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1. Die aufschiebende Wirkung der Klage 17 K 1782/23 des Antragstellers gegen die Ordnungsverfügung des Polizeipräsidiums E. vom 28. April 2023 wird wiederhergestellt.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
2Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat Erfolg.
3Die gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Gunsten des Antragstellers aus. Das private Interesse des Antragstellers an dem einstweiligen Nichtvollzug der streitigen Meldeauflage überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung. Ein gegenüber den persönlichen Belangen des Betroffenen überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung wird regelmäßig dann angenommen, wenn der zu beurteilende Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig und ein besonderes Vollzugsinteresse gegeben ist, während ein überwiegendes Interesse des Betroffenen am Nichtvollzug in der Regel zu bejahen ist, wenn sich der Verwaltungsakt als offensichtlich rechtswidrig erweist. Ist die Verfügung weder offensichtlich rechtmäßig noch offensichtlich rechtswidrig, ist eine Abwägung der sonstigen betroffenen öffentlichen und privaten Interessen vorzunehmen.
4Bei der im vorstehenden Verfahren aus Zeitgründen nur möglichen summarischen Prüfung erweist sich die angefochtene polizeiliche Meldeauflage vom 28. April 2023 als (offensichtlich) rechtswidrig mit der Folge des Überwiegens des Interesses des Antragstellers am einstweiligen Nichtvollzug der verfügten Maßnahme.
5Dabei kann offen bleiben, ob die offensichtliche Rechtswidrigkeit der streitigen Maßnahme bereits aus der fehlenden Anhörung des Antragstellers folgt. Die auf der Rechtsgrundlage des § 8 Abs. 1 PolG NRW erlassene Meldeauflage kann jedenfalls deshalb keinen rechtlichen Bestand haben, weil die Anwendung der polizeilichen Generalklausel mit Blick auf die speziellere bundesrechtliche Regelung in §§ 7 und 8 PassG hier ausgeschlossen ist. Diese Vorschriften sind u.a. abschließend, soweit die Ausreise eines Bundesbürgers zur Abwehr einer Gefahr für die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland verhindert werden soll (s. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG). Zu den sonstigen Belangen im vorgenannten Sinn gehört auch das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland.
6Vgl. Beimowski/Gawron, Passgesetz, Personalausweisgesetz, Kommentar, § 7 PassG, Rdnr. 25 m.w.N.; Hornung/Möller, Passgesetz, Personalausweisgesetz, Kommentar, § 7, Rdnr. 12.
7Da die angefochtene Polizeiverfügung nach ihrer Begründung ausschließlich den Zweck verfolgt, die Ausreise des Antragstellers zu verhindern, um das internationale Ansehen der Bunderepublik Deutschland zu schützen (vgl. Seite 4, 7, 8 und 11 der Verfügung vom 28. April 2023) und nicht, wie es auf der Grundlage des § 8 PolG NRW zulässig wäre, um den Antragsteller von Straftaten abzuhalten, missachtet sie mit dieser Schutzrichtung den Anwendungsvorrang der einschlägigen passrechtlichen Vorschriften mit der Folge ihrer Rechtswidrigkeit.
8Vgl. zum Vorstehenden: BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2007 - 6 C 39/06 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21. März 2006 - 1 B 704 - , juris; VGH Baden-Württember, Beschluss vom 14. Juni 2020 - 1 S 1271/00 -, juris; VG Stuttgart, Beschluss vom 28. September 2005 - 11 K 3156/05 -, juris; Möstl/Kugelmann, Polizei- und ordnungsrecht Nordrhein-Westfalen, Kommentar, § 8 PolG, Rdnr. 43 ff.
9Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
10Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2 Var. 2, 52 Abs. 1 und 2 Gerichtskostengesetz. Dabei wird wegen des die Hauptsache vorwegnehmenden Charakters des vorliegenden Verfahrens der auch im Hauptsacheverfahren anzusetzende Streitwert von 5.000 Euro zugrunde gelegt.
11Rechtsmittelbelehrung:
12Gegen den Beschluss zu 1. steht den Beteiligten die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster zu.
13Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Beschlusses schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, einzulegen. Sie ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
14Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
15Im Beschwerdeverfahren gegen den Beschluss zu 1. muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO.
16Gegen den Beschluss zu 2. findet innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
17Die Beschwerde ist schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen einzulegen. Über sie entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, falls das beschließende Gericht ihr nicht abhilft.
18Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.