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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
2Die Klägerin ist Eigentümerin des H. M. T. xx (Gemarkung L. , Flur xx, Flurstück xxx) in L. . Das rund 37 Meter breite und rund 68 Meter tiefe Grundstück ist mit einem unmittelbar an der T. bzw. dem Gehweg aufstehenden Wohnhaus nebst rückwärtigem Garagen- und Abstellgebäude sowie einer östlich des Gebäudekomplexes platzierten Stellplatzanlage bebaut. Es ist Teil eines rund 180 mal 130 Meter großen, annähernd rechteckigen Gevierts, das aus der M. T. , der M1. I. , der H1.-straße und einer von dieser abzweigenden Stichstraße gebildet wird. An allen vier Straßen befindet sich innerhalb des Gevierts Straßenrandbebauung, wobei es sich in der nördlichen Hälfte des Blocks um größere Mehrfamilienhauskomplexe mit einer Tiefe von bis zu rund 43 Metern, in der südlichen Hälfte hingegen um eher kleinteiligere Wohnbebauung mit Bebauungstiefen von regelmäßig deutlich unter 20 Metern handelt. Im Inneren des Blocks bilden die Hausgärten eine rund 10.000 Quadratmeter große Fläche, die frei von baulichen Hauptanlagen und durchgrünt ist.
3Das Geviert liegt nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der Flächennutzungsplan stellt „Gemischte Baufläche“ dar.
4Westlich des beschriebenen Gevierts schließt sich im Wesentlichen freie Fläche an. Der nördlich anschließende Block ist durch regelmäßig angeordnete Stichstraßen auch im Inneren erschlossen und auf der Grundlage eines Bebauungsplans dicht mit kleinteiliger Wohnbebauung bebaut. Östlich des beschriebenen Straßengevierts schließt sich ein ebenfalls dicht bebauter Block an, der teilweise von öffentlichen und privaten Stichwegen durchzogen ist und in dem sich mitunter auch Hinterlandbebauung mit Tiefen von bis zu knapp 60 Metern findet. Auf der südlichen Seite schließlich findet sich recht diffuse, teilweise auch gewerblich genutzte Bebauung, die in der Regel straßenrandnah, vereinzelt aber auch im Hinterland aufsteht; die Bebauung wird im Süden durch die T2. bzw. einen diese säumenden Fuß- und Radweg begrenzt.
5Weitere Einzelheiten der Umgebung zeigt der nachfolgende Kartenausschnitt:
6In der Originalentscheidung befindet sich an dieser Stelle eine Skizze
7Am 18. August 2021 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Erteilung eines planungsrechtlichen Bauvorbescheides. Geplant ist die Errichtung eines dreigeschossigen Wohnhauses mit Flachdach und einer Grundfläche von ca. 13,5 mal 23,5 Metern. Das Gebäude, das acht Wohneinheiten umfassen soll, soll mit seiner Vorderwand rund 50 Meter von der M. T. entfernt aufstehen; die Rückwand soll sich etwa 63,5 Meter von der T. entfernt befinden. Unmittelbar an der östlichen Grundstücksgrenze soll eine Zufahrt angelegt werden, an der bis zu einer Tiefe von fast 40 Metern neun Stellplätze angeordnet sind.
8Weitere Einzelheiten zeigt der nachfolgende Ausschnitt aus dem vorgelegten Lageplan:
9In der Originalentscheidung befindet sich an dieser Stelle eine Skizze
10Unter dem 22. November 2021 hörte die Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten negativen Bescheidung der Voranfrage an und erklärte zur Begründung, das Bauvorhaben füge sich hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche, namentlich der Bebauungstiefe, nicht in die nähere Umgebung ein.
11Mit Schreiben vom 14. Dezember 2021 wandte sich die Klägerin an die Beklagte und erklärte, die Bestimmung der näheren Umgebung im Anhörungsschreiben sei nicht nachvollziehbar. Auch löse das Vorhaben keine städtebaulichen Spannungen aus.
12Mit Bescheid vom 2. Februar 2022 lehnte die Beklagte die Erteilung eines positiven Bauvorbescheides ab. Zur Begründung führte die Behörde aus, das Vorhaben verstoße gegen § 34 Abs. 1 des Baugesetzbuches. Als prägende Umgebung sei – entsprechend den üblichen Maßstäben – die Wohnbebauung an der M. T. innerhalb des Straßengevierts heranzuziehen. Der Block werde durch die ihn umschließenden Straßen deutlich von der weiteren Umgebung abgegrenzt. Innerhalb des Gevierts gebe es einen deutlichen Geländeversprung, der die südliche von der nördlichen Hälfte trenne. Das geplante Vorhaben überschreite die in dem so abgegrenzten Bereich „wirkende Baulinie“. Da das Vorhaben eine Vorbildfunktion für weitere Vorhaben ähnlicher Art hätte, seien auch städtebaulichen Spannungen zu erwarten und das Vorhaben sei daher unzulässig.
13Am 8. März 2023 hat die Klägerin Klage erhoben, zu deren Begründung sie ausführt: Das Baugrundstück liege im unbeplanten Innenbereich und füge sich in den Rahmen der Umgebungsbebauung ein. Die Grenzen der prägenden Umgebung seien nach der jeweiligen städtebaulichen Situation zu bestimmen. Die Betrachtung beschränke sich dabei nicht zwangsläufig auf das jeweilige Straßengeviert, sondern könne im Einzelfall auch darüber hinausgehen, wie das Oberverwaltungsgericht in einer jüngeren Entscheidung betont habe. Vorliegend sei die Bebauung in dem nördlich und in dem östlich angrenzenden Block sowie diejenige südlich der M. T. mit einzubeziehen. Denn diese Bebauung und diejenige auf dem Baugrundstück beeinflussten sich wechselseitig. Innerhalb des so abgegrenzten Bereichs fänden sich Vorbilder für eine vergleichbare Hinterlandbebauung, namentlich in Gestalt der Gebäude H1.-straße xx, G.-weg xx und xx, M. T. xx und xx. Zu berücksichtigen sei, dass die Bebauungstiefe jeweils von der maßgeblichen öffentlichen (Haupt-) Erschließungsanlage aus zu bestimmen sei. Private oder auch untergeordnete öffentliche Stichwege seien hingegen außer Betracht zu lassen. Deshalb habe etwa auch das Gebäude H1.-straße xx eine entsprechende Bebauungstiefe.
14Die Klägerin beantragt (schriftsätzlich),
15die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 2. Februar 2022 zu verpflichten, ihr auf ihre Bauvoranfrage vom 18. August 2021 hin den von ihr begehrten Bauvorbescheid für die Errichtung eines Wohnhauses mit acht Wohneinheiten auf dem Grundstück M. T. xx, Gemarkung L. , Flur xx, Flurstück xxx (Az: W1. -0038/2021) zu erteilen.
16Die Beklagte beantragt (schriftsätzlich),
17die Klage abzuweisen.
18Sie wiederholt und vertieft die Begründung ihres Ablehnungsbescheides. Hinsichtlich des Merkmals der überbaubaren Grundstücksfläche sei die prägende Umgebung enger zu definieren als hinsichtlich des Merkmals der Art der baulichen Nutzung. Es könne vorliegend nur die Bebauung innerhalb des betreffenden Gevierts, und zwar in dessen südlicher Hälfte als maßgebliche Umgebung zugrunde gelegt werden. Hier handele es sich durchweg um Straßenrandbebauung. Auch das Gebäude H1.-straße xx sei als Straßenrandbebauung anzusehen, weil die öffentliche Stichstraße hier nicht als untergeordneter Nebenarm der H1.-straße betrachtet werden könne. Für die von der Klägerin gewünschte Hinterlandbebauung fehle es an einem Vorbild. Die jenseits des Gevierts anzutreffende Bebauung sei bei der Bestimmung des Umgebungsrahmens außer Betracht zu lassen. Denn der Block werde durch die ihn umgebenden Straßen von der deutlich anders strukturierten Bebauung jenseits dieser Straßen abgegrenzt.
19Der Einzelrichter hat am 9. August 2023 einen Ortstermin durchgeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Terminsprotokoll Bezug genommen.
20Wegen der sonstigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
21Entscheidungsgründe:
22Das Gericht entscheidet gemäß § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) im schriftlichen Verfahren, nachdem die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben.
23Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
24Die mit Bescheid der Beklagten vom 2. Februar 2022 erfolgte Ablehnung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO); die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung des beantragten positiven Bauvorbescheides.
25Ein positiver Bauvorbescheid ist gemäß § 77 Abs. 1 i.V.m. § 74 Abs. 1 Bauordnung (BauO) NRW 2018 zu erteilen, wenn dem Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen. Der Errichtung des geplanten Wohnhauses steht jedoch das Bauplanungsrecht entgegen. Denn mit einer Bebauungstiefe von rund 63,5 Metern geht das geplante Gebäude über das zulässige Maß hinaus.
26Das Gericht geht – wie die Beteiligten – davon aus, dass es sich vorliegend trotz der beträchtlichen Größe der Freiflächen im Inneren des in Rede stehenden Blocks nicht um ein Außenbereichs-, sondern um ein Innenbereichsvorhaben handelt. Soll ein Vorhaben innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils verwirklicht werden, so ist es gemäß § 34 Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB) dann zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist.
27Maßstabsbildend im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist die Umgebung, soweit sich die Ausführung eines Vorhabens auf sie auswirken kann und soweit sie ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst. Die Grenzen der „näheren Umgebung“ lassen sich dabei nicht schematisch festlegen, sondern sie sind nach der tatsächlichen städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das für die Bebauung vorgesehene Grundstück eingebettet ist. Die maßgebliche Umgebung ist im Übrigen für jedes einzelne der in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bezeichneten Kriterien gesondert abzugrenzen. Denn die Merkmale, nach denen sich ein Vorhaben in die Eigenart dieser näheren Umgebung einfügen muss, sind jeweils unabhängig voneinander zu prüfen.
28Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Mai 2014 - 4 B 38.13 -, juris (Rn. 7), mit weiteren Nachweisen.
29Mit dem in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB verwendeten Begriff der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, ist die konkrete Größe der Grundfläche der baulichen Anlage und ihre räumliche Lage innerhalb der vorhandenen Bebauung gemeint. Zur näheren Konkretisierung kann insoweit auf die Begriffsbestimmungen in § 23 Baunutzungsverordnung (BauNVO) zurückgegriffen werden.
30Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 16. Juni 2009 - 4 B 50.08 -, juris (Rn. 6), und vom 13. Mai 2014 - 4 B 38.13 -, juris (Rn. 8); OVG NRW, Beschluss vom 14. Dezember 2020 - 2 A 1585/20 -, juris (Rn. 10).
31Die überbaubare Grundstücksfläche kann gemäß § 23 Abs. 4 BauNVO unter anderem durch Festsetzung der Bebauungstiefe bestimmt werden. Diese ist dabei von der tatsächlichen Straßengrenze aus zu ermitteln. "Tatsächliche Straßengrenze" in diesem Sinne ist die Grenze der als Erschließungsanlage gewählten öffentlichen T. .
32Vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. August 2019 - 4 B 1.19 -, juris (Rn. 6); OVG NRW, Beschluss vom 14. Dezember 2020 - 2 A 1585/20 -, juris (Rn. 12).
33Ob die rückwärtige Bebauung eines H. zulässig ist, hängt insoweit im Wesentlichen davon ab, in welchem Umfang die den Maßstab bildenden umliegenden Grundstücke eine rückwärtige Bebauung aufweisen.
34Bezüglich des Merkmals der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, ist die nähere Umgebung im Regelfall enger zu bemessen als zum Beispiel bei dem Merkmal der Art der baulichen Nutzung, da die von den überbauten Grundstücksflächen ausgehende Prägung in ihrer Reichweite im Allgemeinen hinter der von der Art der baulichen Nutzung ausgehenden Wirkung zurückbleibt.
35Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. August 2014 - 7 A 2666/12 -, juris (Rn. 73), und Beschluss vom 26. Januar 2022 - 7 A 654/21 -, juris (Rn. 4).
36Andererseits ist die Betrachtung nicht zwangsläufig auf den Straßenzug oder das Straßengeviert beschränkt, in dem das Vorhaben verwirklicht werden soll. Vielmehr kann im Einzelfall auch von einer Bebauung jenseits des Gevierts ein Einfluss auf das Vorhabengrundstück ausgehen, das heißt diese den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägen und beeinflussen.
37Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 1. Dezember 2021 - 2 A 2780/20 -, juris (Rn. 15); VG Gelsenkirchen, Urteil vom 31. August 2022 - 6 K 2228/21 -, juris (Rn. 30).
38Gemessen an diesen Grundsätzen geht die prägende Umgebung vorliegend jedenfalls nicht über das Straßengeviert hinaus, innerhalb dessen das Baugrundstück liegt. Vorbilder für eine Hinterlandbebauung jenseits dieses Gevierts können daher nicht für die Zulässigkeit des streitgegenständlichen Vorhabens herangezogen werden.
39Sehr deutlich gilt dies hinsichtlich der Bebauung südlich der M. T. und nördlich des Hauptastes der H1.-straße. Geht man davon aus, dass die maßgebliche nähere Umgebung in der Regel auf diejenigen Grundstücke beschränkt ist, die durch dieselbe Erschließungsstraße erschlossen sind und auch auf derselben Straßenseite liegen,
40so etwa NdsOVG, Beschluss vom 26. August 2019 - 1 LA 41/19 -, juris (Rn. 8); BayVGH, Beschluss vom 10. Februar 2022 - 2 ZB 21.1560 -, juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Oktober 2022 - 28 K 1803/21 -, juris (Rn. 78),
41liegt eine Heranziehung dieser Bebauung ohnehin nicht nahe. Hinzu kommt aber, dass die Struktur der Bebauung in diesen Bereichen sich völlig anders darstellt, als in dem streitgegenständlichen Geviert; zwischen diesem Geviert und jenen Bereichen lässt sich somit eine deutliche Zäsur erkennen. Der nördlich anschließende Block – jenseits der H1.-straße – ist dadurch gekennzeichnet, dass von Süden her in regelmäßigen Abständen Stichstraßen in ihn hineinragen, an denen (auf der Grundlage eines Bebauungsplans) Hausgruppen errichtet worden sind. Die Flächen sind dementsprechend eher kleinteilig parzelliert; die Bebauung ist stark verdichtet. Der streitgegenständliche Block hingegen ist durch Straßenrandbebauung geprägt; in seinem Inneren bilden die großzügigen Hausgärten eine umfangreiche durchgrünte Freifläche von rund einem Hektar Größe. Auch von der südlich der M. T. vorhandenen Bebauung unterscheidet sich dieser recht homogen bebaute Block deutlich. Denn in dem dortigen Streifen zwischen der T. und der T1. findet sich eine (auch) in Bezug auf die Bebauungstiefen diffuse Bebauung. Neben durchgehender Straßenrandbebauung sind teilweise umfangreiche rückwärtige Anbauten und Nebengebäude, aber auch vereinzelte Hauptanlagen in zweiter Reihe und erheblicher Entfernung von der T. anzutreffen. Dass die M. T. von durchaus beträchtlicher Breite ist und eine nicht ganz unerhebliche Verkehrsbedeutung und -dichte hat, verstärkt den Eindruck einer Trennung von dem streitgegenständlichen Geviert zusätzlich. Die in der Klagebegründung hervorgehobenen Gebäude M. T. xx bis xx sind im Übrigen als Straßenrandbebauung anzusehen, da es sich bei der entsprechenden Stichstraße, welche die M. T. auch mit dem die T1. säumenden Fuß- und Radweg verbindet, nicht um eine unselbständige Verzweigung, sondern um eine gewöhnliche öffentliche Erschließungsanlage handelt. Dasselbe gilt für die östlich anschließende Stichstraße „N. “.
42Im Ergebnis ist auch die Bebauung in dem östlich an das streitgegenständliche Geviert anschließenden Block nicht als Teil der maßgeblichen näheren Umgebung des Bauvorhabens anzusehen. Dabei ist zunächst festzustellen, dass die zwischen diesen Bereichen liegende T. „M1. I. “ eine beträchtliche Breite von (einschließlich der Gehwege) elf bis zwölf Metern aufweist. Dass die an dieser T. aufstehenden Gebäude teilweise erheblich zurückgesetzt sind, verstärkt noch den Eindruck einer deutlichen Zäsur zwischen den beiden Blöcken. Entscheidend ist aber auch hier vor allem, dass die Bebauungsstruktur in den Bereichen westlich und östlich der M1. I. sich grundlegend unterscheidet. Der östlich der M1. I. gelegene Block ist dadurch geprägt, dass durch eine von Osten und eine von Norden in ihn hineinführende öffentliche Stichstraße sowie mehrere private Stichwege Bebauung in jeder erdenklichen Tiefe ermöglicht und auch umgesetzt worden ist. Zusätzlich finden sich einzelne Gebäude in zweiter und dritter Reihe (z.B. M. T. xx, xx, xx). Das Ergebnis ist eine hochgradig verdichtete Bebauung mit einem geringen Anteil an begrünten Freiflächen. Wie bereits aufgezeigt, ist bei der Bebauung in dem Geviert westlich der M1. I. , zu dem das Grundstück der Klägerin gehört, das Gegenteil der Fall. Infolge dieses massiven Gegensatzes wirkt der östlich angrenzende Block nicht wie eine zwanglose Fortsetzung der um das Baugrundstück herum vorhandenen Bebauung, sondern wie ein eigenständiger Abschnitt mit eigenständiger städtebaulicher Struktur, der nicht mehr als prägende Umgebung des Baugrundstücks betrachtet werden kann.
43Vor diesem Hintergrund kann letztlich offenbleiben, ob sich in dem östlich angrenzenden Block überhaupt ein geeignetes Vorbild für das klägerische Bauvorhaben findet. Auch dies ist durchaus fraglich. Denn selbst das am ehesten in Betracht kommende Gebäude M. T. xx weist nach Lage der Dinge eine Bebauungstiefe von (knapp) unter 60 Metern auf und taugt daher wohl nicht als Vorbild für das rund 63,5 Meter tiefer Bauvorhaben der Klägerin, mag die gebotene Betrachtung auch in diesem Kontext nicht zentimetergenau sein. Die Gebäude H1.-straße xx und G.-weg xx bzw. xx wiederum liegen nicht an derselben Erschließungsanlage wie das Bauvorhaben.
44Dass sich in dem westlich an das streitgegenständliche Geviert anschließenden Bereich ein Vorbild für die geplante Bebauungstiefe nicht auffinden lässt, liegt auf der Hand.
45Beschränkt sich die maßgebliche nähere Umgebung somit auf den aus der M. T. , der M1. I. , der H1.-straße und der von dieser abzweigenden Stichstraße gebildeten Block um das Baugrundstück, fügt sich das Bauvorhaben der Klägerin nicht in diese Umgebung ein. Dabei kann offenbleiben, ob entsprechend dem oben aufgezeigten Grundsatz oder wegen des von der Beklagten hervorgehobenen Geländeversprungs nur die Bebauung an der M. T. in den Blick zu nehmen ist. Denn keines der im gesamten Block vorhandenen Gebäude erreicht eine Bebauungstiefe von auch nur annähernd 63,5 Metern. Dies gilt auch für das Gebäude H1.-straße xx. Der Auffassung der Klägerin, dass die Bebauungstiefe insoweit von der nördlich verlaufenden Haupttrasse der H1.-straße aus zu bestimmen ist, vermag die Kammer nicht zu folgen. Der von dieser Trasse nach Süden abzweigende Stich, an dem (unter anderem) das Gebäude Nr. xx liegt, kann nicht als unselbständige Zuwegung angesehen werden. Zwar verfügt dieser Stich nicht über einen eigenen Straßennamen. Es handelt sich aber um eine voll ausgebaute öffentliche Verkehrsfläche, die mit einer Fahrbahnbreite von rund sieben Metern sowie einem recht großzügigen Wendehammer (Begegnungs-) Verkehr mit nahezu jeder Art von Kraftfahrzeug ermöglicht und durch die eine Reihe von Wohngebäuden, Garagen und Gartengrundstücken erschlossen wird, darunter auch der größere Mehrfamilienhauskomplex H1.-straße xx/xx. Handelt es sich bei dem Stich somit um die maßgebliche Erschließungsanlage, so sind die Gebäude H1.-straße xx, xx und xx als Straßenrandbebauung mit einer Bebauungstiefe von nicht mehr als 40 Metern einzustufen. Für das Gebäude M1. I. xx/xx gilt nichts anderes.
46Das streitgegenständliche Bauvorhaben, das nach alledem mit seiner Bebauungstiefe den Rahmen der näheren Umgebung überschreitet, ist auch nicht ausnahmsweise zulässig, weil keinerlei städtebauliche Spannungen entstehen könnten. Allerdings können Vorhaben, die den durch die Umgebung gesetzten Rahmen nicht einhalten, im Einzelfall gleichwohl dem Erfordernis des Einfügens im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB genügen, wenn sie im Verhältnis zur Umgebung keine bewältigungsbedürftigen Spannungen begründen.
47Vgl. BVerwG, Urteile vom 26. Mai 1978 - 4 C 9.77 -, juris (Rn. 47), und vom 5. Dezember 2013 - 4 C 5.12 -, juris (Rn. 17); OVG NRW, Beschluss vom 1. Dezember 2010 - 7 A 2904/09 -, juris (Rn. 12).
48Dies lässt sich vorliegend indes nicht annehmen. Die Errichtung eines massiven Mehrfamilienhauses inmitten der bislang vorhandenen großzügigen Freiflächen würde die beschriebene Bebauungsstruktur des Gevierts massiv verändern, zumal mit ihm eine deutliche Vorbildwirkung für weitere Bauvorhaben im Inneren des Blocks verbunden wäre. Eine solche Veränderung geht über die mit der Planersatzvorschrift des § 34 BauGB bezweckten Entwicklungsmöglichkeiten hinaus; insoweit wäre ein bauleitplanerisches Tätigwerden des Rates der Beklagten angezeigt.
49Offenbleiben kann nach alledem, ob die von der Bauvoranfrage umfasste Anlegung von neun Stellplätzen und einer beinahe 40 Meter langen Zufahrt entlang der östlichen Grundstücksgrenze mit dem in § 34 BauGB enthaltenen planungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme vereinbar ist.
50Vgl. zu dem insoweit anzulegenden Maßstab OVG NRW, Urteil vom 26. April 2019 - 7 A 3284/17 -, juris (Rn. 32 ff.).
51Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
52Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 709 Zivilprozessordnung.
53Rechtsmittelbelehrung:
54Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
551. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
562. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
573. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
584. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
595. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
60Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, zu beantragen. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich einzureichen.
61Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
62Im Berufungsverfahren muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Berufung. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO.