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1. Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
Gründe:
2Der Antrag hat keinen Erfolg.
3Dies gilt zunächst für den Hauptantrag und den ersten Hilfsantrag, mit denen die Antragstellerin die (vorläufige) Zulassung zum Humanmedizin- bzw. zum Zahnmedizinstudium begehrt.
4Die Antragstellerin hat nicht gemäß § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft gemacht, dass ihr ein Anspruch auf Zulassung zum Studium der Human- oder Zahnmedizin zusteht.
5Studienplätze in den Studiengängen Human- und Zahnmedizin werden in einem zentralen Vergabeverfahren nach den Regelungen des in allen Bundesländern ratifizierten, am 1. Dezember 2019 in Kraft getretenen Staatsvertrages über die Hochschulzulassung (Vergabe-Staatsvertrag) in Verbindung mit den in den einzelnen Ländern erlassenen, die Vorgaben des Staatsvertrages konkretisierenden Rechtsverordnungen vergeben. Diese Verordnungen müssen nach Art. 12 Abs. 2 des Vergabe-Staatsvertrages in den für die zentrale Vergabe wesentlichen Punkten übereinstimmen. Im Folgenden wird – auch stellvertretend für die einschlägigen Verordnungen der übrigen Länder – auf die Verordnung über die Vergabe von Studienplätzen in Nordrhein-Westfalen (StudienplatzVVO NRW) vom 13. November 2020 (GVBl. NRW 2020, S. 1060), zuletzt geändert durch Verordnung vom 23. Mai 2022 (GVBl. NRW 2022, S. 739), Bezug genommen.
6Die Studienplätze der in das zentrale Vergabeverfahren einbezogenen Studiengänge werden in verschiedenen, in Art. 9 und 10 des Vergabe-Staatsvertrages beschriebenen Zulassungsquoten vergeben. Während die Studienplätze der „Zusätzlichen Eignungsquote“ und der „Auswahlquote der Hochschulen“ von den einzelnen Hochschulen vergeben werden, die sich dabei der Unterstützung durch die Antragsgegnerin als „Verwaltungshelferin“ bedienen, werden die Studienplätze der „Vorabquoten“ und der „Abiturbestenquote“ von der Antragsgegnerin in eigener Verantwortung vergeben (Art. 5 Abs. 1, Art. 10 Abs. 1 Vergabe-Staatsvertrag).
7Die Studienplätze der Abiturbestenquote werden gemäß Art. 10 Abs. 1 des Vergabe-Staatsvertrages in Verbindung mit § 15 StudienplatzVVO NRW nach dem Ergebnis der Hochschulzugangsberechtigung vergeben. Mit der von ihr im Abitur erreichten Punktzahl 795 (Abiturnote 1,2) erfüllt die Antragstellerin nicht die zum Wintersemester 2022/23 in der Abiturbestenquote hinsichtlich der von ihr benannten Hochschulen maßgeblichen Auswahlgrenzen von mindestens 814 Punkten (Humanmedizin) bzw. 796 Punkten (Zahnmedizin).
8Die Antragstellerin hat auf der Grundlage der vorgelegten Unterlagen auch keinen Anspruch auf Verbesserung ihrer Abiturnote bzw. -punktzahl im Wege des Nachteilsausgleichs nach § 15 Abs. 4 StudienplatzVVO NRW i.V.m. Art. 8 Abs. 2 Vergabe-Staatsvertrag. Nach diesen Vorschriften wird ein Bewerber, der nachweist, aus nicht selbst zu vertretenden Umständen daran gehindert gewesen zu sein, einen für die Berücksichtigung bei der Auswahl nach dem Ergebnis der Hochschulzugangsberechtigung besseren Wert zu erreichen, auf Antrag mit dem nachgewiesenen Wert an der Vergabe beteiligt. Bei der Auslegung dieses Tatbestandes ist zu berücksichtigen, dass die Abiturnote bzw. -punktzahl im Verfahren zur Vergabe von Human-, Zahn- und Tiermedizinstudienplätzen eine überragende Rolle spielt. Vor diesem Hintergrund sind an den Nachweis eines entsprechenden Nachteils strenge Anforderungen zu stellen. Denn es gilt, das Recht auf Chancengleichheit nicht nur des den Nachteilsausgleich begehrenden Bewerbers, sondern auch der anderen Bewerber im Blick zu behalten, die durch eine Verbesserung der Abiturnote jenes Bewerbers im Leistungsvergleich zurückfallen könnten. Des eingehenden Nachweises bedarf daher nicht nur das Vorliegen eines Umstands, der sich leistungsmindernd ausgewirkt hat, sondern auch die hypothetische Note, die ohne den auszugleichenden Nachteil voraussichtlich erreicht worden wäre.
9Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 14. Juni 2013 - 13 B 424/13 -; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 30. Mai 2017 - 6z K 783/16 - und Gerichtsbescheid vom 2. Januar 2020 - 6z K 4077/19 -, alle bei juris und mit weiteren Nachweisen.
10Die Antragsgegnerin sieht in ihrer ständigen Verwaltungspraxis auch das Betreiben von Leistungssport als einen „nicht selbst zu vertretenden Umstand“ an, allerdings nur dann, wenn ein Studienplatzbewerber während der letzten drei Jahre vor Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung mindestens ein Jahr lang ohne Unterbrechung zu einem Olympiakader, Perspektivkader, Ergänzungskader, Nachwuchskader 1, Nachwuchskader 2 oder Teamkader der Bundessportfachverbände gehört hat.
11Vgl. die auf der Homepage der Antragsgegnerin abrufbare Publikation „Ergänzende Informationen für Ihre Studienplatzbewerbung im Zentralen Vergabeverfahren für bundesweit zulassungsbeschränkte Studiengänge“ (Stand: 4/2022), S. 15.
12Dies ist bei der Antragstellerin nicht der Fall. Sie hat zwar zweifellos während der gesamten Oberstufe ihrer Schullaufbahn erfolgreich und auf sehr hohem Niveau ihren Sport betrieben. Zu einem Bundeskader hat sie aber, wie die vorgelegte Bescheinigung zeigt, nur im Kalenderjahr 2019 gehört. Damit fällt nur rund ein halbes Jahr in den fraglichen Dreijahreszeitraum vor Erwerb des Abiturs. Soweit die Antragstellerin meint, der fragliche Satz in den veröffentlichten Hinweisen der Antragsgegnerin lasse sich auch dahingehend verstehen, dass eine mindestens zwölfmonatige Bundeskaderzugehörigkeit genüge, die nicht vollständig in den Dreijahreszeitraum falle, vermag das Gericht ihr nicht zu folgen. Denn es handelt sich nicht um eine Rechtsnorm, sondern um die Verschriftlichung der Verwaltungspraxis der Antragsgegnerin. Folglich kommt es nicht darauf an, wie der fragliche Satz bei objektiver Auslegung zu verstehen ist, sondern darauf, wie die Antragsgegnerin selbst ihn versteht bzw. wie die in ihm beschriebene Verwaltungspraxis tatsächlich aussieht.
13Das Gericht, das an die fraglichen Hinweise der Antragsgegnerin und deren Verwaltungspraxis nicht gebunden ist, ist auch nicht der Auffassung, dass die in Rede stehende Verwaltungspraxis zu eng ausgestaltet ist, dass also über die erfasste Gruppe hinaus weitere Leistungssportler in den Genuss des Nachteilsausgleichs kommen müssen. Ungeachtet der Frage, ob sich das Betreiben von Leistungssport überhaupt als ein „nicht selbst zu vertretender Umstand“ im Sinne des Staatsvertrages ansehen lässt, ist es angesichts der Knappheit des Studienplatzangebots und des verfassungskräftigen Anspruchs aller Mitbewerber um einen Medizinstudienplatz auf Chancengleichheit jedenfalls geboten, den Kreis der von einem entsprechenden Nachteilsausgleich profitierenden Personen eng zu begrenzen. Dafür bietet die Beschränkung auf einen Bundeskader und auf eine gewisse Mindestzeit ein für das Massenverfahren der Studienplatzvergabe praktikables und vertretbares Anknüpfungskriterium, auch wenn der Trainings- und Wettkampfaufwand bei erfolgreichen Sportlern, die nicht zu einem Bundeskader gehören, vergleichbar sein mag.
14Abgesehen von der fehlenden Dauer dürfte auch die Kausalität der Zugehörigkeit zum Bundeskader für die von der Schule angenommenen Leistungsabweichungen nicht feststellbar sein. Denn die Schule hat Leistungsabweichungen lediglich für das Halbjahr Q1 (Herbst/Winter 2020) und für die Abiturprüfung (Frühling 2022) festgestellt. Dass diese Abweichungen auf die Zugehörigkeit zum Bundeskader im Jahre 2019 zurückgehen, dürfte sich kaum begründen lassen.
15Ob für die Abiturprüfung selbst überhaupt ein Nachteilsausgleich in Betracht kommt, mag dahin stehen.
16Liegen die Voraussetzungen für einen Nachteilsausgleich somit nicht vor, so kann auch der zweite Hilfsantrag der Antragstellerin keinen Erfolg haben.
17Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
18Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes.
19Rechtsmittelbelehrung:
20Gegen den Beschluss zu 1. steht den Beteiligten die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster zu.
21Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Beschlusses schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, einzulegen. Sie ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
22Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
23Im Beschwerdeverfahren gegen den Beschluss zu 1. muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO.
24Gegen den Beschluss zu 2. findet innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
25Die Beschwerde ist schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen einzulegen. Über sie entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, falls das beschließende Gericht ihr nicht abhilft.
26Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.