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Ein Anordnungsgrund für den begehrten Erlass einer einstweiligen Anordnung im Ausbildungsförderungsrecht ist zu bejahen, wenn der Auszubildende glaubhaft macht, dass er ohne die beantragte vorläufige Bewilligung von Ausbildungsförderung seine Ausbildung nicht finanzieren kann und deshalb die Weiterführung der Ausbildung gefährdet ist.Der Einsatz von finanziellen Mitteln, die bei der Berechnung von Ausbildungsförderungsleistungen als Einkommensfreibeträge unberücksichtigt bleiben, ist gegenüber einer Inanspruchnahme gerichtlichen Eilrechtsschutzes vorrangig.
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
G r ü n d e :
2Der gemäß § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gestellte Antrag des Antragstellers,
3den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Leistungen nach dem BAföG in gesetzlicher Höhe unter dem Vorbehalt der Rückforderung ab April 2023 zu gewähren,
4hat keinen Erfolg.
5Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der geltend gemachte materielle Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit der einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind von dem Antragsteller gemäß § 123 Abs. 3 VwGO, §§ 920 Abs. 2, 294 der Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft zu machen.
6Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.
7Wenn die begehrte Regelung – wie hier – eine Vorwegnahme der Hauptsache bedeutet, kommt eine solche nur in Betracht, sofern ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare, später nicht wiedergutzumachende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Danach ist ein Anordnungsgrund dann zu bejahen, wenn der Auszubildende glaubhaft macht, dass er ohne die beantragte vorläufige Bewilligung von Ausbildungsförderung seine Ausbildung nicht finanzieren kann und deshalb die Weiterführung der Ausbildung gefährdet ist.
8Ständige Rechtsprechung, vgl. etwa Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschlüsse vom 4. Dezember 2014 – 12 B 1309/14 – und vom 29. August 2013 – 12 B 792/13 – m.w.N., jeweils juris.
9Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden.
10Der Lebensunterhalt des Antragstellers und die Finanzierung seiner Ausbildung sind gegenwärtig gesichert. Ausweislich seiner Angaben in der Antragsschrift vom 1. März 2023 und seinem Antrag im Verwaltungsverfahren vom 14. Dezember 2022 erhält er als Ratsmitglied, Fraktionsvorsitzender und Ausschussvorsitzender der Stadt S. Aufwandsentschädigungen in Höhe von 1.280,- € monatlich. Dieser Betrag übersteigt den für den Antragsteller nach §§ 13 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2, 13a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) anzusetzenden Bedarf in Höhe von 934,- € um 346,- €. Soweit der Antragsteller in seiner Antragsschrift ausgeführt hat, dass die von ihm erhaltenen Aufwandsentschädigungen „durch die normalen Lebenshaltungskosten und das Erststudium vollständig und darüber hinaus verzehrt“ werden, hat er dies trotz gerichtlicher Aufforderung nicht glaubhaft gemacht.
11Der ihm monatlich zur Verfügung stehende Betrag in Höhe von 1.280,- € ist bei der Beurteilung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse im vorliegenden Verfahren auch nicht um den nach § 3 Nr. 12 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfreien Teil der Aufwandsentschädigung zu kürzen. Denn geschützte Freibeträge bei der BAföG-Berechnung finden im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich keine Berücksichtigung. Sie müssen vielmehr zur Deckung des aktuellen Bedarfes regelmäßig ausgeschöpft werden. Es handelt sich bei den Freibeträgen um bereite Mittel, die tatsächlich zum Bestreiten des Lebensunterhalts zur Verfügung stehen und die über das Existenzminimum hinausgehen, das im Rahmen des gerichtlichen Eilrechtsschutzes gesichert werden soll. Derartige Einkommensfreibeträge sind für die Sicherstellung des Existenzminimums regelmäßig einzusetzen. Dieser Einsatz ist gegenüber einer Inanspruchnahme gerichtlichen Eilrechtsschutzes vorrangig. Dem steht auch nicht die Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) entgegen, denn eine einstweilige Anordnung dient nicht der Vorwegnahme der Erfüllung eines Anspruchs auf Förderungsleistungen, sondern lediglich der Beseitigung einer Notlage, für die der Betreffende zuvorderst Eigenmittel einsetzen muss.
12Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. August 2013 – 12 B 792/13 –, juris, Rn. 11; Verwaltungsgericht (VG) Bremen, Beschlüsse vom 11. August 2022 – 7 V 1006/22 –, Rn. 28, und vom 12. Oktober 2021 – 7 V 1990/21 –, Rn. 17, jeweils juris; vgl. ferner zu Aufwandsentschädigungen für kommunale Mandatsträger VG Gelsenkirchen, Urteil vom 6. Januar 2021 – 15 K 3112/19 –, juris.
13Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 VwGO.
14Rechtsmittelbelehrung:
15Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster zu.
16Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Beschlusses schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, einzulegen. Sie ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
17Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
18Im Beschwerdeverfahren muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO.