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1. Der Antrag wird abgelehnt.Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
2. Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
Gründe:
2Die Anträge,
3die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers (6 K 2103/21) gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 10. Mai 2021 wiederherzustellen,hilfsweise, die sofortige Vollziehung aufzuheben,
4haben keinen Erfolg; sie sind unbegründet.
5Die auf der Grundlage von § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ausgesprochene Anordnung der sofortigen Vollziehung in dem angegriffenen Bescheid begegnet in formeller Hinsicht keinen Bedenken. Sie erfüllt insbesondere die Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO. Nach dieser Vorschrift ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes schriftlich zu begründen. Dies ist vorliegend in hinreichender Weise geschehen.
6Hat die Verwaltungsbehörde die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes angeordnet, so kann das Gericht der Hauptsache allerdings gemäß § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO die aufschiebende Wirkung des gegen den Verwaltungsakt gerichteten Rechtsbehelfs wiederherstellen. Dabei hat es in dem wegen der Eilbedürftigkeit nur summarischen Verfahren nicht unmittelbar und nicht ausschließlich die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes zu überprüfen, sondern zu untersuchen, ob das – in der Regel öffentliche – Interesse an dessen sofortiger Vollziehung das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage überwiegt. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten der Klage zu berücksichtigen. Stellt sich heraus, dass die Klage aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben wird und ist überdies ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung erkennbar, so kommt diesem Interesse regelmäßig der Vorrang zu.
7Gemessen an diesen Grundsätzen überwiegt im vorliegenden Fall das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Ordnungsverfügung das Interesse des Antragstellers, durch Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage von dem Vollzug der Verfügung verschont zu bleiben. Denn die angegriffene Ordnungsverfügung (Nutzungsuntersagung) vom 10. Mai 2021 begegnet aller Voraussicht nach keinen rechtlichen Bedenken, die zu ihrer Aufhebung führen könnten, und es liegt ein besonderes Vollziehungsinteresse vor.
8Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der Ordnungsverfügung ist § 58 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 82 Abs. 1 S. 2 Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (BauO NRW 2018).
9In formeller Hinsicht begegnet die angegriffene Ordnungsverfügung keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Allerdings hat außer dem bei Erlass der Ordnungsverfügung bereits weit zurückliegenden Schreiben vom 2. März 2012 keine förmliche Anhörung gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) NRW mehr stattgefunden. Ob auf eine Anhörung vor Erlass des (erneuten) Bescheides vom 10. Mai 2021 wegen Gefahr im Verzug gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW verzichtet werden durfte, mag dahin stehen. Denn es spricht einiges dafür, dass die Anhörung zumindest durch die intensiven (außergerichtlichen) Diskussionen der Beteiligten gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG NRW nachgeholt worden ist (z.B. Ortstermin vom 19. Juli 2021; Gespräch im Rahmen der „Bürgermeistersprechstunde“ vom 5. April 2022, Erörterungsgespräch vom 13. April 2022, Ortsbesichtigung vom 8. Juli 2022). Andernfalls wäre im Übrigen zu bedenken, dass die Anhörung bis zum Abschluss des Klageverfahrens nachgeholt werden kann.
10Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. Oktober 2010 - 7 B 1293/10 -, juris.
11Die angegriffene Ordnungsverfügung ist auch materiell rechtmäßig. Nach § 58 Abs. 2 S. 2 BauO NRW 2018 haben die Bauaufsichtsbehörden im Rahmen ihrer Aufgabe, die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften bei der Errichtung, der Änderung, der Nutzungsänderung und der Beseitigung sowie bei der Nutzung und Instandhaltung von Anlagen zu überwachen, nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. § 82 Abs. 1 S. 2 BauO NRW 2018 sieht insoweit vor, dass die Bauaufsichtsbehörde die Nutzung untersagen kann, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden.
12Zu den öffentlich-rechtlichen Vorschriften in diesem Sinne gehören unter anderem die §§ 60 ff. BauO NRW 2018, denen zufolge bestimmte Vorhaben der Einholung einer Baugenehmigung bedürfen. Wird ein solches genehmigungsbedürftiges Vorhaben ohne die erforderliche Genehmigung durchgeführt, hat die Behörde ein Einschreiten zu erwägen. Die Voraussetzungen für ein solches Einschreiten liegen hier vor. Der Antragsteller nutzt die von der Ordnungsverfügung erfassten Hotelzimmer ohne die erforderliche Baugenehmigung. Zwar wurden für die Umnutzung und den Umbau des Gebäudekomplexes in ein Hotel zu Beginn der neunziger Jahre bauaufsichtliche Genehmigungen erteilt (Baugenehmigung 63 N 023/91, Nachtragsgenehmigung 63 E 437/93). Der vorhandene Bestand entspricht jedoch nicht diesen Genehmigungen, entweder weil von vornherein abweichend gebaut worden ist oder weil nachträglich Änderungen vorgenommen worden sind. Dies betrifft etwa die Gestaltung des Obergeschosses in dem südlichen Teil des Gebäudekomplexes. Statt zwei aus jeweils zwei Räumen bestehenden Einheiten sind hier vier Hotelzimmer mit Bad vorhanden, die jeweils separat durch den Flur erschlossen sind. Der Flur selbst verfügt nicht mehr über ein Fenster, sondern endet straßenseitig an der Wand eines entgegen den genannten Baugenehmigungen erstellten Badezimmers. Durch diese Umgestaltung des Obergeschosses wurden vor allem Fragen der Rettungswegführung (zweiter Rettungsweg der rückwärtigen Zimmer) und der brandschutztechnischen Ausstattung des Treppenraums (Entrauchungsmöglichkeit) neu aufgeworfen. Sie ist daher durch die Baugenehmigungen von 1991 und 1993 eindeutig nicht gedeckt. Ähnliches gilt für den Treppenraum im nördlichen Gebäudeteil. Indem der in der Baugenehmigung 1991/1993 vorgesehene unmittelbare Ausgang ins Freie im Erdgeschoss seinerzeit nicht hergestellt worden ist, wurde das Gebäude in wesentlicher Weise abweichend von den Genehmigungen errichtet. Dass dieser Ausgang nun nachträglich geschaffen worden ist, ändert nichts daran, dass der Antragsteller sich auf die in den Jahren 1991 und 1993 eingeholten Genehmigungen nicht mehr berufen kann. Diese dürften vielmehr aufgrund abweichender Errichtung oder nachträglicher wesentlicher Änderungen erloschen sein. Der Antragsteller benötigt für den Betrieb des Hotels somit eine neue Baugenehmigung. Dies gilt im Übrigen auch dann, wenn bei Durchführung der Schlussabnahme im Jahre 1993 die aufgezeigten Abweichungen bereits vorhanden gewesen sein sollten. Denn die Schlussabnahme vermag eine Baugenehmigung nicht zu ersetzen.
13Die Antragsgegnerin hat sich zur Begründung ihrer Ordnungsverfügung allerdings nicht bloß auf diesen formellen Verstoß berufen. Sie hat ihre Entscheidung, die Nutzung des Gebäudekomplexes zu untersagen, vielmehr zusätzlich auf Verstöße gegen das materielle Bauordnungsrecht gestützt. Da es sich insoweit um tragende Erwägungen im Rahmen der von der Antragsgegnerin getroffenen Ermessensentscheidung handelt, hat das Gericht zu überprüfen, ob die angenommenen Verstöße tatsächlich vorliegen (vgl. § 114 S. 1 VwGO).
14Dass dies bei Erlass der Ordnungsverfügung im Mai 2021 der Fall war, liegt auf der Hand. Gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 BauO NRW 2018 müssen für jede Nutzungseinheit mit mindestens einem Aufenthaltsraum in jedem Geschoss mindestens zwei voneinander unabhängige Rettungswege ins Freie gegeben sein. Hinsichtlich der Hotelzimmer im nördlichen Teil des Gebäudekomplexes entsprach bei Erlass der Ordnungsverfügung schon der erste Rettungsweg nicht den Anforderungen. Der für die Rettungswegführung gemäß § 33 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 35 Abs. 1 S. 1 BauO NRW 2018 erforderliche „notwendige Treppenraum“ in diesem Gebäudeteil verfügte nämlich entgegen § 35 Abs. 3 S. 1 BauO NRW 2018 nicht über einen unmittelbaren Ausgang ins Freie, weil die nach der Baugenehmigung von 1991 vorgesehene Tür in der
15nördlichen Außenwand fehlte. Zudem war ein bauordnungskonformer zweiter Rettungsweg für die im Obergeschoss beider Gebäudeteile gelegenen Hotelzimmer bei Erlass der Ordnungsverfügung nicht vorhanden. Zwar kann der zweite Rettungsweg grundsätzlich über eine mit Rettungsgeräten der Feuerwehr erreichbare Stelle, namentlich ein Fenster, geführt werden (§ 33 Abs. 2 S. 2 BauO NRW 2018). Dies setzt allerdings voraus, dass das Fenster gewisse Mindestvoraussetzungen hinsichtlich seiner lichten Öffnung und seiner Brüstungshöhe wahrt (§ 37 Abs. 5 S. 1 BauO NRW 2018). Vorliegend waren diese Voraussetzungen (unstreitig) nicht erfüllt.
16Über die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung hinaus ist vorliegend allerdings auch der gegenwärtige Zustand in die Betrachtung einzubeziehen. Denn der Regelungsgehalt einer Nutzungsuntersagungsverfügung erschöpft sich nicht in dem einmaligen Gebot, die Nutzung einzustellen. Er umfasst vielmehr zugleich das auf Dauer angelegte Verbot, die Nutzung wieder aufzunehmen. Es handelt sich also um einen „Dauerverwaltungsakt“. Folglich hat die Behörde auch nach Erlass der Ordnungsverfügung die tatsächlichen und rechtlichen Entwicklungen und ihre Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit des Bescheides im Blick zu behalten und auch das Gericht hat bei der Überprüfung der Nutzungsuntersagungsverfügung die aktuelle Sach- und Rechtslage mit in den Blick zu nehmen.
17Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Dezember 1995 - 11 A 2734/93 -, juris (Rn. 13), und Beschluss vom 27. Mai 2021 - 2 B 1867/20 -, juris (Rn. 40); VG Düsseldorf, Urteil vom 19. November 2021 - 25 K 2375/19 -, juris (Rn. 92); VG Köln, Beschluss vom 5. April 2019 - 8 L 34/19 -, juris (Rn. 12).
18Insoweit ist vorliegend zunächst festzustellen, dass eine Baugenehmigung für das Hotel in seiner heutigen Gestalt zwar inzwischen beantragt, aber bislang nicht erteilt worden ist. Die formelle Rechtswidrigkeit ist also nach wie vor gegeben; die Tatbestandsvoraussetzungen des § 82 Abs. 1 S. 2 BauO NRW 2018 sind weiterhin erfüllt.
19Die oben genannten, in der Ordnungsverfügung vom 10. Mai 2021 angesprochenen Verstöße gegen das materielle Bauordnungsrecht sind demgegenüber inzwischen beseitigt worden. Der erforderliche unmittelbare Ausgang ins Freie in Form einer Tür in der Nordwand sowie die zur Gewährleistung des zweiten Rettungsweges erforderlichen Fenster sind inzwischen vorhanden. Die Antragsgegnerin hatte daher zu erwägen, ob sie an ihrer Ordnungsverfügung festhält.
20Dies ist auch geschehen. Bereits unter dem 1. März 2022 hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller mitgeteilt, an der Ordnungsverfügung werde festgehalten, weil eine nachträgliche Baugenehmigung bislang nicht habe erteilt werden können. Dies könnte dahingehend verstanden werden, dass die Ordnungsverfügung nunmehr allein auf das Fehlen einer Baugenehmigung, also auf die – weiterhin bestehende – formelle Rechtswidrigkeit des Gebäudes gestützt wird. Aber auch wenn man in dem Hinweis, die Baugenehmigung könne nach wie vor nicht erteilt werden, eine Bezugnahme auf materiell-rechtliche Hindernisse sieht, wofür der Vortrag der Antragsgegnerin in dem vorliegenden Eilverfahren spricht, ist die Entscheidung der Behörde nicht ermessensfehlerhaft. Denn das Hotel verstößt nach wie vor auch gegen materielles Bauordnungsrecht.
21Dies gilt zunächst für die Kellerdecke im südlichen Gebäudeteil. Gemäß § 31 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BauO NRW 2018 muss die Decke des Kellergeschosses in Gebäuden der Gebäudeklasse 3 feuerbeständig sein. Dass diese Qualität (F 90) vorliegend nicht gegeben ist, ist unstreitig. Der Brandschutzsachverständige des Antragstellers konstatiert in seinem Brandschutzkonzept, die Decke weise keine nachweisbare Feuerwiderstandsdauer auf. Ob eine Abweichung von der in Rede stehenden Vorgabe gemäß § 69 BauO NRW 2018 zugelassen werden kann, hat die Kammer derzeit nicht zu entscheiden. Denn auch wenn die Voraussetzungen für eine Abweichung vorliegen sollten, würde es sich um eine (antragsgebundene) Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin handeln. Diese Entscheidung im Eilverfahren über die Nutzungsuntersagung vorwegzunehmen, steht dem Gericht nicht zu. Etwas anderes könnte möglicherweise gelten, wenn die Abweichung nach Lage der Dinge völlig unproblematisch wäre, weil die Ziele der in Rede stehenden Norm aufgrund der Besonderheiten des Falles, namentlich aufgrund von Kompensationsmaßnahmen, ersichtlich erfüllt wären und keinerlei der Erteilung einer Abweichung entgegenstehende Überlegungen denkbar wären. So liegt der Fall indessen nicht. Der Vertreter der Berufsfeuerwehr der Antragsgegnerin hat im Ortstermin erklärt, dass die Anforderungen an die Feuerbeständigkeit der Kellerdecke aus seiner Sicht nicht nur dazu dienten, das Übergreifen eines Feuers vom Kellergeschoss auf das Erdgeschoss zu verhindern. Zu berücksichtigen sei vielmehr auch die Möglichkeit, dass die Kellerdecke einem im Erdgeschoss ausgebrochenen Feuer nicht standhalte und die Selbst- und Fremdrettung dadurch gefährdet werde. Dass diese Gefahr durch die von dem Brandschutzsachverständigen vorgeschlagene feuerbeständige Abtrennung und Brandlastenfreiheit der fraglichen Kellerbereiche nicht ohne weiteres beseitigt wird, erscheint jedenfalls nicht von vornherein fernliegend. Der von der Antragsgegnerin angekündigten Überprüfung durch einen Prüfingenieur für Brandschutz (§ 27 Abs. 1 S. 2 Bauprüfverordnung) kann insoweit nicht vorgegriffen werden.
22Auch die Annahme eines Verstoßes der beiden das Obergeschoss des Hotels erschließenden (notwendigen) Treppen gegen das materielle Bauordnungsrecht trifft
23zu. Gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 BauO NRW 2018 sind Anlagen so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit und natürliche Lebensgrundlagen, nicht gefährdet werden. Die der Wahrung der vorgenannten Belange dienenden allgemein anerkannten Regeln der Technik sind gemäß § 3 Abs. 2 S. 1 BauO NRW 2018 zu beachten. Dazu gehören gemäß § 3 Abs. 2 S. 3 BauO NRW 2018 auch die von der obersten Bauaufsichtsbehörde als Technische Baubestimmungen eingeführten Regeln. Die geltende Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MBl. NRW 2022, S. 654) ordnet unter A 4.2 an, dass für Treppen die Anforderungen der DIN 18065 zu beachten sind. Mit diesen Anforderungen stehen beide Treppen in dem Gebäude des Antragstellers nicht in Einklang, weil es der Auftrittsfläche an Tiefe mangelt, weil (bei der südlichen Treppe) die Stufen zu hoch sind und weil (bei der nördlichen Treppe) ein zulässiges Steigungsverhältnis verfehlt wird; zudem wird auch die nutzbare Mindestlaufbreite (100 cm) bei beiden Treppen unterschritten. Eine den Anforderungen der Technischen Baubestimmungen gleichwertige Lösung, die eine Abweichung gemäß § 3 Abs. 2 S. 2 BauO NRW 2018 ermöglichen würde,
24vgl. zu dem strengen Maßstab einer solchen Gleichwertigkeitsprüfung bei Sonderbauten nur OVG NRW, Urteil vom 11. April 2016 - 2 A 2176/14 -, juris,
25ist bei summarischer Prüfung bislang nicht angeboten worden. Der Hinweis der Antragsgegnerin, dass durch die im Ortstermin diskutierte Kompensation in Form eines zweiten Handlaufs die ohnehin zu geringe Mindestlaufbreite weiter unterschritten würde, ist schon deshalb nicht von der Hand zu weisen, weil die Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen in den Anwendungsmaßgaben zur DIN 18065 ausdrücklich bestimmt, dass bei einer notwendigen Treppe in einem bestehenden Gebäude durch den nachträglichen Einbau eines zweiten Handlaufs die nutzbare Mindestlaufbreite von 100 cm um höchstens 10 cm unterschritten werden darf (Anlage A 4.2/1 Ziffer 3). Die fraglichen Treppen weisen bereits jetzt eine Breite von nur 88 bzw. 91 cm auf.
26Ob auch die weiteren von der Antragsgegnerin angenommenen Verstöße gegen materielles Bauordnungsrecht vorliegen, braucht das Gericht nach alledem nicht im Einzelnen zu untersuchen. Auf den ersten Blick erkennbare Fehleinschätzungen sieht die Kammer jedenfalls nicht.
27Das Nutzungsverbot ist auch nicht unverhältnismäßig. Der Gesetzgeber hat durch das Erfordernis der Baugenehmigung dem öffentlichen Interesse an einer vor Aufnahme der Nutzung erfolgenden Überprüfung des Vorhabens den Vorrang vor dem Interesse des Bauherrn an der sofortigen Aufnahme einer genehmigungsbedürftigen Nutzung gegeben. Durch die Untersagung einer formell illegalen Nutzung wird lediglich dieser Wertung des Gesetzgebers Rechnung getragen, ohne dass dem Adressaten der Maßnahme für den Fall, dass sich in einem Genehmigungsverfahren die materielle Rechtmäßigkeit der Nutzung ergeben sollte, unbeabsichtigte Nachteile entstehen. Der Nachteil, der dadurch entsteht, dass das Genehmigungsverfahren abgewartet werden muss, ist durch die gesetzliche Regelung vorgegeben und regelmäßig in Kauf zu nehmen. Folglich rechtfertigt grundsätzlich bereits die formelle Rechtswidrigkeit eine Nutzungsuntersagungsverfügung.
28Vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 10. Juli 2019 - 10 B 189/19 -, juris (Rn. 5).
29Vorliegend kommen die aufgezeigten Verstöße gegen das materielle Bauordnungsrecht hinzu. Da es sich bei den betreffenden Vorschriften um solche handelt, die dem Schutz von Leib und Leben der Benutzer der Anlage dienen, kann die Entscheidung, eine Nutzung zu untersagen, bis die fraglichen Probleme gelöst sind, erst recht nicht als unverhältnismäßig betrachtet werden. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der (auf eigenes Risiko) bereits getätigten Investitionen und der (nachvollziehbar) geschilderten Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Betriebes.
30Vgl. zu derartigen Aspekten etwa OVG NRW, Beschluss vom 7. Juli 2022 - 10 B 638/22 -, juris (Rn. 13 f.) m.w.N.
31Sonstige Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung bestehen nicht. Insbesondere ist der Antragsteller als Betreiber des Hotels, also Verhaltensstörer, in rechtmäßiger Weise zum Adressaten der Nutzungsuntersagung gemacht worden.
32Vgl. zur Störerauswahl nur VG Gelsenkirchen, Beschlüsse vom 26. März 2015 - 6 L 1780/14 -, juris (Rn. 18 ff.), vom 25. Januar 2021 - 6 L 86/21 -, juris (Rn. 18), und vom 21. Mai 2021 - 6 L 469/21 -, juris (Rn. 16).
33An der sofortigen Vollziehung der nach alledem rechtmäßigen Ordnungsverfügung besteht auch ein besonderes öffentliches Interesse. In aller Regel rechtfertigt aus den oben genannten Gründen bereits die formelle Illegalität die sofortige Vollziehung des Nutzungsverbots. Vorliegend kommt hinzu, dass gravierende Gefahren für Leib
34und Leben aufgrund der Verstöße gegen Brandschutz- und sonstige Vorschriften im Raum stehen. Ein öffentliches Vollziehungsinteresse steht damit außer Zweifel.
35Die Androhung des Zwangsgeldes findet ihre Grundlage in §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60, 63 Verwaltungsvollstreckungsgesetz NRW und ist nach Lage der Dinge nicht zu beanstanden.
36Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
37Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.
38Rechtsmittelbelehrung:
39Gegen den Beschluss zu 1. steht den Beteiligten die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster zu.
40Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Beschlusses schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, einzulegen. Sie ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
41Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
42Im Beschwerdeverfahren gegen den Beschluss zu 1. muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO.
43Gegen den Beschluss zu 2. findet innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
44Die Beschwerde ist schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen einzulegen. Über sie entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, falls das beschließende Gericht ihr nicht abhilft.
45Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.