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Der Begriff des Zuständigkeitsbereichs der Behörde in § 52 Nr. 4 Satz 2 VwGO stellt auf den der Behörde auf Grundlage der staatlichen Gliederung und Verwaltungsorganisation jeweils generell zugewiesenen Verwaltungsbezirk und nicht auf die im Einzelfall gegebene örtliche Zuständigkeit für die dienstrechtliche Maßnahme ab.
Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen erklärt sich für örtlich unzuständig und verweist den Rechtsstreit an das gemäß § 52 Nr. 4 Satz 2 VwGO örtlich zuständige Verwaltungsgericht Münster.
Die Kostenentscheidung bleibt gemäß § 17 b Abs. 2 GVG der Endentscheidung vorbehalten.
Gründe:
2Der Rechtsstreit ist von Amts wegen nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 83 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes an das gemäß § 52 Nr. 4 Satz 2 VwGO i. V. m. § 17 Nr. 7 des Justizgesetzes Nordrhein-Westfalen örtlich zuständige Verwaltungsgericht Münster zu verweisen.
3Gemäß § 52 Nr. 4 Satz 1 VwGO ist für alle Klagen aus einem gegenwärtigen oder früheren Beamtenverhältnis oder für Streitigkeiten, die sich auf die Entstehung eines solchen Verhältnisses beziehen, das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Kläger oder Beklagte seinen dienstlichen Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Wohnsitz hat. Hat der Kläger oder Beklagte keinen dienstlichen Wohnsitz oder keinen Wohnsitz innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Behörde, die den ursprünglichen Verwaltungsakt erlassen hat, ist gemäß § 52 Nr. 4 Satz 2 VwGO das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk diese Behörde ihren Sitz hat.
4Der Begriff des „Zuständigkeitsbereichs der Behörde“ in § 52 Nr. 4 Satz 2 VwGO stellt, wie auch § 13 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 der Beihilfenverordnung Nordrhein-Westfalen - BVO NRW -, auf den der Behörde auf Grundlage der staatlichen Gliederung und Verwaltungsorganisation jeweils generell zugewiesenen Verwaltungsbezirk und nicht auf die im Einzelfall gegebene örtliche Zuständigkeit für die dienstrechtliche Maßnahme ab. Diese Auslegung führt zwar dazu, dass die Norm in Fällen, in denen der erlassenden Behörde kein räumlicher Bezirk für die Wahrnehmung ihrer Verwaltungsaufgaben zugewiesen ist, wie es z. B. bei Universitäten der Fall ist, unanwendbar bleibt,
5vgl. VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 26. April 2025 - 3 K 2210/15 -, n. v.
6Sie vermeidet aber im Gegensatz zu der Auffassung, der zufolge der Zuständigkeitsbereich der Behörde im Sinne von § 52 Nr. 4 Satz 2 VwGO mit der behördlichen Entscheidungszuständigkeit in der jeweiligen dienstrechtlichen Angelegenheit zusammenfällt und somit nicht räumlich, sondern im Sinne einer personalen Bindung zwischen Dienstherrn und Beamten aufzufassen ist,
7vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Oktober 2002 - 2 C 37.00 -, juris, Rn.12, Beschlüsse vom 11. Juni 1981 - 2 ER 401/81 -, und vom 16. April 1970 - VIII C 146.67 -, BVerwGE 34, 141; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 22. Januar 2007 - 12 K 3825/06 -, juris, Rn. 9 ff.; VG Wiesbaden, Beschluss vom 23. September 1998 - 8 E 735/98 (V) -, juris,
8deren fast vollständiges Leerlaufen und ist deshalb vorzuziehen. Sie ist zudem vom Normzweck des § 52 Nr. 4 VwGO getragen. Danach ist zwar auf die leichte Erreichbarkeit des Gerichtsortes für den Beamten „Bedacht zu nehmen“.
9Vgl. BT-Drucks 3/1094; BVerwG, Beschluss vom 19. Juli 1979 - 6 ER 400/79 -, juris, Rn. 8.
10Hätte der Gesetzgeber diesem Interesse des Beamten aber stets den Vorzug geben und den Gerichtsstand ausnahmslos an dem dienstlichen oder bürgerlichen Wohnsitz ausrichten wollen, hätte es der Regelung in § 52 Nr. 4 Satz 2 VwGO nicht bedurft. Die hier vertretene Auslegung vermeidet ferner das in der zitierten Gegenauffassung angelegte Problem der länderübergreifenden Gerichtszuständigkeiten.
11Vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 11. Juni 1981 - 2 ER 401/81 -, juris, Rn. 5, m.w.N.; VG Düsseldorf, Urteil vom 1. Juli 2011 - 13 K 3619/10 -, juris, Rn. 33.
12Die Voraussetzungen des § 52 Nr. 4 Satz 2 VwGO sind nach Maßgabe dieser Gesetzesauslegung vorliegend erfüllt. Die Klägerin verfügt weder über einen dienstlichen Wohnsitz noch - was offenkundig ist - einen bürgerlichen Wohnsitz innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Bezirksregierung Münster, die den vorliegend angegriffenen Ablehnungsbescheid erlassen hat.
13Die Klägerin hat ihren dienstlichen Wohnsitz in E. . Der dienstliche Wohnsitz des Beamten wird nach § 15 des Bundesbesoldungsgesetzes näher definiert als der Ort, an dem die Behörde oder Dienstelle ihren Sitz hat. Die Dienststelle bezeichnet die den Dienstposten des Beamten einschließende – regelmäßig eingerichtete – kleinste organisatorisch abgrenzbare Verwaltungseinheit, der ein örtlich und sachlich bestimmtes (Teil-) Aufgabengebiet zugewiesen ist.
14Vgl. W. R. Schenke, in: Kopp/Schenke, Kommentar zur VwGO, 28. Aufl., 2022, § 52 Rn. 17; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 9. Oktober 1998 - 10 A 11390/98 -, juris.
15Die Klägerin ist bei der in E. angesiedelten Dienststelle der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen - HSPV NRW -, deren Hauptstandort/Sitz H. ist, beschäftigt. Der Standort in E. erfüllt offensichtlich die vorgenannten Voraussetzungen eines dienstlichen Wohnsitzes im Sinne des § 52 Nr. 4 VwGO und liegt auch nicht in dem der Bezirksregierung Münster zugewiesenen Verwaltungsbezirk.
16Dass die Bezirksregierung Münster gemäß § 13 Ab. 1 Satz 3 Nr. 2 BVO NRW für die Beihilfeangelegenheiten der Klägerin weiterhin zuständig ist, bewirkt nach dem oben Gesagten keine Ausweitung ihres Zuständigkeitsbereichs im Sinne der lediglich den Gerichtsstand bestimmenden Vorschrift des § 52 Nr. 4 Satz 2 VwGO.
17Rechtsmittelbelehrung:
18Der Beschluss ist unanfechtbar, § 83 Satz 2 VwGO.