Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
1. Wenn ein Rechtsschutzersuchen erkennbar nicht mehr der Wahrnehmung prozessualer Rechte, sondern ausschließlich verfahrensfremden Zwecken dient, bedarf es keiner förmlichen Abweisung oder Verwerfung durch Prozessurteil. Das Ersuchen ist dann von vornherein unbeachtlich; wurde es anfangs unzutreffender Weise als förmlicher Rechtsbehelf behandelt, so ist das Verfahren einzustellen.
2. Ersuchen, die mit dem Rechtsschutzauftrag der Gerichte überhaupt nicht mehr im Zusammenhang stehen, sondern nur noch primär eine zusätzliche Arbeitsbelastung der Gericht bezwecken, sind von vornherein nicht als förmliche Rechtsbehelfe zu behandeln.
3. Ein Missbrauch des Prozessrechts zu verfahrensfremden Zwecken ist unstatthaft.
4. Der mitgliedsstaatliche Einwand unzulässiger Rechtsausübung wegen Rechtsmissbrauchs bzw. Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben kann auch dem unionsrechtlichen Anspruch aus Art. 15 der VO (EU) 2016/679 (DSGVO) entgegenstehen.
Das Verfahren wird eingestellt.
Gründe:
2I. Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 25. Mai, 24. Juni, 29. Juli und 3. August 2022 bei dem Beklagten
3- Übersendung einer Kopie der bei dem Beklagten gespeicherten personenbezogenen Daten (Art. 15 DSGVO),
4- Auskunft darüber, wo Frau Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Dr. H. ihre Erprobung absolviert hat,
5- Veröffentlichung eines Beschlusses des 15. Senats,
6- Auskunft über die Mitwirkung von Herrn Präsidenten des Verwaltungsgerichts K. in einem Verfahren aus dem Jahr 2016 und
7- Einsichtnahme in die Personalakte von Herrn Präsidenten des Verwaltungsgerichts K. .
8Der Beklagte lehnte diese Anträge unter dem 22. August 2022 ab. Das Verlangen einer kostenlosen Kopie nach Art. 15 DSGVO sei offensichtlich unbegründet (Art. 12 Abs. 5 Satz 2 Buchst. b) DSGVO. Die übrigen Anträge erwiesen sich als rechtsmissbräuchlich. Hierzu verwies der Beklagte auf die Gründe der Beschlüsse des Oberlandesgerichts Hamm vom 8. Mai 2018 - I-15 VA 12/18 -, des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 13. September 2019 - I-3 VA 6/19 -, der erkennenden Kammer vom 27. Juli 2022 - 15 K 2518/22 - sowie des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 11. Juli 2022 - 29 K 242/22 -.
9Der Kläger hat sich mit einem als „Klage“ bezeichneten Schreiben vom 12. September 2022 gegen die Versagung der Auskünfte gewehrt, das nach Eingang zunächst als Klage behandelt wurde.
10Er hat (wörtlich) die Anträge angekündigt, das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen unter Aufhebung dessen Bescheides vom 22. August 2022 zu verpflichten,
11„a.) Mir eine komplette Einsicht alle gespeicherten Personenbezogen Daten gemäß § 15 (3) DSGVO - Anlage G05 - )die mir nicht schon bekannt sind damit ich eine Prüfung der Löschung vornehmen kann
12b.) Zu sagen wo die Geschäftsstelle ist wo nach § 21 g (7) GVG i.V. § 21 e (9) GVG die Geschäftsverteilungspläne der Mail vom 29. Juli 2022 ( - Anlage G05 - ) ausliegen und wann ich diese Einsehen kann - hilfsweise eine abschließend Bescheid .
13c.) Der Antragssteller konnte schon selber ermitteln wo nun die Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Ihre Ersatzprobung hatte und zwar am N. ( insofern hat sie diese Anfrage erledigt ( - Anlage G04-)
14d.) den Beschluss wenn er schon vorhanden ist aus dem Verfahren 15A1578/15 ( - Anlage G03- ) in die NRWE Datenbank zu stellen - hilfsweise die Information das ggf. das Verfahren noch geführt wird .
15e.) Auskunft darüber zu geben wer am Verfahren 12 A 763/10 vom 25.02.2011 mitgewirkt hat - hilfsweise die Namen in die NRWE zu stellen (- Anlage G06 -).“
16In der Sache trug der Kläger zu Art. 15 Abs. 3 DSGVO vor und begehrte „Komplette Einsicht“ in seine personenbezogenen Daten, „um auch nachzuprüfen, wo z.B. auch in dem Bescheid genannte Informationen sich angeeignet worden ist“. In der weiteren Begründung trug er zur nach seiner Ansicht unzutreffenden Praxis des Beklagten im Zusammenhang mit der Einstellung von Entscheidungen in die Rechtsprechungsdatenbank www.nrwe.de vor und bekräftigte sein Begehren, die Namen der an der Entscheidung vom 25. Februar 2011 im Verfahren 12 A 763/10 beteiligten Richter zu erhalten.
17Der Beklagte ist dem entgegengetreten, er erachtet das Rechtsschutzersuchen als rechtsmissbräuchlich und verweist hierzu auf das Urteil des OVG NRW vom 6. Oktober 2022 – 15 A 593/20 – sowie die zum Kläger ergangenen Entscheidungen: VG Gelsenkirchen, Beschlüsse vom 14. Januar 2022 – 15 K 1353/21 –, juris Rn. 13, vom 25. Januar 2022 – 15 K 65/22 –, n.v., vom 12. Mai 2022 – 15 K 1870/22 –, n.v., vom 27. Juli 2022 – 15 K 2518/22 –, n.v.; vgl. außerdem BGH, Beschluss vom 8. Januar 2020 – IV ZA 14/19 –, juris Rn. 8; OLG Hamm, Beschluss vom 8. Mai 2018 – I-15 VA 12/18 –, juris Rn. 59 f.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. September 2019 – I-3 VA 6/19 –, juris Rn. 18 ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 11. Juli 2022 – 29 K 242/22 –, juris Rn. 51 ff. (allesamt zu dem Kläger ergangen).
18Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat in den Verfahren 15 A 760/20 und 15 A 539/20 mit Urteilen vom 6. Oktober 2022 unter Einbeziehung der landesweit ermittelten Antragsverfahren und Rechtsschutzersuchen festgestellt, den vom Kläger verfolgten Auskunftsersuchen stünde der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegen, denn er bezwecke im Wesentlichen im Rahmen eines „Rachefeldzugs“, die Justiz und Justizverwaltung zu belästigen. Der Berichterstatter hat den Kläger mit Verfügung vom 19. Januar 2023, gegen Postzustellungsurkunde am 21. Januar 2023 zugestellt, zur beabsichtigten Einstellung des Verfahrens unter Bezugnahme auf diese vorerwähnten Entscheidungen angehört und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum Ablauf von 14 Tagen ab Zustellung eingeräumt.
19Hierauf hat der Kläger mit Schreiben vom 30. Januar 2023 sinngemäß zusammengefasst ausgeführt, er habe gegen die beiden – von ihm als Beschlüsse bezeichneten – Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vor dem Bundesverwaltungsgericht Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein noch durchzuführendes Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht gestellt. Zudem habe das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen ihm nicht seine Rechte aus Art. 15 DSGVO abgesprochen. Er beantrage mündliche Verhandlung. Für den Fall einer Entscheidung nach § 84 VwGO werde er die Rechtsmittel nach § 84 Abs. 2 und 3 VwGO einlegen. Für eine Einstellung des Verfahrens fehle es an einer Klagerücknahme bzw. an einer Hauptsachenerledigungserklärung.
20II. Das Verfahren war entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen (1.), weil das Rechtsschutzersuchen im vorliegenden Einzelfall wegen unzulässiger Rechtsausübung ausgeschlossen ist. Ihm steht im gegebenen Extremfall kein schützenswertes Interesse beiseite (2.).
211. Eine Ausprägung des für jeden Rechtsbehelf vor den Verwaltungsgerichten notwendigen Rechtsschutzbedürfnisses stellt es dar, dass der Rechtsschutzsuchende das Gericht nicht für unnütze oder unlautere Zwecke in Anspruch nehmen kann. Andernfalls liegt ein Missbrauch des Prozessrechts zu verfahrensfremden Zwecken vor, der unstatthaft ist.
22BayVGH, Beschluss vom 14.3.1990 – 5 B 89.3542 –, juris Rn. 9.
23Wenn ein Rechtsschutzersuchen erkennbar nicht mehr der Wahrnehmung prozessualer Rechte, sondern ausschließlich verfahrensfremden Zwecken dient, bedarf es keiner förmlichen Abweisung oder Verwerfung durch Prozessurteil. Das Ersuchen ist dann von vornherein unbeachtlich; wurde es anfangs unzutreffender Weise als förmlicher Rechtsbehelf behandelt, so ist das Verfahren einzustellen.
24Vgl. VGH BaWü, Beschluss vom 11. Juli 2016 – 1 S 294/16 –, juris Rn. 4, m.w.N; VG Freiburg, Beschluss vom 2. Februar 2016 – 1 K 2993/15 –, juris Rn. 12; BFH, Beschluss vom 27. November 1991 – III B 566/90 –, juris Rn. 23, wonach ein Gericht auch über rechtsmissbräuchliche Tatbestandsberichtigungsanträge nach Abschluss eines Verfahrens nicht förmlich entscheiden muss.
25In einem solchen Fall dient das Begehren bei verständiger Betrachtung nicht mehr einer vermeintlichen Rechtsverfolgung oder dem Schutz eines vermeintlich beeinträchtigten Rechts; es kann nur noch scheinbar von einem Rechtsschutzbegehren im prozessrechtlichen Sinn ausgegangen werden. Ersuchen, die mit dem Rechtsschutzauftrag der Gerichte überhaupt nicht mehr im Zusammenhang stehen, sondern nur noch primär eine zusätzliche Arbeitsbelastung der Gerichte bezwecken, sind von vornherein nicht als förmliche Rechtsbehelfe zu behandeln. Insofern ist die Sachlage vergleichbar mit der bei der Einreichung von Rechtsmitteln mit vorwiegend beleidigendem Inhalt, die ebenfalls als unbeachtlich angesehen werden.
26Vgl. VGH BaWü, Beschluss vom 11. Juli 2016 – 1 S 294/16 –, juris Rn. 6; LSG BaWü, Beschluss vom 3. März 2014 – L 2 SF 265/14 EK –, juris Rn. 7.
27Dies steht im Einklang mit dem verfassungsrechtlichen Verfahrensgrundrecht des Art. 19 Abs. 4 GG. Der Zugang zu den Gerichten wird vom Grundgesetz nicht lediglich als formelles Recht, die Gerichte anzurufen, garantiert, sondern zielt auf die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes. Der damit garantierte Rechtsschutz erfolgt durch eine grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstandes sowie eine verbindliche richterliche Entscheidung. Eine Inanspruchnahme der Gerichte zu zweckwidrigen und rechtsmissbräuchlichen Zwecken steht außerhalb des Schutzes von Art. 19 Abs. 4 GG.
28BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2012 – 1 BvL 18/11 –, BVerfGE 133, 1, juris Rn. 72; LSG BaWü, Beschluss vom 3. März 2014 – L 2 SF 265/14 EK u.a. –, juris Rn. 7.
292. Das vermeintliche Rechtsschutzersuchen im vorliegenden Einzelfall stellt einen Extremfall unzulässiger Rechtsausübung dar.
30Dem „Kläger“ steht für Auskunftsersuchen wie dem vorliegenden kein schützenswertes Interesse zur Seite. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat zu Auskunftsersuchen des „Klägers“ nach dem Informationsfreiheitsgesetz ausgeführt, unter Berücksichtigung aller relevanten Aspekte, insbesondere der Vielzahl der Informationsbegehren des Klägers, sei davon auszugehen, dass ein (unterstellter) Anspruch wegen unzulässiger Rechtsausübung ausgeschlossen sei. „Denn der Kläger nutzt seine diesbezüglichen Anträge jedenfalls im Wesentlichen dazu, im Zuge eines privat motivierten Vergeltungsfeldzugs die Justiz und Justizverwaltung zu schikanieren und zu belästigen.“
31OVG NRW, Urteil vom 6. Oktober 2022 – 15 A 760/20 –, juris Rn. 86.
32Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat mit dem Oberlandesgericht Hamm festgestellt, der „Kläger“ sei von einem Vergeltungsdrang gegenüber der Justiz mit Blick auf erfolglose Gerichtsverfahren in einer familienrechtlichen Angelegenheit getragen.
33OVG NRW, Urteil vom 6. Oktober 2022 – 15 A 760/20 –, juris Rn. 86; OLG Hamm, Beschluss vom 8. Mai 2018 – I-15 VA 12/18 –, juris Rn. 59.
34Den hierzu getroffenen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen:
35„Dieser Beweggrund wird ferner durch die seitens des Beklagten im hiesigen Verfahren wie auch im Verfahren 15 A 593/20 dokumentierte Anzahl an Gesuchen des Klägers gegenüber den Gerichtsverwaltungen belegt. So hat der Kläger mit Stand 30. August 2021 seit dem dritten Quartal 2017 rund 350 Eingaben im Zusammenhang mit Geschäftsverteilungsplänen allein bei der ordentlichen Gerichtsbarkeit des Landes Nordrhein-Westfalen eingereicht, die im Schriftsatz des Beklagten vom 27. September 2021 wie auch im Schriftsatz des Beklagten vom 5. Oktober 2021 im Verfahren 15 A 593/20 im Einzelnen aufgelistet werden. Hinzu treten Einsichtnahmegesuche auch in anderen Gerichtsbarkeiten, namentlich bei den Verwaltungsgerichten, wie dem Senat aufgrund derzeit anhängiger Beschwerden des Klägers in verschiedenen einschlägigen Prozesskostenhilfeverfahren bekannt ist. Zusätzlich nutzt der Kläger von ihm gegen die Verweigerung der Einsichtnahme angestrengte Gerichtsverfahren aus, um auch hier entsprechende Anträge zu stellen. So hat er etwa beim Verwaltungsgericht Düsseldorf nach Einleitung eines isolierten Prozesskostenhilfeverfahrens - gewissermaßen bei Gelegenheit - Einsicht in alle dortigen kammerinternen Geschäftsverteilungspläne der Jahre 2021 und 2022 genommen, obwohl er lediglich bei einer Kammer seit Anfang des Jahres 2022 Verfahren bzw. ein Verfahren im Jahr 2019 betrieben hat.
36Vgl. hierzu VG Düsseldorf, Beschluss vom 11. Juli 2022 - 29 K 242/22 -, juris Rn. 55.
37Zu diesen Anträgen auf Einsichtnahme in Geschäftsverteilungspläne treten weitere, im Schriftsatz des Beklagten vom 5. Oktober 2021 im Verfahren 15 A 593/20 im Einzelnen aufgelistete Informations- und sonstige Anträge. Hierzu gehört etwa die Frage nach Verhinderungszeiten bestimmter Richter und Richterinnen, Informationen zur sprachlichen Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Rechts- und Verwaltungssprache, die Anforderung einer Aufstellung über die Ausgaben für Print-Medien sowie eine Vielzahl an Dienstaufsichtsbeschwerden. Insgesamt listet der Beklagte im vorgenannten Schriftsatz rund 850 Anträge und Anfragen an die Justizverwaltungen der ordentlichen Gerichtsbarkeit des Landes Nordrhein-Westfalen seit dem Jahr 2015 auf, wobei zu beachten ist, dass eine Mehrzahl dieser Anträge zusätzlich mehrere Begehren enthielt. In diesem Zusammenhang ist ferner darauf hinzuweisen, dass das seitens des Beklagten u. a. abgefragte Dezernat 7 des Oberlandesgerichts Z. sich bei seiner Rückmeldung darauf beschränkt hat, für den Zeitraum von 2015 bis 30. August 2021 pauschal 175 Anträge anzugeben. Die vorgenannte Zahl von 850 Gesuchen dürfte danach noch einmal deutlich zu erhöhen sein.
38Bereits die Anzahl der gestellten Anträge zeigt, dass der Kläger den ihm u. a. durch das Informationsfreiheitsgesetz NRW zur Verfügung gestellten Informationsanspruch nutzt, um die Justizbehörden möglichst umfänglich zu beschäftigen. Zusätzlich erhöht er den Arbeitsaufwand der betroffenen Behörden dadurch, dass er gestaffelte Anträge stellt und seine Begehren sukzessive erweitert.
39So OLG Hamm, Beschluss vom 8. Mai 2018 - I-15 VA 12/18 -, juris Rn. 59.
40Der aus diesem Vorgehen gezogenen Schlussfolgerung, dass diese Staffelung ersichtlich dazu dient, bei den vom Kläger angefragten Behörden zusätzlichen Aufwand zu verursachen, tritt der Senat bei. Mangels eines erkennbaren sonstigen Interesses an einer solchen Vielzahl von Anträgen und angesichts des hiermit auch auf Seiten des Klägers verbundenen Aufwands erscheint zudem der Schluss berechtigt, dass der Kläger seine Gesuche maßgeblich aus der von ihm selbst bezeichneten, privaten Vergeltungsmotivation heraus stellt. Dies wird auch durch den Schwerpunkt der von ihm adressierten Justizbehörden deutlich, der sich nach Maßgabe der Anzahl der Eingaben vor allem auf das Amtsgericht D. (knapp 250 Anträge) und das diesem übergeordnete Oberlandesgericht Z. (ca. 380 Anträge) bezieht, bei denen der in M. wohnhafte Kläger nach Mitteilung des Beklagten im Verfahren 15 A 593/20 die Mehrzahl seiner familiengerichtlichen Streitigkeiten betrieben hat bzw. derzeit noch betreibt.
41Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung eingewendet hat, in vielen der von dem beklagten Land aufgeführten Fälle habe er die von ihm begehrten Antragsinhalte erhalten, so dass schon insofern keine unzulässige Rechtsausübung vorliegen könne, trägt dies nicht. Der Kläger verkennt damit, dass die Unzulässigkeit der Ausübung von ihm ggf. zustehenden Rechten vorliegend durch die Vielzahl der Anträge, die er gestellt hat, indiziert wird. Auf eine Erfüllung der von ihm geltend gemachten Begehren kommt es dafür ebenso wenig an wie darauf, ob diesen ein berechtigter Anspruch zu Grunde liegt.“
42OVG NRW, Urteil vom 6. Oktober 2022 – 15 A 760/20 –, juris Rn. 91-96,
43schließt die Kammer sich für das vorliegende Verfahren an. Er missbraucht nach diesen Feststellungen das Recht der Ansprüche auf Informationsauskunft, -zugang oder -kopie im weiteren Sinne, ohne dass ihm ein schützenswertes Interesse zur Seite steht. Im gegebenen Zusammenhang hat er dies auch bei an sich begründungsfreien Ansprüchen der vorerwähnten Art darzulegen. Dies ist ihm nicht gelungen.
44Für das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen ist festzustellen, dass der „Kläger“ seit dem Jahr 2018 bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung rund 80 Verfahren wie das Vorliegende vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen anhängig gemacht hat. Er hat im abgelaufenen Kalenderjahr alleine über 20 Angelegenheiten hinzugefügt.
45Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat bei seiner rechtlichen Beurteilung, dem „Kläger“ gehe es maßgeblich um eine Bindung von erheblichen Arbeitskapazitäten, ausdrücklich weitere von ihm betriebene Informationsgesuche in den Blick genommen und sich für diese Kategorie der Informationsgesuche ein Gesamtbild erstellt. In diesem ergebe sich eine schikanöse Zielrichtung des „Klägers“, Vergeltung für eine von ihm empfundene ungerechte Behandlung durch die Justiz dadurch zu nehmen, dass er diese mit vielfachen Anträgen und Einwendungen überzieht und beschäftigt und hierzu die Möglichkeiten, die ihm im Grundsatz voraussetzungslose bzw. niedrigschwellige Ansprüche gewähren, als Mittel nutzt.
46OVG NRW, Urteil vom 6. Oktober 2022 – 15 A 760/20 –, juris Rn. 99 f.
47Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat ausdrücklich auch die bei ihm im Stadium der Beschwerdeverfahren gegen isolierte Prozesskostenhilfeanträge sowie die ihm bekannten weiteren anhängigen Verfahren in der Verwaltungsgerichtsbarkeit des Landes Nordrhein-Westfalen in seine Würdigung einbezogen.
48OVG NRW, Urteil vom 6. Oktober 2022 – 15 A 760/20 –, juris Rn. 91.
49Dieser Wertung steht nicht entgegen, dass das Verfahren anfänglich als Klageverfahren angelegt und behandelt wurde. Diese Behandlung war auf den Umstand zurückzuführen, dass die Kammer zum damaligen Zeitpunkt noch keine Überzeugung von der rechtsmissbräuchlichen Absicht des Klägers hatte. Maßgeblich ist hierfür der aus dem materiellen Recht folgende entscheidungserhebliche Zeitpunkt. Dies ist hier derjenige der Beschlussfassung.
50Die stetig wachsenden und zahlreichen Eingaben des Klägers, die bereits die Entscheidungsgründe des Beschlusses vom 14. Januar 2022,
51VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 14. Januar 2022 – 15 K 1353/21 –, juris Rn. 8,
52getragen haben sowie die Kenntniserlangung weiterer Verfahren gleichgelagerter Art in der Verwaltungsgerichtsbarkeit des Landes Nordrhein-Westfalen,
53VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 11. Juli 2022 – 29 K 242/22 –, vom 3. August 2022 – 29 K 4382/22 – und vom 11. Juli 2022 – 29 K 3037/22 –,alle juris,
54sowie die auszugsweise vorstehend wiedergegebenen Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen in den Urteilen vom 6. Oktober 2022,
55OVG NRW, Urteile vom 6. Oktober 2022 – 15a 593/20 und 15 A 760/20 -, beide juris,
56haben der Kammer im Sinne eines iterativen Erkenntnisprozesses während des Verfahrens bis zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt die gesicherte Überzeugung von der Motivation des „Klägers“ als innere Tatsache offenbart. Diese Gesamtschau seiner – sicherlich immer noch nicht vollständig erfassten – Auskunftsersuchen in der Gerichtsbarkeit des Landes Nordrhein-Westfalen trägt die Überzeugungsbildung, dass dem vorliegenden Verfahren ebenso der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegensteht.
57Selbst wenn man mit der früheren Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main verlangt, dass die Rechtsausübung objektiv dem Berechtigten keinerlei Vorteil zu bringen vermag, sondern lediglich zur Schädigung eines anderen taugt,
58vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. März 1979 – 3 Ws 9-25 –, juris Rn. 11,
59ist diese Voraussetzung mit den vorstehenden Erwägungen zur Überzeugung der Kammer erfüllt. Der Antrag c) ist offensichtlich kein Klageantrag, sondern dient dem „Kläger“ einzig zum Vortrag, die „Anfrage“ habe sich erledigt. Den Anträgen b), d) und e) steht der Einwand unzulässiger Rechtsausübung unmittelbar aus den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen in den Verfahren 15 A 593/20 und 154 A 760/20 entgegen.
60Für den auf Art. 15 Abs. 3 Satz 1 der VO (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (ABl. 2016 L 119, 1, sowie [Berichtigungen] ABl. 2016 L 314, 72, ABl. 2018 L 127, 2 und ABl. 2021 L 74, 35) – nachfolgend DSGVO – gestützten Antrag zu a) gilt nichts anderes. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat den Einwand unzulässiger Rechtsausübung aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleitet.
61Vgl. OVG NRW, Urteil vom 6. Oktober 2022– 15 A 760/20 –, juris Rn. 78,
62Dieser allgemeine Rechtsgrundsatz unzulässiger Rechtsausübung kann auch der Geltendmachung eines Betroffenenrechts der DSGVO entgegenstehen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dürfen nationale Gerichte eine innerstaatliche Rechtsvorschrift über die gegen Treu und Glauben verstoßende missbräuchliche Rechtsausübung anwenden, um zu beurteilen, ob ein sich aus einer Gemeinschaftsbestimmung ergebendes Recht missbräuchlich ausgeübt wird.
63EuGH, Urteil vom 12. Mai 1998 – C-367/96,ECLI:EU:C:1998:222 = EuZW 1999, 56 Rn. 20f.; Lembke, NJW 2020, 1841 (1845).
64Wenn die rechtsmissbräuchliche Berufung auf Unionsrecht anhand einzelner nationaler Rechtsvorschriften zum Schutz von Treu und Glauben festgestellt werden kann, gilt dies erst recht für den demselben Schutz dienenden allgemeinen, die gesamte Rechtsordnung durchziehenden Rechtsgedanken. Nach der vom Europäischen Gerichtshof hierfür gezogenen Grenze darf hierbei die volle Wirksamkeit und die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten nicht beeinträchtigt werden, insbesondere dürfen die Tragweite einer Gemeinschaftsbestimmung, aus der sich das der Missbrauchskontrolle unterzogene Recht ergibt, nicht verändert oder die mit ihr verfolgten Zwecke nicht vereitelt werden.
65EuGH, Urteil vom 12. Mai 1998 – C-367/96,ECLI:EU:C:1998:222 = EuZW 1999, 56 Rn. 22.
66Letztlich ist der Anspruch aus Art. 15 DSGVO von derselben Motivation getragen, die den Einwand unzulässiger Rechtsausübung sonstiger Ansprüche auf Informationszugang, -auskunft und -kopie begründen. Eine andere Würdigung eröffnete die Möglichkeit, den Einwand, der den nationalen Ansprüchen entgegensteht, zu umgehen. Deshalb steht dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch aus Art. 15 DSGVO hier auch der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen.
67Die Einordnung des vorliegenden Begehrens als gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßend wahrt die dargestellten Anforderungen des Unionsrechts. In dem gegebenen Extremfall wird weder die Tragweite der Grundsätze des Datenschutzes und der Betroffenenrechte nach Art. 15 ff. DSGVO verändert noch die mit ihnen verfolgten Zwecke vereitelt. Datenschutzfremde Zwecke und eine Belästigungsabsicht gegenüber der Gerichtsbarkeit sind nicht vom Schutzzweck der Betroffenenrechte (Transparenz und Rechtmäßigkeitskontrolle, vgl. Erwägungsgrund 63 Satz 1 zur DSGVO) erfasst.
68Nach alledem war das Verfahren einzustellen. Da im konkreten Fall über das "Verfahrenshindernis" der Unbeachtlichkeit einer Klage erst nach ihrer anfänglichen förmlichen Behandlung befunden wird, ist das Verfahren nunmehr aus Gründen der Rechtsklarheit, analog zu der Regelung nach einer Klagerücknahme (vgl. § 92 Abs. 2 VwGO), durch gerichtlichen Beschluss einzustellen. Wie dort ist der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen. Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen, weil der Grundsatz der Mündlichkeit des Verfahrens (in seiner Ausformung durch die Verwaltungsgerichtsordnung) sich nur auf förmliche Rechtsbehelfe im Sinne des Prozessrechts bezieht.
69Vgl. BayVGH, Beschluss vom 14. März 1990 – 5 B 89.3542 –, juris Rn. 11; VGH BaWü, Beschluss vom 11. Juli 2016 – 1 S 294/16 –, juris Rn. 4; VG Freiburg (Breisgau), Beschluss vom 2. Februar 2016 – 1 K 2993/15 –, juris Rn. 12.
70Ein solcher Rechtsbehelf liegt hier aber – wie dargestellt – nicht vor. Überdies ist dem „Kläger“ rechtliches Gehör gewährt worden.
713. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da kein gerichtliches Verfahren vorliegt, das eine Kostenfolge auslösen könnte.
72VG Freiburg (Breisgau), Beschluss vom 2. Februar 2016– 1 K 2993/15 –, juris Rn. 16.
73Die Einzelfallbeurteilung als Extremfall rechtsmissbräuchlicher Inanspruchnahme der Gerichte nachdem das Verfahren zunächst als Klageverfahren angelegt und behandelt wurde gebietet, gegen diesen Beschluss die Beschwerdemöglichkeit (§ 146 Abs. 1, § 147 VwGO) zu eröffnen. § 92 Abs. 3 Satz 2 VwGO ist insoweit nicht entsprechend anzuwenden, weil es an einer ausdrücklichen verfahrensbeendenden Erklärung fehlt.
74Rechtsmittelbelehrung:
75Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster zu.
76Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Beschlusses schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, einzulegen. Sie ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
77Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
78Im Beschwerdeverfahren muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO.