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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
2Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung von Vergnügungssteuern für ihre Veranstaltung mit dem Titel „D. in the City Tour 2021/2022“ im I., G.-straße 20, W. vom 14. Oktober 2021.
3Mit Vergnügungssteuerbescheid vom 29. März 2019 setzte die Beklagte für die Veranstaltung der Klägerin mit dem Titel „D. F. Tour 2018/2019“ am 19. Februar 2019 Vergnügungssteuern i.H.v. 4.976,24 € fest. Diese Veranstaltung hatten zwei Außendienstmitarbeiter der Beklagten besucht.
4Die Beklagte verzichtete vom 1. April 2020 bis zum 31. Dezember 2021 auf die Erhebung von Vergnügungssteuern auf Tanzveranstaltungen gewerblicher Art i.S.v. § 2 Nr. 1 der Vergnügungssteuersatzung der Beklagten vom 16. Dezember 2005 in der Fassung der Ersten Änderungssatzung vom 24. August 2007. Dies begründete sie mit der besonderen Betroffenheit der in W. etablierten und vielfältigen Diskotheken- und Clubszene durch die coronabedingten Einschränkungen.
5Mit Schreiben vom 9. September 2021 forderte die Beklagte die Klägerin auf, die am 14. Oktober 2021 geplante Veranstaltung mit dem Titel „D. in the City Tour 2021/2022" im I., G.-straße 20, G01 W., zur Vergnügungssteuer anzumelden. Zur Begründung verwies sie auf die Vergnügungssteuerpflicht nach § 2 Nr. 2 der Vergnügungssteuersatzung der Beklagten vom 16. Dezember 2005 in der Fassung der Ersten Änderungssatzung vom 24. August 2007. Dort heißt es in § 2 Nr. 2:
6„Der Besteuerung unterliegen die in der Stadt W. veranstalteten nachfolgenden Vergnügungen:
7[…]
82. Schönheitstänze, Schaustellungen von Personen und Darbietungen ähnlicher Art mit beabsichtigter erotisierender Wirkung (z. B. Striptease, Peepshows, Tabledances);
9[…]“
10Die Klägerin führte am 14. Oktober 2021 die Veranstaltung mit dem Titel „D. in the City Tour 2021/2022“ durch. Mit Schreiben vom 3. November 2021 forderte die Beklagte die Klägerin auf, eine Auflistung der vereinnahmten Eintrittsentgelte unter Vorlage entsprechender Nachweise einzureichen und die Veranstaltung zur Vergnügungssteuer abzurechnen. Mit Schreiben vom 11. November und vom 26. November 2021 führte die Klägerin hierzu im Wesentlichen aus, dass die Veranstaltung eine Theatershow sei, die der Vergnügungssteuer nicht unterliege.
11Mit Bescheid vom 10. Dezember 2021 setzte die Beklagte gegenüber der Klägerin für die Veranstaltung vom 14. Oktober 2021 eine Vergnügungssteuer in Höhe von 3.545,00 € fest, wobei die Beklagte von 250 verkauften Karten, einem Gesamtentgelt i.H.v. 17.725,00 € und einem Steuersatz i.H.v. 20 % ausging. Die Schätzung erfolge gemäß § 2 Nr. 2 i.V.m. § 25 der Vergnügungssteuersatzung. Die Kartenzahl sei von einem RuhrCongress-Mitarbeiter geschätzt worden.
12Mit Schreiben vom 6. Januar 2022 erhob die Klägerin dagegen Widerspruch. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass es sich bei der „D. Theatershow“ um keine Veranstaltung i.S.v. § 2 Nr. 2 der Vergnügungssteuersatzung handele. Vielmehr handele es sich um eine ausschließlich bestuhlte Theatervorführung, bei der professionelle Entertainer, Tänzer, Akrobaten und Sänger (wie Marc Terenzi, Michael Wendler oder Daniel Lopez) auf der Bühne stünden. Es stehe nicht die Zurschaustellung des menschlichen Körpers im Vordergrund, sondern die Akrobatik, der Tanz und die Gesangseinlagen gäben der Show das Hauptgepräge. Umfragen bei den Zuschauern hätten bestätigt, dass die Zuschauer die Show nicht als Schönheitstanz oder Darbietungen ähnlicher Art mit erotisierender Wirkung ansähen. Auch das Finanzamt X. habe ursprünglich in der D.-Show nur eine Stripteaseshow gesehen und den vergünstigten Steuersatz bei der Umsatzsteuer versagen wollen. Im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung habe das Finanzamt X. dann aber eingeräumt, dass die Sichtung von Internetseiten bzgl. der D.-Show allein nicht für die Beurteilung des Sachverhalts ausgereicht habe, um zu entscheiden, ob eine künstlerische Show oder eine Stripteaseshow vorliege. Nach intensiver Prüfung habe das Finanzamt den vergünstigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 7a) UStG für „die Eintrittsberechtigungen für Theater, Konzerte und Museen sowie den Theatervorführungen und Konzerten vergleichbaren Darbietungen ausübender Künstler” gewährt. Entscheidend sei dabei gewesen, dass es sich hierbei um künstlerische Vorführungen handele, die nach einer ausgearbeiteten Choreografie verschiedene Elemente aus Akrobatik, Tanz und Gesangseinlagen mit verschiedenen Künstlern aus diesen Bereichen zu einer Unterhaltungsshow zusammenführe. Im Vordergrund stehe die künstlerische Unterhaltung des Publikums und keinesfalls die Schaustellung von Personen oder die Vorführung von Striptease, Peepshows oder Tabledance. Dies werde auch an dem großen Aufwand deutlich, der für die Entwicklung und Durchführung der Shows betrieben werde. Zudem fehle dem Bescheid die nach § 121 Abs. 1 AO erforderliche Begründung. Es liege auch ein Verstoß gegen den Untersuchungsgrundsatz nach § 88 AO vor, da eine Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt nicht erfolgt sei.
13Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 2022, zugestellt am 26. Januar 2022, wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass die Veranstaltung der Vergnügungssteuerpflicht unterliege, da die von den Protagonisten erbrachte Darbietung durch Haltungen, Stellungen, Bewegungen und Verwendung von Requisiten unzweifelhaft eine erotisierende Wirkung auf die Betrachter beabsichtige. Von Darbietungen ähnlicher Art sei auszugehen, wenn die Veranstaltung bezogen auf den Zweck, für den die Besucher den steuerpflichtigen Aufwand erbringen, mit Schönheitstänzen, respektive Schaustellung von Personen, vergleichbar sei. Die von den Darstellern beabsichtigte erotisierende Wirkung sei vergleichbar mit den in der Satzung genannten „klassischen“ erotischen Darbietungen. Die Veranstaltung sei auch nicht mit einem Theater oder Musical vergleichbar, da der erotische Charakter die prägende Hauptwirkung der Show sei. Ein gewisser Rahmen aus Gesang, Tanz und Akrobatik ändere hieran nichts. Die Auftritte der D. erhielten ihr entscheidendes Gepräge dadurch, dass es sich um eine „moderne Spielart des Striptease“ handele. Eine entsprechende Erwartungshaltung werde bei potentiellen Besuchern der Show bereits durch die Werbung in den Medien seitens der Klägerin geschaffen. Darüber hinaus sei die erotisierende Absicht anhand diverser Fotos in den sozialen Medien (Homepage V..com, Facebook, Instagram) und Videosequenzen (z.B. YouTube) unschwer zu erkennen. Diese würden sich im Gesamtkonzept der Show wiederspiegeln, bei der die Choreografie, Beleuchtung und Kostüme die Protagonisten in Szene setzen würden. Die erfolgten Kontrollen durch den Steuerprüfdienst der Beklagten habe dokumentiert, dass die Werbung für die Show mit deren Inhalt im Einklang stehe. Da es sich um kommunales Satzungsrecht handele, habe auch die umsatzsteuerrechtliche Bewertung des Finanzamtes X. keinen Einfluss auf die Vergnügungssteuerpflicht der Veranstaltung in W.. Die Vergnügungssteuersatzung verstoße in § 2 Abs. 2 Ziff. 2 auch nicht gegen das Bestimmtheitsgebot, da der unbestimmte Rechtsbegriff „Darbietungen ähnlicher Art mit beabsichtigter erotisierender Wirkung“ insbesondere durch die Voranstellungen des Striptease, des Tabledance und der Schaustellung von Personen hinreichend umschrieben werde. Vorliegend habe die Beklagte den Sachverhalt umfangreich ermittelt, sodass ein Verstoß gegen den Untersuchungsgrundsatz nach § 88 AO nicht gegeben sei. Der Bescheid genüge auch den Begründungsanforderungen des § 12 Abs. 1 Nr. 3b) KAG in Verbindung mit § 121 AO, da die Ausnahme von dem Begründungserfordernis gem. § 121 Abs. 2 Nr. 2 AO greife. Die Auffassung des Amtes für Finanzsteuerung über die Sach- und Rechtslage sei der Klägerin bereits vor Erlass des angegriffenen Bescheides bekannt gewesen. Neben ausführlichen Gesprächen zur Vergnügungssteuerpflicht und dem bisherigen Schriftverkehr sei am 19. Februar 2019 seitens des Steuerprüfdienstes eine Kontrolle vor Ort erfolgt. Im Rahmen dieser Kontrolle sei dem Geschäftsführer unmissverständlich erläutert worden, dass eindeutige Elemente vorhanden seien, die eine Heranziehung zur Vergnügungssteuer rechtfertigen würden (z.B. Ausziehen und Tanz auf erotische Art und Weise).
14Die Klägerin hat am 18. Februar 2022 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie ergänzend vor, die Veranstaltung sei als Theateraufführung anzusehen und somit nicht mit Schönheitstänzen, Schaustellungen von Personen und Darbietungen ähnlicher Art mit beabsichtigter erotisierender Wirkung (z. B. Striptease, Peepshows, Tabledances) vergleichbar. Die Beklagte verkenne, dass in der streitgegenständlichen Vergnügungssteuersatzung Anhaltspunkte dafür enthalten seien, dass es auf den Gesamtcharakter der Veranstaltung ankomme. Der Steuertatbestand enthalte die Formulierung „Darbietungen ähnlicher Art mit beabsichtigter erotisierender Wirkung (z.B. Striptease, Peepshows, Tabledances)“. Hierdurch werde deutlich, dass nicht jedes Ausziehen und jede Darstellung des menschlichen Körpers gleich zu bewerten seien. Der erotische Aspekt müsse im Vordergrund stehen, auf diesen müsse es dem Veranstalter und Betrachter gerade ankommen. Das bloße Auftreten einer erotischen Wirkung als Nebenfolge von Bewegung und dem Aussehen der Künstler reiche insoweit nicht aus. Bei den beispielhaft benannten Veranstaltungen stehe der erotische Charakter im Vordergrund und sei deren Hauptzweck, sodass nur solche Veranstaltungen vergleichbar sein könnten, deren Hauptzweck ebenfalls auf eine erotische Wirkung abziele. Die Veranstaltung der Klägerin sei mit einem modernen Musical gleichzusetzen und nicht mit einem Striptease oder einer Peepshow. Bei der klägerischen Veranstaltung stünden Tanz, Musik und Akrobatik im Vordergrund. Ein anderes Verständnis führe letztlich dazu, dass jede Veranstaltung, in der auch nackte Haut zu sehen ist, der Vergnügungssteuer unterfiele, was nahezu jede moderne Theateraufführung und moderne Tanzdarbietung beträfe. Dies dehne aber den mit der Steuer verfolgten Zweck in unzulässiger Weise aus. Wegen des Ausnahmecharakters der Aufwandssteuer nach Art. 105 Abs. 2a GG sei der unbestimmte Rechtsbegriff eng auszulegen. Angesichts der erotisierenden Wirkungen in allen Bereichen der Kunst sei der Tatbestand der streitgegenständlichen Satzung zu unbestimmt und führe somit zu einer Ungleichbehandlung, die gegen Art. 3 GG verstoße. Zudem werde die Klägerin mit ihrer Art der Kunst durch die Steuerpflicht in ihrer Kunstfreiheit beschränkt, da durch die notwendigerweise höheren Eintrittspreise die Gefahr bestehe, nicht mehr alle Interessenten ansprechen zu können. Die Kunstfreiheit müsse bei der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe der Satzung berücksichtigt werden, um eine Steuergerechtigkeit herzustellen. Schließlich verstoße die Erhebung der Vergnügungssteuer für die Veranstaltung der Klägerin gegen Art. 3 GG, da die Beklagte die Erhebung von Vergnügungssteuern für Tanzveranstaltungen aufgrund der pandemiebedingten Situation bis Ende 2021 ausgesetzt habe, die Klägerin aber in gleichem Maße von der Pandemie und ihren Beschränkungen betroffen sei wie ein Veranstalter einer Tanzveranstaltung. Ein sachlicher Differenzierungsgrund sei nicht gegeben, sodass eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung gegeben sei. Ferner genüge der angefochtene Bescheid entgegen der Annahme der Beklagten nicht dem Begründungserfordernis. Die Beklagte unterlasse es, die Grundlagen für die vorgenommene Schätzung mitzuteilen. Eine Besteuerung könne im Übrigen aufgrund der tatsächlichen Einnahmen der Klägerin nur auf der Grundlage eines Betrages i.H.v. 11.831,30 € erfolgen.
15Die Klägerin beantragt (schriftsätzlich),
16den Vergnügungssteuerbescheid der Beklagten vom 10. Dezember 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2022 aufzuheben.
17Die Beklagte beantragt (schriftsätzlich),
18die Klage abzuweisen.
19Zur Begründung nimmt sie Bezug auf ihren Widerspruchsbescheid und trägt ergänzend vor, die Begründung eines Schätzungsbescheides dürfe sich auf die Angaben der Besteuerungsgrundlagen, also des Schätzungsergebnisses beschränken und es seien keine weiteren Ausführungen dazu erforderlich, warum bestimmte Schätzungsgrundlagen angenommen worden seien. Der von der Klägerin geltend gemachte Verstoß gegen Art. 3 GG liege nicht vor. Zwar sei die Klägerin möglicherweise von der Pandemie in einem vergleichbaren Maße betroffen wie Veranstalter von Tanzveranstaltungen gewerblicher Art nach § 2 Nr.1 der Vergnügungssteuersatzung, bei denen die Beklagte die Erhebung von Vergnügungssteuern im Hinblick auf die pandemiebedingte Situation zeitlich befristet ausgesetzt hat. Pandemiebedingte Beschränkungen und damit verbundene Einnahmeverluste seien in der zurückliegenden Zeit in praktisch jedem der Vergnügungssteuersatzung unterfallenden Bereich zu verzeichnen gewesen. Ein Anspruch jedweder Betroffener auf eine Aussetzung der Vergnügungssteuer lasse sich rechtlich daraus indes nicht herleiten. Die von der Beklagten vorgenommene Beschränkung auf die Besteuerung von Tanzveranstaltungen gewerblicher Art nach § 2 Nr. 1 Vergnügungssteuersatzung, den Erhalt der etablierten und vielfältigen Diskotheken- und Clubkultur in der Stadt W. zu fördern. Veranstaltungen mit erotisierendem Charakter nach § 2 Nr. 2 Vergnügungssteuersatzung seien – ebenso wie andere Vergnügungen nach § 2 Vergnügungssteuersatzung – nicht befreit worden und unterlägen damit weiterhin der Besteuerung. Die vorgenommene Differenzierung sei angesichts des völlig anderen Charakters der Veranstaltungen der Klägerin, die nach eigenen Angaben als Strip-Shows im Zuge einer Tour über das Jahr verteilt in ganz Deutschland stattfänden, nicht zu beanstanden.
20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens, des Verfahrens 5 K 2251/22 sowie auf die jeweils beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
21Entscheidungsgründe:
22Das Gericht entscheidet gemäß § 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ‑ VwGO ‑ trotz des Ausbleibens der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung. Auf diese Möglichkeit sind die Beteiligten mit der Ladung hingewiesen worden.
23Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
24Der Vergnügungssteuerbescheid der Beklagten vom 10. Dezember 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2022 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
25Rechtsgrundlage ist die Vergnügungssteuersatzung der Beklagten vom 16. Dezember 2005 in der Fassung der Ersten Änderungssatzung vom 24. August 2007 (im Folgenden: VStS).
26Nach § 2 Nr. 2 VStS erfüllen die Veranstaltung von Schönheitstänzen, Schaustellungen von Personen und Darbietungen ähnlicher Art mit beabsichtigter erotisierender Wirkung (z. B. Striptease, Peepshows, Tabledances) den Tatbestand der Vergnügungssteuerpflicht.
27In der Rechtsprechung des Gerichts und des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) ist geklärt, dass die vorgenannte Vergnügungssteuersatzung der Beklagten nicht gegen höherrangiges Recht verstößt.
28Vgl. für das Satzungsgebiet VG Gelsenkirchen, Urteil vom 14. August 2008 – 2 K 4123/08 –, juris; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteile vom 23. November 2010 – 14 A 2442/08 und 14 A 2444/08 –, juris; dies bestätigend Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 26. Oktober 2011 – 9 B 16.11 –, juris.
29Insbesondere ist entgegen der Ansicht der Klägerin der Steuergegenstand in § 2 Nr. 2 VStS trotz der Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs „Darbietungen ähnlicher Art mit beabsichtigter erotisierender Wirkung“ hinreichend bestimmt definiert und genügt sowohl dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 20 Abs. 3 GG) als auch dem einfachgesetzlichen Gebot in § 2 Abs. 1 KAG NRW, dass die Satzung den die Abgabe begründenden Tatbestand angeben muss. Rechtsstaatliche Grundsätze verwehren es dem Satzungsgeber nicht, im Abgabenbereich unbestimmte Rechtsbegriffe zu verwenden. Die Ausfüllung unbestimmter Gesetzesbegriffe auf Grund richtungsweisender aus dem Gesetz sich ergebender Gesichtspunkte ist eine herkömmliche und anerkannte Aufgabe der Rechtsanwendung. Dabei kann dem Gebot der gleichmäßigen steuerlichen Belastung, wie es sich aus dem Prinzip der Steuergerechtigkeit ergibt (Art. 3 Abs. 1 GG), vielleicht sogar noch besser entsprochen werden, wenn in Normen unbestimmte Rechtsbegriffe anstatt aufgezählter Fallgruppen verwendet werden.
30Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 10. Oktober 1961 – 2 BvL 1/59 –, juris; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 3. Juli 2014 – 2 S 3/14 –, juris.
31In diesem Sinne werden im Tatbestand des § 2 Nr. 2 VStS einerseits einige typische Fälle benannt und dann ergänzend als Auffangtatbestand ein unbestimmter Rechtsbegriff verwendet. Dabei ist nach Auffassung der Kammer die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „Darbietungen ähnlicher Art mit beabsichtigter erotisierender Wirkung“ durch die Voranstellung von Schönheitstänze und Schaustellungen von Personen sowie durch die beispielhafte Aufzählung der Veranstaltungen des Striptease, der Peepshows und des Tabledances im Klammerzusatz hinreichend umschrieben.
32Siehe zu § 2 Nr. 2 des Gesetzes über die Vergnügungssteuer in Nordrhein-Westphalen vom 13. Juni 1988 und den Begriffen „Schönheitstänze und Darbietungen ähnlicher Art“ VG Arnsberg, Urteil vom 5. September 1978 – 5 K 1827/77 –, juris; OVG NRW, Urteile vom 9. Mai 1996, – 22 A 5714/95 –, und vom 4. Mai 1995, 22 A 279/95.
33Die Veranstaltung mit dem Titel „D. in the City Tour 2021/2022“ am 14. Oktober 2021 ist eine Darbietung ähnlicher Art mit beabsichtigter erotisierender Wirkung i.S.v. § 2 Nr. 2 VStS und damit vergnügungssteuerpflichtig. Denn unter Bezugnahme auf die in § 2 Nr. 2 VStS beispielhaft genannten Veranstaltungen des Striptease, der Peepshows und Tabledances liegt eine Darbietung ähnlicher Art mit beabsichtigter erotisierender Wirkung dann vor, wenn diese zumindest einen nicht unerheblichen erotischen Charakter hat, zum Beispiel, wenn sich die Akteure während eines Tanzes entkleiden oder nur spärlich gekleidet sind und es bei der Darbietung vordergründig um die Inszenierung der Körper geht.
34So auch VG Leipzig, Urteil vom 7. Februar 2017, – 6 K 1910/14 –, juris.
35Die erotisierende Wirkung auf den Betrachter soll dabei durch auf die Erreichung dieses Zwecks abgestimmte Formen von Haltung, Stellung, Bewegung und Verwendung von Requisiten der sich darbietenden Personen ausgelöst werden.
36Vgl. VG Arnsberg, Urteil vom 5. September 1978 – 5 K 1827/77 –, Rn. 37, juris; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 2. November 2000, – 16 K 2562/98 –.
37Bei der Auslegung des Steuertatbestandes ist auch die mit der Veranstaltung verbundene und die Teilnahme auslösende Erwartung des Veranstaltungsbesuchers zu berücksichtigen, da die Vergnügungssteuer nach ihrem Zweck als Aufwandsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a GG die in der Einkommensverwendung für die Teilnahme an einer Vergnügung zum Ausdruck kommende erhöhte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Vergnügungssuchenden erfassen will. Die Erwartungshaltung des Veranstaltungsbesuchers wird geprägt durch die anhand objektiver Kriterien erkennbare tatsächliche Gestaltung der Veranstaltung, wie etwa die Werbung, die Art und Weise der zu erwartenden Darbietung und die sonstigen äußeren (Rahmen-)Bedingungen.
38Vgl. OVG NRW Urteil vom 11. Dezember 1991 – 22 A 858/91–, NVwZ-RR 1992, 580.
39Gemessen an diesen Maßstäben bildet die beabsichtigte erotisierende Wirkung bei der „D. in the City Tour 2021/2022“ am 14. Oktober 2021 aus den nachfolgenden Gründen den bestimmenden Charakter der Veranstaltung:
40Schon der Titel „D. in the City Tour“, unter dem für die Veranstaltung geworben wurde, zeigt, dass es bei der Darbietung vordergründig um die Inszenierung (männlicher) Körper geht. In der Bewerbung der konkreten Veranstaltung ist auch ausdrücklich von den „[…] heißesten Männern Europas […], […] nackte[r] Männerhaut […] und […] begehrten Stripper[ n] […]“ die Rede (Bl. 36 d. Beiakte). Hinzu kommt, dass sich die ausschließlich männliche Gruppe der D. explizit an Frauen wendet (vgl. Bl. 36 und Bl. 46 d. Beiakte). An der beabsichtigten erotisierenden Wirkung bestehen nach Ansicht der Kammer auch aufgrund der Berichte des Außendienstes der Beklagten zu den ähnlich gelagerten Veranstaltungen am 19. Februar 2019 und am 24. Februar 2022, der im Internet verfügbaren Zeitungsberichte und Videosequenzen sowie des Internetauftritts der Klägerin keine Zweifel.
41Dass der Show eine aufwändige Choreografie zugrunde liegt und auch verschiedene Elemente aus Akrobatik, Tanz und Gesangseinlagen mit verschiedenen Künstlern wichtige Elemente der Darbietung sind, ändert den die Show prägenden erotischen Charakter nicht. Insbesondere ist die Veranstaltung entgegen der Ansicht der Klägerin wohl kaum mit einem modernen Musical vergleichbar, bei dem viel „nackte Haut“ gezeigt wird. Das Musical ist eine in der Regel in zwei Akten aufgeführte Form populären Musiktheaters, die Gesang, Tanz, Schauspiel/Dialog und Musik in einem durchgängigen Handlungsrahmen verbindet,
42vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Musical, abgerufen am 28. November 2023.
43Bei einem Musical entsprechend der vorgenannten Definition ist in der Regel davon auszugehen, dass die Darbietungen mit beabsichtigter erotisierender Wirkung den Gesamtcharakter der Veranstaltung nicht in einer solchen Weise bestimmen, dass sie dieser das Gepräge verleihen. Aber selbst wenn die Veranstaltung der Klägerin noch als Musical anzusehen wäre, obwohl hier nicht das für ein Musical typische Schauspiel und der Gesang der Hauptdarsteller im Vordergrund stehen, welche in einem durchgängigen Handlungsrahmen verbunden sind, änderte dies im Ergebnis nichts, da die beabsichtigte erotisierende Wirkung der Veranstaltung gleichwohl zur Steuerpflicht führt. Dass nach den Angaben der Klägerin das Finanzamt X. den vergünstigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 7 lit. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) für „die Eintrittsberechtigungen für Theater, Konzerte und Museen sowie den Theatervorführungen und Konzerten vergleichbaren Darbietungen ausübender Künstler” gewährt hat, ändert an der vergnügungssteuerrechtlichen Bewertung der Veranstaltung nichts. Es handelt sich um unterschiedliche steuerbegründende Tatbestände, deren normative Voraussetzungen unabhängig voneinander zu prüfen sind. Ob ein Musical oder ein Theaterstück je nach konkreter Ausgestaltung dem Vergnügungssteuertatbestand der Darbietungen ähnlicher Art mit beabsichtigter erotisierender Wirkung unterfällt, ist eine Frage des Einzelfalls.
44Auch die Tatsache, dass es sich bei der „D. in the City Tour 2021/2022“ um eine hochprofessionelle Veranstaltung handelt, steht einer vergnügungssteuerpflichtigen Veranstaltung nicht entgegen. Die Frage, ob eine Veranstaltung der Vergnügungssteuer unterfällt, beurteilt sich nämlich nicht nach dem Aufwand für die Vorbereitung und die Durchführung der Veranstaltung, sondern allein nach dem Inhalt der Veranstaltung und dessen Schwerpunkt, der hier erotischer Natur gewesen ist.
45Vgl. VG Leipzig, Urteil vom 7. Februar 2017, – 6 K 1910/14 –, juris.
46Für den Vortrag der Klägerin, die Beklagte habe gegen den Untersuchungsgrundsatz nach § 88 AO verstoßen, fehlen angesichts der weitreichenden Sachverhaltsermittlungen der Beklagten jegliche Anhaltspunkte. Hierfür trägt die Klägerin auch nichts Substantielles vor. Entgegen der klägerischen Ansicht ist die Beklagte insbesondere nicht verpflichtet gewesen, jede Veranstaltung, für die sie Vergnügungssteuer festsetzt, selbst zu besuchen, um die Vergnügungssteuerpflicht beurteilen zu können.
47Es liegt ferner nicht der geltend gemachte Verstoß gegen § 12 Abs. 1 Nr. 3b) KAG in Verbindung mit § 121 AO vor. Danach ist ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen, soweit dies zu seinem Verständnis erforderlich ist. Die Behörde kann sich darauf beschränken, die ihre Entscheidung – d.h. den Tenor des Verwaltungsakts – maßgebend tragenden Erwägungen bekannt zu geben. Dabei ist das Maß der erforderlichen Begründung jeweils im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen individuellen Verständnisfähigkeit des Inhaltsadressaten oder Betroffenen zu bestimmen. Nicht erforderlich ist, dass die Begründung inhaltlich zutreffend ist. Unabhängig davon, ob vorliegend die ursprüngliche Begründung des Bescheides ausreichend war, wäre ein Verstoß jedenfalls nach § 126 Abs. 1 Nr. 2 AO unbeachtlich, da eine ausführliche Begründung im Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 20. Januar 2022 erfolgte. Im Übrigen hat die Beklagte auch entgegen dem Vorbringen der Klägerin die Grundlage ihrer Schätzung in der Anlage zum Bescheid vom 10. Dezember 2021 mitgeteilt (Bl. 19 d. GA).
48Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Höhe der Vergnügungssteuer fehlerhaft ermittelt hätte, sind nicht ersichtlich. Insbesondere lassen die Grundlage der Schätzung (Befragung eines bei der Veranstaltung anwesenden Projektleiters) und deren Höhe keine Rechtsfehler erkennen. Die Beklagte war insbesondere nach § 25 Abs. 1 VStS zur Schätzung berechtigt. Die Veranstaltung wäre bis spätestens drei Werktage vor deren Beginn bei der Beklagten anzumelden gewesen, § 22 Abs. 1 VStS. Da dies nicht geschah und die Klägerin die für die Festsetzung der Vergnügungssteuer erforderlichen Grundlagen auch trotz Aufforderung durch die Beklagte nicht vor Abschluss des Widerspruchsverfahrens mitteilte, ist die Schätzung rechtmäßig. Die nunmehr im Klageverfahren vorgetragenen Verkaufszahlen sind – da der entscheidungserhebliche Zeitpunkt der Beurteilung der Sach- und Rechtslage vorliegend der Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung ist – nicht mehr zu berücksichtigen.
49Schließlich liegt in der Erhebung der Vergnügungssteuer kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil die Beklagte pandemiebedingt die Vergnügungssteuer für Tanzveranstaltungen gewerblicher Art nach § 2 Nr. 1 VStS für das Jahr 2021 ausgesetzt hat. Die von der Beklagten vorgenommene Beschränkung der Aussetzung auf die Besteuerung von Tanzveranstaltungen gewerblicher Art nach § 2 Nr. 1 VStS ist rechtlich nicht zu beanstanden. Ziel ist es ausdrücklich, den Erhalt der etablierten und vielfältigen Diskotheken- und Clubkultur in der Stadt W. zu fördern, sodass ein legitimes Differenzierungsziel vorliegt.
50Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2 und 711 der Zivilprozessordnung.