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Wenn die Behörde nicht die Wiederherstellung des Denkmals, sondern als Vorbereitung einer späteren Entscheidung hierüber lediglich Maßnahmen zu dessen Sicherung anordnet, um bis dahin des Status Quo aufrecht zu erhalten, gilt aufgrund der im Vergleich mit einer Wiederherstellungsanordnung geringenen Eingriffsintensität hinsichtlich der Denkmaleigenschaft ein abgesenkter Anforderungsmaßstab.
Eine Anordnung von Sicherungsmaßnahmen ist erst dann ausgeschlossen, wenn offensichtlich feststeht, dass die Denkmaleigenschaft bereits im Zeitpunkt der Vornahme der Handlung, die zu Beschädigung oder Zerstörung des fraglichen Objekts geführt hat, nicht mehr bestanden hat.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen. Diese sind nicht erstattungsfähig.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
2Die Klägerin ist Auflassungsvormerkungsberechtigte hinsichtlich des Grundstücks O.-----straße 00 in C. (Gemarkung M. , Flur 00, Flurstücke 000). Das Grundstück ist mit einem ca. 1836 erbauten Bauernhaus in Fachwerkbauweise bebaut. Das Bauernhaus als Wohn-Wirtschaftsgebäude wurde am 12. November 1997 ohne nachträgliche Anbauten als Baudenkmal in die Denkmalliste der Beklagten eingetragen. Begründet wurde dies mit seiner Bedeutung für die Geschichte der Menschen und der Stadt C. ; für seine Eintragung und Nutzung lägen wissenschaftliche, baugeschichtliche und städtebauliche Gründe vor.
3Im Jahr 2010 wurden die nachträglichen Anbauten an das Fachwerkhaus in Form einer Scheune und eines Hundezwingers abgebrochen.
4Bei einer Besichtigung am 1. September 2016 stellte die Beklagte einem hierüber angefertigten Aktenvermerk zufolge fest, dass die südwestliche Gebäudeaußenwand im Bereich des Haupteingangs des Hauses stark einsturzgefährdet sei. Durch zahlreiche fehlende Dachziegel sowie zahlreiche Außenwandöffnungen und Risse im Gebäude sowie ein total zerstörtes Entwässerungssystem sei ein starker Pilzbefall am Holztragwerk entstanden. Die Fachwerk-Gefache seien bereits herausgebrochen. Die Hauptdeckenbalken drohten einzustürzen.
5Ein vom Amtsgericht C. im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens in Auftrag gegebenes Sachverständigengutachten der Dipl.-Ing. I. vom 4. Juli 2018, das auf Grundlage einer Ortsbesichtigung vom 8. Mai 2018 erstellt wurde, kam zu dem Ergebnis, dass sich das Fachwerkhaus insgesamt in einem mangelhaften baulichen Zustand befinde. Es seien umfangreiche Baumängel bzw. Bauschäden sowohl an der Gebäudehülle als auch im Inneren des Gebäudes vorhanden. Insgesamt seien umfangreiche Modernisierungs- und Instandsetzungsarbeiten notwendig.
6Mit Kaufvertrag vom 16. November 2018 verkaufte der Eigentümer, Herr K. , der Klägerin das in Rede stehende Grundstück zu einem Kaufpreis von 120.000,00 €. Gemäß § 5 Abs. 1 des Kaufvertrags sollte die Übergabe am Tag der Eintragung der Auflassungsvormerkung erfolgen. Gemäß § 7 Abs. 1 des Kaufvertrags sollten Besitz, Lasten und Gefahren vom Zeitpunkt der Übergabe an auf die Klägerin übergehen. Die Auflassungsvormerkung zugunsten der Klägerin wurde am 3. Dezember 2018 ins Grundbuch beim Amtsgericht C. eingetragen.
7Am 4. Dezember 2018 erhielt die Beklagte den Hinweis eines Nachbarn, der vermutete, dass das streitgegenständliche Fachwerkhaus illegal abgerissen werde. Eine Mitarbeiterin der Beklagten stellte am selben Tag um 16.30 Uhr fest, dass das komplette Dach des Hauses abgedeckt und ein Teil des Dachstuhls entfernt war. Bauarbeiter traf sie zu diesem Zeitpunkt nicht an dem Haus an. Am 5. Dezember 2018 traf eine Mitarbeiterin der Beklagten um 8.00 Uhr an dem Fachwerkhaus rumänische Bauarbeiter an und legte die Baustelle aufgrund fehlender denkmalrechtlicher Erlaubnis mündlich still. Als sie am selben Tag um 9.15 Uhr Arbeiter auf dem Dach antraf, legte sie die Baustelle erneut mündlich still. Die Beklagte ordnete im Wege des Sofortvollzugs des Weiteren mündlich an, dass das Haus weder betreten werden dürfe noch an diesem Arbeiten durchgeführt werden dürften, die auf dem Grundstück liegenden, aus dem Gebäude entfernten Balken nicht von dem Grundstück entfernt werden dürften und das Gebäude zu verschließen sei. Die mündlich ergangene Stilllegung der Baustelle sowie die im Wege des Sofortvollzuges ebenfalls am 5. Dezember 2018 mündlich ergangenen Anordnungen bestätigte die Beklagte schriftlich gegenüber der Klägerin unter dem 12. Dezember 2018. Bei einem Ortstermin am 6. Dezember 2018 mit Herrn I2. , einem Generalbevollmächtigten der Klägerin, stellten Mitarbeiter des Bauordnungsamtes und der Unteren Denkmalbehörde der Beklagten fest, dass die Dachhaut (Dachpfannen und Lattung) an dem Gebäude sowie die Sparren im Spitzboden komplett entfernt und die durchlaufenden Sparren oberhalb der Kehlbalkenlage mit einer Kettensäge durchtrennt worden seien. Die abgetrennten Sparren seien in den Scheunenbereich im Erdgeschoss geworfen worden. Durch das Entfernen der Sparren und der Firstpfette des Spitzbodens bestehe die Gefahr, dass die Giebelkonstruktion auf die öffentliche Verkehrsfläche falle. Zudem seien zwei Stahlzugstangen im Bereich der Scheune durchtrennt worden, die oberhalb des Dachgeschossfußbodens verlaufen und die beiden Traufwände verbinden würden. Ohne die Zugstangen bestehe die akute Gefahr, dass die Traufwände umfallen und einen Einsturz des Gebäudes verursachen könnten. Zur Gefahrenabwehr ordnete die Beklagte das Anbringen von Zurrgurten und Seilzugratschen zunächst mündlich an. Diese Sicherungsmaßnahmen, welche die Beklagte gegenüber der Klägerin nachfolgend unter dem 13. Dezember 2018 schriftlich bestätigte, wurden von dieser daraufhin umgesetzt. Im Rahmen eines gemeinsamen Termins am 7. Dezember 2018 erklärte Herr I2. , dass die Klägerin das Denkmal erhalten und darin Wohnraum schaffen wolle. Sie habe den Dachstuhl komplett entfernen und durch einen neuen ersetzen wollen, um Gefahren abzuwenden, weil ein von ihr beauftragter Dachdecker das Dach wegen seines Zustands nicht habe betreten wollen.
8Am 8. Dezember 2018 stürzte ein Teil des Fachwerkhauses im Bereich der hinteren Ecke des Wohnteils ein. In diesem Zusammenhang verformte sich die noch stehende hintere Giebelwand. Das Bauordnungsamt der Beklagten schätzte die Reststandsicherheit des Fachwerkhauses als kritisch ein. Zum Schutz der Nachbarn und der öffentlichen Zuwegung wies ein Mitarbeiter des Bauordnungsamtes umgehend die Errichtung einer Schutzkonstruktion durch das THW an.
9Mit Schreiben vom 12. Dezember 2018 erklärte die Dipl.-Ing. I. gegenüber der Beklagten, zum Zeitpunkt der Besichtigung am 8. Mai 2018 sei die Bausubstanz des Fachwerkhauses in einem insgesamt erhaltenswerten Zustand gewesen.
10Der von der Klägerin beauftragte Dipl.-Ing. A. des Ingenieurbüros T. und Q. kam im Rahmen eines von ihm erstellten Gutachtens vom 4. Januar 2019, das zur Beurteilung von Standsicherheit und Sanierungsfähigkeit des Gebäudes aus statischer Sicht erstellt wurde und auf einem Ortstermin vom 11. Dezember 2018 an dem Fachwerkhaus beruhte, zu dem Ergebnis, dass die Standsicherheit in weiten Teilen des Objektes nicht gewährleistet sei. Die besonders vom Einsturz betroffenen Gebäudeteile seien die Fassaden und Decken des nordwestlichen Gebäudeteils etwa ab der Gebäudemitte sowie die vollständige Dachkonstruktion. Eine Sanierungsmöglichkeit dieser Bauteile sei nicht gegeben. Aufgrund der Schäden seien kurzfristige Maßnahmen dahingehend einzuleiten, dass die Süd-Ost-Fassade durch eine statisch nachgewiesene temporäre Abstützung für die Zeit der Baumaßnahmen gesichert werde, damit das vorhandene Gerüst entfernt werden könne, und der nordwestliche Teil des Gebäudes sowie die Dachkonstruktion zurückgebaut würden, um einen weiteren Einsturz von Gebäudeteilen zu verhindern.
11Im Rahmen eines gemeinsamen Gesprächs am 15. Januar 2019 forderte die Beklagte Herrn I2. und Herrn H. als Vertreter der Klägerin auf, kurzfristig zur Ergänzung des vorliegenden statischen Gutachtens über einen Fachgutachter ein Erhaltungs- und Sicherungskonzept zu erstellen. Zudem wurde dem hierüber angefertigten Vermerk zufolge besprochen, dass das vorhandene Gerüst des THW durch eine statisch nachgewiesene temporäre Abstützung ersetzt werden solle. Mit Schreiben vom 29. Januar 2019 forderte die Beklagte die Klägerin auf, das Gutachten bis zum 12. Februar 2019 vorzulegen.
12Der schließlich von der Beklagten auf Empfehlung des Beigeladenen beauftragte Sachverständige für Fachwerk, Denkmalpflege und Lehmbau T1. kam in seinem Kurzbericht vom 18. Februar 2019 zu dem Ergebnis, dass bezüglich des Fachwerkhauses Einsturzgefahr mit einer Gefährdung für Leib und Leben von Menschen, die sich im Abstand von ca. bis zu 8 Metern vom Gebäude aufhalten würden, und eine Gefährdung für angrenzende Gebäude bestehe.
13Am 19. Februar 2019 ordnete die Beklagte Maßnahmen zur Abstützung des Fachwerkhauses auf Grundlage des Kurzberichts von Herrn T1. im Wege des Sofortvollzugs gemäß § 55 Abs. 2 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes NRW (VwVG NRW) als Ersatzvornahme an und beauftragte die Handwerker Herrn C1. und Herrn D. mit der Durchführung der Arbeiten. Diese wurden bis zum 26. März 2019 durchgeführt, wobei auch das Gerüst des THW an der Giebelseite des Wirtschaftsteils durch eine Holzkonstruktion ersetzt wurde.
14Mit Schreiben vom 28. Mai 2019 teilte der Sachverständige für Holzschutz X. dem Sachverständigen T1. mit, dass er sich am 27. Mai 2019 die Holzkonstruktion des Fachwerkhauses angesehen habe und den Eindruck habe, dass das Fachwerk relativ gut erhalten sei. Im Bereich der Schwellen in den Außenwänden seien typische Schäden zu finden. Mit einem großflächigen Austausch der Hölzer sei nicht zu rechnen. Durch das fehlende Dach laufe Wasser in den Innenbereich hinein. Bisher hätten sich noch keine stärkeren Schäden gebildet. Die eingestürzten Deckenkonstruktionen würden einen erstaunlich guten Eindruck zeigen. Zwar seien einige Innenwände punktuell von Pilzen geschädigt. Insoweit sei aber eine schonende Sanierung möglich. Hinsichtlich des zerstörten Giebels und der zerstörten Seitenwände im Bereich des Wohnhauses werde aber ein kompletter Austausch notwendig. Es sei dringend erforderlich, das Gebäude gegen Regen zu schützen, weil sonst im Innenbereich durch den hohen Bauschuttanteil Wasser gespeichert werde und zu stärkeren Schäden führen könne. Zudem solle der Bauschutt innen entfernt werden und möglichst Zugluft im Gebäude herrschen.
15Im Rahmen eines weiteren Gutachtens vom 2. Juni 2019, das auf Besichtigungen vom 18. April 2019 und vom 27. April 2019 beruhte, kam der von der Beklagten beauftragte Sachverständige T1. zu dem Ergebnis, dass das Fachwerkhaus ausgeprägt beschädigt sei, jedoch restauriert und rekonstruiert werden könne. Aufgrund mikrobiologisch verursachter Fäulnisschäden müsse annähernd das Fachwerk des gesamten Wohnbereichs rekonstruiert oder durch einen angepassten, ergänzenden Baukörper vervollständigt werden. Die Fachwerkwände im Wirtschaftsteil könnten repariert werden, während die nordöstliche Längswand ebenfalls zu rekonstruieren sei. Genügend Bauspuren seien vorhanden. Zusätzliche Spuren könnten noch entdeckt werden, wenn das Gebäude entkernt werde. Trotz aller Schäden bleibe das Gebäude auch weiterhin Fenster für einen Blick in die Zeitgeschichte des bäuerlichen Lebens im 19. Jahrhundert. Eine kurzfristig erforderliche Maßnahme sei insbesondere eine Abdeckung des Gebäudes als Regenschutz mittels gewebeverstärkter, UV-beständiger Plane.
16Mit Schreiben vom 5. Juli 2019 erklärte der Beigeladene gegenüber der Beklagten, dass der Denkmalwert des streitgegenständlichen Objekts weiterhin gegeben sei. Angesichts der Schadensbilder seien die notwendigen Instandsetzungsmaßnahmen bei einer denkmalgerechten Vorgehensweise durchaus üblich und würden die Denkmaleigenschaft des Hauses nicht gefährden. Die Dachkonstruktion sei fachgerecht abgebaut und vor Ort zwischengelagert, sodass einem denkmalgerechten Wiederaufbau des zweigeteilten Dachwerks mit Reparatur nichts entgegenstehe.
17Nach bereits mit Schreiben vom 18. Juni 2019 erfolgter Anhörung von Herrn K. und der Klägerin forderte die Beklagte mit Ordnungsverfügung vom 27. September 2019, die der Klägerin am 1. Oktober 2019 zugestellt wurde, diese unter Anordnung der sofortigen Vollziehung auf, denkmalrechtliche Sicherungsmaßnahmen in Form der Anbringung einer Plane zur Abdeckung des Daches, der Entfernung von Bauschutt aus dem Inneren des Gebäudes sowie der Herstellung einer ausreichenden Querbelüftung, an dem streitgegenständlichen Fachwerkhaus vorzunehmen.
18Für den Fall, dass die Klägerin der Aufforderung nicht innerhalb von 2 Wochen ab Zustellung der Ordnungsverfügung nachkomme, drohte die Beklagte ihr zudem das Zwangsmittel der Ersatzvornahme an.
19Zur Begründung führte sie an: Die Anordnungen würden zum einen auf § 27 Abs. 1 des Denkmalschutzgesetzes NRW in der ab dem 25. November 2016 gültigen Fassung (DSchG NRW a. F.) als Ermächtigungsgrundlage gestützt. Die Klägerin habe veranlasst, dass unsachgemäß und ohne die erforderliche Erlaubnis Arbeiten an dem streitgegenständlichen Fachwerkhaus durchgeführt worden seien, die das Denkmal gefährdet hätten. Das Gebäude habe aber gegenwärtig immer noch einen Denkmalwert, auch wenn es sich nach den im Dezember 2018 vorgenommenen mutwilligen Zerstörungen und Beschädigungen, die auch zu dem Teileinsturz geführt hätten, in einem anderen, viel weiter reichenden Schadensbild zeige als im Sommer 2018. Hierzu verweise sie auf das Gutachten des Sachverständigen T1. vom 2. Juni 2019 und auf die Stellungnahme des Beigeladenen vom 5. Juli 2019. Im Rahmen des durch § 27 Abs. 1 DSchG NRW a. F. eingeräumten Ermessens seien die verfügten Sicherungsmaßnahmen auch verhältnismäßig. § 27 Abs. 1 DSchG NRW a. F. erfasse dabei auch die vorliegend angeordneten Sicherungsmaßnahmen als Rechtsfolge, weil diese überhaupt erst die Wiederherstellung des bisherigen Zustands ermöglichen würden. Vor diesem Hintergrund seien Sicherungsmaßnahmen als Minus in der von § 27 Abs. 1 DSchG NRW a. F. vorgesehenen Wiederherstellung enthalten. Sobald das Gebäude durch eine Plane gesichert sei, werde beabsichtigt, eine Wiederherstellungsverfügung zu erlassen, um den Zustand, der mit Ausnahme des Feuchtigkeitsschadens bis Dezember 2018 bestand, wiederherzustellen. Die Klägerin sei als Handlungsstörerin in Anspruch zu nehmen. Im Rahmen der Störerauswahl sei zu berücksichtigen, dass ein Vorgehen gegen die rumänischen Bauarbeiter nicht Erfolg versprechend wäre. Gegen den Eigentümer werde, falls erforderlich, eine entsprechende Duldungsverfügung erlassen.
20Ermächtigungsgrundlage für die Sicherungsanordnungen sei ferner § 27 Abs. 2 DSchG NRW a. F.. Durch die von der Klägerin im Dezember 2018 veranlassten baulichen Maßnahmen sei das Fachwerkhaus in erheblichem Umfang vorsätzlich und widerrechtlich beschädigt worden. Im Rahmen von § 27 Abs. 2 DSchG NRW a. F. sei eine noch vorhandene Denkmaleigenschaft nicht erforderlich. Hinsichtlich der Anwendung der Vorschrift auf Sicherungsmaßnahmen als Minus zur Wiederherstellung, der Ermessensausübung und der Störerauswahl werde auf die Ausführungen zu § 27 Abs. 1 DSchG NRW a. F. verwiesen.
21Hilfsweise werde die Anordnung der Sicherungsmaßnahmen auf § 7 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 DSchG NRW a. F. gestützt. Die Klägerin habe sich bislang geweigert, Erhaltungsmaßnahmen an dem Fachwerkhaus vorzunehmen, dessen Denkmalwert weiterhin bestehe. Die Klägerin sei dabei als Zustandsstörerin in Anspruch zu nehmen, weil sie als Auflassungsvormerkungsberechtigte eine eigentumsähnliche Position als Nutzungsberechtigte innehabe. Sie habe seit der Übergabe durch den Verkäufer zivilrechtlich die tatsächliche Gewalt über das Grundstück inne und sei daher in der Lage gewesen, die im Dezember 2018 durchgeführten unsachgemäßen Arbeiten zu veranlassen. Es sei auch davon auszugehen, dass die Sicherungsmaßnahmen der Klägerin wirtschaftlich zumutbar seien. Trotz Aufforderung habe die Klägerin hierzu bislang keine Wirtschaftlichkeitsberechnung vorgelegt, obwohl sie hierzu darlegungs- und beweispflichtig sei.
22Die Androhung der Ersatzvornahme werde auf §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 1, 59 Abs. 1, 63 VwVG NRW als Ermächtigungsgrundlage gestützt. Die Ersatzvornahme sei dabei als Zwangsmittel ausgewählt worden, weil es sich bei den angeordneten Sicherungsmaßnahmen um vertretbare Handlungen handele.
23Nachdem die Klägerin am 16. Oktober 2019 die mit Ordnungsverfügung vom 27. September 2019 angeordneten Sicherungsmaßnahmen nicht durchgeführt hatte und Herr K. als Eigentümer des streitgegenständlichen Grundstück der Beklagten seine Zustimmung zu deren Durchführung erteilt hatte, setzte die Beklagte mit Bescheid vom 18. Oktober 2019, der Klägerin zugestellt am 22. Oktober 2019, gegenüber dieser die angedrohte Ersatzvornahme fest.
24Die Klägerin hat am 4. November 2019 die vorliegende Klage gegen die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 27. September 2019 erhoben.
25Nachdem die Firma C1. mit Schreiben vom 12. November 2019 eine Beauftragung durch die Beklagte zur Durchführung der Ersatzvornahme auf Grundlage eines Angebots vom 24. Juni 2019 abgelehnt hatte, hat die Beklagte unter dem 27. November 2019 die Firma C2. im Wege einer Vergabe mit der Umsetzung der Maßnahmen und die Firma N. mit der Gerüstaufstellung hierfür beauftragt. Die Arbeiten sind ab dem 5. Dezember 2019 durchgeführt und am 12. Dezember 2019 von der Beklagten abgenommen worden. Unter dem 13. Dezember 2019 hat die Firma C2. der Beklagten hierfür einen Betrag in Höhe von insgesamt 19.432,70 € in Rechnung gestellt. Unter demselben Datum hat die Firma N. der Beklagten einen Betrag in Höhe von 14.042,00 € in Rechnung gestellt.
26Mit Schreiben vom 10. Juni 2021 hat die Staatsanwaltschaft C. der Beklagten mitgeteilt, dass sie mangels Tatnachweises hinsichtlich eines gegen die Herren I2. und H. geführten Ermittlungsverfahrens wegen Baugefährdung gemäß § 319 des Strafgesetzbuches (StGB) die Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) beabsichtige.
27Die Klägerin trägt vor:
28Die Klage sei zulässig und begründet. Die Ordnungsverfügung vom 27. September 2019 sei rechtswidrig. Sie, die Klägerin selbst, habe das Haus nicht im Sinne des § 27 Abs. 2 DSchG NRW a. F. zerstört oder beschädigt. Für den ruinenartigen Zustand des Fachwerkhauses sei sie nicht verantwortlich. Dies folge bereits aus der Einstellung des durch die Staatsanwaltschaft C. geführten Ermittlungsverfahrens gegen Herrn I2. und Herrn H. gemäß § 170 StPO wegen mangelnden Tatverdachts. Beiden habe dabei kein Verstoß gegen allgemein anerkannte Regeln der Technik durch die Tätigkeiten „Planung, Leitung oder Ausführung eines Baues oder des Abbruchs eines Bauwerks“ nachgewiesen werden können. Es werde bestritten, dass sich am 5. oder 6. Dezember 2018 an Stahlzugstangen und Dachbalken des Gebäudes frische Fräs- oder Sägespuren befunden hätten. Angesichts der Preise und Nachfrage von Metall und Holz am Markt hätten auch Dritte ein Interesse an dem Durchtrennen von Zugstreben oder Holzteilen gehabt.
29Sie, die Klägerin, habe zunächst eine Nutzung unter Beibehaltung denkmalschutzwürdiger Elemente angestrebt. Eine solche Vorgehensweise, „Schrottimmobilien“ aufzukaufen und von Grund auf zu sanieren, entspreche ihrem Geschäftsmodell, das sie bereits in einer Vielzahl von Fällen erfolgreich praktiziert habe. Dabei sei kein Gebäude abgerissen worden, sondern hochwertiger Wohnraum entstanden. Im vorliegenden Fall sei dies aber an der erfolglosen Abstimmung mit der Beklagten gescheitert. Bereits als sie das Haus gekauft habe, habe sich dieses in einem nicht mehr standfähigen Zustand befunden. Das Haus habe bereits vor vielen Jahren einen Wasserschaden erlitten, von dem auch die Beklagte erfahren habe, ohne aber tätig zu werden. Es sei zudem aufgrund von Umbauten im Inneren, die aber bereits vor vielen Jahren und nicht durch sie selbst getätigt worden seien, seit längerem einsturzgefährdet. Das Abdecken des Daches durch sie habe der Stabilisierung des Hauses gedient. Dies ergebe sich auch aus dem Gutachten des Dipl.-Ing. A. vom Ingenieursbüro T. und Q. vom 4. Januar 2019, demzufolge der Rückbau der Dachkonstruktion als kurzfristige Maßnahme zur Vermeidung eines weiteren Einsturzes notwendig sei. Sie habe also versucht, das Gebäude – wie vom Statiker vorgeschlagen – von den maroden Dachpfannen zu befreien, ohne dass der Einsturz habe verhindert werden können. Weil die Beklagte die Baustelle im Dezember 2018 stillgelegt habe, sei das Gebäude in der Folgezeit durch Vandalismus beschädigt worden. Das Fachwerkhaus habe zudem seine Denkmalfähigkeit mittlerweile unwiederbringlich verloren. Bereits aus dem Gutachten des Dipl.-Ing. A. vom Ingenieursbüro T. und Q. vom 4. Januar 2019 gehe hervor, dass bedeutende Teile des Gebäudes, nämlich die Fassaden und Decken des nordwestlichen Gebäudeteils etwa ab der Gebäudemitte sowie die vollständige Dachkonstruktion, nicht mehr sanierungsfähig seien. Insgesamt verfüge das Gebäude über keine erhaltenswerte Bausubstanz mehr.
30Hierzu legt sie außerdem ein von ihr in Auftrag gegebenes Gutachten des Sachverständigen Denkmal-Gutachters Dr. E1. vor, das auf einer Ortsbesichtigung vom 20. Oktober 2020 beruht. Diesem zufolge sei das Gebäude aufgrund erheblicher und bereits vor längerer Zeit erfolgter baulicher Eingriffe in die Substanz, wie die Entfernung der inneren Ständerreihen, seit längerem einsturzgefährdet. Da es sich konstruktiv um ein Vierständerhaus handele – so das Gutachten weiter –, also das gesamte Haus auf vier Ständerreihen ruhe, bedeute das Entfernen der beiden inneren Ständerreihen sowie die ebenfalls vorhandene erhebliche Schädigung der Schwellen und äußeren Ständerreihen durch Feuchtigkeit und Pilzbefall, dass das Gebäude nicht nur nicht mehr standsicher, sondern aufgrund der Entfernung und erheblichen Schädigung aller tragenden Teile im Wesentlichen nicht mehr existent sei. Das Gebäude bzw. die übrig gebliebenen Reste seien nur noch Kulissen eines ehemaligen Vierständerhauses, da nur noch einige Stiele, Rähme und Riegel neben einigen geschädigten äußeren Ständern erhalten seien. Insgesamt sei aufgrund des Fehlens wichtiger Gebäudebestandteile und der erheblichen Schädigung des verbliebenen Bestands eine Erhaltung und Instandsetzung des Gebäudes unter Wahrung seiner Identität nicht mehr möglich.
31Eine bloße Replik stelle unter denkmalfachlichen Gesichtspunkten weder bei mutwilliger noch bei anderweitiger Zerstörung ein Denkmal dar. Maßgeblich für die Beurteilung des gegenwärtigen Denkmalwertes des Fachwerkhauses seien die Gründe der Unterschutzstellung im Jahr 1997. Anhand dieses Maßstabs liege ein Bedeutungsgrund hinsichtlich des Fachwerkhauses nicht vor. Hinzu komme, dass die Eigenschaft des Gebäudes als Ensemble unwiderbringlich verloren sei, weil das früher neben dem Fachwerkhaus befindliche Wirtschaftsgebäude nicht mehr existiere. Den gegenwärtigen Zustand sowie die Frage der Sanierungsfähigkeit des Gebäudes hätte die Beklagte im Rahmen ihrer Ermessensausübung gemäß § 27 Abs. 1, Abs. 2 DSchG NRW a. F. unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit berücksichtigen müssen. Dies sei aber nicht erfolgt. Eine Sanierung sei für sie, die Klägerin, wirtschaftlich unzumutbar. Hierzu werde sie noch ein Gutachten nachreichen.
32Außerdem sei auch die Androhung der Ersatzvornahme rechtswidrig. Obwohl der Beklagten über die Ausführung der Ersatzvornahme bereits ab dem 24. Juni 2019 ein Angebot vorgelegen habe, habe sie dieses mehr als drei Monate lang ihr, der Klägerin, nicht zur Kenntnis gebracht. Außerdem sei die ihr gesetzte Frist von 2 Wochen so kurz, dass es ihr unmöglich gewesen sei, diese unter üblichem Geschäftslauf einzuhalten. Selbst die von der Beklagten beauftragte Firma sei, obwohl diese sich ab dem 24. Juni 2019 auf den Auftrag habe vorbereiten können, nicht in der Lage gewesen, die Arbeiten auch nur annäherungsweise innerhalb der vorgegebenen zwei Wochen umzusetzen.
33Die Klägerin beantragt,
34die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 27. September 2019 aufzuheben,
35hilfsweise festzustellen, dass die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 27. September 2019 rechtswidrig war.
36Die Beklagte beantragt,
37die Klage abzuweisen.
38Sie trägt vor: Die Klage sei unbegründet. Hierzu verweist sie auf die Begründung der Ordnungsverfügung vom 27. September 2019.
39Ergänzend trägt sie vor: Die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen Herrn I2. und Herrn H. wegen Baugefährdung durch die Staatsanwaltschaft C. aufgrund fehlenden Tatverdachts gemäß § 170 Abs. 2 StPO stehe der Annahme einer widerrechtlichen Zerstörung des Fachwerkhauses gemäß § 27 Abs. 2 DSchG NRW a. F. nicht entgegen. Diese Vorschrift habe bereits eine ganz andere Zielrichtung als die Normen des StGB. Darüber hinaus hätten der Straftatbestand der Baugefährdung gemäß § 319 StGB und § 27 Abs. 2 DSchG a. F. NRW unterschiedliche Tatbestandsvoraussetzungen. Vor diesem Hintergrund sei aufgrund tragfähiger Indizien davon auszugehen, dass die Klägerin bzw. ihre Vertreter durch ihr Verhalten die Beschädigung bzw. Zerstörung des Hauses verursacht hätten. Alle Schäden seien im zeitlichen Zusammenhang mit den von der Klägerin beauftragten Arbeiten eingetreten. Die durchtrennten Stahlzugstangen sowie die Dachbalken hätten frische Fräs- bzw. Sägespuren aufgewiesen. Ein Dazwischentreten weiterer Personen liege außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit. Der Vortrag der Klägerin, die Dachabdeckung habe lediglich der Stabilisierung des Gebäudes gedient, sei nicht glaubhaft. Insbesondere berufe sich die Klägerin in diesem Zusammenhang auf ein Gutachten zur Standsicherheit, das erst nach dem Teileinsturz erstellt worden sei. Das Fachwerkhaus sei bei Erwerb durch die Klägerin hingegen standsicher gewesen. In dem Verkehrswertgutachten von Frau I. seien insoweit keine Bedenken geäußert worden. Ein Vermerk von ihr – der Beklagten – aus dem Jahr 2016, in dem von einer Standunsicherheit des Gebäudes gesprochen werde, sei lediglich eine Ersteinschätzung der Unteren Denkmalbehörde gewesen verbunden mit einem Prüfantrag an die Baubehörde. Dieser Anfangsverdacht habe sich dann aber nicht bestätigt. Die vorgelegten Gutachten bzw. Stellungnahmen von Herrn Dr. E1. seien nicht glaubhaft, weil sich diese auf rein pauschale und unsubstantiierte Behauptungen beschränken würden. Insbesondere sei dessen Schlussfolgerung, dass das Fehlen der mittleren beiden Ständerreihen auf früheren Umbauten beruhe, nicht ansatzweise verständlich und widerspreche dem Umstand, dass die Mittelständerbalken auf halber Höhe glatt durchtrennt im Raum hängen würden. Auf eine Unzumutbarkeit oder Unverhältnismäßigkeit der mit der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung angeordneten Sicherungsmaßnahmen könne die Klägerin sich nicht berufen, weil sie das Gebäude sehenden Auges in einem schlechten Zustand gekauft habe.
40Die der Klägerin zur Vornahme der Sicherungsmaßnahmen gesetzte Frist von zwei Wochen sei angemessen Die Beauftragung einer Firma hierfür habe sich ab dem Vorliegen des ersten Angebots der Firma C1. vom 24. Juni 2019 deshalb verzögert, weil diese Firma ihr am 12. November 2019 aus betrieblichen Gründen abgesagt habe und sie daher im Wege eines Vergabeverfahrens unter Berücksichtigung des Eingriffs in fremdes Eigentum andere Firmen habe beauftragen müssen. Die Ausführung der Arbeiten selbst sei lediglich vom 5. Dezember 2019 bis zum 9. Dezember 2019 erfolgt und habe damit weit weniger als zwei Wochen gedauert.
41Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Er trägt vor: Sinn und Zweck der streitgegenständlichen Maßnahme sei eine Notsicherung des Fachwerkhauses, um den Status Quo zu erhalten und die vorhandene Bausubstanz vor weiteren Verlusten zu schützen. Durch die großflächige Abdeckung des Daches mit der Dachplane sei das Haus nun vor weiteren Witterungseinflüssen geschützt. Nach Abschluss der Sicherungsmaßnahmen sei es zu keiner weiteren Verschlechterung der Bausubstanz mehr gekommen. Der Feststellung des Gutachters Dr. E1. , dass über Jahrzehnte durch Umbauten im Inneren ein Zustand geschaffen worden sei, der bereits zum weitgehenden Zusammenbruch des Objekts im Inneren geführt habe, sei zu widersprechen. Die im Rahmen des Gutachtens von Frau I. vom 4. Juli 2018 angefertigten Lichtbilder würden die inneren Stützenreihen und Wände der Deele noch intakt zeigen. Die in Rede stehenden Beschädigungen an diesen seien ganz offensichtlich mutwillig herbeigeführt worden und durch schräge Sägeschnitte an den Innenstützen belegbar. Gleiche gelte für das Entfernen des Firstes und der Sparren oberhalb der Kehlbalken.
42Der Berichterstatter hat am 7. April 2022 einen Ortstermin auf dem in Rede stehenden Grundstück durchgeführt. Auf das Protokoll dieses Ortstermins wird verwiesen.
43Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Gerichtsakte verwiesen.
44Entscheidungsgründe:
45Die Klage ist zulässig. Insbesondere besteht noch ein Rechtsschutzbedürfnis, weil hinsichtlich der in der Ordnungsverfügung vom 27. September 2019 enthaltenen Anordnungen auch nach der Vollstreckung in Form der Durchführung der Ersatzvornahme vom 5. Dezember 2019 bis zum 12. Dezember 2019 noch keine Erledigung eingetreten ist. Die Erledigung eines Verwaltungsaktes tritt erst ein, wenn er nicht mehr geeignet ist, rechtliche Wirkungen zu erzeugen oder wenn die Steuerungsfunktion, die ihm ursprünglich innewohnte, nachträglich entfallen ist. Von einem Verwaltungsakt gehen dabei auch nach Vollziehung immer noch Rechtswirkungen aus, wenn er Grundlage für eine spätere Kostenforderung für die Vollstreckungsmaßnahme sein kann.
46Vgl. BVerwG, Urteil vom 14.12.2016 – 1 C 11/15 –, juris; VG Karlsruhe, Urteil vom 9. April 2019 – 1 K 4439/17 –, juris.
47Die Wirksamkeit eines Grundverwaltungsaktes ist nämlich unverzichtbare Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der jeweiligen Vollstreckungsmaßnahme, die ihrerseits wiederum ebenso unverzichtbare Grundlage einer späteren Anforderung von Vollstreckungskosten ist.
48Vgl. VG Karlsruhe, Urteil vom 9. April 2019 – 1 K 4439/17 –, juris.
49Vorliegend hat die Beklagte die Absicht vorgetragen, zu einem späteren Zeitpunkt die ihr für die Durchführung der Ersatzvornahme entstandenen Kosten gegenüber der Klägerin geltend machen zu wollen.
50Die Klage ist aber unbegründet.
51Die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 27. September 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
52Vorliegend findet das DSchG NRW in der Fassung vom 25. November 2016 (DSchG NRW a.F.) Anwendung und nicht das DSchG NRW in der Fassung vom 13. April 2022 (DSchG NRW 2022); vgl. § 43 Abs. 2 DSchG NRW 2022.
53Rechtsgrundlage für die Anordnung der Sicherungsmaßnahmen unter Ziffer 1.1 – 1.3 der Ordnungsverfügung der Beklagten vom 27. September 2019 ist zum einen § 27 Abs. 2 DSchG NRW a. F.. Danach ist, wer widerrechtlich ein Denkmal vorsätzlich oder fahrlässig beschädigt oder zerstört, verpflichtet, auf Verlangen der Unteren Denkmalbehörde das Zerstörte wiederherzustellen.
54Es steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin das streitgegenständliche Fachwerkhaus vorsätzlich beschädigt hat. Die Beklagte hat bei einem Ortstermin am 6. Dezember 2018 dem von ihr hierüber angefertigten und in den beigezogenen Verwaltungsvorgängen enthaltenen Aktenvermerk zufolge festgestellt, dass von Herrn I2. beauftragte rumänische Bauarbeiter am 4. Dezember 2019 und 5. Dezember 2019 an dem Fachwerkhaus die Dachpfannen und Lattung des Daches sowie die Sparren im Spitzboden komplett entfernt und die durchlaufenden Sparren oberhalb der Kehlbalkenlage mit einer Kettensäge durchtrennt haben. Dabei sind die abgetrennten Sparren in den Scheunenbereich im Erdgeschoss geworfen worden. Nach den Feststellungen der Unteren Denkmalbehörde und des Bauordnungsamtes der Beklagten bestand durch das Entfernen der Sparren und der Firstpfette des Spitzbodens die Gefahr, dass die Giebelkonstruktion auf die öffentliche Verkehrsfläche fiel. Zudem waren zwei Stahlzugstangen im Bereich der Scheune durchtrennt worden, die oberhalb des Dachgeschossfußbodens verlaufen und die beiden Traufwände verbunden hatten. Ohne die Zugstangen bestand die akute Gefahr, dass die Traufwände umfallen und einen Einsturz des Gebäudes verursachen könnten. Diese – auch durch Fotos in den Verwaltungsvorgängen dokumentierte – Vorgehensweise, Teile der Dachkonstruktion in einer Weise zu entfernen, dass andere Teile des Gebäudes wie die Giebelkonstruktion akut gefährdet sind umzustürzen, stellt eine vorsätzliche Zufügung substantiellen Schadens an dem Denkmal dar.
55Angesichts des unmittelbaren zeitlichen Zusammenhangs zwischen den Arbeiten am Dach durch die rumänischen Bauarbeiter und den vom Bauordnungsamt am 6. Dezember 2018 festgestellten Schäden, dringt die Klägerin mit ihrem pauschalen Bestreiten der Durchtrennung von Stahlzugstangen und Dachbalken unter Verweis darauf, dass Dritte ein wirtschaftliches Interesse an den Baumaterialien hätten, nicht durch. Aus den Aktenvermerk der Beklagten über die Bautätigkeit der Bauarbeiter am 5. Dezember 2018 und die Bewertung durch das Bauordnungsamt vom 6. Dezember 2018 ergibt sich eindeutig, dass die Klägerin Arbeiten am Dach des Fachwerkhauses veranlasst hat, in deren unmittelbarem Nachgang ein Schadensbild an dieser Stelle vorlag, das eine unmittelbare Gefährdung der Standsicherheit des Gebäudes bedeutete. Bei lebensnaher Betrachtung waren es die von der Klägerin beauftragten Tätigkeiten durch die Bauarbeiter, die dieses Schadensbild hervorgerufen haben. Dies kann auch nicht durch die Ausführungen der Klägerin entkräftet werden, es hätten auch Dritte ein Interesse an dem Durchtrennen der Zugstreben oder Holzteile gehabt. Für ein Handeln Dritter gibt es keinerlei konkrete Anhaltspunkte. Das Vorbringen der Klägerin bleibt insoweit vollkommen unsubstantiiert und ist rein spekulativer Natur.
56Soweit die Klägerin vorträgt, sie habe mit den Dacharbeiten das Haus entlasten und dadurch retten wollen, überzeugt dies nicht. Es entspricht in keiner Weise einem auf Erhaltung eines Hauses gerichteten Vorgehen, Dachsparren mit einer Kettensäge zu durchtrennen und die auf diese Weise durchtrennten Sparren in den Scheunenbereich im Erdgeschoss zu werfen. Gleiches gilt für die Durchtrennung von zwei Stahlzugstangen im Bereich der Scheune. Bei lebensnaher Betrachtungsweise ist eine derart grobe Vorgehensweise, die unmittelbar die Standsicherheit des Gebäudes beeinträchtigt, auf dessen Beschädigung und Zerstörung und nicht auf dessen Erhaltung gerichtet.
57Die Handlungen der Klägerin waren auch widerrechtlich i. S. d. § 27 Abs. 2 DSchG NRW a. F. Eine denkmalrechtliche Erlaubnis nach § 9 DSchG NRW a. F. für die Vornahme der von ihr durchgeführten Arbeiten hatte sie nicht. Der Klägerin musste bewusst sein, dass sich das Haus unter Denkmalschutz befand und sie für die Vornahme von Arbeiten und Veränderungen eine denkmalrechtliche Erlaubnis nach § 9 DSchG NRW a. F. benötigte.
58Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht daraus, dass die Staatsanwaltschaft C. das gegen Herrn I2. und Herrn H. geführte Ermittlungsverfahren wegen Baugefährdung aufgrund fehlenden Tatverdachts eingestellt hat. Die Staatsanwaltschaft C. hat den fehlenden Tatverdacht damit begründet, Herr I2. habe angegeben, lediglich für die kaufmännische Betreuung des Objektes zuständig gewesen zu sein. Ihm sei jedoch die Leitung der Bauarbeiten im technischen Sinne nicht übertragen worden. Er sei auch nicht befugt gewesen, konkrete Anweisungen vor Ort zu erteilen. Darüber hinaus hat sich die Staatsanwaltschaft C. darauf gestützt, dass die für den Tatbestand der Baugefährdung erforderliche konkrete Gefahr für Leib und Leben fehle. Hieraus folgt aber keine Bindungswirkung für die Bewertung der schuldhaften Beschädigung des Fachwerkhauses gemäß § 27 Abs. 2 DSchG NRW a. F.. Dies folgt bereits daraus, dass die Staatsanwaltschaft eine gänzlich andere Norm geprüft hat, die als Strafvorschrift auch einen anderen Zweck hat als die ordnungsrechtliche Vorschrift des § 27 Abs. 2 DSchG NRW a. F.. Darüber hinaus ergibt sich aus einem in den beigezogenen Verwaltungsvorgängen enthaltenen Vermerk vom 5. Dezember 2018, dass Herr I2. in Anwesenheit der rumänischen Bauarbeiter, deren Identität ebenfalls festgestellt wurde, erklärt hat, für die Bauarbeiten verantwortlich zu sein.
59Im Zeitpunkt der Vornahme der Handlungen am 4. und 5. Dezember 2018, die das streitgegenständliche Fachwerkhaus beschädigt haben, war die Denkmaleigenschaft des Objektes auch noch nicht offensichtlich entfallen. Das streitgegenständliche Fachwerkhaus ist am 12. November 1997 als Baudenkmal in die Denkmalliste der Beklagten eingetragen worden. Der unzureichende Erhaltungszustand eines Denkmals lässt seinen Denkmalwert nicht entfallen. Der Erhaltungszustand eines denkmalwerten Gebäudes hat grundsätzlich keinen Einfluss auf dessen Schutzwürdigkeit.
60Vgl. Hamburgisches OVG, Beschluss vom 5. Juli 2022 – 3 Bs 259/21 –, juris; OVG NRW, Beschluss vom 5. Februar 2021 – 10 A 747/20 –, juris.
61In dem Fall, in dem die Behörde – wie mit der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung vom 27. September 2019 – nicht die Wiederherstellung des Denkmals, sondern als Vorbereitung einer späteren Entscheidung hierüber lediglich Maßnahmen zu dessen Sicherung anordnet, um bis dahin den Status Quo aufrecht zu erhalten, gilt hinsichtlich der Denkmaleigenschaft zudem ein abgesenkter Anforderungsmaßstab. Eine Anordnung von Sicherungsmaßnahmen auf Grundlage von § 27 Abs. 2 DSchG NRW a. F. ist erst dann ausgeschlossen, wenn offensichtlich feststeht, dass die Denkmaleigenschaft bereits im Zeitpunkt der Vornahme der Handlung, die zur Beschädigung oder Zerstörung des fraglichen Objektes geführt hat, nicht mehr bestanden hat. Eine Sicherungsanordnung dient gerade lediglich dazu, den bestehenden Zustand des Objekts aufrecht zu erhalten, bis die Behörde geprüft und entscheiden hat, ob eine Wiederherstellungsanordnung in Betracht kommt. Oder – falls ein entsprechender Antrag gestellt worden ist – eine denkmalrechtliche Abrisserlaubnis zu erteilen ist. Es soll verhindert werden, dass bei ungehindertem Fortgang des Geschehens bis dahin durch eine weitere Verschlechterung des Zustands des Objektes vollendete Tatsachen geschaffen werden. Bis zum 4. und 5. Dezember 2018 ist die Denkmaleigenschaft dese Objekts jedenfalls nicht offensichtlich aufgrund seines in diesem Zeitpunkt schlechten Erhaltungszustandes untergegangen.
62Zwar kommt das Gutachten des Denkmal-Gutachters Dr. E1. zu dem Ergebnis, dass eine Denkmaleigenschaft des Objekts schon Anfang Dezember 2018 nicht mehr bestanden habe. Dieses Gutachten ist jedoch substantiiert bestritten. So ist der Sachverständige T1. im Rahmen seines Gutachtens vom 2. Juni 2019, das auf Besichtigungen vom 18. April 2019 und vom 27. April 2019 beruhte, zu dem Ergebnis gekommen ist, dass das streitgegenständliche Fachwerkhaus ausgeprägt beschädigt sei, jedoch restauriert und rekonstruiert werden könne. Trotz aller Schäden bleibe das Gebäude auch weiterhin Fenster für einen Blick in die Zeitgeschichte des bäuerlichen Lebens im 19. Jahrhundert. In dies gleiche Richtung geht die Stellungnahme des Beigeladenen. Diese auch nach erfolgter Inaugenscheinnahme des streitgegenständlichen Fachwerkhauses durch den Berichterstatter im Rahmen des Ortstermins vom 7. April 2022 nicht von vorne herein unplausible Bewertung des Gutachters und des Beigeladenen zeigt, dass eine denkmalgerechte Erhaltung des Fachwerkhauses selbst nach der deutlichen Verschlechterung seines Zustands durch die Arbeiten am Dach sowie den späteren Teileinsturz im Wohnbereich nicht offensichtlich ausgeschlossen gewesen ist. Dies gilt erst recht für den Zeitpunkt unmittelbar vor Beginn der Beschädigung des Daches durch die Klägerin.
63In diesem Zusammenhang musste das Gericht den von der Klägerin in den mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisanträgen nicht nachgehen. Die unter Beweis gestellten Tatsachen sind unerheblich, weil sie als wahr unterstellt werden können, ohne dass daraus eine andere Beurteilung der Rechtmäßigkeit der in der Ordnungsverfügung vom 27. September 2019 enthaltenen Sicherungsanordnungen folgt. Selbst wenn man diese Tatsachen als wahr unterstellt, lässt dies nach den vorstehenden Ausführungen die Denkmaleigenschaft des Gebäudes zum Zeitpunkt der schädigenden Handlungen der Klägerin jedenfalls nicht offensichtlich entfallen.
64Die Anordnungen in Ziffer 1.1 bis 1.3 der Ordnungsverfügung vom 27. September 2019 erweisen sich auch als ermessensfehlerfrei, § 114 VwGO. Gemäß §§ 27 Abs. 3 DSchG NRW a. F. i. V. m. § 16 des Ordnungsbehördengesetzes NRW (OBG NRW) hat die Behörde ihre Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Dabei muss sie eine den Maßstäben einer Ermessensentscheidung entsprechende umfängliche Abwägung insbesondere hinsichtlich der Grundsätze der Notwendigkeit und der Verhältnismäßigkeit anstellen und die Entscheidung sorgfältig begründen.
65Vgl. Davydov/Hönes/Otten/Ringbeck, Denkmalschutzgesetz Nordrhein-Westfalen, 4. Auflage, § 27 Ziffer 2.5.; vgl. auch: OVG NRW, Beschluss vom 14. April 2003 – 8 B 2539/02 –, juris.
66Dem hat die Beklagte Rechnung getragen. Zunächst hat sie erkannt, dass ihr im Rahmen von § 27 Abs. 2 DSchG NRW a. F. sowohl hinsichtlich des „Ob“ als auch des „Wie“ des Einschreitens Ermessen zukommt. Dabei hat sie zu Recht festgestellt, dass Rechtsfolge dieser Vorschrift grundsätzlich die Anordnung sein kann, den Zustand wiederherzustellen, der vor der Beschädigungs- oder Zerstörungshandlung vorlag, dass aber als Minus hierzu ggf. auch nur eine Sicherung des bestehenden Zustands verlangt werden kann. Die vorliegend lediglich angeordneten Sicherungsmaßnahmen waren verhältnismäßig. Die Maßnahmen zur Sicherung des Gebäudes, insbesondere vor Witterung durch Abdeckung des Daches, waren geeignet und erforderlich, um den mit ihnen verfolgten Zweck in Form der Sicherung des Zustands des Gebäudes zu erreichen, damit zu einem späteren Zeitpunkt auf dieser Grundlage nach eingehender Prüfung entschieden werden kann, ob eine Wiederherstellung angeordnet wird.
67Darüber hinaus waren die angeordneten Sicherungsmaßnahmen auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Für die Frage der Verhältnismäßigkeit kommt es lediglich darauf an, ob die konkret angeordnete Sicherungsmaßnahme verhältnismäßig ist. Es kommt nicht darauf an, ob eine etwaige Sanierung des Denkmals zum Zwecke seiner dauerhaften Erhaltung verhältnismäßig wäre.
68Vgl. Hamburgisches OVG, Beschluss vom 5. Juli 2022 – 3 Bs 259/21 –, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. Juni 2008 – OVG 2 S 29.08 –, juris.
69Die konkret angeordneten Sicherungsmaßnahmen stellen keine übermäßige Belastung für die Klägerin dar. Die Aufbringung der Plane bedeutet einen Kostenaufwand von ca. 33.000 €. Die Maßnahmen zur Entlüftung und Schuttbeseitigung dürften noch erheblich geringer ausfallen. Im Vergleich zu dem von der Klägerin gezahlten Kaufpreis von 120.000,00 € stellt dies nur einen Bruchteil dar. Auf der anderen Seite ist mit diesen Sicherungsmaßnahmen einem erheblichen denkmalrechtlichen Belang Rechnung getragen, nämlich der Sicherung des Status Quo.
70Die endgültige Klärung der Frage, ob das Objekt noch Denkmaleigenschaft besitzt, ob es als Denkmal erhalten werden kann und ob dies der Klägerin zumutbar ist, bleibt einem weiteren Verfahren vorbehalten. Die Klägerin mag hierzu eine denkmalrechtliche Abrisserlaubnis beantragen oder die Beklagte sie zu einer Wiederherstellung des Objekts auffordern.
71Auch in diesem Zusammenhang musste das Gericht den von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisanträgen nicht nachgehen. Die zum Beweis gestellten Tatsachen sind unerheblich, weil sie als wahr unterstellt werden können, ohne dass daraus eine andere Beurteilung der Rechtmäßigkeit der in der Ordnungsverfügung vom 27. September 2019 enthaltenen Sicherungsanordnungen folgt. Selbst wenn man sie als wahr unterstellt, ergibt sich keine Unverhältnismäßigkeit der vorliegend allein streitgegeständlichen Sicherungsanordnungen.
72Im Rahmen ihrer Störerauswahl hat die Beklagte die Klägerin in rechtlich nicht zu beanstandender Weise als Handlungsstörerin im Sinne von § 27 Abs. 3 DSchG NRW a. F. i. V. m. § 17 Abs. 1 OBG NRW herangezogen.
73Rechtsgrundlage für die Anordnung der Sicherungsmaßnahmen unter Ziffer 1.1 – 1.3 der Ordnungsverfügung der Beklagten vom 27. September 2019 ist daneben § 27 Abs. 1 DSchG NRW a. F.. Danach muss auf Verlangen der Unteren Denkmalbehörde die Arbeiten sofort einstellen und den bisherigen Zustand wiederherstellen, wer eine Handlung, die nach dem DSchG NRW a. F. der Erlaubnis bedarf, ohne Erlaubnis, unsachgemäß oder im Widerspruch zu Auflagen durchführt.
74Die Ordnungsverfügung vom 27. September 2019 ist auch auf dieser Grundlage rechtmäßig. So liegen auch die Tatbestandsvoraussetzungen von § 27 Abs. 1 1. Var. DSchG NRW a. F. vor. Die Klägerin hat eine Handlung an dem Fachwerkhaus ohne die hierfür nach § 9 Abs. 1 lit. a DSchG NRW a. F. erforderliche Erlaubnis vorgenommen. Die von ihr vorgenommenen Arbeiten waren – unabhängig von ihrer Schädlichkeit – Veränderungen i. S. d. § 9 DSchG NRW a. F..
75Im Zeitpunkt der Vornahme der Bauarbeiten am Dach am 4. und 5. Dezember 2018 war die Denkmaleigenschaft des Objektes, wie bereits festgestellt, nicht offensichtlich entfallen. Auch im Rahmen von § 27 Abs. 1 DSchG NRW a. F. gilt in dem Fall, in dem die Behörde – wie vorliegend – lediglich Sicherungsmaßnahmen anordnet, aufgrund der im Vergleich mit einer Wiederherstellungsanordnung geringeren Eingriffsintensität hinsichtlich der Denkmaleigenschaft ein abgesenkter Anforderungsmaßstab.
76Die Ordnungsverfügung vom 27. September 2019 erweist sich auch als bezüglich § 27 Abs. 1 DSchG NRW ermessensfehlerfrei, § 114 VwGO. Wie bereits ausgeführt, waren die vorliegend angeordneten Sicherungsmaßnahmen insbesondere verhältnismäßig.
77Im Rahmen ihrer Störerauswahl hat die Beklagte die Klägerin in rechtlich nicht zu beanstandender Weise auch im Zusammenhang mit § 27 Abs. 1 DSchG NRW a. F. als Handlungsstörerin im Sinne von § 27 Abs. 3 DSchG NRW a. F. i. V. m. § 17 Abs. 1 OBG NRW herangezogen.
78Auch im Zusammenhang mit § 27 Abs. 1 DSchG NRW war den von der Klägerin gestellten Hilfsbeweisanträgen aus den oben genannten Gründen nicht nachzugehen.
79Rechtsgrundlage für die Anordnung der Sicherungsmaßnahmen unter Ziffer 1.1 – 1.3 der Ordnungsverfügung der Beklagten vom 27. September 2019 ist daneben § 7 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 DSchG NRW a. F.. Danach kann die Untere Denkmalbehörde die notwendigen Anordnungen treffen, wenn die Eigentümer oder sonstigen Nutzungsberechtigten ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, ihre Denkmäler instand zu halten, instand zu setzen, sachgemäß zu behandeln und vor Gefährdung zu schützen, soweit ihnen dies zumutbar ist.
80Die Anwendung von § 7 DSchG NRW a. F. wird nicht durch eine Anwendbarkeit von § 27 DSchG NRW a. F. ausgeschlossen. Eine Maßnahme, die nach § 27 Abs. 1 DSchG NRW a. F. von dem Ordnungspflichtigen gefordert werden kann, weil sie der Wiederherstellung eines formell oder materiell illegal veränderten Zustands dient, kann auch nach § 7 Abs. 2 DSchG NRW a. F. verlangt werden, wenn sie zugleich den Schutz oder die Instandsetzung des Denkmals bezweckt und auch sonst alle Voraussetzungen dafür jeweils vorliegen. Die Behörde darf zwischen zwei spezialgesetzlichen Eingriffsermächtigungen wählen, muss aber die jeweils maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für die von ihr jeweils für einschlägig gehaltene Ermächtigungsgrundlage prüfen und ihrer jeweiligen Ermessensentscheidung zugrunde legen.
81Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23.9.2013 – 10 A 971/12 –, juris.
82Im vorliegenden Fall hat die Beklagte diese Voraussetzungen erfüllt, indem sie die Anordnung in Ziffer 1.1 – 1.3 der Ordnungsverfügung hilfsweise auch auf § 7 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 DSchG NRW a. F. gestützt und insoweit eine selbständige Prüfung vorgenommen hat.
83Die Ordnungsverfügung ist auch unter diesem Aspekt materiell rechtmäßig. In seinem Gutachten vom 2. Juni 2019 hatte der Sachverständigen T1. festgestellt, dass als kurzfristig erforderliche Maßnahme eine Abdeckung des Gebäudes als Regenschutz mittels gewebeverstärkter, UV-beständiger Plane vorzunehmen ist. Der Stellungnahme des Sachverständigen für Holzschutz X. vom 28. Mai 2019 zufolge war es dringend erforderlich, das Fachwerkhaus vor Regen zu schützen, weil sonst im Innenbereich durch den Bauschuttanteil Wasser gespeichert werde. Neben der Abdichtung solle auch der Bauschutt entfernt und Zugluft im Gebäude hergestellt werden. Trotz Aufforderung zur Vornahme der auf diesem Befund beruhenden Sicherungsmaßnahmen, die schließlich in 1.1 – 1.3 der Ordnungsverfügung vom 27. September 2019 angeordnet wurden, mit Anhörung vom 18. Juni 2019 hat die Klägerin diese nicht selbst vorgenommen.
84Im Zeitpunkt der Anordnung der Sicherungsmaßnahmen durch die Ordnungsverfügung vom 27. September 2019 war die Denkmaleigenschaft des streitgegenständlichen Gebäudes – wie bereits festgestellt – nicht offensichtlich entfallen. Auch im Rahmen von § 7 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 DSchG NRW a. F. gilt bei der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen aufgrund der im Vergleich zu über die bloße Sicherung des Status Quo hinausgehenden Erhaltungsmaßnahmen geringeren Eingriffsintensität hinsichtlich der Denkmaleigenschaft ein abgesenkter Anforderungsmaßstab.
85Die vorliegenden Sicherungsmaßnahmen sind für die Klägerin auch nicht wirtschaftlich unzumutbar. Wie bereits festgestellt, stellen die angeordneten Sicherungsmaßnahmen unter Berücksichtigung des mit ihnen verbundenen Kostenaufwands keine übermäßige wirtschaftliche Belastung für die Klägerin dar.
86Auch im Rahmen von § 7 DSchG NRW a. F. hat die Beklagte erkannt, dass ihr hinsichtlich der Frage des Einschreitens sowie von dessen Ausgestaltung Ermessen zukommt. In ihren dezidiert zu § 7 DSchG NRW a. F. angestellten Ermessenserwägungen hat die Beklagte dabei zugrunde gelegt, dass nur durch eine kurzfristige Sicherung des Denkmals für dieses eine weitere Gefährdung vermieden werden könne. In Anbetracht, dass es sich bei der streitgegenständlichen Anordnung um eine bloße Sicherung des Status Quo geht, auf deren Grundlage in einem weiteren Schritt über den zukünftigen Umgang mit dem Objekt entschieden wird, ist sind die Anordnungen unter 1.1 – 1.3 der Ordnungsverfügung vom 27. September 2019 auch verhältnismäßig. Wie bereits festgestellt, war im maßgeblichen Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung die Denkmaleigenschaft des Gebäudes nicht offensichtlich entfallen.
87Im Rahmen ihrer Störerauswahl hat die Beklagte die Klägerin in rechtlich nicht zu beanstandender Weise als Nutzungsberechtigte im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 DSchG NRW a. F. herangezogen und dabei darauf abgestellt, dass im Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung Besitz, Nutzung und Lasten an dem Grundstück, auf dem sich das Fachwerkhaus befindet, bereits auf die Klägerin übergegangen waren. Vom Eigentümer hat sie sich im Nachgang das Einverständnis zur Vornahme der Sicherungsmaßnahmen eingeholt.
88Auch im Zusammenhang mit § 7 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 DSchG NRW musste das Gericht den weiteren von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisanträgen nicht nachgehen, weil die zum Beweis gestellten Tatsachen aus den oben genannten Gründen unerheblich sind.
89Die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 3. der Ordnungsverfügung vom 27. September 2019 entspricht den Vorgaben der §§ 55, 57 Nr. 2, 60, 63 VwVG NRW und ist rechtmäßig. Insbesondere war auch die Frist von 2 Wochen zur Durchführung der Sicherungsmaßnahmen gemäß § 63 Abs. 1 Satz 2 VwVG NRW angemessen. Die tatsächliche Durchführung der Ersatzvornahme durch die Beklagte hat auch keine längere Zeit in Anspruch genommen. Ausweislich der beigezogenen Verwaltungsvorgänge hat die Firma C1. , von der das Angebot vom 24. Juni 2019 stammte, mit Schreiben vom 12. November 2019 eine Beauftragung durch die Beklagte abgelehnt. Darauf hat die Beklagte unter dem 27. November 2019 die Firma C2. im Wege einer Vergabe mit der Umsetzung der Maßnahmen und die Firma N. mit der Gerüstaufstellung hierfür beauftragt. Die Arbeiten sind ab dem 5. Dezember 2019 ausgeführt und am 12. Dezember 2019 von der Beklagten abgenommen worden. Es ist zu berücksichtigen, dass die Beauftragung der Arbeiten durch die Beklagte aufgrund des Vergabeverfahrens mit mehr Organisationsaufwand verbunden war als im Fall der Klägerin als privatrechtlicher Gesellschaft. Vielmehr ist davon auszugehen, dass für die Klägerin als Immobiliengesellschaft mit einem Geschäftsmodell, das gerade in der Renovierung von Gebäuden besteht, unproblematisch möglich ist, kurzfristig Handwerker zu finden, um Arbeiten wie die streitgegenständlichen Sicherungsmaßnahmen durchzuführen.
90Vor diesem Hintergrund ist auch der hilfsweise gestellte Antrag auf Feststellung, dass die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 27. September 2019 rechtswidrig war, unbegründet.
91Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da der Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostentragungsrisiko ausgesetzt hat, §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.
92Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
93Rechtsmittelbelehrung:
94Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
951. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
962. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
973. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
984. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
995. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
100Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, zu beantragen. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich einzureichen.
101Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung ‑ VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
102Im Berufungsverfahren muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Berufung. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO.