Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Für die Überprüfung der gesetzmäßigen Durchführung eines Bürgerentscheids sind die Vorschriften des (Kommunal-)Wahlprüfungsverfahrens oder einzelne Elemente daraus nicht heranzuziehen.
Dem Verfassungsrecht ist keine Notwendigkeit gleichlaufenden Rechtschutzes zwischen der Überprüfung der Durchführung von Wahlen einerseits und Abstimmungen andererseits zu entnehmen. Diese demokratischen Beteiligungsformen haben unterschiedliche Gegenstände, die ihre differenzierte rechtliche Behandlung rechtfertigen.
ieht die verfahrensmäßige Ausgestaltung der Abstimmung mehrere Abstimmungsmöglichkeiten vor, sind diese in eine Gesamtbetrachtung einzustellen, um die Frage nach der zumutbaren Teilnahmemöglichkeit für alle Stimmberechtigten (Grundsatz der Allgemeinheit) zu beantworten.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die ordnungsgemäße Durchführung des Bürgerentscheids „Aufhebung Aufstellungsbeschluss Bebauungsplan E. Straße“ (nachstehend: Bürgerentscheid).
3Die Kläger sind die Vertretungsberechtigten des im Parallelverfahren 15 K 237/23 streitgegenständlichen Bürgerbegehrens „Gewerbegebiet L. und des vorliegend streitgegenständlichen Bürgerbegehrens „Gewerbegebiet E. . Gegenstand dieses Bürgerbegehrens ist die Abstimmungsfrage,
4„Sind Sie dafür, dass der Beschluss zur Aufstellung des Bebauungsplans Gewerbegebiet E. aufgehoben wird?“.
5Der Rat der Beklagten stellte in der Ratssitzung am 15. September 2022 durch Beschluss die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens fest und beschloss zudem, ihm nicht zu entsprechen.
6Nach öffentlicher Bekanntmachung des Tages des Bürgerentscheids, der zur Entscheidung stehenden Fragen, sowie des Rechts auf Einsicht in das Abstimmungsverzeichnis im Amtsblatt der Beklagten vom 14. November 2022 (Beiakte Heft 1 Bl. 216 ff) fanden beide Bürgerentscheide am 11. Dezember 2022 statt.
7Die Abstimmung war in Stimmlokalen und per Brief möglich. Für die Abstimmung in Stimmlokalen legte die Beklagte 16 Abstimmungsbezirke fest. Diese entsprachen teilweise den für die Kommunalwahl 2020 eingerichteten 23 Wahlbezirken und wichen teilweise davon ab, soweit die Beklagte für die Kommunalwahl eingerichtete Wahlbezirke für die Abstimmung der Bürgerentscheide zusammenlegte.
8In jedem Abstimmungsbezirk wurde ein Stimmlokal eingerichtet. Für die weiteren Einzelheiten der Abgrenzung der Abstimmungsbezirke und Lage der Stimmlokale wird auf Bl. 39 der Gerichtsakte Bezug genommen.
9Im Abstimmungsverzeichnis eingetragene abstimmungsberechtigte Personen konnten Stimmscheine bis Freitag, den 9. Dezember 2022, 18.00 Uhr, bei der Stadtverwaltung M. im Sitzungssaal II im Rathaus persönlich, schriftlich oder elektronisch, z.B. im Internet unter www.M. .de oder per Smartphone über den QR-Code, beantragen. Ausweislich der Bekanntmachung im Amtsblatt der Beklagten vom 14. November 2022 galt die Schriftform auch durch Telegramm, Telefax, E-Mail oder sonstige dokumentierbare elektronische Form gewahrt. Telefonische Anträge waren unzulässig. Die Abstimmung mit Briefabstimmungsunterlagen konnte ab 4 Wochen vor dem Abstimmungstag im Rathaus der Beklagten vorgenommen werden. Zudem konnten Abstimmungsberechtigte mit Stimmschein am Abstimmungstag in einem beliebigen der Stimmlokale abstimmen. Bis Samstag, den 10. Dezember 2022, 12.00 Uhr, konnten Ersatzunterlagen für nicht erhaltene Briefabstimmungsunterlagen beantragt werden. Die Beantragung und Abholung der Stimmscheine war auch durch schriftlich bevollmächtigte Personen möglich. Zur Stimmabgabe mussten die jeweiligen Stimmberechtigten den Stimmbriefumschlag mit dem/den Stimmzettel/n und dem Stimmschein so rechtzeitig an die Beklagte absenden, dass er dort spätestens am Tag der Bürgerentscheide bis 16.00 Uhr einging. Der Stimmbrief konnte auch bei der Stadtverwaltung M. abgegeben werden. Für die weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 218 der Beiakte Heft 1 Bezug genommen.
10An dem Bürgerentscheid nahmen 10.307 Personen teil. Die Anzahl der gültigen Stimmen betrug 10.271, die Anzahl der ungültigen Stimmen 36. Mit „Ja“ stimmten 8.552, mit „Nein“ 1.719 Personen. Das bei 65.483 Abstimmungsberechtigten erforderliche Quorum von 9.823 Stimmen wurde nicht erreicht. Dafür fehlten 1.271 Ja-Stimmen.
11Der Rat der Beklagten beschloss in seiner Sitzung am 15. Dezember 2022 einstimmig bei fünf Enthaltungen die Feststellung der vorstehend dargestellten Ergebnisse des jeweiligen Bürgerentscheids. Weiter stellte er fest, der Bürgerentscheid sei nicht erfolgreich und der gegenständliche Bebauungsplanaufstellungsbeschluss werde nicht aufgehoben. Die Beklagte machte die Abstimmungsergebnisse in ihrem Amtsblatt vom 29. Dezember 2022 öffentlich bekannt.
12Die Kläger haben am 25. Januar 2023 die vorliegende Klage erhoben. Zu deren Begründung tragen sie im Wesentlichen vor, die Durchführung des Bürgerentscheids sei rechtsfehlerhaft erfolgt. Die Beklagte habe gegen § 6 der Verordnung über die Durchführung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden vom 10. Juli 2004 (BürgerentscheidDVO) verstoßen. Sie hätte bei der Einteilung ihres Gemeindegebiets in Abstimmungsbezirke und bei der Festlegung der Lage der Stimmlokale nicht von den für die Kommunalwahl 2020 festgelegten Wahlbezirken und Wahllokalen abweichen dürfen. Einige Abstimmungsbezirke seien zu groß festgelegt worden. Diese Festlegung der Abstimmungsbezirke und die Lage einiger Stimmlokale am Rand des entsprechenden Abstimmungsbezirks seien geeignet gewesen, die Abstimmungsberechtigten von einer Teilnahme an der Abstimmung abzuhalten. Für die Einzelheiten des Vortrags zur Festlegung der Abstimmungsbezirke wird auf Seite zwei der Klagebegründung vom 6. April 2023 (Bl. 37 der Gerichtsakte) Bezug genommen.
13Zudem leide die Briefabstimmung an Rechtsfehlern. Die Beklagte habe Briefabstimmungsunterlagen zu spät an den Postdienstleister übergeben, in 29 Fällen sogar nach dem Abstimmungstag. 15 Prozent der Abstimmungsberechtigten, die eine Abstimmung per Brief beantragt hatten, hätten die Unterlagen nicht zurückgesandt. Diese Quote von 800/5.500 nicht zurückgesandter Briefabstimmungsunterlagen sei ausgesprochen hoch.
14Nach § 6 BürgerentscheidDVO seien die Abstimmungsbezirke „nach Maßgabe“ der örtlichen Verhältnisse und der Zahl der Stimmberechtigten zu bilden. Die Beklagte habe demgegenüber politische Erwägungen berücksichtigt. Zum einen habe sie Abstimmungsbezirke zusammengelegt, soweit sie mit Blick auf die Wahlbeteiligung bei der Kommunalwahl 2020 eine geringere Abstimmungsbeteiligung erwartet habe. Zum anderen habe sie eine stärkere Abstimmungsbeteiligung erwartet, desto näher ein Abstimmungsgebiet an dem vom Bürgerentscheid betroffenen Gebiet liege und diese Abstimmungsgebiete kleiner zugeschnitten. Diese Prognoseentscheidung unter Einbeziehung politischer Erwägungen zur voraussichtlichen Zahl der tatsächlich Abstimmenden sehe § 6 BürgerentscheidDVO nicht vor. Maßgeblich sei die Zahl der Stimmberechtigten. Für die Auslegung von § 6 BürgerentscheidDVO könne auf die Auslegung von § 5 Abs. 2 Satz 1 KWahlG Bezug genommen werden. Nach dieser, die Bildung der Wahlbezirke nach dem Kommunalwahlgesetz NRW regelnden Bestimmung sollten die Wahlbezirke nach den örtlichen Verhältnissen so abgegrenzt sein, dass allen Wahlberechtigten die Teilnahme an der Wahl möglichst erleichtert werde. Als örtliche Verhältnisse seien vor allem die Bebauungsdichte oder die Straßenführung zu berücksichtigen. Dazu komme die Zahl der Stimmberechtigten, die bei der Bildung der Abstimmungsbezirke zu berücksichtigen seien. Dieser Grundsatz sei auf die Festlegung der Abstimmungsbezirke für Bürgerentscheide zu übertragen. Die Beklagte habe diesen Grundsatz nicht beachtet. Die Zahl der Abstimmungsberechtigten in den Abstimmungsbezirken sei sehr unterschiedlich gewesen. Im Abstimmungsbezirk 08 „H. “ seien 2.504 Personen stimmberechtigt gewesen, demgegenüber im Abstimmungsbezirk „C. “ mit 7.567 Personen, etwa dreimal so viele. Auch die räumlichen Abgrenzungen seien sehr unterschiedlich gewesen. Einzelne Abstimmungsbezirke seien relativ klein, andere, insbesondere im Westen ausgesprochen groß. Die jeweiligen Stimmlokale lägen teils am äußersten Rand der Abstimmungsbezirke; so in den Abstimmungsbezirken 2, 3 und 12. Für die weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 39 der Gerichtsakte Bezug genommen.
15Der ungleiche Zuschnitt der Abstimmungsbezirke verletze den Grundsatz der Gleichheit der Wahl. Die Wahlrechtsgrundsätze seien auch bei Abstimmungen zu beachten. Für die Verletzung von Vorschriften im Kommunalwahlrecht bestimme § 40 Abs. 1 Buchst. b) KWahlG NRW, dass nur solche Verfahrensfehler zur Ungültigkeit einer Wahl führen, die im jeweils vorliegenden Einzelfall auf das Wahlergebnis im Wahlbezirk oder auf die Zuteilung der Sitze aus der Reserveliste von entscheidendem Einfluss gewesen sein können. Zwar fehle eine entsprechende Regelung für Abstimmungen, aber vorsorglich sei vorzutragen, dass ein solcher Zusammenhang zwischen der fehlerhaften Bildung der Abstimmungsbezirke und dem Abstimmungsergebnis bestehe.
16Der Anteil der Abstimmenden habe mit der Größe der Abstimmungsbezirke abgenommen; mit Ausnahme der drei kleinsten Abstimmungsbezirke. Dies könne mathematisch durch Bestimmung des Korrelationskoeffizienten konkretisiert werden. Dieser liege bei -0,57. Ein Korrelationskoeffizient unter -0,5 spreche gemeinhin für eine sehr starke negative Korrelation. Für die diesbezüglichen Einzelheiten wird auf die Abbildung auf Seite fünf der Klagebegründung vom 6. April 2023 (Bl. 40 der Gerichtsakte) Bezug genommen.
17Die Zahl der Abstimmenden sei in einigen Abstimmungsbezirken besonders hoch. Es mache aber für die Abstimmungsbeteiligung kaum einen Unterschied, ob es in einem Abstimmungsbezirk 3.677 Stimmberechtigte gebe oder 7.567 Stimmberechtigte. Dies lege nahe, dass in den Abstimmungsbezirken nur ein Teil der Stimmberechtigten die Stimme abgegeben habe, die in einem bestimmten Umkreis der jeweiligen Stimmlokale wohnen. Bei besonders großen Abstimmungsbezirken erhöhe sich die Zahl der Abstimmenden nicht mehr, obwohl es mehr Stimmberechtigte gebe. Diese bemühten sich dann nicht mehr zum Stimmlokal. Dies belege die Auswirkung der Größe der Abstimmungsbezirke auf das Abstimmungsverhalten. Es könne davon ausgegangen werden, dass der Verstoß gegen § 6 BürgerentscheidDVO ursächlich für das Ergebnis gewesen sei. Denn schon dann, wenn in den größeren Abstimmungsbezirken die Abstimmungsbeteiligung im Durchschnitt aller Abstimmungsbezirke gelegen hätte, wäre das Quorum erreicht worden. Die für den Erfolg des Bürgerentscheids fehlenden 1.271 Stimmen hätte sich ergeben, wenn die Abstimmungsbeteiligung in den sieben größten Abstimmungsbezirken wenigstens durchschnittlich gewesen wäre. Wegen des Zusammenhangs zwischen der Abstimmungsbezirksgröße und der Abstimmungsbeteiligung wäre das Abstimmungsergebnis bei Beachtung von § 6 BürgerentscheidDVO hinreichend wahrscheinlich ein anderes gewesen.
18Die Kläger beantragen,
19festzustellen, dass der Bürgerentscheid „Aufhebung des Beschlusses zur Aufhebung des Bebauungsplans Gewerbegebiet E. “ rechtswidrig ist.
20Die Beklagte beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Sie habe den jeweiligen Bürgerentscheid rechtmäßig durchgeführt. Die Einteilung der Abstimmungsbezirke sei nicht zu beanstanden. Eine bundeseinheitliche Regelung gebe es nicht. In Nordrhein-Westfalen gelte die BürgerentscheidDVO. § 5 Abs. 2 KWahlG NRW sei weder direkt noch entsprechend anzuwenden. Eine planwidrige Regelungslücke fehle. Das Verfahren zur Durchführung der Abstimmung liege in den Händen der Kommunalkörperschaft und nicht mehr bei den Organisatoren des Bürgerbegehrens. Der Landesgesetzgeber habe auf die Regelung der Durchführung des Bürgerentscheides im Einzelnen verzichtet. Lediglich einige Eckpunkte ergäben sich aus der BürgerentscheidDVO.
23Der Landesgesetzgeber habe, anders als andere Landesgesetzgeber unter Hinweis auf die Anwendbarkeit des jeweiligen Kommunalwahlgesetzes, keine konkreten Vorgaben zur Einteilung von Abstimmungsbezirken gemacht, sondern den Gemeinden weitestgehende Gestaltungsfreiheit eingeräumt. § 2 BürgerentscheidDVO bestimme lediglich, dass bei Durchführung der Abstimmung gewisse Vorschriften der Kommunalwahlordnung NRW (zur Barrierefreiheit etc.) zu beachten seien. Nach § 6 BürgerentscheidDVO seien der Ort und die Zahl der Stimmlokale nach Maßgabe der örtlichen Gegebenheiten festzulegen. Eine Regelung zur Einteilung der Abstimmungsbezirke enthalte die BürgerentscheidDVO nicht. Die Gemeinde übe diesen Gestaltungsspielraum in ihrem Ermessen aus, dessen Grenze regelmäßig erst dort erreicht sei, wo eine Verletzung der für jede Wahl oder Abstimmung geltenden elementaren demokratischen Grundsätze drohe. Der nicht unerhebliche gemeindliche Gestaltungsspielraum erfasse auch die Festlegung von Ort und Zeit der Abstimmung und damit auch die Festlegung der Abstimmungsbezirke/Stimmlokale. Rechtlich sei es nicht geboten, dass die Stimmlokale in Zahl und räumlicher Zuordnung denjenigen der Wahllokale bei Kommunalwahlen entsprächen. Nach § 5 Abs. 2 BürgerentscheidDVO könnten die Gemeinden grundsätzlich auch ausschließlich per Brief abstimmen lassen. In diesem Fall seien gar keine Stimmlokale bereitzustellen. Zwar habe sie selbst von dieser Möglichkeit in ihrer Satzung keinen Gebrauch gemacht. § 5 Abs. 2 BürgerentscheidDVO zeige jedoch, dass die Anforderungen an den eigentlichen Abstimmungsakt nicht sehr hoch seien und keinesfalls an den Vorgaben etwa des Kommunalwahlgesetzes zu messen seien.
24Im Rahmen ihres Ermessens habe sie der Einteilung der Abstimmungsbezirke unter anderem eine grobe Prognose der in etwa zu erwartenden Abstimmungsbeteiligung zugrunde gelegt. Hierzu seien Abstimmungsbeteiligungen bei Bürgerentscheiden in Vergleichskommunen ermittelt worden. Dabei habe sich gezeigt, dass selbst bei Themen mit Auswirkungen auf die gesamte Stadt und damit sämtliche Bürger (beispielsweise die Zukunft eines Rathauses oder einer Stadthalle; die Schließung von Bädern) die Abstimmungsbeteiligung bei unter 20 Prozent gelegen habe. Zudem habe die Wahlbeteiligung bei der letzten Bürgermeisterwahl 2020 sowie der Stichwahl für das Bürgermeisteramt lediglich 33 Prozent bzw. 32 Prozent betragen. Unter Berücksichtigung der Abstimmungsbeteiligungen in Vergleichskommunen habe sie sodann eine 25-prozentige Abstimmungsbeteiligung zur Grundlage genommen um eine reibungslose Abstimmung in den Abstimmungsräumen ohne größere Wartezeiten zu ermöglichen. Da bei der Abstimmung nur die Möglichkeit bestehe, mit „Ja“ oder „Nein“ bzw. „ungültig“ abzustimmen, und in Wahlgebieten mit einer historisch schon niedrigeren Wahlbeteiligung sicherzustellen sei, dass nicht zu wenige Abstimmende zur Abstimmung erscheinen und so eine Zuordnung ihrer Stimme möglich werde, habe sie Abstimmungsbezirke mit traditionell geringer Wahlbeteiligung mit anderen Abstimmungsbezirken zusammengelegt.
25Sie habe zudem darauf geachtet, eine möglichst einfache Zugänglichkeit zu den Stimmlokalen zu gewährleisten. Diese sollten gut erreichbar sein, d.h. mit Parkplätzen, im Stimmgebiet gelegen und barrierefrei. Zudem habe sie – wie bei vergangenen Wahlen und unabhängig von der zu erwartenden niedrigeren Beteiligung – einen Briefabstimmungsraum im Rathaus vier Wochen vor der Abstimmung geöffnet. Die Briefwahlunterlagen hätten auf vielfältigem Weg beantragt werden können. Hierüber habe sie auf ihrer Homepage und im Abstimmungsheft informiert, das den Abstimmungsberechtigten mit der Abstimmungsbenachrichtigung zugegangen sei. Zudem habe sie im Abstimmungsheft, auf ihrer Homepage und bei Nachfrage auch bei der „Wahlhotline“ auf die Möglichkeit hingewiesen, mit dem Stimmschein am Abstimmungstag in einem beliebigen Stimmlokal im Gemeindegebiet abstimmen zu können. Dadurch habe sie eine mehr als flexible Möglichkeit der Stimmabgabe geschaffen. Die Stimmlokale seien örtlich bekannte Gebäude, wobei die meisten schon in der Vergangenheit als Wahlräume genutzt worden seien. Dadurch hätten die Abstimmenden die Stimmlokale ohne Weiteres auffinden können.
26Sie habe die Abstimmungsbezirke bzw. Stimmlokale nicht pauschal nach Abstimmungsberechtigten im Verhältnis zur erwarteten Beteiligung festgelegt. Vielmehr habe sie auch die örtlichen Gegebenheiten, wie die Nähe zu den betroffenen Gebieten der beiden Bürgerentscheide an dem Abstimmungstag, sowie die historische Wahlbeteiligung in Stimm- bzw. Wahlgebieten bei vergangenen Wahlen berücksichtigt. Die Gebiete rund um das von den Entscheidungen unmittelbar betroffene Gebiet seien kleinteiliger eingeteilt worden, da sie hier ein höheres Interesse an der Entscheidung vermutet habe. Abstimmungsbezirke mit einer traditionell höheren Wahlbeteiligung, wie z.B. M. , X. etc. seien ebenfalls kleinräumiger eingeteilt worden, um auch hier den Abstimmenden gerecht zu werden. Dagegen sei der Bereich C. größer eingeteilt worden, weil dort zum einen die Wahlbeteiligung traditionell geringer sei. Zum anderen seien die Bürger dort von dem vorliegenden und dem im Parallelverfahren 15 K 237/23 behandelten Bürgerentscheid wegen der größeren räumlichen Distanz zumindest nicht in dem Rahmen wie die Bürger in I. /O. betroffen.
27Bereits bei der letzten Bundestagswahl seien drei Abstimmungsbezirke einem Gebäude, in dem drei Wahlräume eingerichtet waren, zugeordnet gewesen. Auch dies habe nicht zu Veränderungen im Wahlverhalten der Bürger aus dem Ortsteil C. geführt. Von den 23 Wahlbezirken bei den vorangegangenen Kommunalwahlen habe sie nur einige wenige zu den 16 Abstimmungsbezirken zusammengeführt. Für die Einzelheiten ihrer Prognose zur Abstimmungsbeteiligung und der damit begründeten Festlegung der Abstimmungsbezirke durch Zusammenfassung von Wahlbezirken der Kommunalwahl 2020 wird auf Bl. 57f. der Gerichtsakte Bezug genommen.
28Ihr sei kein fehlerhafter Umgang mit den Briefwahlunterlagen vorzuwerfen. Die Behauptung, sie habe 5.500 Briefabstimmungsunterlagen dem Postdienstleister erst spät bzw. zu spät übergeben, entbehre jeglicher Grundlage. Lediglich bei 29 Briefabstimmungsunterlagen seien Probleme bei der Zustellung festgestellt worden. Davon seien 23 Briefwahlunterlagen entweder am Samstag vor der Abstimmung oder aber erst Montag nach der Abstimmung zugestellt worden. Mehr als die vorgenannten 29 Fälle lägen nicht vor. Am Abstimmungswochenende seien keine Anträge auf Ausstellung nicht erhaltener Unterlagen gestellt worden. Im Übrigen sei die Anzahl der fehlenden Rückläufe nicht ungewöhnlich. Der prozentuale Anteil der fehlenden Rückläufe bei der Bürgerentscheidsabstimmung (16 Prozent) liege einen Prozentpunkt unter dem prozentualen Anteil der fehlenden Rückläufe bei der Kommunalwahl 2020 (17 Prozent) und nicht ungewöhnlich höher über dem entsprechenden Anteil bei der Landtagswahl NRW 2022 (8 Prozent) und Bundestagswahl 2021 (5 Prozent).
29Sie habe in keiner Weise gegen die auch für eine Abstimmung geltenden elementaren demokratischen Grundsätze verstoßen. Zudem seien keine Unregelmäßigkeiten zu verzeichnen, die im jeweils vorliegenden Einzelfall auf das Abstimmungsergebnis von entscheidendem Einfluss gewesen seien.
30Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung sowie den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
31Entscheidungsgründe:
32Die Klage ist zulässig (I.), aber unbegründet (II.)
33I. Sie ist als Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Danach kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.
34Unter einem Rechtsverhältnis sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von natürlichen oder juristischen Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben. Gegenstand der Feststellungsklage kann auch ein vergangenes Rechtsverhältnis sein. Die Beteiligten müssen über die Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten, überschaubaren, gerade auch den jeweiligen Kläger betreffenden Sachverhalt streiten und dürfen den Verwaltungsgerichten nicht lediglich abstrakte Rechtsfragen, die sich auf der Grundlage eines nur erdachten oder als möglich vorgestellten Sachverhalts stellen, zur Klärung vorlegen.
35BVerwG, Urteile vom 25. Oktober 2017 – 6 C 46.16 –, juris Rn. 12 m.w.N. und vom 19. Juli 2022 – 8 C 10.21 –, juris Rn. 11; OVG NRW, Urteil vom 27. Juni 2019 – 15 A 2503/18 –, juris Rn. 44.
36Die begehrte Feststellung, der Bürgerentscheid sei rechtswidrig, bezieht sich auf einen konkreten Sachverhalt, der die Kläger als Vertreter des entsprechenden Bürgerbegehrens betrifft. Sie rügen die gesetzmäßige Durchführung des Bürgerentscheids. Dieser Sachverhalt ist anhand bestimmter Rechtsnormen wie § 26 GO NRW sowie Art. 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG,
37OVG NRW, Urteil vom 27. Juni 2019 – 15 A 2503/18 –, juris Rn. 46,
38zu beurteilen.
39Die Feststellungsklage ist nicht nachrangig gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO, weil die Kläger ihre Rechte nicht durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen können und die gerichtliche Überprüfung des Abstimmungsergebnisses über einen Bürgerentscheid nicht anderweitig spezialgesetzlich geregelt ist.
40OVG NRW, Urteil vom 27. Juni 2019 – 15 A 2503/18 –, juris Rn. 48.
41Die Kläger haben ein berechtigtes Feststellungsinteresse im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO, das nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei jedem als schutzwürdig anzuerkennenden Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art gegeben ist.
42BVerwG, Urteile vom 19. Juli 2022 – 8 C 10.21 –, juris Rn. 12, vom 25. Oktober 2017 – 6 C 46.16 –, juris Rn. 20, vom 16. März 2016 – 6 C 66.14 –, juris Rn. 16, vom 2. Dezember 2015 – 10 C 18.14 –, juris Rn. 15 und vom 26. Januar 1996 – 8 C 19.94 –, juris Rn. 20; OVG NRW, Urteil vom 27. Juni 2019 – 15 A 2503/18 –, juris Rn. 50.
43Entscheidend ist, dass die gerichtliche Feststellung geeignet erscheint, die Rechtsposition der Kläger in den genannten Bereichen zu verbessern.
44BVerwG, Urteile vom 25. Oktober 2017 – 6 C 46.16 –, juris Rn. 20 und vom 16. März 2016 – 6 C 66.14 –, juris Rn. 16.
45Dies ist der Fall. Die Kläger haben als Vertreter des Bürgerbegehrens ein rechtliches Interesse an der gerichtlichen Feststellung, ob der Bürgerentscheid gesetzmäßig durchgeführt wurde. Sie können sich auf einen darauf gerichteten Anspruch berufen. Anders als im niedersächsischen Kommunalrecht,
46vgl. NdsOVG, Beschluss vom 7. Mai 2009– 10 ME 277/08 –, juris Rn. 16,
47und im bayerischen Kommunalrecht,
48vgl. BayVGH, Urteil vom 2. Juli 2002 – 4 B 00.3532 –, juris Rn. 13,
49haben die Vertreter eines Bürgerbegehrens in Nordrhein-Westfalen einen normativ in § 26 Abs. 6 Sätze 3 und 4 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) fundierten Anspruch auf die gesetzliche Durchführung des Bürgerentscheids, der das Recht umfasst, die erfolgte Abstimmung im Rahmen des Bürgerentscheids einer gerichtlichen Überprüfung zuzuführen.
50Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. Juni 2019 – 15 A 2503/18 –, juris Rn. 72 ff.
51Die von den Klägern behauptete und mögliche Verletzung ihres Anspruchs auf gesetzliche Durchführung des Bürgerentscheids begründet zugleich ihre entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche,
52vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Januar 1996 – 8 C 19.94 –, juris Rn. 20, m.w.N.; OVG NRW, Urteil vom 27. Juni 2019 – 15 A 2503/18 –, juris Rn. 65 ff.,
53Klagebefugnis.
54I. Die Klage ist unbegründet. Die Rechtswidrigkeit der Abstimmung ist nicht festzustellen. Die Beklagte hat den vorliegend zur gerichtlichen Überprüfung gestellten Bürgerentscheid gesetzmäßig durchgeführt. Sie hat die Normen, die das zwischen den Beteiligten streitige Rechtsverhältnis ausgestalten, zutreffend auf den vorliegenden Sachverhalt angewendet. Die von den Klägern gegen die Rechtmäßigkeit der Abstimmung vorgebrachten Rügen greifen nicht durch. Aus ihnen ergibt sich keine Verletzung des Anspruchs auf gesetzliche Durchführung des Bürgerentscheids.
55Bei Zugrundelegung des rechtlichen Maßstabs für die gerichtliche Überprüfung der Abstimmung (1.) sind weder anhand des Vortrags der Kläger noch sonst Verstöße gegen die gesetzmäßigen Verfahrensanforderungen festzustellen (2.).
561. Die der gerichtlichen Prüfung zugrunde zu legenden Maßstäbe sind einfachem Recht und dem Verfassungsrecht zu entnehmen (1.1.). Das (Kommunal-)Wahlprüfungsverfahren oder Elemente dieses Verfahrens sind nicht heranzuziehen (1.2.).
571.1. Der Gesetzgeber hat darauf verzichtet, die Durchführung des Bürgerentscheids im Einzelnen zu normieren. Aus der aufgrund von § 26 Abs. 10 Satz 1 GO NRW erlassenen Verordnung zur Durchführung eines Bürgerentscheids (BürgerentscheidDVO) vom 10. Juli 2004 (GV. NRW. S. 383, zuletzt geändert durch Verordnung vom 30. Juni 2020, GV. NRW. S. 701) ergeben sich allein Eckpunkte. Soweit verbindliche Vorgaben für die Durchführung des Bürgerentscheids fehlen, liegt die weitere verfahrensmäßige Ausgestaltung weitgehend im Ermessen der Kommunen. Die Grenze dieser Gestaltungsfreiheit ist regelmäßig dort erreicht, wo eine Verletzung der für jede Wahl oder Abstimmung geltenden elementaren demokratischen Grundsätze (vgl. Art. 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG) droht.
58Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. Juni 2019 – 15 A 2503/18 –, juris Rn. 101 f., Beschluss vom 7. Oktober 2016– 15 B 948/16 –, juris Rn. 20 und 23.
59Hierzu gehören – neben den Grundsätzen der Allgemeinheit, Unmittelbarkeit, Freiheit, Gleichheit und Geheimhaltung – das in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 GG wurzelnde allgemeine Willkürverbot sowie weitere Grundsätze des demokratischen Rechtsstaats.
60Vgl. VGH BaWü, Beschluss vom 30. Juli 2021– 1 S 2402/21 –, juris Rn. 21.
61Soweit der Bayerische Verwaltungsgerichtshof aus dem bayerischen Landesrecht das Recht der vertretungsberichtigten Personen eines Bürgerbegehrens darauf beschränkt sieht, vielmehr nur eine solche Verfahrensgestaltung verlangen zu können, die erforderlich ist, um den Abstimmungsberechtigten zuverlässig die Möglichkeit zu verschaffen, an der Abstimmung in zumutbarer Weise teilzunehmen und diesen „Mindeststandard” als Schwelle bezeichnet, bei deren Unterschreiten von einem Bürgerentscheid mit einem demokratisch legitimierten Abstimmungsergebnis keine Rede mehr sein könnte,
62vgl. BayVGH, Beschluss vom 16. August 2004 – 4 CE 04.2253 –, NVwZ-RR 2005, 347 (347),
63führt er den Prüfungsmaßstab letztlich ebenso auf die Einhaltung elementarer demokratischer Grundsätze zurück, die der Verfassung zu entnehmen sind.
64In der darauf gerichteten gerichtlichen Prüfung im vorliegenden Hauptsacheverfahren genügt für die Feststellung einer rechtswidrigen Abstimmung die Annahme einer drohenden Verletzung der geschützten elementaren demokratischen Grundsätze nicht. Die eine Prognoseentscheidung nahelegende obergerichtliche Maßstabsformulierung,
65„wo eine Verletzung der für jede Wahl oder Abstimmung geltenden elementaren demokratischen Grundsätze (vgl. Art. 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG) droht.“ (Unterstreichung nur hier),
66geht historisch auf eine Beschwerdeentscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zurück.
67Vgl. OVG NRW Beschluss vom 7. Oktober 2016 – 15 B 948/16 –, juris Rn. 23.
68Sie trägt demgemäß den dort maßgeblichen Entscheidungsmaßstab vor Durchführung der Abstimmung in sich. Die dabei anzustellende Prognose des Verfahrensablaufs bedingt die Prüfung, ob eine Verletzung droht. Demgegenüber hat das Verwaltungsgericht in dem vorliegenden Hauptsacheverfahren für die begehrte Rechtswidrigkeitsfeststellung zu prüfen, ob die elementaren demokratischen Grundsätze bei der erfolgten Durchführung der Abstimmung verletzt wurden. Für eine Prognoseentscheidung ist kein Raum mehr.
691.2. Die Vorschriften des (Kommunal-)Wahlprüfungsverfahrens oder einzelne Elemente daraus sind für die gerichtliche Überprüfung des Abstimmungsverfahrens zur Durchführung des Bürgerentscheids nicht heranzuziehen. Dies gilt zunächst mangels normativen Anwendungsbefehls für eine unmittelbare Anwendung der Vorschriften der §§ 39 ff. des Gesetzes über die Kommunalwahlen im Lande Nordrhein-Westfalen – KWahlG NRW –. Eine entsprechende (analoge) Anwendung kommt mangels Regelungslücke nicht in Betracht.
70Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat sich dazu soweit ersichtlich mangels Gebotenheit bisher nicht geäußert, sondern die gerichtliche Kontrolle bei der Überprüfung von Abstimmungsverfahren zur Durchführung eines Bürgerentscheids auf die Einhaltung der Vorgaben der BürgerentscheidDVO und der verfassungsrechtlich verankerten elementaren demokratischen Grundsätze beschränkt.
71Nach der erstinstanzlichen Rechtsprechung zum hier maßgeblichen Landesrecht liegt keine planwidrige Regelungslücke für die Überprüfung von Abstimmungen vor. Der Landesgesetzgeber hat den Regelungen über den Bürgerentscheid in § 26 Abs. 6 Satz 4 und 5, Abs. 7 und Abs. 8 GO NRW keinen Anwendungsbefehl beigegeben, nach dem das Verfahren nach den Vorgaben der §§ 39 ff. KWahlG NRW zu überprüfen wäre.
72VG Köln, Urteil vom 25. Mai 2018 – 4 K 10596/17 –, juris Rn. 31 ff.
73Wenngleich andere Landesgesetzgeber in ihrem Landesrecht das Wahlprüfungsverfahren ausdrücklich auf das Abstimmungsverfahren des Bürgerentscheids für anwendbar erklärt haben,
74Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 14. April 2000– 1 K 2352/99 –, BeckRS 2000, 166750 Rn. 14, m.w.N.,
75hat der nordrhein-westfälische Gesetz- und Verordnungsgeber dies nicht geregelt. Den Regelungsbereich des Kommunalwahlrechts hatte er jedoch im Blick. Dies belegt § 2 BürgerentscheidDVO. Danach sind für die Vorbereitung und Durchführung der Abstimmung die Maßgaben der §§ 32 Abs. 6, 34a und 41 der Kommunalwahlordnung (KWahlO NRW) zu beachten. Mit diesen ausdrücklichen Verweisen auf einzelne verfahrensrechtliche Anforderungen an die Form der Stimmzettel (§ 32 Abs. 6 KWahlO NRW), die Anforderungen an Wahlräume (§ 34a KWahlO NRW) und auf die Regelungen zur Stimmabgabe von Wählern mit Behinderungen (§ 41 KWahlO NRW) hat der Landesgesetzgeber zu erkennen gegeben, sich bewusst gegen weitergehende oder eine umfassende Anwendung der Vorgaben des Kommunalwahlrechts und des darin vorgesehenen speziellen Rechtsschutzsystems entschieden zu haben.
76Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 14. April 2000 – 1 K 2352/99 –, BeckRS 2000, 166750 Rn. 15.
77Eine verfassungswidrige Rechtslage liegt hierbei nicht vor. Die durch die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen entfaltete Möglichkeit für die Vertreter des Bürgerbegehrens, ihr subjektives öffentliches Recht auf gesetzmäßige Durchführung des Bürgerentscheids im Wege der Feststellungsklage vor den Verwaltungsgerichten geltend zu machen, erfordert nicht mit Blick auf das Recht auf effektiven Rechtsschutz in Art. 19 Abs. 4 GG die Anwendung des Kommunalwahlprüfungsverfahrens. Art. 19 Abs. 4 GG begründet keine weitergehenden Rechte als das einfachgesetzliche Recht vermittelt.
78Dem Verfassungsrecht ist auch keine Notwendigkeit gleichlaufenden Rechtschutzes zwischen der Überprüfung der Durchführung von Wahlen einerseits und Abstimmungen andererseits zu entnehmen. Diese demokratischen Beteiligungsformen haben unterschiedliche Gegenstände, die ihre differenzierte rechtliche Behandlung rechtfertigen.
79Schon Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG differenziert zwischen „Wahlen und Abstimmungen“. Das Grundgesetz sieht Wahlen als Format demokratischer Teilhabe für die Zusammensetzung des Bundestages (Art. 38 Abs. 1 GG) und für die demokratische Teilhabe in den Ländern und Gemeinden ausdrücklich vor (Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG) und hält für sie unmittelbar geltende Anforderungen bereit (Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 38 Abs. 1 und 2, Art. 39, Art. 41, Art. 48 Abs. 1 GG).
80Abstimmungen sind mit Ausnahme des Volksentscheids zur Bestätigung eines Maßnahmengesetzes zur Neugliederung des Bundesgebietes (Art. 29 Abs. 2 ff. GG) oder eines Staatsvertrages zwischen Bundesländern zur Neugliederung für das jeweils von ihnen umfasste Gebiet oder für Teilgebiete (Art. 29 Abs. 8 GG) im Grundgesetz nicht geregelt. Weitere Abstimmungen sieht das Grundgesetz zwar nicht als regelhafte Partizipationselemente vor, steht ihnen als Element unmittelbarer demokratischer Beteiligung jedoch auch nicht entgegen.
81Vgl. Mann, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 219 Lfg. 6/2023, GG, Art. 28 Rn. 112; Sachs, in ders., GG, 9. Aufl. 2021, Art. 20 Rn. 31; a.A. für die Bundesebene: Antoni, in: Hömig/Wolff, GG, 13. Aufl. 2022, Art. 20 Rn. 9; Kahl, in: von Bogdandy/Huber, Ius Publicum Europaeum, 1. Aufl. 2017, a) Rn. 107, juris.
82Parlamentswahlen sind auf Entscheidungen über Personen,
83Grzeszick, in: Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz-Kommentar, Werkstand: 100. EL Januar 2023, GG, Art. 20 Rn. 110,
84zur Besetzung des gesetzgebenden Parlaments für die Dauer der Legislaturperiode ausgerichtet und haben im Wege eines demokratischen Legitimationsprozesses die „Übertragung“ der Ausübung der dem Volk zugeschriebenen Staatsgewalt (Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG) auf den Parlamentsgesetzgeber für eine bestimmte Zeit, aber unbestimmte Sachentscheidungen zum Gegenstand. Wenngleich Kommunalwahlen für die Zusammensetzung der Vertretungen der Gemeinde (§ 40 Abs. 2 Satz 1 GO NRW) auf die Besetzung von Exekutivorganen gerichtet sind, haben sie dennoch beachtlichen demokratischen Legitimationscharakter. Mit ihnen bestimmen die Wahlberechtigten die Zusammensetzung des Exekutivorgans für die vorgesehene Wahlperiode und legitimieren die Vertretung der Bürgerschaft ebenso für die Entscheidung in unbestimmten Sachfragen.
85Demgegenüber haben Abstimmungen eine konkrete Sachfrage zum Gegenstand. Sie sind von Wahlen zu unterscheiden,
86vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. Oktober 2016– 15 B 948/16 –, juris Rn. 26; VGH BaWü, Beschluss vom 30. Juli 2021 – 1 S 2402/21 –, juris Rn. 17,
87und treten zu den durch Wahlen gekennzeichneten repräsentativen Entscheidungsprozessen in Konkurrenz.
88Brüning, in: Ehlers/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht, Band 3, Kapitel 3., Rn. 174.
89Der Bürgerentscheid als „Sachentscheid“ hat die Entscheidung der Bürger über eine einzelne Sachfrage anstelle des Rates zum Gegenstand.
90Erichsen/Dietlein, Kommunalrecht des Landes Nordrhein-Westfalen, 3. Aufl. 2022, Kapitel 4, Rn. 25; Heusch, NWVBl. 2022, 357 (361), zum Bürgerbegehren als eine „auf ein konkretes Projekt bezogene Initiative“; Brüning, in: Ehlers/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht, Band 3, Kapitel 3., Rn. 174.
91Ungeachtet der hohen individuellen Bedeutung der Sachfragen eines Bürgerentscheids für die Vertreter und Unterstützer des Bürgerbegehrens sowie gegebenenfalls für die Abstimmungsberechtigten, ist dessen demokratisches Gewicht erheblich geringer als die Bedeutung der Wahlen zu den Parlamenten sowie zu den Vertretungen der Gemeindebürgerschaft. Letzteren kommt ein höheres Maß demokratischer Legitimationswirkung zu. Sie legitimieren die Wahrnehmung von Hoheitsgewalt durch die gewählten Personen für den Zeitraum der Wahlperiode in unvorhersehbaren Sachverhalten.
92Allein die Wahl zielt auf die Legitimation eines der besonderen Organe im Sinne von Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG, nämlich das Parlament.
93Grzeszick, in: Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz-Kommentar, Werkstand: 100. EL Januar 2023, GG, Art. 20 Rn. 111.
94Dieser Unterschied rechtfertigt, die gerichtliche Kontrolle einer Abstimmung neben der Prüfung ihrer Vereinbarkeit mit einfachem Recht auf die Einhaltung elementarer demokratischer Grundsätze zu beschränken und dem Gesetzgeber einen durch diese Grundsätze begrenzten weitgehenden Spielraum für die Ausgestaltung des Abstimmungsverfahrens einzuräumen.
952. Anhand dieser Maßstäbe sind weder anhand des Vortrags der Kläger noch sonst Verstöße gegen die gesetzmäßigen Verfahrensanforderungen (2.1.) oder verfassungsrechtlichen Grundsätze (2.2.) festzustellen. Ihre Rügen, die Festlegung der Abstimmungsbezirke, die Bestimmung der Stimmlokale bzw. die Durchführung der Briefabstimmung verstießen gegen maßgebliches Recht, greifen nicht durch.
962.1. Das einfache Recht enthält lediglich auf Satzungs- und Rechtsverordnungsebene Verfahrensanforderungen für die Durchführung des Bürgerentscheids. Vorliegend von Interesse sind § 2 BürgerentscheidDVO i.V.m. § 34a KWahlO NRW (2.1.1.) und § 6 BürgerentscheidDVO (2.1.2.).
972.1.1. Nach § 2 BürgerentscheidDVO sind bei der Vorbereitung und Durchführung der Abstimmung unter anderem die Maßgaben des § 34a der KWahlO NRW zu beachten. § 34a KWahlO NRW enthält in seinen Sätzen 1 und 2 allgemeine Anforderungen für die Bestimmung der Wahlräume durch die Gemeindebehörde für die Kommunalwahl, in Satz 3 eine Anforderung für die Auswahl und Einrichtung der Wahlräume insbesondere im Hinblick auf Menschen mit Behinderung und andere Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigung sowie in Satz 4 Anforderungen an die Mitteilung dieser barrierefreien Wahlräume.
98Obschon die Kläger die Bestimmung der Stimmlokale durch die Beklagte rügen, ist dieser Verfahrensschritt im gegebenen Kontext nicht an § 34a Sätze 1 und 2 KWahlO NRW zu messen. Diese beiden Sätze sind von dem Verweis in § 2 BürgerentscheidDVO nicht erfasst. Dies folgt aus dem Regelungszweck, der Genese der Norm und ihrer äußeren Systematik.
99Die amtliche Überschrift von § 2 BürgerentscheidDVO „Erleichterung für Menschen mit Behinderungen“ legt den Sinn und Zweck des in der Norm enthaltenen Verweises frei, die auf Barrierefreiheit bezogenen Maßgaben zur Beachtungspflicht zu erheben, nämlich die Sätze 3 und 4 von § 34a KWahlO NRW. Allgemeine Maßgaben für die Bestimmung von Wahlräumen, die diesen Bezug nicht aufweisen, sind danach nicht von dem Verweis in § 2 BürgerentscheidDVO erfasst. Die Norm ist bei ihrer Anwendung diesem Regelungszweck entsprechend anzuwenden (teleologische Reduktion).
100Diese teleologische Reduktion des Verweises in § 2 BürgerentscheidDVO entspricht dessen Genese. Die Verordnungsregelung geht auf § 26 Abs. 10 Satz 2 GO NRW zurück. Danach sollen bei dem Erlass der Rechtsverordnung nach § 26 Abs. 10 Satz 1 GO NRW, also der BürgerentscheidDVO, die in der Kommunalwahlordnung vorgesehenen Erleichterungen für Menschen mit Behinderung berücksichtigt werden.
101Vgl. Peters, in: Dietlein/Heusch, KommunalR NRW, BeckOK, 24. Ed. 1. Juni 2023, GO NRW § 26 Rn. 111.
102Als der Landesgesetzgeber § 26 Abs. 10 Satz 2 GO NRW durch Art. 12 des Gesetzes zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung und zur Änderung anderer Gesetze vom 16. Dezember 2003 (GV. NRW S. 766) in die Gemeindeordnung einfügte, setzte er durch Art. 8 Nr. 2 Unterziff. 2 des vorerwähnten Gesetzes zugleich das Ziel der Verweisung, § 34a KWahlO NRW, in die Kommunalwahlordnung ein. § 34a KWahlO NRW hatte damals jedoch den Wortlaut:
103„Die Wahlräume sollen nach den örtlichen Verhältnissen barrierefrei i.S. von § 4 Behindertengleichstellungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen ausgewählt und eingerichtet werden, so dass allen Wählerinnen und Wählern, insbesondere Menschen mit Behinderung und anderen Menschen mit Mobilitätsbeschränkungen, die Teilnahme an der Wahl möglichst erleichtert wird. Die Gemeindeverwaltung teilt frühzeitig und in geeigneter Weise mit, welche Wahlräume barrierefrei im Sinne des § 4 Behindertengleichstellungsgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen vom 16. Dezember 2003 (GV. NRW. S. 766) sind.“
104(GV. NRW Nr. 57 vom 23. Dezember 2003, S. 766, 771).
105Diese rein auf Barrierefreiheit gerichteten Maßgaben sollten bei der nach § 26 Abs. 10 Satz 1 GO NRW zu erlassenden Rechtsverordnung aufgrund des Verweises in § 26 Abs. 10 Satz 2 GO NRW beachtet werden.
106Die über Regelungen der Barrierefreiheit hinausgehenden Sätze 1 und 2 in § 34a KWahlO NRW wurden erst durch Nr. 22 der Siebten Verordnung zur Änderung der Kommunalwahlordnung vom 3. März 2008 in den Normtext aufgenommen. Ihr weitergehender Regelungsgehalt mit allgemeinen Vorgaben für die Bestimmung von Wahlräumen kann von dem durch die Genese offengelegten Regelungszweck des § 26 Abs. 10 Satz 2 GO NRW und der diese gesetzliche Anforderung umsetzenden § 2 BürgerentscheidDVO nicht erfasst sein. Der die Verweisnorm tragende gesetzgeberische Wille konnte sich darauf nicht erstrecken. Für die Ausgestaltung von § 26 Abs. 10 Satz 2 GO NRW als dynamischer Verweis ist nichts ersichtlich. Seine Einfügung durch das vorerwähnte Gleichstellungsgesetz belegt vielmehr den auf Herstellung von Barrierefreiheit bezogenen und zugleich beschränkten Regelungswillen des Landesgesetzgebers.
107Dieses Auslegungsergebnis vermeidet überdies in systematischer Hinsicht eventuelle Widersprüche in der Rechtsanwendung von Normen desselben Regelungswerks (äußere Systematik). Allgemeine Vorgaben für die Bestimmung der Stimmlokale enthält nämlich der mit „Stimmlokale“ überschriebene § 6 BürgerentscheidDVO, mit dem Anwendungsüberschneidungen inhaltlicher Art etwa im Hinblick auf § 34a Satz 1 KWahlO NRW zu vermeiden sind.
1082.1.2. § 6 BürgerentscheidDVO ist eigenständiger Maßstab für die Bestimmung der Stimmlokale. Danach legt die Gemeinde die Orte und die Zahl der Stimmlokale nach Maßgabe der örtlichen Gegebenheiten sowie der Zahl der Stimmberechtigten je Stimmlokal fest.
109Die Beklagte ist hierbei nicht an die Festlegungen der Wahlräume für die Kommunalwahl gebunden. Dies folgt schon daraus, dass der Gesetzgeber dies nicht geregelt hat, die Beachtung bestimmter anderer Maßgaben der KWahlO NRW hingegen schon (vgl. § 2 BürgerentscheidDVO).
110Regelungsgegenstände bei der Festlegung der Stimmlokale sind „Ort“ und „Zahl“. Mit Ort ist die örtliche Lage in der Gemeinde bezeichnet, mit Zahl die Anzahl der Stimmlokale. Bei ihrer Festlegung hat die Gemeinde zwei Faktoren kumulativ zu berücksichtigen: Erstens die örtlichen Gegebenheiten und zweitens die Zahl der Stimmberechtigten je Stimmlokal. Zum Inhalt der „Maßgabe“ dieser Faktoren, d.h. mit welchem Ziel und welchem Gewicht die Gemeinde sie zu berücksichtigen hat, verhält sich die Norm nicht.
111Auch die u.a. aufgrund von § 1 BürgerentscheidDVO am 28. Juni 2022 öffentlich bekannt gemachte Satzung der Stadt M. über die Durchführung von Bürgerentscheiden vom 28. Juni 2022 (nachfolgend: Satzung), in Kraft getreten am 29. Juni 2022 (§ 18 der Satzung), enthält keine näheren Vorgaben zur Festlegung der Abstimmungsbezirke oder der Stimmlokale. § 3 der Satzung enthält lediglich eine Kompetenzzuweisung. Danach teilt der Bürgermeister das Abstimmungsgebiet in Abstimmungsbezirke ein.
112Entscheidend ist hierfür, dass die Festlegung der Stimmlokale Teil der Ausgestaltung des Verfahrens für die Durchführung des Bürgerentscheids ist. Diese Verfahrensausgestaltung liegt, soweit verbindliche Vorgaben für die Durchführung des Bürgerentscheids fehlen, weitgehend im Ermessen der Kommunen.
113OVG NRW, Urteil vom 27. Juni 2019 – 15 A 2503/18 –, juris Rn. 100.
114Hierbei handelt es sich nicht um ein gerichtlich nach § 114 Satz 1 VwGO auf sogenannte Ermessensfehler zu überprüfendes „Ermessen“ im Rechtssinne,
115vgl. für das Kommunalrecht in Baden-Württemberg VGH BaWü, Beschluss vom 30. Juli 2021 – 1 S 2402/21 –, juris Rn. 21, unter Heranziehung der vorstehend zitierten Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen,
116sondern um eine Gestaltungsfreiheit im Einzelfall, deren Grenze regelmäßig (erst) bei einer Verletzung der für jede Wahl oder Abstimmung geltenden elementaren demokratischen Grundsätze (vgl. Art. 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG) erreicht ist.
117Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. Juni 2019 – 15 A 2503/18 –, juris Rn. 101 f., Beschluss vom 7. Oktober 2016 – 15 B 948/16 –, juris Rn. 20 und 23.
118Soweit die Kläger die Festlegung der Orte der Stimmlokale und die damit verbundene Bestimmung der Abstimmungsbezirke rügen, ist die Verfahrensausgestaltung zur Durchführung des Bürgerentscheids durch die Beklagte nach den dargestellten Maßgaben nicht darauf zu überprüfen, ob eine Festlegung anderer Stimmlokale oder Abstimmungsbezirke zu einer höheren Beteiligung der Stimmberechtigten geführt hätte.
119Die Gemeinden sind aus verfassungsrechtlicher Sicht zumindest dort, wo es nicht um die Wahl zu einer Vertretungskörperschaft, sondern lediglich um die Entscheidung einer Einzelfrage geht, nicht verpflichtet, unter mehreren möglichen Verfahrensausgestaltungen diejenige zu wählen, die eine optimale Beteiligungsmöglichkeit bietet.
120Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. Oktober 2016 – 15 B 948/16 –, juris Rn. 26, zur Wahl zwischen mehreren Benachrichtigungsmöglichkeiten für eine Abstimmung.
121Sie sind auch nicht verpflichtet, die Abstimmungsberechtigten zur Stimmabgabe zu motivieren.
122Dementsprechend haben die Vertretungsberechtigten eines Bürgerbegehrens mangels normativer Grundlage keinen Anspruch auf Optimierung der Verfahrensbedingungen für die Abstimmung zum Bürgerentscheid um (mutmaßlich) stärkere Beteiligungen zu erreichen.
123Vgl. VGH BaWü, Beschluss vom 30. Juli 2021 – 1 S 2402/21 –, juris Rn. 28, auch zum Bundesrecht.
1242.2. Eine Verletzung der dargestellten Maßstäbe des Verfassungsrechts ist hinsichtlich der Festlegung der Abstimmungsbezirke und Bestimmung der Stimmlokale nicht festzustellen. Die diese Verfahrensschritte angreifenden Rügen der Kläger haben zunächst den rechtlichen Angriff zum Gegenstand, nicht allen Abstimmungsberechtigten sei die Abstimmung in zumutbarer Weise möglich gewesen. Auch der Vortrag, die von den bei der Kommunalwahl 2020 bestimmten Wahlbezirken und Wahlräumen abweichende Festlegung von Abstimmungsbezirken und Bestimmung von Stimmlokalen führt auf diesen Kern. Die Kläger tragen vor, bei einem anderen Zuschnitt der Abstimmungsbezirke bzw. einer anderen Bestimmung der Stimmlokale, hätten mehr Stimmberechtigte abgestimmt, weil sie die Stimmlokale leichter hätten erreichen können. Soweit dies nicht bereits deshalb ins Leere läuft, weil sie keinen Anspruch auf Optimierung der Beteiligung haben, ist der Vortrag darauf gerichtet, die zumutbare Möglichkeit der Stimmabgabe für alle Stimmberechtigen anzuzweifeln.
125Aufgerufen ist hier der Grundsatz der Allgemeinheit der Abstimmung.
126Im Wahlrecht, dem dieser Grundsatz entnommen ist, hängt das Recht der politischen Parteien auf Chancengleichheit eng mit den Grundsätzen der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl zusammen, die ihre Prägung durch das Demokratieprinzip erfahren. Deshalb ist in diesem Bereich – ebenso wie bei der durch die Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl verbürgten gleichen Behandlung der Wähler – Gleichheit in einem strikten und formalen Sinn zu fordern.
127Vgl. BVerfG, Urteil vom 13. Februar 2008 – 2 BvK 1/07 –, NVwZ 2008, 407 (409).
128Der Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl garantiert das Recht aller Staatsbürger, zu wählen und gewählt zu werden. Er sichert, wie die Gleichheit der Wahl, die vom Demokratieprinzip vorausgesetzte Egalität der Staatsbürger bei der politischen Selbstbestimmung. Grundsätzlich muss jeder sein Wahlrecht in möglichst gleicher Weise ausüben können.
129Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 29. Januar 2019 – 2 BvC 62/14 –, juris Rn. 41 und vom 7. Oktober 1981 – 2 BvC 2/81 –, juris Rn. 10.
130Schränkt der Gesetzgeber bei der Wahrnehmung des ihm in Art. 38 Abs. 3 GG zugewiesenen Gestaltungsauftrags den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl ein, bedarf er hierfür Gründe, die durch die Verfassung legitimiert und von mindestens gleichem Gewicht sind wie der Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl. Hierbei ist er zu Vereinfachungen und Typisierungen befugt.
131Vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Januar 2019 – 2 BvC 62/14 –, juris Rn. 41 f.
132Die Gleichheit im Bereich der politischen Willensbildung bei Wahlen ist für die Verwirklichung des Demokratieprinzips elementar.
133BVerfG, Beschluss vom 29 September 1998 – 2 BvL 64/93 –, juris Rn. 42.
134Für Abstimmungen, denen im Lichte des Demokratieprinzips wie dargelegt eine in gewissem Maße weniger gewichtige Bedeutung zukommt, ist der Grundsatz der Allgemeinheit aus dem Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 2 GG, Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG) dahingehend konkretisiert worden, dass die Abstimmungsberechtigten die zumutbare Möglichkeit haben müssen, an dem Bürgerentscheid teilzunehmen.
135Vgl. VGH BaWü, Beschluss vom 30. Juli 2021– 1 S 2402/21 –, juris Rn. 28; BayVGH, Beschluss vom 16. August 2004 – 4 CE 04.2253 –, NVwZ-RR 2005, 347 (348).
136Hierbei ist, anders als die Kläger meinen, das gesamte Verfahren in den Blick zu nehmen. Die Briefabstimmungsmöglichkeiten sind hierbei nicht etwa als „nachrangig“ oder etwas Anderes auszuklammern. Sieht die verfahrensmäßige Ausgestaltung der Abstimmung mehrere Abstimmungsmöglichkeiten vor, sind diese in eine Gesamtbetrachtung einzustellen, um die Frage nach der zumutbaren Teilnahmemöglichkeit für alle Stimmberechtigten zu beantworten. Eine Beschränkung auf einzelne Teilnahmemöglichkeiten verengte die Kontrolldichte unzulässig an der tatsächlichen Abstimmungsausgestaltung und vor allem an den rechtlichen Vorgaben vorbei. Der Verordnungsgeber hat die Briefabstimmung gleichwertig neben die Abstimmung in Stimmlokalen gestellt (§ 5 Abs. 1 BürgerentscheidDVO), die durch die Briefabstimmung sogar ersetzt werden kann (§ 5 Abs. 2 BürgerentscheidDVO).
137Hiernach ist auf die Rügen der Kläger zur Festlegung der Abstimmungsbezirke sowie Bestimmung der Stimmlokale keine Verletzung des Grundsatzes der Allgemeinheit der Abstimmung festzustellen. Die Beklagte hatte das Verfahren zur Durchführung des Bürgerentscheids nach dem ihr Zumutbaren und Möglichen so ausgestaltet und durchgeführt, dass grundsätzlich jede und jeder Abstimmungsberechtigte die zumutbare Möglichkeit hatte, an dem Bürgerentscheid teilzunehmen.
138Die Stimme konnte an dem Abstimmungstag in dem Stimmlokal abgegeben werden, in dem die Stimmberechtigten jeweils in das Abstimmungsverzeichnis eingetragen waren. Sie konnten zuvor, auch durch eine/n Bevollmächtigte/n, einen Stimmschein beantragen und mit diesem in einem beliebigen Stimmlokal im Gemeindebezirk abstimmen. Zudem konnten sie mit dem Stimmschein vier Wochen vor der Abstimmung im Briefwahlraum im Rathaus abstimmen. Letztlich konnten sie auch per Brief abstimmen. Insbesondere durch diese Abstimmungsmöglichkeit ist jeder darauf gerichteten Rüge, die Abstimmungsberechtigten hätten wegen der Entfernung ihres Wohnsitzes zum Stimmlokal bzw. wegen des Zuschnitts des Abstimmungsbezirks keine zumutbare Möglichkeit zur Teilnahme an dem Bürgerentscheid gehabt oder sie wären ungleichen Aufwandes ausgesetzt, der Boden entzogen. Auf die Einzelheiten der Festlegung der Abstimmungsbezirke kommt es daher nicht an. Ihre Reduzierung im Verhältnis zu den Wahllokalen bei der Kommunalwahl 2020 ist zulässig, solange die Abstimmungsberechtigten eine zumutbare Möglichkeit zur Abstimmung haben.
139Vgl. VG Arnsberg, Beschluss vom 2. Juni 1999 – 12 L 908/99 –, BeckRS 2004, 26803; Rehn/Cronauge/ von Lennep/Kirsch, Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen, 56. EL, Februar 2023, Band I, § 26 Rn. 90.
140Selbst wenn die Festlegung der Abstimmungsbezirke, was hiermit nicht gesagt ist, von nicht durch § 6 BürgerentscheidDVO erfassten Erwägungen getragen wäre, stellte dies im gegebenen Zusammenhang keine Verletzung der Allgemeinheit der Abstimmung dar. Die Teilnahme an der Abstimmung war durch die eingerichtete Möglichkeit, per Brief abzustimmen, für jeden Abstimmungsberechtigten gänzlich unabhängig von der Festlegung der Abstimmungsbezirke und Bestimmung der Stimmlokale möglich.
141Auf die Motivation der Stimmberechtigten, die angebotenen Abstimmungsmöglichkeiten wahrzunehmen, kommt es nicht an. Denn das Demokratieprinzip verlangt lediglich, dass die Abstimmungsberechtigten eine zumutbare Möglichkeit haben, an der Abstimmung teilzunehmen, nicht aber, dass die Bürger hiervon auch tatsächlich Gebrauch machen.
142Vgl. VGH BaWü, Beschluss vom 30. Juli 2021– 1 S 2402/21 –, juris Rn. 33, für die Abstimmungsmöglichkeit per Brief.
143Aus diesem Grund können die 800 ausgebliebenen Postrückläufer der beantragten Briefabstimmungsunterlagen nicht ohne Weiteres eine Verletzung der Allgemeinheit der Abstimmung begründen.
144Der Grundsatz der Allgemeinheit der Abstimmung ist auch nicht durch die singulären Zustellungsprobleme bei einzelnen Briefabstimmungsunterlagen verletzt.
145Soweit einzelne Briefabstimmungsunterlagen entweder am Samstag vor der Abstimmung oder aber erst am Montag nach der Abstimmung zugestellt wurden, verletzt dies für sich genommen (noch) nicht den Grundsatz der Allgemeinheit der Abstimmung. Die dargestellten Anforderungen des Demokratieprinzips und der Allgemeinheit der Abstimmung hat die Beklagte bei der Ausgestaltung und Durchführung des Verfahrens zu beachten. Von ihr ist mit Blick auf die mögliche Abstimmung per Brief zu verlangen, die konkreten Verfahrensabläufe so auszugestalten und anzuwenden, dass bei einem fehlerfreien Ablauf des von ihr vorgesehenen Verfahrens alle diejenigen Abstimmungsberechtigten, die Briefabstimmungsunterlagen beantragt haben, diese so rechtzeitig erhalten, um an der Abstimmung unter Einsatz der ihnen zuzumutenden Mitwirkung teilnehmen zu können.
146Die Beklagte hat das Abstimmungsverfahren so ausgestaltet und – insgesamt – dieser Ausgestaltung entsprechend durchgeführt, dass keine Verletzung des Grundsatzes der Allgemeinheit festzustellen ist. Systematische Fehler sind ihr nicht anzulasten. Sie hat ihr Verfahren organisatorisch darauf ausgerichtet, Anträge auf Ausstellung von Briefabstimmungsunterlagen binnen 24 Stunden zu bearbeiten und in die Zustellung zu geben. Für hierbei ab dem 8. Dezember 2022 erstellte Briefabstimmungsunterlagen hat sie eine direkte Zustellung durch einen Beschäftigten vorgesehen.
147Zwar hat der beauftragte private Postdienstleister ausweislich seiner Dokumentation noch am 9. Dezember und am 12. Dezember 2022 insgesamt 38 Sendungen mit Briefabstimmungsunterlagen erfasst. Allerdings hatte die Beklagte davon 23 Briefabstimmungsunterlagen am 28. November 2022 erstellt und nach ihrem Vortrag an die Poststelle zur Abholung übergeben. Weitere Briefabstimmungsunterlagen hatte sie am 5. Dezember (eine), am 6. Dezember (zwei), am 8. Dezember (fünf) und am 9. Dezember 2022 (sieben) erstellt und an die Poststelle zur Abholung durch den privaten Postdienstleister übergeben. Ob der private Postdienstleister entsprechend seiner Angaben gegenüber der Beklagten alle Postsendungen am Tag der Abholung erfasst hat, kann nicht festgestellt werden. Die Abholung durch den privaten Postdienstleister ist nicht dokumentiert. Die Bereitstellung von insgesamt 13 Sendungen mit Briefabstimmungsunterlagen noch am 8. und 9. Dezember 2022 an ihre Poststelle zur Abholung durch den privaten Postdienstleister wich jedoch von ihrem vorgesehenen Verfahren ab. Sie hatte intern vorgesehen, ab dem 8. Dezember 2022 die Zustellung direkt durch städtische Beschäftigte vorzunehmen.
148Bei der von ihr gewählten Verfahrensausgestaltung, die eine Beantragung der Briefabstimmungsunterlagen auch auf elektronischem Wege und bis zum 9. Dezember 2022 um 18.00 Uhr zuließ, war sie gehalten, eine rechtzeitige Übermittlung der Briefabstimmungsunterlagen vorzusehen. Dieser Anforderung ist sie durch die vorgesehene direkte Übermittlung durch städtische Beschäftigte als Boten auch in Ansehung der von ihr eröffneten Antragstellung kurz vor dem Abstimmungstag grundsätzlich gerecht geworden.
149Die von dieser organisatorischen Verfahrensfestlegung abweichenden, von der Beklagten nicht aufklärbaren, singulären Durchführungsfehler durch die Übergabe von Sendungen mit Abstimmungsunterlagen an die eigene Poststelle zur Abholung durch den privaten Postdienstleister (jedenfalls) noch am 8. bzw. 9. Dezember 2022 stellt keine Verletzung elementarer demokratischer Grundsätze dar. Denn sie sind nicht im ausgestalteten Verfahren zwingend angelegt. Für einzelne, von dem vorgesehenen Verfahren abweichende, Ausführungsfehler ihrer Beschäftigten oder Dritter hat die Beklagte in ihrer Verfahrensausgestaltung eine Folgenbeseitigungsmöglichkeit vorgesehen. Abstimmungsberechtigte, die bis zu einer individuell hinreichend vorher zu bemessenden Entscheidungsfrist beantragte Briefabstimmungsunterlagen nicht erhalten hatten, konnten – auch durch Bevollmächtigte – bis zum 10. Dezember 2022 um 12.00 Uhr im Rathaus Ersatzstimmscheine für nicht erhaltene Briefabstimmungsunterlagen beantragen. Hierzu waren sie in Wahrnehmung ihrer Abstimmungsberechtigung unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Antragstellung auch gehalten.
150Die hier entsprechend anzuwendenden Wahlgrundsätze aus Art. 38 Abs. 1 GG entbinden nicht von der Wahrnehmung zumutbarer Mitwirkungshandlungen zur Ausübung demokratischer Partizipationsrechte.
151Vgl. in diesem Sinne auch VG Gelsenkirchen, Urteil vom 28. April 2023 – 15 K 4572/20 –, juris Rn. 54.
152Dem Kompetenz- und Handlungsbereich der Beklagten entzogene einzelne Fehler nachgelagerter privater Dienstleister führen grundsätzlich nicht zu einer Verletzung der Allgemeinheit der Abstimmung. Dies gilt jedenfalls dann, wenn kein Dienstleistungsversagen solchen Ausmaßes vorliegt, dass von einem demokratischen Abstimmungsvorgang schlechterdings nicht mehr ausgegangen werden kann. Dies mag etwa in Betracht zu ziehen sein, wenn Fehler des Dienstleisters dazu führen, dass einer evident großen Anzahl Abstimmungsberechtigter die Unterlagen verspätet zugestellt werden, deren Stimmabgabe entscheidenden Einfluss auf das Abstimmungsergebnis hätte haben oder zur Erreichung eines erforderlichen Quorums hätte führen können. Dafür ist vorliegend jedoch nichts ersichtlich. Die singulären 38 vom vorgesehenen Verfahren abweichend in die normale Postzustellung gegebenen oder verzögert ausgelieferten Sendungen betrafen keine evident große Zahl. Für das Quorum fehlten 1.271 Stimmen.
153Der von den Klägern ebenfalls angeführte Grundsatz der Gleichheit der Wahl (Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG, Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG), der als allgemeines Rechtsprinzip auch für politische Abstimmungen gilt,
154vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 1975 – 2 BvL 7/74 –, juris Rn. 30; OVG NRW, Urteil vom 27. Juni 2019 – 15 A 2503/18 –, juris Rn. 60f.,
155ist ebenfalls nicht verletzt. Dieser Grundsatz sichert nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die vom Demokratieprinzip vorausgesetzte Egalität der Bürger und ist eine der wesentlichen Grundlagen der Staatsordnung. Er gebietet, dass alle Wahlberechtigten das aktive und passive Wahlrecht möglichst in formal gleicher Weise ausüben können, und ist im Sinne einer strengen und formalen Gleichheit zu verstehen. Danach muss die Stimme eines jeden Wahlberechtigten grundsätzlich den gleichen Zählwert und die gleiche rechtliche Erfolgschance haben. Alle Wähler sollen mit der Stimme, die sie abgeben, den gleichen Einfluss auf das Wahlergebnis haben.
156Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12. Januar 2022– 2 BvC 17/18 –, juris Rn. 58 f., vom 19. September 2017– 2 BvC 46/14 –, juris Rn. 59 m.w.N., vom 22. Mai 1963– 2 BvC 3/62 –, juris Rn. 23.
157Dieser Grundsatz ist entgegen der Auffassung der Kläger nicht durch die unterschiedlichen Wege zwischen den Wohnadressen der Abstimmungsberechtigten und den Stimmlokalen, insbesondere in den größeren Abstimmungsbezirken, verletzt. Die Abstimmungsberechtigten konnten auch dort auf die anhand der rechtlichen Vorgaben gleichwertig in den Blick zu nehmende Briefabstimmung zurückgreifen. Neben der Abstimmung auf dem Postweg konnten sie mittels Stimmschein in einem gegebenenfalls näher an ihrem Wohnsitz gelegenen Stimmlokal eines anderen Abstimmungsbezirks an der Abstimmung teilnehmen.
158Ein Optimierungsgebot, wie im hier nicht entsprechend anzuwendenden § 5 Abs. 2 KWahlG NRW für Wahlen normiert, gibt es für Abstimmungen ohne gesetzliche Fundierung nicht.
159Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. Oktober 2016 – 15 B 948/16 –, juris Rn. 26; VGH BaWü, Beschluss vom 30. Juli 2021 – 1 S 2402/21 –, juris Rn. 28.
160Eine Verletzung der weiteren Wahlrechtsgrundsätze oder elementaren demokratischen Grundsätze, etwa des Willkürverbots, ist nicht ersichtlich.
1613. Mangels festgestellter Verletzung des einfachen Rechts oder der entsprechend anzuwendenden Wahlgrundätze kann die Kammer offenlassen, ob die der Rechtssicherheit und Bestandskraft der durch Wahlen hervorgebrachten Vertretungskörperschaften geschuldeten Grundsätze einer erforderlichen Mandatsrelevanz (Ergebnisrelevanz) von Verfahrensfehlern bei der Wahlvorbereitung oder Durchführung (vgl. auch § 40 Abs. 1 Buchst. b) KWahlG NRW) auf Abstimmungen anzuwenden sind. Dagegen könnte sprechen, dass die ihren Gegenstand darstellenden Sachfragen keinen dermaßen demokratisch gewichtigen Bestandsschutz beanspruchen wie die Ergebnisse von Wahlen über die Zusammensetzung der Vertretungskörperschaften.
162Ebenso wenig dürfte ohne Weiteres aus den gesetzlich geregelten Fallgruppen, in denen Verstöße gegen Verfahrensvorschriften nicht zur Rechtswidrigkeit oder Nichtigkeit des betreffenden Hoheitsakts führen,
163vgl. zu diesen Fallgruppen OVG NRW, Urteil vom 7. Oktober 2020 – 15 A 2750/18 –, juris Rn. 84 ff.,
164ein allgemeingültiger Rechtsgrundsatz abzuleiten sein, für die Rechtswidrigkeit von Hoheitsakten wirkten sich Verstöße gegen das gesetzmäßige Verfahren nur bei festgestellter Ergebnisrelevanz aus. Von diesen verfahrensrechtlichen Ausnahmevorschriften kann gerade wegen ihres Ausnahmecharakters nicht auf einen allgemeingeltenden Rechtsgrundsatz geschlossen werden.
165Nicht nichtige, unter Verstoß gegen Verfahrensrecht zustande gekommene Hoheitsakte behalten vorbehaltlich einer Ausnahmeregelung, dass sich nur ergebnisrelevante Verfahrensfehler auswirken, bis zu ihrer Aufhebung in dafür vorgesehenen verwaltungsrechtlichen oder -gerichtlichen Verfahren ihre Wirksamkeit,
166Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. September 2021 – 8 C 31.20 –, juris Rn. 23 a.E., zu nicht nichtigen Ratsbeschlüssen wegen unzulässiger Beschränkung der Ratsöffentlichkeit in Ratssitzungen,
167sind aber rechtswidrig.
168III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, weil die Kläger unterlegen sind und das streitige Rechtsverhältnis ihnen gegenüber nur einheitlich entschieden werden kann (§ 159 Satz 1 VwGO).
169Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 und 1 Satz 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2, 108 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung.
170Rechtsmittelbelehrung:
171Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
1721. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
1732. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
1743. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
1754. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
1765. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
177Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, zu beantragen. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich einzureichen.
178Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
179Im Berufungsverfahren muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Berufung. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO.