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Der Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahrens ist eine der Mitwirkung der Gleichstellungsbeauftragten unterliegende Maßnahme nach § 17 Abs. 1 S. 1 LGG NRW. Das Unterlassen der Mitwirkung der Gleichstellungsbeauftragten im Abbruchverfahren stellt einen Verfahrensfehler dar.
Bei Ermessensentscheidungen kann der Rechtsgedanke des § 46 VwVfG NRW jedenfalls dann eingreifen, wenn das materielle Recht letztlich keinen Spielraum eröffnet.
Enthält eine Stellenausschreibung konstitutive Merkmale, die nicht an den Anforderungen des Statusamtes, sondern an denjenigen des Dienstpostens orientiert sind, so leidet das Stellenbesetzungsverfahren an einem unheilbaren Fehler und ist daher im Sinne einer Ermessensreduzierung auf Null zwingend abzubrechen. In einem solchen Fall ist die unterlassene Mitwirkung der Gleichstellungsbeauftragten wegen rechtlicher Alternativlosigkeigt gemäß § 46 VwVfG NRW unbeachtlich.
1. Die Anträge werden abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Streitwert wird auf die Wertstufe bis zu 30.000,- € festgesetzt.
G r ü n d e:
2I.
3Die sinngemäßen Anträge,
4der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, das unter dem 26. November 2021 ausgeschriebene Stellenbesetzungsverfahren betreffend die „XXX XXX XXX xxx xxx XXX (m/w/d) für den Fachbereich 32 (Ordnung)“ (Besoldungsgruppe A 12 LBesG NRW bzw. Entgeltgruppe 11 TVödD) fortzusetzen,
5der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, das unter dem 24. Juni 2022 ausgeschriebene Stellenbesetzungsverfahren “ XXX XXX XXX (m/w/d) für den Fachbereich 32 (Ordnung)“ (Besoldungsgruppe A 12 LBesG NRW bzw. Entgeldgruppe 11 TVöD) fortzusetzen,
6der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die unter dem 26. November 2021 ausgeschriebenen Stelle der „XXX XXX XXX xxx xxx XXX (m/w/d) für den Fachbereich 32 (Ordnung)“ (Besoldungsgruppe A12 LBesG NRW bzw. Entgeltgruppe 11 TVöD) zu besetzen, bis über die Bewerbung des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden worden oder eine Entscheidung in der Hauptsache ergangen ist,
7haben keinen Erfolg.
8Die gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – statthaften und auch im Übrigen zulässigen Anträge des Antragstellers sind unbegründet.
9Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann eine einstweilige Anordnung zur Sicherung eines Rechts des Antragstellers nur getroffen werden, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung dieses Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Hierbei sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 der Zivilprozessordnung – ZPO – das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) und die besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen.
10Dabei sind an die Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes und des Anordnungsanspruchs erhöhte Anforderungen zu stellen, wenn der Antrag – wie es hier bei allen drei Anträgen der Fall ist – auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet ist. Nach gefestigter Rechtsprechung ist die Vorwegnahme der Hauptsache im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO aus Gründen der effektiven Rechtsschutzgewährung (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz – GG –) gerechtfertigt, aber auch geboten, wenn der Erfolg in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist und das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache für den Antragsteller schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte.
11Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. Januar 2015 – 1 B 1260/14 –, juris Rn. 5, m.w.N.
12Diese Voraussetzungen zum Erlass einer einstweiligen Anordnung sind hier nicht erfüllt.
131.
14Der Antragsteller hat für die Anträge zu 1. und zu 2., mit denen er die Fortsetzung der abgebrochenen Stellenbesetzungsverfahren begehrt, die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anordnungsanspruchs nicht glaubhaft gemacht. Er hat keinen Anspruch auf die Fortsetzung der ursprünglichen Stellenbesetzungsverfahren. Die Entscheidungen der Antragsgegnerin, die von ihr ausgeschriebenen Stellenbesetzungsverfahren abzubrechen und neu auszuschreiben, verletzen den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers nicht.
15Die ausweislich der vorgelegten Verwaltungsvorgänge fehlende Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten, die sich als formeller Fehler der Verfahrensabbrüche erweist, ist ausnahmsweise unbeachtlich und führt nicht zur Verpflichtung der Antragsgegnerin, die abgebrochenen Auswahlverfahren fortzusetzen. Die fehlende Beteiligung ist hier unbeachtlich, da die Verfahren im Sinne einer Ermessensreduzierung auf Null abzubrechen und mit einer zulässigen Ausschreibung neu in Gang zu setzen sind. Die fehlende Beteiligung der Gleichstellungbeauftragten kann sich somit im Ergebnis nicht auswirken.
16a.
17Zur Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen folgendes ausgeführt:
18„Dies zugrunde gelegt handelt es sich bei der Entscheidung über den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens um eine der Mitwirkung der Gleichstellungsbeauftragten unterliegende Maßnahme. Denn auch bei dieser Entscheidung können jedenfalls potentiell gleichstellungsrelevante Fragestellungen zum Tragen kommen. Denkbar ist etwa der Fall, dass das Verfahren abgebrochen wird, um die Auswahl eines Bewerbers aufgrund seines Geschlechts zu verhindern. Zudem weist der Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens einen engen Zusammenhang zu den als personelle Maßnahmen unter § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LGG NRW genannten Stellenausschreibungen und Auswahlverfahren auf. Auch diese können regelmäßig die Interessen der (potentiellen) Bewerber unter Gleichstellungsgesichtspunkten berühren, weil bereits durch die Ausschreibung und die Gestaltung des Auswahlverfahrens geschlechtsspezifische Benachteiligungen möglich sind. Dies gilt nach dem Vorstehenden gleichermaßen für den Abbruch eines solchen der Mitwirkung unterliegenden Auswahlverfahrens, sodass die Abbruchentscheidung, sollte es sich (noch) um keine personelle Maßnahme handeln, jedenfalls nach der Generalklausel der Mitwirkung der Gleichstellungsbeauftragten unterliegt.
19(…)
20Die Gleichstellungsbeauftragte hätte danach frühzeitig über den beabsichtigten Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens unterrichtet und angehört werden müssen. Ihr hätte vorab Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden müssen (vgl. § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 LGG NRW). Das ist nicht geschehen.
21Der mangels Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten im Streitfall vorliegende Verfahrensfehler ist auch nicht in Anwendung des Rechtsgedankens des § 46 VwVfG NRW unbeachtlich. Diese Bestimmung ist gemäß § 18 Abs. 3 Satz 2 LGG, wonach § 46 VwVfG NRW unberührt bleibt, in der gegebenen Konstellation anwendbar.
22Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24. Oktober 2019 - 1 B 1051/19 -, juris Rn. 97.
23Die Voraussetzungen des § 46 VwVfG NRW liegen jedoch nicht vor. Nach dieser Vorschrift kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 VwVfG NRW nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.
24Eine von § 46 VwVfG NRW erfasste Verletzung hat die Entscheidung in der Sache dann nicht beeinflusst, wenn bei der gebotenen hypothetischen Beurteilung des behördlichen Verhaltens für den Fall der fehlerfreien Abwicklung des Verwaltungsverfahrens feststeht, dass die Sachentscheidung auch bei ordnungsgemäßem Verfahren nicht anders ausgefallen wäre. Bei dieser hypothetischen Beurteilung des Entscheidungsverhaltens ist angesichts des Erfordernisses, dass der Verfahrensfehler die Entscheidung offensichtlich nicht beeinflusst haben darf, jedoch Zurückhaltung geboten.
25Vgl. näher auch zur Entstehungsgeschichte Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 46 Rn. 78.
26Ein Verfahrensfehler hat sich jedenfalls dann offensichtlich nicht ausgewirkt, wenn die fehlende Kausalität für einen objektiven Betrachter anhand der bis zum Erlass der Sachentscheidung geführten Akten klar erkennbar ist. Ausgeschlossen ist die Annahme der Offensichtlichkeit, wenn nach den Umständen des Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den Verfahrensfehler eine andere Entscheidung getroffen worden wäre.
27Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 27. August 2021 - 6 A 2925/20 -, juris Rn. 8 ff., und vom 24. Oktober 2019 - 1 B 1051/19 -, a. a. O. Rn.104 m. w. N.
28Eine Unbeachtlichkeit eines Verfahrensfehlers kann danach regelmäßig bei gebundenen Entscheidungen angenommen werden. Bei Ermessensentscheidungen kann der Rechtsgedanke des § 46 VwVfG NRW eingreifen, wenn das materielle Recht letztlich keinen Spielraum eröffnet.“
29(Vgl. insgesamt: OVG NRW, Beschluss vom 18. Mai 2022 – 6 B 231/22 –; juris Rn. 20ff.)
30Letzteres ist hier der Fall. Bei den Entscheidungen, die Stellenbesetzungsverfahren abzubrechen, handelte es sich jeweils um Fälle sonstiger rechtlicher Alternativlosigkeit. Der Entscheidungsspielraum der Antragsgegnerin war jeweils auf Null reduziert; die fehlende Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragen war mithin in beiden Verfahren unbeachtlich. Es lag ein zwingender Grund für einen Verfahrensabbruch vor.
31b.
32Der aus Art. 33 Abs. 2 GG folgende Bewerbungsverfahrensanspruch gibt Bewerbern um ein öffentliches Amt ein grundrechtsgleiches Recht auf leistungsgerechte Einbeziehung in eine Bewerberauswahl. Die Bewerbung darf nur aus Gründen abgelehnt werden, die durch Art. 33 Abs. 2 GG gedeckt sind. Der Bewerbungsverfahrensanspruch ist auf ein konkretes Stellenbesetzungsverfahren für die Vergabe eines bestimmten höheren Statusamtes gerichtet, das möglichst zeitnah nach der Auswahlentscheidung durch Beförderung des ausgewählten Bewerbers besetzt werden soll. Aus dieser Verfahrensabhängigkeit folgt, dass der Anspruch erlischt, wenn das Verfahren beendet wird. Das kann auch dadurch geschehen, dass der Dienstherr das Verfahren rechtsbeständig abbricht.
33Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. November 2012 – 2 C 6.11 –, juris Rn. 10 ff., m.w.N.
34Der Dienstherr ist bei der Entscheidung, ob er ein nach den Grundsätzen der Bestenauswahl begonnenes Auswahlverfahren zur Besetzung einer Beförderungsstelle abbricht, in unterschiedlichem Maße rechtlich gebunden, je nachdem, ob die konkrete Stelle – auf der Grundlage eines neuen Auswahlverfahrens – weiter besetzt werden soll oder nicht.
35Soll die konkrete Stelle nach dem Abbruch nicht mehr besetzt werden, ist der Dienstherr, auch wenn er das Stellenbesetzungsverfahren bereits begonnen hatte, keinen strengeren Bindungen unterworfen als bei den sonstigen personalwirtschaftlichen Entscheidungen, ob und welche Ämter geschaffen oder wie Dienstposten zugeschnitten werden sollen. Eine solche Entscheidung unterfällt seinem weiten, dem Anwendungsbereich des Art. 33 Abs. 2 GG vorgelagerten Organisationsermessen. Die gerichtliche Kontrolle ist insoweit regelmäßig darauf beschränkt zu prüfen, ob die Abbruchentscheidung willkürlich oder rechtsmissbräuchlich ist.
36Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2014 – 2 A 3.13 –, Rn. 26, 37; OVG NRW, Beschluss vom 26. April 2018 – 6 B 355/28 –, Rn. 11; jeweils juris.
37Anders liegt es in der Fallgestaltung, in der der Dienstherr – wie hier – unbeschadet der getroffenen Abbruchentscheidungen die Stelle weiterhin vergeben will, hierfür aber ein neues Auswahlverfahren für erforderlich hält. Da die Stelle in diesem Fall unverändert bestehen bleiben und auch besetzt werden soll, ist – und bleibt – in einem solchen Fall Art. 33 Abs. 2 GG Prüfungsmaßstab. Die Entscheidung, das in Gang gesetzte Auswahlverfahren abzubrechen, bezieht sich insofern nicht auf Zuschnitt und Gestaltung des Amtes, sondern auf die organisatorische Ausgestaltung seiner Vergabe, die als wesentliche Weichenstellung für die nachfolgende Auswahlentscheidung bereits selbst den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG Rechnung tragen muss. Deswegen bedarf es in einer solchen Fallgestaltung für die Abbruchentscheidung in materieller Hinsicht eines sachlichen Grundes, der den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG genügt.
38Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Mai 2016 – 2 VR 2.15 –, Rn. 16 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 14. Juni 2019 – 1 B 346/19 –, Rn. 9 ff.; Beschluss vom 5. Februar 2021 – 1 B 1256/20 –, Rn. 6 ff. sowie Beschluss vom 2. Dezember 2020 – 6 B 840/20 –, Rn. 9 ff.; jeweils juris.
39Diese Grundsätze dienen der effektiven Sicherung des Bewerbungsverfahrensanspruchs, indem sie bezogen auf die noch immer anstehende Stellenbesetzung zuverlässig und im rechtlich weitest möglichen Umfang eine Benachteiligung des im Auswahlverfahren unterlegenen, im Eilverfahren aber erfolgreichen Bewerbers verhindern. Dessen Erfolg vor Gericht ist bei Abbruch des Besetzungsverfahrens und Neuausschreibung vielfachen Gefährdungen ausgesetzt. So ist denkbar und in der Praxis nicht selten, dass sich im Falle der Neuausschreibung das Bewerberfeld zu Lasten dieses Beamten verändert oder dass dieser auf der Grundlage inzwischen vorliegender neuer (ggf. an die personalpolitischen Vorstellungen des Dienstherrn angepasster) dienstlicher Beurteilungen nicht mehr zum Zuge kommt. Außerdem kann die Gefahr bestehen, dass der Dienstherr die gerichtliche Beanstandung der getroffenen Auswahlentscheidung für eine seinen personalpolitischen Zielsetzungen entgegenkommende, etwa den Kreis der möglichen Bewerber durch Änderung des Anforderungsprofils abweichend steuernde Neuausschreibung ausnutzt, obwohl die Erwägungen des Gerichts eine Behebung des Mangels im bisherigen Auswahlverfahren ermöglichen.
40Vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 12. Juli 2018 – 1 B 1160/17 –, juris Rn. 27 ff., m.w.N.
41Hiervon ausgehend ist der vorliegende Streitfall der zweitgenannten Fallgruppe zuzurechnen, da die Antragsgegnerin beabsichtigt, die Planstelle weiterhin zu vergeben.
42c.
43Unabhängig davon, ob die von der Antragsgegnerin in ihren jeweiligen Mitteilungen genannten Abbruchgründe nach den obigen Maßgaben sachliche sind, liegt ein sachlicher Grund in diesem Sinne jedenfalls in den von der Antragsgegnerin jeweils zugrunde gelegten konstitutiven Anforderungsprofilen. Diese erweisen sich als unzulässig, weil zumindest einige der konstitutiven Anforderungsmerkmale dienstpostenbezogen, d.h. an den Anforderungen des konkret ausgeschriebenen Dienstpostens und nicht an denjenigen des Statusamtes orientiert sind.
44Bezugspunkt der Auswahlentscheidung nach Art. 33 Abs. 2 GG ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sowie der für das Beamtenrecht zuständigen Senate des Oberverwaltungsgerichts NRW jedoch das (angestrebte) Statusamt und nicht die Funktionsbeschreibung bzw. der Dienstposten mit seinen konkreten Anforderungen.
45Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19. Dezember 2014 – 2 VR 1.14 –, Rn. 20, 25, vom 20. Juni 2013 – 2 VR 1.13 –, Rn. 18, 28, vom 25. Oktober 2011 – 2 VR 4.11 –, Rn. 15, und vom 27. September 2011 – 2 VR 3.11 –, Rn. 23; OVG NRW Beschlüsse vom 14. November 2016 – 6 B 1092/16 –, Rn. 6; vom 6. April 2016 – 6 B 221/16 –, Rn. 13, vom 25. Februar 2016 – 1 B 1068/15 –, Rn. 23, vom 24. September 2015 – 6 B 1003/15 –, Rn. 6, vom 17. April 2014 – 6 B 47/14 –, Rn. 14, vom 3. Februar 2014 – 6 B 1427/13 –, Rn. 14; jeweils juris.
46Mit dem Anforderungsprofil wird die Zusammensetzung des Bewerberfeldes gesteuert und eingeengt. Weil Bezugspunkt der Auswahlentscheidung nach Art. 33 Abs. 2 GG nicht die Funktionsbeschreibung des konkreten Dienstpostens, sondern das angestrebte Statusamt ist, darf diese grundsätzlich nicht anhand der Anforderungen eines konkreten Dienstpostens erfolgen. Ausnahmen hiervon sind nur zulässig, wenn die Wahrnehmung der Aufgaben eines Dienstpostens zwingend besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten voraussetzt, die ein Laufbahnbewerber regelmäßig nicht mitbringt und sich in angemessener Zeit und ohne zumutbare Beeinträchtigung der Aufgabenwahrnehmung auch nicht verschaffen kann.
47Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2013 – 2 VR 1.13 –, juris Rn. 31, m. w. N.
48Ob, in welchem Umfang und mit welchem Inhalt ein Anforderungsprofil Bindungswirkung entfaltet, muss durch eine entsprechend § 133 BGB am objektiven Empfängerhorizont potentieller Bewerber orientierte Auslegung ermittelt werden.
49Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Dezember 2014 – 2 VR 1/14 –, juris Rn. 27.
50Hiervon ausgehend erweisen sich die streitgegenständlichen Stellenausschreibungen als rechtswidrig. Denn die Antragsgegnerin hat unter „Ihr Profil“ unter anderem ausgeführt, dass die Bewerber über mehrjährige Erfahrungen in Tätigkeiten der örtlichen Ordnungsbehörden verfügen (Ausschreibung vom 26. November 2021), bzw., dass sie über Erfahrungen in Tätigkeiten der örtlichen Ordnungsbehörden mit Bezug zu den unter „Ihr Aufgabengebiet“ benannten Aufgaben der Allgemeinen Ordnung aus einer hauptamtlichen Tätigkeit verfügen (Ausschreibung vom 24. Juni 2022).
51aa.
52Diese Anforderungsmerkmale sind konstitutiv. Das Anforderungsprofil kann grundsätzlich konstitutive oder fakultative Merkmale enthalten. Erstere sind zwingend vorgegeben und ihr Vorliegen ist anhand objektiv überprüfbarer Kriterien als tatsächlich gegeben festzustellen. Demgegenüber sind fakultative Anforderungsmerkmale solche Qualifikationen, die entweder ausdrücklich nicht zwingend vorliegen müssen (weil sie beispielsweise nur „erwünscht" oder über die zwingenden Anforderungen hinaus „erwartet" sind) oder deren Vorliegen nicht allein anhand objektiv überprüfbarer Fakten ohne Wertungsspielraum – bejahend oder verneinend – festgestellt werden kann.
53Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. Juni 2018 – 1 B 1381/17 –, Rn. 22 mit weiteren Nachweisen; OVG S.-H., Beschluss vom 17. Juni 2019 – 2 MB 32/18 –, Rn. 10; jeweils juris.
54Nach den Formulierungen in den Ausschreibungen sollen die oben benannten von der Antragsgegnerin geforderten Fähigkeiten und Kenntnisse zwingende Anforderungsmerkmale für die Einbeziehung in die Auswahlverfahren sein, die von allen Bewerbern notwendigerweise erwartet werden, um im Auswahlverfahren berücksichtigt zu werden. Es handelt sich, gerade im Vergleich zu anderen, nur wünschenswerten Kenntnissen und Fähigkeiten, um „harte“ Erfordernisse, deren Vorliegen objektiv festgestellt werden kann.
55bb.
56Diese Anforderungsmerkmale sind auch dienstpostenbezogen. Die von der Antragsgegnerin hiernach erwarteten Fähigkeiten und Kenntnisse beschreiben anknüpfend an die Funktionsbeschreibung des zu vergebenden konkreten Dienstpostens, welche Qualifikationen und Fähigkeiten zur Erfüllung der dortigen Aufgaben zwingend erforderlich sein sollen. Hiernach besteht somit die Gefahr, dass die Antragsgegnerin bereits durch den Zuschnitt des konkreten Dienstpostens die Auswahlentscheidung vornimmt und so den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG nicht gerecht wird.
57Vgl. hierzu: Hess. VGH, Beschluss vom 5. Juli 2022 – 1 B 647/22 –, juris Rn. 43.
58Es ist auch nicht dargetan oder sonst ersichtlich, dass der streitgegenständliche Dienstposten die geforderten Kenntnisse und Erfahrungen im Sinne der vorzitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zwingend erfordert und diese nicht in angemessener Zeit erworben werden können.
59Die streitgegenständlichen Anforderungsprofile haben die Bewerberkreise auf diese Weise jeweils – auch zum Nachteil des Antragstellers – unzulässig eingeschränkt.
60d.
61Diese Rechtswidrigkeit kann in den fortzusetzenden Auswahlverfahren auch nicht mehr geheilt werden. Macht ein Dienstherr im Rahmen der Stellenausschreibung Vorgaben für die Vergabe eines Beförderungsdienstpostens, bleiben diese für das laufende Auswahlverfahren verbindlich. Unzulässig ist es deshalb, die Auswahlkriterien nachträglich mit der Folge einer Erweiterung des Bewerberkreises zu ändern, ohne dass mögliche Interessenten hiervon Kenntnis erhielten.
62Damit leiden beide Stellenbesetzungsverfahren an unheilbaren Fehlern. Es ist daher zwingend, potentiellen Bewerbern die Möglichkeit der Bewerbung unter den veränderten Anforderungen einer neuen Stellenausschreibung einzuräumen.
63Die Auswahlverfahren mussten daher abgebrochen, das gesamte auf eine bestimmte Planstelle ausgerichtete Stellenbesetzungsverfahren muss mit einer zulässigen Ausschreibung neu in Gang gesetzt werden.
64Vgl. hierzu: BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2013 – 2 VR 1/13 – Rn. 32f.; OVG NRW, Beschluss vom 13. Mai 2019 – 6 B 1753/18 –, Rn 14ff.; jeweils juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 4. Oktober 2021 – 12 L 992/21 –, unveröffentlicht.
65In dieser Fallgestaltung kommt es auch nicht darauf an, ob die Stellenbesetzungsverfahren aus anderen – bspw. den von der Antragsgegnerin in ihren Mitteilungsschreiben benannten – Gründen rechtmäßig hätte abgebrochen werden können.
66Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. April 2018 – 6 B 355/18 –, juris Rn. 33.
67Bei der Prüfung, ob die Gründe für den Abbruch vor Art. 33 Abs. 2 GG Bestand haben, ist zwar – wie auch sonst bei im Ermessen der Behörde stehenden Entscheidungen – allein auf die in der Begründung angegebenen Erwägungen abzustellen.
68Vgl. OVG NRW Beschlüsse vom 12. Juli 2018 – 1 B 1160/17 –, Rn. 13, und vom 26. April 2018 – 6 B 355/18 –, Rn. 11 ff., m. w. N., jeweils juris.
69Etwas anderes gilt aber, wenn – wie hier – die Auswahlverfahren im Sinne einer Ermessensreduzierung auf Null abgebrochen werden mussten. Steht dies fest, kommt die begehrte Verpflichtung der Antragsgegnerin, die (rechtswidrigen) Stellenbesetzungsverfahren fortzusetzen, nicht in Betracht.
70Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. Mai 2019 – 6 B 1753/18 –, juris Rn. 21f., m.w.N.
712.
72Hinsichtlich des Antrags zu 3., der auf die vorläufige Freihaltung der streitgegenständlichen Beförderungsstelle gerichtet ist, fehlt es an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes.
73Die Antragsgegnerin beabsichtigt derzeit nicht, die von ihr unter dem 26. November 2021 ausgeschriebene Stelle zu besetzen, nachdem sie das darauf gerichtete Auswahlverfahren abgebrochen hat. Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass dies auch auf das zweite von ihr abgebrochene Stellenbesetzungsverfahren zutrifft, auf das sich der unter dem 24. Mai 2022 gestellte Antrag auf Freihaltung der Beförderungsstelle jedoch erkennbar nicht bezogen hat. Vor diesem Hintergrund kann hier dahinstehen, ob dem Antragsteller ein Anordnungsanspruch zu Seite steht.
743.
75Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
76II.
77Die Festsetzung des Streitwerts beruht, soweit die Fortsetzung der abgebrochenen Stellenbesetzungsverfahren begehrt worden ist, auf §§ 39, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes – GKG –. Eine den grundsätzlich vorläufigen Charakter des Eilverfahrens berücksichtigende Verminderung des danach jeweils anzusetzenden Auffangwertes erfolgt nicht, weil der für die Streitwertbemessung maßgebliche Rechtsschutzantrag hier auf die zumindest vorläufige Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet ist.
78Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Juli 2018 – 1 B 1160/17 –, juris Rn. 56 ff.
79Hinzu kommt für den Antrag auf vorläufige Freihaltung der Beförderungsstelle ein Viertel der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge für das von dem Antragsteller angestrebten Amt (Besoldungsgruppe A 12) in der für den Antragsteller maßgeblichen höchsten Erfahrungsstufe (§§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1, 52 Abs. 6 Satz 4 i.V.m. Satz 1 Nr. 1, Satz 2 bis 4 GKG und § GKG i. V. m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs).
80Rechtsmittelbelehrung:
81Gegen den Beschluss zu 1. steht den Beteiligten die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster zu.
82Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Beschlusses schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, einzulegen. Sie ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
83Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
84Im Beschwerdeverfahren gegen den Beschluss zu 1. muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO.
85Gegen den Beschluss zu 2. findet innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
86Die Beschwerde ist schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen einzulegen. Über sie entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, falls das beschließende Gericht ihr nicht abhilft.
87Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.