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Die Androhung eines Zwangsgeldes rechtfertigt allein nicht die Notwendigkeit vorbeugenden Rechtsschutzes. Insoweit ist es den Adressaten einer Ordnungsverfügung zuzumuten, im Wege des (nachträglichen) vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Vollziehbarkeit des auf Grundlage der Sndrogung festgesetzten Zwangsgeldes vorzugehen.
Das Versammlungsgesetz enthält keine ausdrückliche Bestimmung, nach der die Versammlungsbehörde die Versammlung bestätigen müsste. Auch aus sonstigen Bestimmungen des Versammlungsgesetzes folgt eine solche Verpflichtung jedenfalls nicht ohne weiteres. Aus § 14 des Versammlungsgesetzes (VersG) folgt vielmehr, dass lediglich die Anmeldung erforderlich ist.
1. Der Antrag wird auf Kosten der Antragsteller abgelehnt.
2. Der Streitwert wird auf 5.000,- € festgesetzt.
Gründe:
2Der Antrag der Antragsteller,
3festzustellen, dass der für den 0. September 0000 von dem Antragsteller (zu 1.) angemeldeten Versammlung auf dem städtischen Friedhof H. -I. T. weder die Ordnungsverfügung der Stadt H. vom 0. März 0000 noch die Bestimmung des § 28 Abs. 5 der Friedhofssatzung der Stadt H. in der Fassung der 2. Änderungssatzung vom 17. Dezember 2020 entgegenstehen,
4hat keinen Erfolg.
5Der Antrag ist auf sogenannten vorbeugenden Rechtsschutz gerichtet, für welchen es den Antragstellern bereits an dem erforderlichen qualifizierten Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
6In der Sache sind nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Sowohl der Anordnungsanspruch als auch der Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit) sind glaubhaft zu machen.
7Da das Rechtsschutzsystem der VwGO auf nachträglichen Rechtsschutz ausgelegt ist, ist ein vorbeugender Rechtsschutz nur dann zulässig, wenn anderenfalls eine Rechtsbeeinträchtigung zu befürchten ist, welche den Antragsteller so schwer und unerträglich treffen würde, dass es ihm nicht zugemutet werden kann, den in der Verwaltungsgerichtsordnung vorgesehenen nachträglichen Rechtsschutz – gegebenenfalls in Form der Fortsetzungsfeststellungsklage oder der Feststellungsklage – in Anspruch zu nehmen. Ein berechtigtes Interesse an einem vorbeugenden Rechtsschutz kann zudem insbesondere dann nicht anerkannt werden, solange sich noch nicht mit dafür erforderlicher Bestimmtheit übersehen lässt, welche Maßnahmen drohen oder unter welchen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen sie ergehen werden.
8Vgl. VGH Mannheim Beschluss vom 8. Februar 2021 – 1 S 3952/20 –, juris m. w. N.
9Vorliegend haben die Antragsteller schon nicht glaubhaft gemacht, dass das befürchtete Einschreiten des Antragsgegners tatsächlich droht. Allein aus dem Umstand, dass die Versammlung mit Schriftsatz des Antragsgegners vom 00. August 0000 ausdrücklich nicht bestätigt wurde, kann nicht der Schluss gezogen werden, der Antragsgegner beabsichtige, in irgendeiner Form gegen die Versammlung in rechtswidriger Weise vorzugehen. Der Antragsgegner hat im benannten Schreiben vielmehr ebenfalls ausdrücklich erklärt, dass die Nichterteilung der Anmeldebestätigung kein Verbot der Versammlung darstelle.
10Soweit die Antragsteller ein Einschreiten wegen eines Verstoßes gegen die Ordnungsverfügung der Beigeladenen vom 0. März 0000 oder gegen § 28 Abs. 5 der der Satzung für die Friedhöfe der Stadt H. vom 14. Dezember 2018, zuletzt geändert durch 2. Änderungssatzung vom 17. Dezember 2020 (Friedhofssatzung) befürchten, richtet sich der Antrag schon gegen den falschen Antragsgegner. Vorrangig zuständig ist insoweit grundsätzlich die Ordnungsbehörde der Stadt H. , vgl. § 1 Abs. 1 Satz 3 des Polizeigesetzes NRW, die von den Antragstellern jedoch ausdrücklich nicht als Antragsgegnerin, sondern als Beizuladende bezeichnet wurde.
11Vgl. Beschluss des Vorsitzenden der Kammer vom 12. März 2021 – 14 L 352/21 –, S. 4.
12Ungeachtet dessen haben die Antragsteller auch insoweit nicht glaubhaft gemacht, dass von einem drohenden Eingriff in ihre Rechte ausgegangen werden muss, welcher sie so schwer und unerträglich treffen würde, dass ihnen nachträglicher Rechtsschutz nicht zugemutet werden kann. Die Beigeladene hat sich bislang nicht dazu geäußert, ob und in welcher Form sie auf eine – aus ihrer Sicht – rechtswidrige Nutzung des Friedhofs reagieren wird. Die als Zwangsmittel allein angedrohte Zwangsgeldfestsetzung in der Ordnungsverfügung vom 0. März 0000 rechtfertigt – unabhängig davon, gegen wen der Antrag zu richten wäre – nicht die Annahme eines qualifizierten Rechtsschutzbedürfnisses für vorbeugenden Rechtsschutz. Die Antragsteller sind insoweit auf die Inanspruchnahme nachträglichen (ggf. vorläufigen) Rechtsschutz zu verweisen. Dies ist ihnen bei einer drohenden Zwangsgeldfestsetzung, bei welcher es sich um ein reines Beugemittel ohne Strafcharakter handelt – anders als bei einer Strafe oder eines Bußgeldes – zuzumuten.
13Im Übrigen haben die Antragsteller auch nicht glaubhaft gemacht, dass sie gegen den Antragsgegner einen Anspruch auf die begehrte Feststellung, die im Kern auf eine Versammlungsbestätigung abzielt, haben. Dass der Antragsgegner keine Versammlungsbestätigung erlassen hat, ist nicht zu beanstanden und verletzt die Antragsteller nicht in ihren Rechten.
14Das Versammlungsgesetz enthält keine ausdrückliche Bestimmung, nach der die Versammlungsbehörde die Versammlung bestätigen müsste. Auch aus sonstigen Bestimmungen des Versammlungsgesetzes folgt eine solche Verpflichtung jedenfalls nicht ohne weiteres. Aus § 14 des Versammlungsgesetzes (VersG) folgt vielmehr, dass lediglich die Anmeldung erforderlich ist. Dass im vorliegenden Fall besondere Umstände vorlagen, die eine Verpflichtung des Antragsgegners zum Erlass einer Bestätigung begründen könnten, ist weder glaubhaft gemacht noch ersichtlich.
15Weder der geltend gemachte Anspruch auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung noch der im Kern geltend gemachte Anspruch auf eine ausdrückliche Bestätigung der Versammlung bzw. des Versammlungsortes durch den Antragsgegner folgen aus der von den Antragstellern geltend gemachten „Konzentrationswirkung“ des Versammlungsrechts. Die aus den §§ 14, 15 VersG folgende sog. Konzentrationswirkung, also die Prüfung aller versammlungsimmanenten Gefahren durch die Versammlungsbehörde unter Befreiung des Anmelders von sonstigen Erlaubnis- und Genehmigungserfordernissen, umfasst nicht solche Erlaubnisverfahren, durch die der Zugang zu einer Fläche, welche nicht dem öffentlichen Gemeingebrauch, sondern nur bestimmten, versammlungsfremden Zwecken gewidmet ist, erst ermöglicht werden soll.
16Vgl. dazu Beschluss der Kammer vom 12. August 2021 – 14 L 1054/21 –, zur Veröffentlichung in www.nrwe.de vorgesehen.
17Vorliegend bedarf es keiner Entscheidung, ob die Nutzung des Friedhofs in der vorliegenden Versammlungssituation von der Versammlungsfreiheit des Art. 8 Abs.1 GG umfasst ist. Ob ein Friedhof grundsätzlich nicht als Stätte des allgemeinen öffentlichen Verkehrs und Ort allgemeiner Kommunikation oder ob er dort befindliche Gedenkstein auf dem Gräberfeld sowjetischer Zwangsarbeiter und Kriegsgefangener als ein der Öffentlichkeit eingeschränkt zugänglicher Kommunikationsraum anzusehen ist,
18vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 26. März 2021 – 15 B 469/21 –, juris,
19ist – ebenso wie die Frage, ob die Beschränkungen in § 28 Abs. 5 der Friedhofssatzung der Beigeladenen verfassungskonform sind – keine Frage, die im vorliegenden auf vorbeugenden Rechtsschutz gerichteten Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu klären wäre. Denn hier sieht sich der Antragsgegner nicht aufgrund der Widmung oder deren möglichen Einschränkungen durch die Friedhofssatzung an einer ausdrücklichen Bestätigung der Versammlung – konkret des Versammlungsortes – gehindert, sondern aufgrund der ausdrücklich u.a. gegen den Antragsteller zu 2) ergangenen Ordnungsverfügung der Beigeladenen vom 0. März 0000, die nach dem Verständnis der Beteiligten auch den Antragsteller zu 1) erfasst. Diese ist bestandskräftig geworden und damit einer gerichtlichen Rechtmäßigkeitsprüfung grundsätzlich entzogen. Dementsprechend hat auch der Antragsgegner keine Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit dieser Ordnungsverfügung zu prüfen. Von einer Nichtigkeit der Ordnungsverfügung kann vorliegend nicht ausgegangen werden, da auch im Lichte des Art. 8 GG Beschränkungen der Zugänglichkeit eines Friedhofs für bestimmte Zwecke oder bestimmte Personen nicht grundsätzlich ausgeschlossen sind.
20Der Erlass einer einstweiligen Anordnung im vorbeugenden Rechtsschutz ist vorliegend auch deshalb nicht geboten, weil die Adressaten der sich als Dauerverwaltungsakt darstellenden Untersagungsverfügungen es selbst in der Hand haben, durch einen entsprechenden Antrag bei der Beigeladenen eine erneute Überprüfung durch die Beigeladene zu erreichen. Eine daraufhin getroffene Entscheidung der Beigeladenen wäre dann ggf. auch wieder gerichtlich zu überprüfen. Die E-Mail des Antragstellers zu 1) vom 00. Juli 0000 wurde von der Beigeladenen schon aufgrund ihres Wortlauts zu Recht als bloße Information und nicht als ein solcher Antrag aufgefasst.
21Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG. Dabei wird in ständiger Praxis der Kammer wegen der Vorwegnahme der Hauptsache der volle Auffangwert zugrunde gelegt.
22Rechtsmittelbelehrung:
23Gegen den Beschluss zu 1. steht den Beteiligten innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, zu.
24Die Beschwerde ist schriftlich oder als elektronisches Dokument, letzteres nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV), bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, einzulegen. Über sie entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, falls das beschließende Gericht ihr nicht abhilft.
25Im Beschwerdeverfahren gegen den Beschluss zu 1. muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO.
26Gegen den Beschluss zu 2. findet innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
27Die Beschwerde ist schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder als elektronisches Dokument, letzteres nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV, bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen einzulegen. Über sie entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, falls das beschließende Gericht ihr nicht abhilft.