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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen trägt der Kläger.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Klage wird abgewiesen.
2Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen trägt der Kläger.
3Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4Tatbestand:
5Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks „B. B1. U. 2“ in T. (Gemarkung C. , Flur , Flurstück ). Der Beigeladene ist Eigentümer des auf der anderen Seite der Straße gelegenen Grundstücks „B. B1. U. 3“ (Gemarkung C. , Flur , Flurstück ). Bei der Straße „B. B1. U. “ handelt es sich um eine rund 75 Meter lange Stichstraße, an deren Ende sich ein Wendehammer befindet.
6Weitere Einzelheiten zeigt der nachfolgende Kartenausschnitt:
7
An dieser Stelle befindet sich in der Originalentscheidung eine Skizze
Beide Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 20 „B. B1. U. “, der für das gesamte Plangebiet ein allgemeines Wohngebiet festsetzt. Über die beiden Grundstücke des Klägers und des Beigeladenen hinaus liegen acht weitere Grundstücke im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 20, die inzwischen sämtlich mit Wohngebäuden bebaut sind (B. B1. U. 1, 3a, 4, 5, 6, 7, 8, 9). Auch im näheren Umfeld des Plangebiets findet sich neben landwirtschaftlich genutzten Flächen im Wesentlichen Wohnbebauung.
9Unter dem 20. Oktober 2016 beantragte der Beigeladene die Baugenehmigung für die Errichtung eines Einfamilienhauses auf seinem Grundstück, die ihm B. 24. Januar 2017 antragsgemäß erteilt wurde (Az. 572-16). Ab Juni 2017 wurde das Haus errichtet. Im Januar 2018 wurde die Nutzung aufgenommen. Mit Nachtragsgenehmigung vom 7. Februar 2018 (Az. 21-18) genehmigte die Beklagte Änderungen der Raumaufteilung und der tragenden Konstruktion.
10Der Beigeladene bewohnte sein Haus von Beginn an nicht selbst, sondern er vermietet es, und zwar an zumeist aus fünf Polizeischülern bestehende Gruppen, die sich für an dem in der Nähe gelegenen Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei (im Folgenden „LAFP“) stattfindende Lehrgänge im Rahmen ihrer Ausbildung in T. aufhalten. Die Vermietung erfolgt, der Dauer des jeweiligen Lehrgangs entsprechend, für einen Zeitraum zwischen einem Monat und sieben Wochen. Während des nächsten in T. stattfindenden Ausbildungsabschnitts wird das Haus aber regelmäßig denselben Mietern erneut überlassen. Die Gesamtdauer der in T. zu absolvierenden Studienabschnitte beträgt für den einzelnen Studierenden insgesamt 25 Wochen. In den Zeiträumen zwischen den in T. stattfindenden Lehrgängen bewohnt regelmäßig eine andere Gruppe das Haus. Leerstände waren seit der Nutzungsaufnahme praktisch nicht zu verzeichnen.
11Seine Mieter gewinnt der – selbst im Polizeidienst tätige – Beigeladene über das Portal „eBay Kleinanzeigen“ und seine Homepage „www.geBORKteBu.de“. Dort bezeichnet er das Haus als „Miet-Wohnobjekt“ und wendet sich an „Gemeinschaften aus Studierenden“. Bei der Auflistung der Eigenschaften des Hauses betont er die Nähe zum LAFP. Die Anzeige auf „eBay Kleinanzeigen“ enthält den Zusatz: „Das Haus befindet sich in einem ruhigen Wohngebiet und sucht daher nach einer ebenso ruhigen und verantwortungsbewussten Wohngemeinschaft“. Über die Vermietung wird jeweils ein einziger Vertrag mit der gesamten Gruppe abgeschlossen.
12Das durch den Beigeladenen vermietete Haus entspricht dem Raumkonzept nach einem Einfamilienhaus. Es bietet fünf Schlafzimmer sowie eine Küche, einen Speise- und Wohnraum und Räume mit sanitären Anlagen. Ferner ist im hinteren, der Straße abgewandten Bereich des Grundstücks ein Garten angelegt, der über eine an den Speise- und Wohnraum angrenzende Terrasse zu erreichen ist. Die Räume sind möbliert; die Einbringung weiteren Mobiliars durch die Mieter ist möglich. Mit Ausnahme der Einzelzimmer stehen sämtliche Räume sowie die Terrasse und der Garten allen Mietern zur gemeinschaftlichen Nutzung zur Verfügung. Über die Überlassung des Grundstücks hinaus erbringt der Beigeladene keine weiteren Leistungen an die Mieter. Auch für die Endreinigung haben diese selbst zu sorgen.
13Bereits Anfang November 2017 – vor Aufnahme der Nutzung – wandten sich Nachbarn, darunter der Kläger, an die Beklagte und erklärten unter Hinweis auf die oben genannte Homepage, offenbar solle hier ein Beherbergungsbetrieb entstehen; sie fürchteten entsprechende, mit dem Charakter der kleinen Sackgasse nicht vereinbare Belästigungen und bäten um ein entsprechendes Tätigwerden der Bauaufsicht. Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben von 17. November 2017 mit, da die Nutzung des Gebäudes noch nicht aufgenommen worden sei, bestehe derzeit kein Anlass zu einem ordnungsbehördlichen Einschreiten. Mit Schreiben von demselben Tage wies die Beklagte den Beigeladenen auf den Inhalt der erteilten Baugenehmigung hin und erklärte, eine Nutzung des Gebäudes als Beherbergungsbetrieb sei unzulässig. Der Beigeladene antwortete mit E-Mail vom 5. Dezember 2017, es handele sich aufgrund des Umstands, dass eine tage- und wochenweise Vermietung ausgeschlossen sei und die Studenten nicht auf Zusatzleistungen angewiesen seien, aus seiner Sicht nicht um einen Beherbergungsbetrieb. Auch eine Ferienwohnung liege nicht vor, da die Studenten die Unterkunft nicht für eine Urlaubs- oder ähnliche Gestaltung nutzten und die Vermietung nur für mindestens einen Monat erfolge. Seines Erachtens handele es sich um eine Wohnnutzung.
14B. 12. März 2018 stellte der Kläger einen Antrag bei der Beklagten auf ordnungsbehördliches Einschreiten gegen den Beigeladenen und führte zur Begründung aus, dass es sich bei der seitens des Beigeladenen ausgeübten Nutzung nicht um eine Wohnnutzung, sondern um den Betrieb eines Beherbergungsgewerbes handele. Dieser sei unzulässig, da er gebietsunverträglich sei. Ihm als Nachbarn stehe demgegenüber ein Gebietserhaltungsanspruch zu.
15Mit Bescheid vom 28. Juni 2018 lehnte die Beklagte den Antrag – nach vorheriger Anhörung – ab. Zur Begründung führte sie aus, dass es sich bei der seitens des Beigeladenen ausgeübten Nutzung um eine Wohnnutzung handele, die im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 20 „B. B1. U. “ zulässig sei. Die Nutzung erweise sich nicht als gebietsunverträglich oder im planungsrechtlichen Sinne rücksichtslos.
16Der Kläger hat B. 18. Juli 2018 Klage erhoben.
17Zur Begründung bezieht er sich im Wesentlichen auf die Ausführungen, die er bereits im Zusammenhang mit dem Antrag auf ordnungsbehördliches Einschreiten gegen den Beigeladenen gemacht hat, und führt ergänzend aus: Er sei weiterhin der Auffassung, dass es sich bei der durch den Beigeladenen ausgeübten Nutzung nicht um eine Wohnnutzung, sondern einen Beherbergungsbetrieb handele. Zudem behauptet er unter Vorlage einer Reihe von „Protokollen“, dass die Mieter durch wöchentliche An- und Abreisen, die von lautstarkem Türenschlagen, Begrüßen und Hupen begleitet würden, sowie nahezu tägliches Grillen und Feiern im Garten – teilweise unter Verwendung von „Bluetooth-Lautsprechern“ – eine erhebliche Belästigung der Nachbarschaft verursachten. Die Nutzung sei daher jedenfalls rücksichtslos.
18Der Kläger beantragt,
19den Bescheid der Beklagten vom 28. Juni 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ordnungsbehördlich gegen den Eigentümer des Grundstücks B. B1. U. 3 in T. wegen der aktuellen Nutzung vorzugehen.
20Die Beklagte beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Sie wiederholt und vertieft die Ausführungen ihres Ablehnungsbescheides.
23Der Beigeladene beantragt,
24die Klage abzuweisen.
25Zur Begründung schließt er sich im Wesentlichen den Ausführungen der Beklagten in deren Ablehnungsbescheid an. Die Nutzung des Hauses als „Studenten-WG“ sei durch den Bebauungsplan gedeckt. Überdies erklärt er, die beschriebenen und teilweise protokollierten vielfältigen Störungen der Nachbarschaft seien frei erfunden. Es habe auch keinerlei Lärmbeschwerden bei den zuständigen Stellen gegeben.
26Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
27Entscheidungsgründe:
28Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
29Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 28. Juni 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf ein ordnungsbehördliches Einschreiten der Beklagten gegen die Nutzung des in Rede stehenden Gebäudes oder auf ermessensfehlerfreie Neubescheidung seines entsprechenden Antrags.
30Die Bauaufsichtsbehörde hat gemäß § 58 Abs. 2 Bauordnung (BauO) NRW 2018 darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden; in diesem Zusammenhang hat sie nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Ein betroffener Dritter hat in der Regel dann einen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten, wenn eine bauliche Anlage oder ihre Nutzung gegen Vorschriften verstößt, die auch dem Schutz des Dritten zu dienen bestimmt sind.
31Vgl. OVG NRW, Urteil vom 9. März 2012 - 2 A 2732/10 -, juris; VG Gelsenkirchen, Urteile vom 14. Januar 2014 - 6 K 2222/11 - und vom 27. März 2018 - 6 K 7014/16 -.
32Dies ist vorliegend nicht der Fall.
33Dem Kläger steht kein Gebietsgewährleistungsanspruch zu. Mit diesem Anspruch kann sich ein Nachbar in einem Baugebiet im Sinne von § 1 Abs. 2 Baunutzungsverordnung (BauNVO) gegen eine mit dem Baugebietstyp unvereinbaren Nutzung wenden, und zwar selbst dann, wenn er durch sie selbst nicht unzumutbar beeinträchtigt wird. Die Festsetzung von Baugebieten durch einen Bebauungsplan hat grundsätzlich nachbarschützende Funktion zugunsten der Grundstückseigentümer im jeweiligen Baugebiet. Weil und soweit der Eigentümer eines Grundstücks in dessen Nutzung öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er deren Beachtung grundsätzlich auch im Verhältnis zum Nachbarn durchsetzen. Im Rahmen des durch eine Baugebietsfestsetzung begründeten nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses soll jeder Planbetroffene im Baugebiet das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebiets unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung verhindern können. Der Gebietserhaltungsanspruch greift gegenüber Vorhaben ein, die in dem betreffenden Baugebiet weder planungsrechtlich regelhaft zulässig sind noch nach § 31 Abs. 1 oder 2 Baugesetzbuch (BauGB) im Wege einer Ausnahme oder Befreiung zugelassen werden können.
34Vgl. nur BVerwG, Urteile vom 16. September 1993 - 4 C 28.91 -, BVerwGE 94, 151, und vom 23. August 1996 - 4 C 13.94 -, BVerwGE 101, 364, sowie Beschluss vom 18. Dezember 2007 - 4 B 55.07 -, juris; OVG NRW, Urteile vom 4. Mai 2016 - 7 A 615/14 -, juris, und vom 14. Februar 2019 - 2 A 2584/14 -, juris, jeweils mit weiteren Nachweisen.
35Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Denn die von dem Beigeladenen (tatsächlich) ausgeübte Nutzung ist nach § 30 Abs. 1 BauGB in Verbindung mit den Vorgaben des Bebauungsplans Nr. 20 „B. B1. U. “ planungsrechtlich zulässig. Der Bebauungsplan setzt für seinen gesamten Geltungsbereich ein allgemeines Wohngebiet im Sinne von § 4 BauNVO (1990) fest. Im allgemeinen Wohngebiet generell zulässig sind „Wohngebäude“, also Gebäude, die dem Wohnen dienen. Nach Auffassung der Kammer nutzt der Beigeladene das streitgegenständliche Gebäude als Wohngebäude.
36Der bauplanungsrechtliche Begriff des „Wohnens“ ist durch eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, die Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises sowie die Freiwilligkeit des Aufenthalts gekennzeichnet. Gemeint ist die Nutzungsform des selbstbestimmt geführten privaten Lebens „in den eigenen vier Wänden“, die auf eine gewisse Dauer angelegt und keinem anderen in der Baunutzungsverordnung vorgesehenen Nutzungszweck verschrieben ist. Maßgeblich sind das Nutzungskonzept und seine grundsätzliche Verwirklichung.
37Vgl. zu alledem nur BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2017 - 4 C 5.16 -, BVerwGE 160, 104 ff., sowie Beschlüsse vom 25. März 1996 - 4 B 302.96 -, NVwZ 1996, 893 (894), und vom 25. März 2004 - 4 B 15.04 -, juris (Rn. 4).
38Ob die objektive Bestimmung eines Gebäudes weiter eingegrenzt ist, wie etwa beim „studentischen Wohnen“, beim „seniorengerechten Wohnen“ oder bei „Besatzungswohnungen“ ist für die Erfüllung des planungsrechtlichen Begriffs des Wohnens nicht relevant, weil dadurch nur ein bestimmter Nutzungszweck, nicht aber eine eigenständige Nutzungsart angesprochen ist.
39Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. Mai 2019 - 2 A 2995/17 -, ZfBR 2019, 798.
40Als Wohngebäude anzusehen sind im Übrigen auch Wohnheime und Wohngemeinschaften, für die eine Mischung aus Wohnräumen für die einzelnen Nutzer und gemeinschaftlich genutzten Räumen für bestimmte Wohnbedürfnisse (Aufenthaltsraum, Küche, Waschraum, Toilette) charakteristisch ist.
41Vgl. etwa HessVGH, Beschluss vom 3. März 2016 - 4 B 403/16 -, juris (Rn. 17); OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 8. Dezember 2016 - 8 A 10680/16 -, juris (Rn. 6); BeckOK BauNVO/Hornmann, § 3 Rn. 65.
42Vorliegend besteht kein Zweifel, dass das in Rede stehende Gebäude seiner Ausstattung nach als Wohngebäude taugt. Es handelt sich um ein „gewöhnliches Einfamilienhaus“ mit den entsprechenden Zimmern, Außenbereichen und Anschlüssen.
43Unproblematisch ist auch das Merkmal der „Freiwilligkeit“ zu bejahen, das das Wohnen von der Unterbringung (etwa von Asylbewerbern und nach dem Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychisch Kranken Untergebrachten) abgrenzt.
44Auch die Möglichkeit einer „Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises“ ist ersichtlich gegeben. Dafür ist eine Raumaufteilung notwendig, die ein privates Leben erlaubt. Geboten ist, dass dem einzelnen Nutzer rechtlich, zumindest aber tatsächlich der Wohnraum hinreichend gesichert zugeordnet und dieser Lebensraum gegen unmittelbare Verfügungsgewalt Dritter wirksam als Rückzugsraum für die Entfaltung des privaten Lebens abgeschirmt ist. Davon kann nicht die Rede sein, wenn nicht wenigstens ein baulich abgeschlossener Raum zur Verfügung steht, der als Rückzugsraum dienen kann.
45Vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 29. Juli 1991 - 10 B 1128/91 -, NVwZ 1992, 186; NdsOVG, Beschluss vom 11. Mai 2015 - 1 ME 31/15 -, BauR 2015, 1317; BayVGH, Beschluss vom 2. Juni 2016 - 2 ZB 15.2630 -, juris; HessVGH, Beschluss vom 1. Juli 2019 - 4 B 866/19 -, BauR 2020, 455; Stock, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, Kommentar, 4. Aufl. 2019, § 3 Rn. 19.
46Vorliegend stehen jedem Mieter, nicht anders als in betreuten Wohngruppen oder Studentenwohnheimen, ein eigenes Zimmer sowie Gemeinschaftseinrichtungen zur Verfügung, die er sich mit seinen (bis zu) vier Mitbewohnern teilt. Dies reicht für die Möglichkeit einer eigengestalteten Haushaltsführung aus.
47Im Ergebnis fehlt es nach Auffassung der Kammer auch nicht an der auf eine gewisse Dauer angelegten Häuslichkeit, wenngleich die Nutzung in dieser Hinsicht als Grenzfall erscheint. Gerade bei diesem Bestandteil des Wohnbegriffs verbietet sich eine schematische Betrachtung anhand der Frage, ob die Nutzung von längerer oder kürzerer bzw. von bestimmter oder unbestimmter Dauer ist. Das Merkmal ist vielmehr flexibel zu handhaben und dient der Abgrenzung des Wohnens, nämlich des Wohngebäudes als „Heimstatt im Alltag“, von verschiedenen Erscheinungsformen des vorübergehenden oder übergangsweisen sowie des provisorischen, nur einem bestimmten Zweck dienenden Unterkommens wie etwa dem Übernachten in Hotels und Herbergen aller Art, in Notunterkünften und Aufnahmelagern sowie in Ferienwohnungen mit ständigem Wechsel der Nutzer.
48Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2017 - 4 C 5.16 -, BVerwGE 160, 104 ff., und Beschluss vom 25. März 1996 - 4 B 302.96 -, NVwZ 1996, 893 (894); OVG NRW, Beschluss vom 14. August 2007 - 10 A 1219/07 -, ZfBR 2007, 798 (799); NdsOVG, Beschluss vom 11. Mai 2015 - 1 ME 31/15 -, BauR 2015, 1317; HessVGH, Beschluss vom 3. März 2016 - 4 B 403/16 -, juris (Rn. 18); Stock, in: König/ Roeser/Stock, BauNVO, Kommentar, 4. Aufl. 2019, § 3 Rn. 17; BeckOK BauNVO/Hornmann, § 3 Rn. 78.
49Dass Räumlichkeiten nur innerhalb der Woche und nicht B. Wochenende genutzt werden, steht der Annahme einer Dauerhaftigkeit in diesem Sinne nicht entgegen. Ermöglicht das Gebäude nach Ausstattung und Bestimmung das dauerhafte Wohnen, kann es grundsätzlich nicht darauf ankommen, ob die Wohnraummietverträge auf kurze oder lange Dauer befristet oder auf unbestimmte Zeit geschlossen werden. Der Einstufung als „Wohnen“ steht auch nicht entgegen, dass die Räumlichkeiten – etwa von einem Berufspendler oder Studierenden – nur in der Woche genutzt werden oder dass es sich um eine Zweitwohnung handelt.
50Vgl. BeckOK BauNVO/Hornmann, § 3 Rn. 79; Stock, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, Kommentar, 4. Aufl. 2019, § 3 Rn. 18; speziell zum „Boardinghouse“ als Grenzfall zwischen Wohnnutzung und Beherbergung OVG B.-Bbg., Beschluss vom 6. Juli 2006 - 2 S 2/06 -, juris; VGH B.-W., Beschluss vom 17. Januar 2017 - 8 S 1641/16 -, NVwZ-RR 2017, 520; Lippert/Kindler, ZfBR 2016, 219 ff.
51Vorliegend ist das Gebäude nach dem Konzept des Beigeladenen dazu bestimmt, jeweils für einen begrenzten Zeitraum zwischen einem Monat und sieben Wochen an Gruppen von fünf Polizeianwärtern vermietet zu werden. Allerdings schließen sich an einen entsprechenden Mietzeitraum in aller Regel weitere Zeiträume mit denselben Mietern an, weil die Gruppe das Gebäude auch bei ihrem nächsten Lehrgang wieder übernimmt. Insgesamt summiert sich die Dauer der Anmietung dadurch für den einzelnen Polizeianwärter auf insgesamt 25 Wochen. Auch wenn es sich für die Mieter regelmäßig um eine Zweitwohnung handeln dürfte und die Räumlichkeiten von ihnen B. Wochenende häufig nicht genutzt werden, richten sich die Polizeianwärter für die Dauer ihres Lehrgangs in den ihnen zur Verfügung stehenden Räumen ein und erzielen dadurch, dass sie in dem Gebäude nicht nur schlafen, sondern auch Mahlzeiten zubereiten und einnehmen und die gemeinschaftlichen Aufenthaltsbereiche im Inneren und auf den Freiflächen nutzen, eine gewisse Häuslichkeit. Zusatzleistungen im Bereich der Verpflegung, der Reinigung und der sonstigen Betreuung, wie sie für einen Beherbergungsbetrieb kennzeichnend wären, stehen den Mietern nicht ansatzweise zur Verfügung. Die Nutzung entspricht letztlich derjenigen durch eine studentische Wohngemeinschaft, die typischerweise ebenfalls nur für einen überschaubaren Zeitraum besteht. Insgesamt handelt es sich um „Wohnen“.
52Die somit der Nutzungsart „Wohngebäude“ zuzuordnende Nutzung ist auch nicht als gebietsunverträglich anzusehen. Mit dem Kriterium der Gebietsverträglichkeit wird die Zulässigkeit von Vorhaben in einem festgesetzten Baugebiet über die Begriffskategorien der Baunutzungsverordnung hinaus eingegrenzt. Unzulässig ist demnach ein Vorhaben, das sich zwar grundsätzlich einer der in dem betreffenden Gebiet zugelassenen Nutzungsarten zuordnen lässt, aber (schon bei typisierender Betrachtung) mit der in Absatz 1 der jeweiligen Vorschrift der Baunutzungsverordnung umrissenen Zweckbestimmung des betreffenden Baugebiets nicht vereinbar ist. Von maßgeblicher Bedeutung für die Frage, welche Vorhaben mit der allgemeinen Zweckbestimmung eines Baugebiets unverträglich sind, sind die Anforderungen des jeweiligen Vorhabens an ein Gebiet, die Auswirkungen des Vorhabens auf ein Gebiet und die Erfüllung des spezifischen Gebietsbedarfs. Entscheidend ist, ob ein Vorhaben dieser Art generell geeignet ist, ein bodenrechtlich beachtliches Störpotenzial zu entfalten, das sich mit der Zweckbestimmung des Baugebiets nicht verträgt.
53Vgl. nur BVerwG, Urteile vom 21. März 2002 - 4 C 1.02 -, BVerwGE 116, 155 ff., und vom 2. Februar 2012 - 4 C 14.10 -, NVwZ 2012, 825 (826 f.) mit weiteren Nachweisen.
54Insoweit ist vorliegend festzustellen, dass die Nutzung des in Rede stehenden Gebäudes letztlich derjenigen eines gewöhnlichen Wohngebäudes entspricht und mit der Zweckbestimmung eines allgemeinen Wohngebiets – dieses dient gemäß § 4 Abs. 1 BauNVO (1990) „vorwiegend dem Wohnen“ – ohne weiteres im Einklang steht. Die besonderen Auswirkungen, die von dem regelmäßigen Ein- und Auszug der Mieter ausgehen, sind nicht geeignet, die Nutzung bei typisierender Betrachtung schon als mit dem Charakter eines allgemeinen Wohngebiets unverträglich einzustufen, in dem im Übrigen nach § 4 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO (1990) auch Betriebe des Beherbergungsgewerbes (ausnahmsweise) zugelassen werden können. Die sonstigen in Rede stehenden Belästigungen und Störungen entsprechen der Sache nach denjenigen, die von einer jeden Wohnnutzung ausgehen können. Dass die als Mieter angesprochenen Polizeianwärter aufgrund ihres Lebensalters und ihrer gegenwärtigen Lebenssituation für die Nachbarschaft wohl tendenziell eher wahrnehmbar sein dürften als eine Durchschnittsfamilie, genügt nicht, um die Nutzung bei typisierender Betrachtung für gebietsunverträglich zu halten.
55Vgl. auch OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 8. Dezember 2016 - 8 A 10680/16 -, juris (Rn. 7 ff.), zu einer Studierenden-WG mit elf Bewohnern im reinen Wohngebiet.
56Auch ein Verstoß der Nutzung gegen § 15 Abs. 1 S. 1 oder 2 BauNVO (1990) in Verbindung mit dem Rücksichtnahmegebot lässt sich im Ergebnis nicht feststellen. Nach § 15 Abs. 1 S. 1 BauNVO (1990) sind die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang und Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind nach § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO (1990) auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind. Zu bedenken ist insoweit allerdings, dass über die genannten Vorschriften und das ihnen immanente Gebot der Rücksichtnahme nicht die von einer nach dem Willen des Gesetzgebers gebietsverträglichen Nutzung ausgehenden typischen Auswirkungen verhindert werden können. Beeinträchtigungen und Belästigungen, die üblicherweise mit Wohngebäuden im Sinne der Baunutzungsverordnung verbunden sind, sind daher von den Nachbarn auch im reinen oder allgemeinen Wohngebiet regelmäßig hinzunehmen.
57Vgl. (für verschiedene besondere Wohnformen) OVG NRW, Urteil vom 9. Januar 1997 - 7 A 2175/95 -, juris; OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 8. Dezember 2016 - 8 A 10680/16 -, juris (Rn. 10 ff.); VG Aachen, Urteil vom 15. März 2011 - 3 K 1085/10 -, juris.
58Überdies können im vorliegenden Kontext nur solche Einwirkungen berücksichtigt werden, die bei der bestimmungsgemäßen Nutzung einer baulichen Anlage typischerweise auftreten. Denn nur dann sind sie von bodenrechtlicher Relevanz und können als städtebaulicher Gesichtspunkt bei der Prüfung des Nachbarschutzes nach § 15 Abs. 1 BauNVO Beachtung finden. Störungen, die allein durch das Fehlverhalten einzelner Bewohner auf einem benachbarten Grundstück entstehen, können hingegen grundsätzlich nur mit den Mitteln des Polizei- und Ordnungsrechts oder des zivilen Nachbarrechts beseitigt werden.
59Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. August 1992 - 10 B 3439/92 -, juris (Rn. 7); BayVGH, Urteil vom 13. September 2012 - 2 B 12.109 -, juris (Rn. 40); HessVGH, Beschluss vom 3. März 2016 - 4 B 403/16 -, juris (Rn. 34); VG Aachen, Urteil vom 15. März 2011 - 3 K 1085/10 -, juris.
60Dies zugrunde gelegt, verstoßen die Auswirkungen der streitgegenständlichen Nutzung – gemessen an dem einem allgemeinen Wohngebiet zuzubilligenden Schutzniveau – nicht gegen § 15 Abs. 1 BauNVO (1990) und das Gebot der Rücksichtnahme. Dies gilt jedenfalls, nachdem der Beigeladene die Zahl der Mieter entgegen seinen ursprünglichen Plänen auf lediglich fünf reduziert hat.
61Die von dem Kläger und den in der mündlichen Verhandlung vernommenen Zeugen beschriebenen Störungen und Belästigungen sind der Art nach diejenigen, die von jeder Wohnnutzung typischerweise ausgehen können. Dies gilt zunächst für den Kraftfahrzeugverkehr. Die Zahl der Verkehrsbewegungen auf dem Grundstück des Beigeladenen geht nicht wesentlich über diejenige hinaus, die etwa bei einer Familie mit mehreren erwachsenen Kindern oder bei einem (nach dem Bebauungsplan vorliegend ohne weiteres zulässigen) Zweifamilienhaus typischerweise zu erwarten wäre. Da die Polizeianwärter an den Wochenenden regelmäßig nicht vor Ort sind, dürfte die diesbezügliche Gesamtbelastung sogar eher unterhalb der bei einer klassischen Wohnnutzung zu erwartenden liegen. Wenn einzelne Mieter des Beigeladenen ihre Fahrzeuge rücksichtslos oder unter Verstoß gegen Vorschriften der Straßenverkehrsordnung bewegen, so führt dies nicht zur Unzulässigkeit der in Rede stehenden Grundstücksnutzung in bauplanungsrechtlicher Hinsicht.
62Ähnliches gilt für die vorgetragenen Lärmbelästigungen. Wenn auf dem Grundstück – namentlich auf der Terrasse – des Beigeladenen zu später Stunde Betätigungen stattfinden, welche die Nachtruhe zu stören geeignet sind (vgl. §§ 9, 10 Landes-Immissionsschutzgesetz NRW), so ist dem mit den Mitteln des Polizei- und Ordnungsrechts bzw. des Zivilrechts zu begegnen. Dass derartige Störungen aufgrund der besonderen Zweckbestimmung der Nutzung geradezu zwangsläufig zu erwarten sind, so dass sie als städtebauliche Faktoren in die planungsrechtliche Beurteilung Eingang finden könnten, ist hingegen nicht festzustellen. Auch den Aussagen der in der mündlichen Verhandlung vernommenen Zeugen war zu entnehmen, dass nicht ständig und bei allen Mietergruppen derartige Störungen und Belästigungen auftreten. Zudem ist auch hier zu bedenken, dass die Polizeianwärter an den Wochenenden zumeist gar nicht vor Ort sind.
63Sonstige nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungs- oder Bauordnungsrechts, gegen welche die streitgegenständliche Nutzung verstoßen könnte, sind nicht erkennbar.
64Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, da dieser einen Antrag gestellt und sich damit gemäß § 154 Abs. 3 VwGO seinerseits einem Kostenrisiko ausgesetzt hat.
65Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11 und 711 Zivilprozessordnung.
66B e s c h l u s s:
67Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
68G r ü n d e:
69Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 52 Abs. 1, 2 GKG.