlich ein Parksonderrecht zugute kommen kann. Denn ausweislich seines Schwerbehindertenausweises wurde für ihn im sozialbehördlichen Verfahren ab dem 00. April 0000 das Vorliegen einer außergewöhnlichen Gehbehinderung (Merkzeichen aG) unbefristet festgestellt.
30Das begehrte Parksonderrecht ist im vorliegenden Einzelfall auch erforderlich.
31Zur Überzeugung des Gerichts steht zunächst fest, dass in der unmittelbaren Umgebung der klägerischen Wohnung im Allgemeinen eine Parkmangelsituation besteht. Es ist gerichtsbekannt, dass öffentlicher Parkraum in Verkehrsbereichen, die – wie die Wohnanschrift des Klägers – in unmittelbarer Nähe zum Stadtzentrum Y. liegen, bei zugleich hoher Nachfrage nur begrenzt verfügbar ist. Dass der Kläger sich nicht darauf verlassen kann, in nächster Nähe zu seiner Wohnung stets einen freien Parkplatz im öffentlichen Verkehrsraum vorzufinden, hat sich dabei auch nach dem im Rahmen des Ortstermins gewonnenen Eindruck des Berichterstatters, den er der Kammer vermittelt hat, bestätigt. Bereits an einem Vormittag war vor der Wohnung des Klägers ein erhöhtes Parkaufkommen zu beobachten. Zudem gilt auf der der Wohnung des Klägers gegenüberliegenden Straßenseite ein absolutes Halteverbot.
32Der Kläger verfügt auch ansonsten nicht über eine gesicherte und zumutbare Parkmöglichkeit in unmittelbarer Nähe seiner Wohnung. Entgegen der Ansicht der Beklagten kann er weder darauf verwiesen werden, die Garage im Untergeschoss seines Hauses zu nutzen, noch sein Fahrzeug am Straßenrand unmittelbar vor der Garageneinfahrt abzustellen. Insofern ist der Bescheid der Beklagten vom 18. März 2023 ermessensfehlerhaft.
33Die Größe der im Untergeschoss des klägerischen Hauses vorhandenen Garage ist zwar für den für den (seitlichen) Ein- und Ausstieg einer schwerbehinderten Person in ein Fahrzeug ausreichend, insbesondere weil ihre Breite zwischen den Innenwänden 3,87 Meter beträgt.
34Vgl. Ziffer IX der VwV zu § 45 StVO, die wegen der Ausgestaltung der Parkplätze auf die „DIN 18040-3 Barrierefreies Bauen – Planungsgrundlagen – Teil 3: Öffentlicher Verkehrs und Freiraum“ verweist, wonach ein Behindertenparkplatz mit Seitenausstieg mindestens 3,50 Meter breit und 5,00 Meter lang sein muss.
35Gleichwohl ist damit eine Parkmöglichkeit, auf die der Kläger verwiesen werden kann, nicht gegeben. Denn für ihn besteht angesichts seiner außergewöhnlichen Gehbehinderung und den örtlichen Gegebenheiten, die das Gericht bei dem durchgeführten Ortstermin in Augenschein genommen hat, keine zumutbare Zugangsmöglichkeit zu der im Untergeschoss seines Hauses befindlichen Garage. Ein Betreten der Garage über die Zufahrt kommt für den Kläger nicht in Betracht, weil diese ein deutliches und steiles Gefälle sowie – zur Erhöhung der Bodenhaftung für ein- und ausfahrende Fahrzeuge – eine unebene Pflasterung aufweist. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist es dem Kläger auch nicht zumutbar, die Garage über die zwölfstufige Kellertreppe im Inneren des Gebäudes zu erreichen. Nach dem auf Grundlage des Ortstermins sowie der dort angefertigten Lichtbilder gewonnenen Eindruck des Gerichts handelt es sich hierbei um eine besonderes steile und schmale Treppe mit einer Steigung von nahezu 100%. Die Bewältigung dieser Treppe ist für eine nach versorgungsärztlicher Feststellung außergewöhnlich gehbehinderte Person wie dem Kläger – insbesondere beim Hinabsteigen – mit erheblichen Sturz- und Verletzungsgefahren verbunden. Auch soweit die Beklagte geltend macht, dass der Kläger in der Lage sei, zum Betreten seines Hauses von der Straße aus die Treppe vor der Eingangstür zu bewältigen, folgt daraus nicht, dass von ihm auch eine Bewältigung der Kellertreppe zu erwarten ist. Denn die Treppen unterscheiden sich wesentlich in ihrer Beschaffenheit. Die Außentreppe verfügt lediglich über fünf Stufen, ist weniger steil und wesentlich breiter als die Kellertreppe. Außerdem kann der Kläger die Außentreppe nach den glaubhaften Angaben seiner Ehefrau nur mithilfe einer weiteren Person bewältigen, die ihn seitlich führt und stützt, während er sich an dem Treppengeländer hinaufzieht. Eine seitliche Unterstützung ist auf der schmalen Kellertreppe aber nicht möglich. Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Kläger im Inneren des Hauses keine weiteren Treppen steigt, sondern nur mithilfe eines Lifts ins Obergeschoss gelangt. Soweit die Beklagte im Übrigen meint, „eventuell erforderliche Maßnahmen“ an der Kellertreppe und an der Zufahrt seien nicht unzumutbar, ist weder dargelegt noch angesichts der Steigung und der geringen Breite der Treppe sonst ersichtlich, durch welche konkreten Maßnahmen für den Kläger eine zumutbare Erreichbarkeit der Garage sichergestellt werden könnte.
36Soweit die Beklagte ferner der Ansicht ist, der Kläger verfüge auch vor seiner Wohnung am Straßenrand in dem Bereich vor seiner Garagenzufahrt über eine hinreichend gesicherte Parkmöglichkeit, weil dieser Bereich von den anderen Verkehrsteilnehmern freizuhalten sei, während gegen eine Parknutzung durch den Kläger nicht eingeschritten werde, ist dem nicht zu folgen. Denn auch dem Kläger selbst ist es nach der StVO nicht gestattet, in diesem Bereich sein Fahrzeug zu parken. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein grundsätzliches Parkverbot an dieser Stelle aus zwei Gründen besteht: Ein solches folgt zum einen aus § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO, wonach das Parken vor Grundstücksein- und -ausfahrten verboten ist. Zum anderen ist in dem Bereich vor der Garagenzufahrt des Klägers der Bordstein des Gehweges (über eine Breite von 6,90 Metern) abgesenkt und deshalb auch nach § 12 Abs. 3 Nr. 5 StVO das Parken nicht erlaubt. Während das angesichts der Grundstückseinfahrt nach § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO grundsätzlich bestehende Parkverbot für den Kläger selbst nicht gelten dürfte, weil das Verbot ausschließlich der ungestörten Ein- und Ausfahrt des Zufahrtsberechtigten – hier also des Klägers – zu dienen bestimmt ist,
37vgl. Hentschel/König/Dauer, Verkehrsrecht, 47. Auflage 2023, § 12 StVO Rn. 47 m.w.N.,
38ist dies jedenfalls für das aus der Bordsteinabsenkung nach § 12 Abs. 3 Nr. 5 StVO folgende Parkverbot anders zu beurteilen. Denn auch eine vor einer Garagenzufahrt befindliche Bordsteinabsenkung dient nicht bloß der Überfahrt durch den Zufahrtsberechtigten, sondern stets auch dem erleichterten Betreten oder Verlassen des Gehweges durch die Allgemeinheit, insbesondere für Personen, die auf die Nutzung von Gehhilfen oder Rollstühlen angewiesen sind.
39Vgl. die Begründung der Elften Verordnung zur Änderung der StVO vom 19. März 1992, Bundesrat Drucksache 75/92, S. 71 sowie Hentschel/König/Dauer, Verkehrsrecht, 47. Auflage 2023, § 12 StVO Rn. 47; Müller/Rebler, Das Recht des ruhenden Verkehrs, 4. Auflage 2024, Kap. 8 Rn. 58.
40Dieses Interesse der Allgemeinheit wird auch dann beeinträchtigt, wenn derjenige vor einer Bordsteinabsenkung parkt, der – wie der Kläger – zugleich Inhaber einer hinter der Bordsteinabsenkung liegenden Zufahrt ist. Der Kläger ist daher von dem Parkverbot nach § 12 Abs. 3 Nr. 5 StVO nicht von vornherein ausgenommen.
41Im Übrigen genügt allein der Umstand, dass gegen den Kläger bei einem Verstoß gegen das Parkverbot an dieser Stelle – wie die Beklagte erklärt – nach dem Opportunitätsprinzip „in der Regel“ nicht eingeschritten werde, nicht für die Annahme einer hinreichend gesicherten Parkmöglichkeit. Denn auch eine Duldung entsprechender Parkverstöße durch die Beklagte aus Opportunitätserwägungen nach § 47 Abs. 1 Satz 1 OWiG ändert nichts daran, dass eine Parknutzung der Fläche vor der Bordsteinabsenkung – auch durch den Kläger selbst – objektiv rechtswidrig ist. Wegen des Grundsatzes der Rechtsbindung der Verwaltung darf die Notwendigkeit eines Parksonderrechts für Schwerbehinderte nach § 45 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2 StVO jedoch nicht unter Verweis auf eine möglicherweise tatsächlich bestehende, aber gleichwohl rechtswidrige Parkmöglichkeit abgelehnt werden. Soweit die Beklagte den Kläger darauf verweist, sein Fahrzeug vor der Bordsteinabsenkung parken zu können, setzt sie sich daher in einen Widerspruch zu den Vorgaben der StVO und überschreitet die rechtlichen Grenzen ihres Ermessens. Ferner ist es dem Kläger nicht zumutbar, sich dauerhaft darauf zu verlassen, dass die Beklagte durch ihn begangene Parkverstöße lediglich im Wege einer Ermessensentscheidung nach § 47 Abs. 1 Satz 1 OWiG aus Opportunitätserwägungen ungeahndet lässt.
42Ohne dass es entscheidungserheblich darauf ankäme, wäre für den Kläger eine zumutbare Parkmöglichkeit selbst dann nicht gegeben, wenn man – entgegen der vorstehenden Erwägungen – davon ausginge, dass eine unmittelbar vor einer Garagenzufahrt befindliche Bordsteinabsenkung ausschließlich dem Zufahrtsberechtigten zur erleichterten Überfahrt des Gehweges dient und daher ein Parkverbot für diesen nicht anzunehmen ist. Denn bei einem solchen Verständnis des Schutzzwecks des § 12 Abs. 3 Nr. 5 StVO wäre konsequenterweise anzunehmen, dass das für die anderen Verkehrsteilnehmer bestehende Parkverbot nur in der Breite gilt, die für die unbehinderte Nutzung der Einfahrt als solche auch nötig ist.
43Vgl. Müller/Rebler, Das Recht des ruhenden Verkehrs, 4. Auflage 2024, Kap. 8 Rn. 37.
44Der Bereich vor der Garageneinfahrt des Klägers wäre nach diesem Verständnis also nur über deren Breite von 3 Metern freizuhalten, was jedoch nicht genügt, um dort mit einem Personenkraftwagen längs einzuparken.
45Schließlich sind auch andere als die von der Beklagten in die Ermessensentscheidung eingestellten – ggfs. durch zumutbare Maßnahmen einzurichtende – Parkmöglichkeiten nicht ersichtlich. Dem Kläger ist es insbesondere nicht zumutbar, sein Fahrzeug auf der Zufahrt vor dem Tor seiner Garage abzustellen. Denn mit einer Breite von 3 Metern ist die Zufahrt zu schmal für den seitlichen Ein- und Ausstieg einer außergewöhnlich gehbehinderten Person. Hinzu kommt, dass die Zufahrt – wie bereits dargestellt – abschüssig und uneben ist und daher auch insofern eine sichere Nutzbarkeit für den Kläger nicht gegeben ist. Ferner sind auch im Übrigen keine von der Straße erreichbaren Grundstücksflächen in ausreichender Größe vorhanden, auf denen der Kläger sich einen ebenerdigen Stellplatz in zumutbarer Weise selbst einrichten könnte.
46Das Ermessen der Beklagten ist daher hinsichtlich der Einrichtung des Sonderparkplatzes vor der Wohnung des Klägers auf Null reduziert. Wo genau die Beklagte den Schwerbehindertenparkplatz in diesem Bereich einrichtet – also vor der Garageneinfahrt oder etwa daneben, bleibt ihr im Rahmen der anzustellenden Zweckmäßigkeitserwägungen selbst überlassen. Gleichwohl gibt die Kammer zu bedenken, dass nach ihrer Auffassung die Kennzeichnung eines Schwerbehindertenparkplatzes zugunsten des Klägers auch in dem Bereich vor der Garagenzufahrt mit Bordsteinabsenkung zulässig wäre. Dem steht auch nicht entgegen, dass in diesem Bereich nach § 12 Abs. 3 Nr. 3 und 5 StVO generell ein Parkverbot gilt. Denn durch Ausschilderung eines personenbezogenen Sonderparkplatzes an dieser Stelle würde eine vorrangige und für alle Verkehrsteilnehmer erkennbare Ausnahmeregelung zu dem grundsätzlichen Parkverbot geschaffen, sodass eine Parknutzung durch den (berechtigten) Kläger – anders als bei bloßer Duldung nach § 47 Abs. 1 Satz 1 OWiG – einen Verstoß gegen die StVO nicht weiter begründen würde. Ein Widerspruch zu den Regelungen der StVO wäre insofern entgegen der Ansicht der Beklagten nicht gegeben. Die Einrichtung eines Parksonderrechts an dieser Stelle wäre ferner auch „vertretbar“ im Sinne der VwV StVO. Ausgenommen sind insofern etwa Straßen, auf denen wegen starken Verkehrs z.B. ein absolutes Halteverbot (Zeichen 283) angeordnet ist und eine Parksonderregelung daher den übrigen Verkehr behindern oder gar gefährden würde.
47Vgl. VG Aachen, Urteil vom 27. Februar 2018 – 2 K 3854/17 –, juris Rn. 42 m.w.N.
48Dies ist im Bereich vor der Garageneinfahrt des Klägers offensichtlich nicht der Fall. Soweit durch die Einrichtung eines individuellen Parksonderrechts an dieser Stelle das kollidierende Interesse der Allgemeinheit an der Nutzung der Bordsteinabsenkung insbesondere durch Rollstuhlfahrer zurücktreten müsste, erscheint dies angemessen im Hinblick auf klägerische Interesse an der Einrichtung des Sonderparkplatzes sowie das zugleich bestehende Interesse der Allgemeinheit, den Verlust öffentlich nutzbarer Parkflächen möglichst zu vermeiden.
49Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
50Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
51Rechtsmittelbelehrung:
52Innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils kann bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen. schriftlich beantragt werden, dass das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster die Berufung zulässt. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
53Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster schriftlich einzureichen.
54Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
55Der Antrag ist zu stellen und zu begründen durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, oder eine diesen gleichgestellte Person als Bevollmächtigten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Auf die besonderen Regelungen in § 67 Abs. 4 Sätze 7 und 8 VwGO wird hingewiesen.
56Beschluss
57Der Wert des Streitgegenstandes wird auf
585.000,- Euro
59festgesetzt.
60Gründe
61Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 2 GKG. Der festgesetzte Wert entspricht dem Auffangstreitwert.
62Rechtsmittelbelehrung
63Gegen diesen Beschluss kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Verwaltungsgericht Y. schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls das Verwaltungsgericht ihr nicht abhilft. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der genannten Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes zweihundert Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zulässt.
64Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.