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Wer als Betreiber einer Prostitutionsstätte nach bestandskräftiger Schließungsverfügung eine solche unerlaubt weiterbetreibt, kann sich nicht mit Erfolg gegen eine Zwangsgeldfestsetzung zur Wehr setzen.
Sowohl Einträge in szenentypischen Chat-Foren, als auch der Internetauftritt des Betreibers, wie auch eine Vorort-Kontrolle bei der Prostitutionsstätte durch die Behörden können geeignet sein, Hinweise auf die untersagte Tätigkeit zu geben.
Der Begriff der Tantra-Massage kann bei szenentypischer Einbettung und eindeutigem Sexualbezug auf die Ausübung von sexuellen Dienstleistungen hindeutet.
Im Einzelfall ist es jedoch möglich, dass eine Tantra-Massage keine vom Prostituiertenschutzgesetz erfasste sexuelle Dienstleistung darstellt; hier verneint.
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
2. Der Streitwert wird auf 3.750 Euro festgesetzt.
Az.: 18 L 967/20
2Beschluss
3In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren
4wegen Festsetzung eines Zwangsgeldes und Androhung eines weiteren Zwangsgeldes nach einer Untersagungsverfügung nach dem Prostitutionsschutzgesetz
5hier: Regelung der Vollziehung
6hat die 18. Kammer des
7VERWALTUNGSGERICHTS GELSENKIRCHEN
8am 25. November 2020
9durch
10den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht T. ,den Richter am Verwaltungsgericht S. undden Richter am Verwaltungsgericht F.
11beschlossen:
121. Der Antrag wird abgelehnt.
13Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
142. Der Streitwert wird auf 3.750 Euro festgesetzt.
15Gründe:
16I. Der am 20. Juli 2020 gestellte Antrag,
17die aufschiebende Wirkung der gegen die Zwangsgeldfest-setzung der Antragsgegnerin vom 16. Juni 2020 gerichteten Klage 18 K 2731/20 anzuordnen,
18hat keinen Erfolg. Der Antrag ist zulässig, insbesondere fehlt dem vorläufigen Rechtsschutzantrag nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Denn die Antragstellerin hat ihre am 20. Juli 2020 erhobene Klage rechtzeitig innerhalb der einmonatigen Frist des § 74 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nach der ausweislich der Zustellungsurkunde am 20. Juni 2020 erfolgten Zustellung erhoben, sodass die angefochtene Zwangsgeldfestsetzung nicht bestandskräftig ist.
191. In der Sache hat der Antrag keinen Erfolg. Das Gericht der Hauptsache kann gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung des Rechtsmittels gegen eine isolierte behördliche Maßnahme des Verwaltungszwangs anordnen, da die grundsätzlich nach § 80 Abs. 1 VwGO bestehende aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage gegen einen belastenden Verwaltungsakt – wie hier im Streitfall einer selbständigen Zwangsgeldandrohung – nach § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO i.V.m. § 112 Satz 1 des Justizgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen gesetzlich ausgeschlossen ist. Dabei hat das Gericht im Rahmen seiner eigenständigen summarischen Prüfung nicht abschließend die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes zu beurteilen, sondern nur, ob das öffentliche Vollzugsinteresse das private Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage in der Hauptsache überwiegt. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs der Hauptsache wesentlich zu berücksichtigen. Stellt sich heraus, dass dieser aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben wird, spricht dies für ein vorrangiges Vollzugsinteresse. Hat demgegenüber der Rechtsbehelf aller Voraussicht nach Erfolg, überwiegt regelmäßig das private Interesse an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung.
20In Anwendung dieser Grundsätze überwiegt im Streitfall das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Zwangsgeldfestsetzung der Antragsgegnerin vom 16. Juni 2020 gegenüber dem privaten Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage. Denn diese hat voraussichtlich keinen Erfolg, da sich die Zwangsgeldfestsetzung in der Ziffer 1. der Antragsgegnerin vom 16. Juni 2020 in Höhe von 10.000 Euro mit den festgesetzten Auslagen über 3,50 Euro sowie die in Ziffer 2. erfolgte Androhung eines weiteren Zwangsgelds über 10.000 Euro insgesamt als rechtmäßig erweist.
21a) aa) Zunächst weist das Gericht darauf hin, dass es sich bei der in der Ziffer 1. der Zwangsgeldfestsetzung mit dem zuletzt erfolgenden Hinweis, dass die „Gesamtsumme (…) 1.003,50 EUR“ beträgt, um eine offensichtliche Unrichtigkeit im Sinne von § 42 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) handelt. Eine solche liegt vor, wenn die Formulierung des Verwaltungsakts etwas anderes aussagt, als die Behörde gewollt hat. Offenbar ist der Umstand, wenn es sich jedermann in der Lage der Beteiligten aufdrängt. Eine offenbare Unrichtigkeit begründet keinen Fehler, weil der Verwaltungsakt mit seinem wahren, jedoch nur unvollkommen zum Ausdruck gebrachten Inhalt wirksam wird.
22Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. Oktober 2010 – 7 B 1293/10 – juris Rn. 5-7.
23Mit Blick darauf hat die Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin tatsächlich ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000 Euro festgesetzt. Dies ergibt sich bereits aus dem Text der Festsetzung und der weiteren Begründung selbst. Denn in Satz 1 der Ziffer 1. des Tenors der Verfügung wird ausdrücklich ein Zwangsgeld über 10.000 Euro festgesetzt, bevor daran anschließend mit Blick auf den genannten Betrag der Auslagen die (fehlerhafte) Gesamtsumme von – lediglich – 1.003,50 Euro als insgesamt zu entrichtender Zahlbetrag angeführt wird. Zuvor heißt es in einem über dem Tenor der Zwangsgeldfestsetzung umrahmten Feld „Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 10.000 Euro (…)“. Sodann ist in der Begründung der Verfügung auf Seite 2 angeführt, dass „der Gesamtbetrag von 10.003,50 Euro (…) bis zum 10.07.2020 (…) auf eines der (…) Konten (…) zu überweisen“ ist.
24bb) (1) Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der selbständigen Zwangsgeldfestsetzung sind die §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60 Abs. 1 und § 64 Satz 1 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW).
25Offenbleiben kann, ob die Antragsgegnerin mit ihrem Schreiben vom 4. Juni 2020 die Antragstellerin zutreffend vor Erlass der Zwangsgeldfestsetzung angehört hat, soweit sie darin die Verhinderung des nicht genehmigten Gewerbes angekündigt hat. Denn nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) kann gerade von einer Anhörung abgesehen werden, wenn – wie hier – Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden. Im Übrigen wäre ein Anhörungsverstoß nach § 45 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. Abs. 2 VwVfG NRW im vorliegenden gerichtlichen Verfahren erster Instanz geheilt.
26Nach § 55 Abs. 1 VwVG NRW kann der Verwaltungsakt, der auf die Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, wenn er unanfechtbar ist oder wenn ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat. Gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 2, § 60 VwVG NRW kommt als Zwangsmittel die Androhung und Festsetzung eines Zwangsgeldes zwischen 10 Euro und 100.000 Euro in Betracht. Weitere materielle Voraussetzung für die Festsetzung eines zuvor angedrohten Zwangsgeldes ist nach § 64 Satz 1 VwVG NRW, dass die Verpflichtung aus der Grundverfügung nicht innerhalb der Frist, die dafür in der Androhung bestimmt worden ist, erfüllt wurde. Einwendungen gegen eine der selbständigen Zwangsgeldfestsetzung zugrunde liegende bestandskräftige Handlungs-, Duldungs- oder Unterlassungspflicht wie auch eine zuvor erfolgte bestandskräftige Zwangsgeldandrohung können im Rahmen der Anfechtung der Festsetzung des Zwangsmittels nicht mehr geltend gemacht werden.
27Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Februar 1990 – 4 C 45.87 –juris Rn. 23.
28Grundlage gemäß § 55 Abs. 1 VwVG NRW der hier angefochtenen Zwangsgeldfestsetzung ist die bestandskräftige Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 11. Januar 2019. Damit wurde der Antragstellerin – diese vertreten durch den (damaligen) Geschäftsführer – der weitere unerlaubte Betrieb des Prostitutionsgewerbes auf dem Grundstück B. Straße in F1 untersagt (Ziffer 1.), die sofortige Vollziehung angeordnet (Ziffer 2.), und für den Fall der Nichteinhaltung der unter Ziffer 2. genannten Frist zum unerlaubten Betrieb des Prostitutionsgewerbes ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000 Euro angedroht (Ziffer 3.). Die Rechtmäßigkeit dieser auf die §§ 2 Abs. 3 Nr. 1, 12 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 des Gesetzes zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen (Prostituiertenschutzgesetz – ProstSchG) vom 21. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2372), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 20. November 2019 (BGBl. I S. 1626, 1661) i.V.m. § 15 Abs. 2 Satz 1 der Gewerbeordnung (GewO) gestützten Untersagungsverfügung (Ziffer 1. der Ordnungsverfügung) ist nicht Voraussetzung für die später erlassene Zwangsgeldfestsetzung, sondern allein ihre Wirksamkeit. Die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 11. Januar 2019, zugestellt am 16. Januar 2019, ist neben der darin ausgesprochenen sofortigen Vollziehbarkeit (Ziffer 2. der Ordnungsverfügung) unanfechtbar und damit bestandskräftig. Gründe für die Nichtigkeit dieser Grundverfügung im Sinne von § 44 VwVfG NRW sind weder vorgetragen noch sonst wie ersichtlich. Das vorliegend festgesetzte Zwangsgeld über 10.000,00 Euro wurde gegenüber der Antragstellerin darin in gerade dieser Höhe angedroht (Ziffer 3. der Ordnungsverfügung).
29(2) Die Voraussetzungen des § 64 Satz 1 VwVG NRW liegen zur Überzeugung des Gerichts vor. Die Antragstellerin ist ihrer aus der Ordnungsverfügung folgenden Verpflichtung, den unerlaubten Betrieb des Prostitutionsgewerbes auf dem Grundstück B. Straße 166 in F1. in den von ihr dort angemieteten Räumen bereits mit Bekanntgabe der Verfügung dauerhaft einzustellen, bei summarischer Prüfung der Sachlage nicht nachgekommen. Dies hat die Antragsgegnerin nach den vorgelegten Akten im Mai bzw. Anfang Juni 2020 überzeugend festgestellt. Die dagegen erhobenen Einwände der Antragstellerin greifen nicht durch.
30(2.1) Dass die Antragstellerin als juristische Person in Form der Unternehmergesellschaft (UG – haftungsbeschränkt) nach § 5a i.V.m. § 13 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) im Zeitpunkt der Zwangsgeldfestsetzung durch einen anderen Geschäftsführer vertreten wird als im Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung vom 11. Januar 2019, ist hinsichtlich des ihr vorgehaltenen Verstoßes gegen die aus Ziffer 1. der Ordnungsverfügung folgende Unterlassungspflicht unerheblich. Adressatin der Ordnungsverfügung wie auch der hier angefochtenen Zwangsgeldfestsetzung war und ist allein die Antragstellerin als juristische Person, nicht aber ihr jeweiliger Geschäftsführer. Dieser ist lediglich handelndes Organ der Gesellschaft, das diese nach außen gerichtlich wie auch außergerichtlich vertritt (vgl. § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG).
31(2.2) Für das Gericht steht fest, dass die Antragstellerin im Jahr 2020 gegen die Ziffer 1. der Ordnungsverfügung vom 11. Januar 2019 verstoßen hat. Sie hat nach den stichhaltigen Feststellungen der Antragsgegnerin vom 20. Mai 2020 und 3. Juni 2020 ohne die nach § 12 ProstSchG erforderliche Erlaubnis gewerbsmäßig Leistungen im Zusammenhang mit der Erbringung sexueller Dienstleistungen durch mindestens eine andere Person angeboten oder Räumlichkeiten hierfür bereitgestellt, in dem sie an der genannten Adresse eine Prostitutionsstätte betrieben hat (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 ProstSchG). Dafür ist zum einen erforderlich, dass in der Prostitutionsstätte sexuelle Dienstleistungen (§ 2 Abs. 1 ProstSchG) erbracht werden, zum anderen, dass der Betreiber die tatsächliche und rechtliche Verfügungsgewalt über die entsprechenden Räumlichkeiten inne hat.
32Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2. Oktober 2019 – 4 B874/ 19 – juris Rn. 3.
33Gemäß § 2 Abs. 4 ProstSchG sind Prostitutionsstätten Gebäude, Räume und sonstige ortsfeste Anlagen, die als Betriebsstätte zur Erbringung sexueller Dienstleistungen genutzt werden. Erfasst werden alle üblicherweise als Bordelle und ähnliches qualifizierten, gewerbsmäßig betriebenen Betriebsstätten. Für die Einordnung kommt es nicht auf deren Bezeichnung oder die Betriebsart an. Abzustellen ist auf die erkennbare Ausrichtung des Geschäftsmodells auf entgeltliche sexuelle Kontakte und das Schaffen von Gelegenheiten für solche. Keine Rolle spielt, wie die Person, die die Räumlichkeiten an Prostituierte überlässt, nach außen auftritt. Entscheidend ist, ob die verantwortliche Person die Nutzung der Räume maßgeblich steuert und damit einen wirtschaftlichen Nutzen aus der Prostitution anderer zieht. Unerheblich ist zudem, wie das Rechtsverhältnis zwischen Betreiber und Prostituierter ausgestaltet ist.
34Vgl. BayVGH, Beschluss vom 29. März 2019 – 22 CS 19.297 – juris Rn. 18 = GewArchiv 2019, S. 249 ff., nachfol-gend auf: BayVG Ansbach, Beschluss vom 22. Januar 2019 – AN 4 S 18.02102 – juris Rn. 42 f., unter Verweis auf BT-Drs. 18/8556 S. 60 f.; Hetzel, Hickel, Wiedmann, Prosti-tuiertenschutzgesetz (Prost SchG), Leitfaden zur Umset-zung des Prostituiertenschutzgesetzes, 2018, Rn. 11 zu C., (Erläuterungen), S. 47.
35Eine sexuelle Dienstleistung ist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 ProstSchG eine sexuelle Handlung mindestens einer Person an oder vor mindestens einer anderen unmittelbar anwesenden Person gegen Entgelt oder das Zulassen einer sexuellen Handlung an oder vor der eigenen Person gegen Entgelt. Der Begriff erfasst jedes menschliche Verhalten, das darauf gerichtet ist, einen anderen sexuell zu erregen oder zu befriedigen, unabhängig davon, ob es dabei zu körperlichen Berührungen oder zur Ausübung des Geschlechtsverkehrs kommt.
36Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. September 2020 – 13 B902/20.NE – juris Rn. 20 f. (zum Begriff der „sexuellen Dienstleistung“ in § 10 Abs. 1 Nr. 2 der ab dem 1. Septem-ber 2020 in Nordrhein-Westfalen geltenden CoSchVO, welchen an denjenigen aus § 2 Abs. 1 Satz 1 ProstSchG anknüpfe); OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 28. Au-gust 2020 – 6 B 10864/20 – juris Rn. 11 (zum Begriff der Prostitutionsstätte der rheinland-pfälzischen CoBelVO); Hetzel, Hickel, Wiedmann, a.a.O., Rn. 4 zu C., (Erläuterun-gen), S. 46.
37Damit erstreckt sich der weit gefasste, nach dem äußeren Erscheinungsbild der Handlung zu verstehende Begriff der sexuellen Dienstleistung auf ein breites Spektrum. Er umfasst nicht nur den vaginalen, oralen oder analen Geschlechtsverkehr, sondern auf alle üblicherweise der Prostitution zugerechneten Formen sexueller Handlungen gegen Entgelt. Deshalb werden beispielsweise auch BDSM-/Domina-Dienstleistungen, der sexuellen Befriedigung dienende erotische Massagen, und – soweit es um die Erbringung sexueller Handlungen geht – auch Escort-Serviceleistungen oder die behindertengerechte Sexualbegleitung bzw. -assistenz erfasst.
38Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. September 2020 – 13 B 902/20.NE – juris Rn. 22-24; BT-Drs. 18/8556, S. 59; Rixen, in: GewArch Beilage WiVerw Nr. 02/2018, S. 127, 142.
39Mit Blick auf diese Maßgaben hat die Antragstellerin zur Überzeugung des Gerichts in den von ihr genutzten Räumlichkeiten Leistungen im Zusammenhang mit der Erbringung sexueller Dienstleistungen durch mindestens eine andere Person angeboten bzw. ihre Räumlichkeiten dafür bereitgestellt. Dies ergeben die Feststellungen, die die Antragsgegnerin am 20. Mai 2020 bei ihrer Vorortkontrolle getroffen hat. Angestoßen von Einträgen aus einem einschlägigen, ersichtlich auf die Bewertung von sexuellen Dienstleistungen durch Kunden bezogenen Besucherforum im Internet, welche im Jahr 2020 den Besuch im B1. Center in F1. zum Gegenstand hatten, hat die Antragsgegnerin durch zwei Mitarbeiter dort eine Vorortkontrolle durchgeführt. Ein männlicher Mitarbeiter habe sich nach dem Aktenvermerk über den Termin – zunächst – als potenzieller Kunde ausgegeben. Diesem hätten zwei anwesende Frauen in der Einrichtung Massage einschließlich „B2B“ und „HE“ ohne Aufpreis angeboten. Eine Frau habe den Mitarbeiter der Antragsgegnerin direkt auf ein Zimmer geführt, eine weitere sei zur Übersetzung hinzugekommen; letztere habe zu verstehen gegeben, dass sich beide Frauen für sexuelle Dienstleistungen angeboten hätten. Unmittelbar danach habe sich der Mitarbeiter als Angehöriger des Ordnungsamts zu erkennen gegeben. Die zweite Frau habe geäußert, bereits früher in H. als Prostituierte angemeldet gewesen zu sein; da sie Ärger mit ihrem Mann habe, könne sie auf diese Weise mehr verdienen als nur mit der Massage. Die erste Frau habe angegeben, noch keinen Vertrag zu haben, der Geschäftsführer, dass es sich um seinen Laden handele; er habe allerdings keine Angaben machen oder Arbeitsverträge vorlegen können. Nach dem Aktenvermerk seien die Räumlichkeiten typisch eingerichtet gewesen, in zwei Räumen seien viele persönliche Kleidungsstücke sowie Kosmetik vorgefunden worden. Nach den von der Antragsgegnerin zum Verwaltungsvorgang genommenen Ausdrucken der Internetseite https://wwwmassage-forum.com/ vom 18. Mai 2020 hat der User V 74 über seinen Termin dort am 5. März 2020 u.a. geschrieben: „(…) 60 min Wellness Massage B2B für 70 Euro. (…) Sie hat dabei vollen Körpereinsatz gezeigt (…). Nach dem Umdrehen konnte ich ihren tollen Body auch endlich sehen und etwas erkunden…. Gekonnt wurden dann alle Verspannungen gelockert … Rest der Stunde noch etwas die Beine massiert. Habe entspannt das Zimmer verlassen.“. Der User V 9162 schrieb unter dem 18. Mai 2020 (BA 1 Bl. 20): „(…) Die B2B Teil (von Anfang an unbekleidet) war super und für meine Verhältnisse sehr gekonnt. (…) 80 für 60. Und die Stunde war nach gut 70min vorbei.“ Diese – wörtlich zitierten – Einträge stammen aus demselben szene-typischen Chat-Forum, in dem die Antragsgegnerin bereits vor Erlass ihrer unanfechtbaren Ordnungsverfügung vom 11. Januar 2019 auf die früher dort angebotenen, und von ihr untersagten Dienstleistungen gestoßen war.
40Die Feststellungen der Antragsgegnerin lassen bei summarischer Prüfung eindeutig den Schluss zu, dass vor Erlass der angefochtenen Zwangsgeldfestsetzung in den Räumen der Antragstellerin seit längerer Zeit sexuelle Dienstleistungen angeboten wurden, die einen Verstoß gegen die Grundverfügung begründen. „B 2 B“ meint im vorliegenden Zusammenhang eine Body-to-Body-Massage, bei der beide Beteiligten überwiegend oder vollständig entkleidet sind. Die daneben auch dem Mitarbeiter der Antragsgegnerin angebotene Leistung „HE“ meint als szenetypische Abkürzung Happy End(ing), also eine manuelle Befriedigung des Gastes bis hin zum Orgasmus. Diese Umstände sprechen gerade für eine eindeutige sexuelle Zielrichtung der tatsächlich angebotenen und durchgeführten Massagen. Der Einwand der Antragstellerin, dass die bei der Kontrolle angetroffenen Frauen „Deutsch eher schlecht als recht“ sprächen, verfängt nicht. Denn beide Ausdrücke sind englischsprachige und insoweit international verwendete Ausdrücke mit eindeutig sexuellem Bezug. Ferner hat die im Hauptsacheverfahren als Zeugin benannte Beschäftigte nach dem Inhalt des Vermerks der Antragsgegnerin ergänzend gegenüber dem Mitarbeiter anlässlich der Kontrolle angegeben, früher bereits als Prostituierte in der Nachbarstadt registriert gewesen zu sein, und auf diese Weise, also wie dem Mitarbeiter der Antragsgegnerin gegenüber im Gespräch angeboten, mehr verdienen zu können als mit der bloßen Massage. Zudem erfolgt bei einer klassischen Thai-Massage trotz eines größeren Körpereinsatzes durch die massierende Person als bei einer Entspannungs-Massage im Rahmen der verschiedenen Yoga-Elemente und Druckpunktmassagen nach Kenntnis des Gerichts keine Body-to-Body-Massage (B 2 B). Auch dass eine Dienstleisterin dabei unbekleidet ist, ist völlig unüblich.
41Vgl. zum Begriff der Thai-Massage: https://de.wikipedia.org/wiki/Thai-Massage (abgerufen am 18. November 2020).
42Neben diesen Feststellungen vor Ort hat sich auch ein von der Antragsgegnerin namentlich erfasster Zeuge bei dieser gemeldet und angegeben, dass er am 2. Juni 2020 den Massagesalon aufgesucht habe und erstaunt gewesen sei, als eine Angestellte nackt den Raum betreten und ihn gefragt habe, ob er ein „Happy End“ wünsche. Daraufhin hätten zwei Mitarbeiter der Antragsgegnerin den Salon am nächsten Tag aufgesucht, dort eine Angestellte angetroffen, die – nachdem sie mit dem Sachverhalt konfrontiert worden sei – angegeben habe, „Nix Happy End. Nur Massage“ bzw. „No Happy End, only Massage“. Dies erschüttert die Angaben des sich gegenüber der Antragsgegnerin namentlich zu erkennen gebenden Gastes über sein Erlebnis zwei Tage zuvor jedoch nicht. Auch die von der Antragsgegnerin unter dem 3. Juni 2020 gefertigten Ausdrucke von der Internetseite der Antragstellerin legen angesichts der Teilabbildungen von einer oder zwei liegenden Frauen in Unterwäsche und einer Rose auf der Hüfte bzw. mit Rosenblättern bedeckt mehr als deutlich einen erotisch-sexuellen Bezug der angebotenen Wellness- und Entspannungsmassagen nahe. Eine der im Sommer 2020 auf der Internetseite der Antragstellerin verwendete Teilabbildung ist außerdem dieselbe, welche die Antragsgegnerin vor Erlass der Ordnungsverfügung zu der damaligen Internetseite der Antragstellerin verwendet hat, wie die Vergleiche der von der Antragsgegnerin ausgedruckten Abbildungen von der Internetseite im Verwaltungsvorgang dokumentieren. Zudem sprechen einige verwendete Werbeslogans wie „Privates Ambiente“ und „Diskretion“ ebenfalls für eine Verklausulierung von sexuellen Dienstleistungen. Ferner legen auch die im Gerichtsverfahren überreichten sechs Arbeitsverträge für geringfügig Beschäftigte, zwei vom 20. Mai 2020, zwei vom 1. Juni 2020, einer vom 1. Mai 2019 und einer vom 1. Oktober 2019 angesichts der jeweils nur äußerst geringen wöchentlichen Stundenzahl von vertraglich unterschiedlich vereinbarten zwei bis zehn Wochenstunden, wobei sich die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit „nach Bedarf“ richtet, und einem voraussichtlichen monatlichen Entgelt von 100 bis 430 Euro bei maximal 450 Euro mit Blick auf die Preisliste des Betriebs der Antragstellerin von 23 Euro für 30 Minuten Öl- bzw. Kopf-/Gesichtsmassage und 160 Euro für 120 Minuten Tantra-Massage wohl durch eine Person, das doppelte für bzw. durch zwei Personen bzw. Massage 4 Hand ebenfalls szenetypische, um Verdeckung der tatsächlich angebotenen und erbrachten Dienstleistungen bemühte Scheinbeschäftigungen nahe. Denn bei einer insoweit unterstellten reinen Massagetätigkeit dürften wöchentliche Anfahrten der Beschäftigten von aus an F1. direkt angrenzenden Orten bzw. einer weiter entfernten Stadt des Ruhrgebiets insoweit finanziell nicht als lohnend für die Masseurinnen erscheinen. Dies gilt auch deshalb, weil die Antragstellerin im Internet mit einer täglichen Öffnungszeit von 10:00 bis 22:00 Uhr geworben hat und im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts auch noch wirbt.
43Vgl. http://asia-massage-f1.de/ (abgerufen am 18. November 2020).
44Dass die sechs geringfügig beschäftigten Masseurinnen bei der Antragstellerin als Arbeitnehmerinnen tätig sind, führt nicht dazu, dass die Antragstellerin nicht im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 Nr. 1 ProstSchG ein unerlaubtes Prostitutionsgewerbe in ihrer Prostitutionsstätte betrieben hat. Erforderlich für den Betrieb eines ortsfesten Prostitutionsgewerbes ist nach dem bereits zuvor Ausgeführten, dass der Betreiber die Nutzung der Räume maßgeblich steuert und damit einen wirtschaftlichen Nutzen aus der Prostitution anderer Personen zieht. Dies steht für das erkennende Gericht angesichts der von der Antragsgegnerin getroffenen Feststellungen nicht in Zweifel. Auf die maßgebliche Steuerung der Nutzung der von der Antragstellerin angemieteten Räume durch ihre Beschäftigten deutet zunächst schon die Gestaltung des Internetauftritts der Antragstellerin hin, der sowohl im Jahr 2020 als auch im Vergleich zu den Umständen vor Erlass der Ordnungsverfügung vom 11. Januar 2019 jeweils unter ihrer Firmenbezeichnung erfolgte. Ferner ist die Antragstellerin nach den vorgelegten Verträgen Arbeitgeberin der sechs Frauen, und ihr steht ein Weisungsrecht gerade hinsichtlich der der Tätigkeitszeiten der Frauen zu, wie die in vier der sechs vorgelegten Arbeitsverträgen ausdrücklich „nach Bedarf“ erfolgende vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit im Rahmen der – nur geringen – Beschäftigungszeiten belegen. Zudem hat die Antragstellerin täglich zwölf Stunden geöffnet. Inwieweit sie in diesem Rahmen mit nur sechs geringfügig beschäftigten Frauen und dem geringen Umfang ihrer arbeitsvertraglich festgelegten Beschäftigungszeiten der Masseurinnen keinen eigenen wirtschaftlichen Vorteil als Gewerbetreibende aus den soeben festgestellten sexuellen Dienstleistungen ihrer Beschäftigten ziehen sollte, ist für das Gericht nicht nachvollziehbar. Denn die Addierung der in den Arbeitsverträgen genannten wöchentlichen Arbeitszeiten ergibt bei drei mal zwei Stunden, sowie jeweils einmal fünf, neun und zehn Stunden, insgesamt 30 Arbeitszeitstunden in der Woche. Dem steht nach der im Internet offerierten Öffnungszeit von täglich zwölf Stunden eine wöchentliche Öffnungszeit von 84 Stunden gegenüber, was insoweit keinerlei schlüssiges Profil des geschäftlichen Tätigkeitsumfangs ergibt. Dies spricht ebenfalls deutlich für eine versuchte Verschleierung des im Jahr 2020 tatsächlich erbrachten Dienstleistungskonzeptes der Antragstellerin, weshalb das Gericht von einer maßgeblichen Steuerung der Nutzung der Räumlichkeiten durch sie gegenüber den bei ihr beschäftigten Frauen ausgeht. Dass diese nach den Arbeitsverträgen vorgeblich nur für die Tätigkeit als „Masseurin“ bzw. „Massage“ angestellt sein sollen, erschüttert die von der Antragsgegnerin getroffene Feststellung zu den von zwei Frauen am 20. Mai 2020 gegenüber dem Mitarbeiter der Antragsgegnerin wie auch zu dem am 2. Juni 2020 dem namentlich genannten Gast der Einrichtung angebotenen sexuellen Dienstleistungen deshalb nicht.
45(2.3) Der Einwand der Antragstellerin, dass sie nur Wellnessmassagen und daneben auch rechtlich zulässige Tantra-Massagen erbringe, verfängt nicht. Ob gerade Tantra-Massagen mit dieser schlagwortartigen Benennung unter den Begriff der sexuellen Dienstleistungen des § 2 Abs. 1 ProstSchG fallen, wird in der Beurteilung durch die Rechtsprechung, zum Teil im erkennbaren Bestreben einer sachgerechten Einordnung dieser Form der Massage in den jeweiligen fachgesetzlichen Rahmen, nicht einheitlich bewertet.
46Vgl. bejahend: VG Düsseldorf, Beschluss vom 28. August 2019 – 29 L 3067/18 – juris Rn. 23-27, nachfolgend OVG NRW, Beschluss vom 17. Januar 2020 – 13 B 1282/19 – juris Rn. 106 (aus prozessualen Gründen offenlassend); OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 28. August 2020 – 6 B 10864/20 – juris Rn. 11 (CoBeLVO); offenlassend: OVG NRW, Beschluss vom 25. Juni 2020 – 13 B 800/20. NE – juris Rn. 74 (zur CoSchVO); VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 19. Mai 2020 – 20 L 589/20 – juris Rn. 21 (zur CoSchVO); verneinend: VG Gelsenkirchen, Urteil vom 29. August 2019 – 5 K 4649/18 – juris Rn. 29 ff., Rn. 34 (in Abgrenzung zum „bordellartigen Betrieb“ nach dem Schwerpunkt der Dienstleistungen).
47Obergerichtlich ist diese Frage nicht geklärt. Dies dürfte auch damit zusammenhängen, dass es sich bei dem Schlagwort der Tantra-Massage um einen „schillernden“ Begriff handelt, der je nach Verständnis der einzelnen dienstleistenden Person in Übereinkunft mit der Erwartung des Kunden eine sexuelle Zielrichtung aufweisen kann. Dabei ist festzustellen, dass die Tantra-Massage von den Dienstleistern häufig dahin beworben wird, im Rahmen eines ganzheitlichen Verständnisses von Sinnlichkeit und Sexualität u.a. auch – im Sinne eines Nebenzwecks – der „Erregung und Lust“ zu dienen.
48Vgl. etwa OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 28. August 2020 – 6 B 10864/20 – juris Rn. 12 (zur CoBeLVO), und VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 3. Juli 2014 – 2 S 3/14 – juris Rn. 35-39 (zum Vergnügungsteuerrecht).
49Der Tantramassageverband e.V. versteht nach seinem Selbstbild die nach seinen Leitlinien von entsprechend ausgebildeten Masseurinen und Masseuren erbrachten Tantra-Massagen im Unterschied zu erotischen dahin, dass die Berührungen absichtslos erfolgen und nicht hauptsächlich dem Lustgewinn dienen, sondern dem Erleben des eigenen Körpers der berührten Person, dass die Berührungen einseitig durch die massierende Person ausgeführt werden, dass eine Einbeziehung des gesamten Körpers erfolgt ohne einseitig auf die Stimulierung der Genitalregion ausgerichtet zu sein, und dass die Berührungen bei geschlossenen Augen stattfinden, sodass es um die Qualität der Berührungen geht.
50Vgl. die Beschreibung der fünf Hauptunterschiede der zer-tifizierten Tantra-Massage zu den erotischen Massagen durch den Vorsitzenden des Berufsverbandes unter: https://www.tantramassage-verband.de/2020-07-differenzierte-rechtslage-zur-tantramassage/ (abgerufen am 18. Novem-ber 2020).
51Der Begriff der Tantra-Massage ist folglich nicht als ein feststehender definiert oder gar geschützt, weshalb er für erotische Massagen wie auch bei einer bewussten Verschleierung von eindeutigen sexuellen Dienstleistungen im Sinne des § 2 Abs. 1 ProstSchG Verwendung findet. Allerdings erfasst der von der soeben genannten Norm definierte Begriff der sexuellen Dienstleistung zur Überzeugung der erkennenden Kammer jedenfalls dann eine solche Massage, wenn deren Sexualbezug nach deren konkreten Ausgestaltung mit Blick auf die weiteren Umstände des Einzelfalls und das sonstige Leistungsangebot der dienstleistenden Person nach der objektiv zu Tage tretenden Erscheinungsform ohne weitergehende Einbindung in ein Konzept der ganzheitlichen Körperarbeit auch im Zusammenhang mit den sonstigen Begleitumständen deutlich im Vordergrund steht. Dieses differenzierende Auslegungsergebnis steht auch mit der weiten Begriffsfassung der sexuellen Dienstleistung des Prostituiertenschutzgesetzes im Einklang. Dessen spezifischer Schutzzweck ist es, gerade die (sexuelle) Selbstbestimmung von Menschen in diesem Tätigkeitsfeld umfassend zu schützen. Prostitution wird nämlich oft von Personen ausgeübt, die sich in einer besonders verletzlichen oder belastenden Situation befinden und deshalb sozial oder psychisch nicht in der Lage sind, selbstbestimmt für ihre Rechte einzutreten.
52Vgl. BT-Drs. Nr. 18/8556, S. 1 und 33; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 29. August 2019 – 5 K 4649/18 – juris Rn. 34.
53Nach diesen Maßgaben ist im Streitfall festzustellen, dass die auch von der Antragstellerin am 22. Mai 2020 neu auf ihre Internetseite eingestellten Tantra-Massagen zur Überzeugung des Gerichts sexuelle Dienstleistungen im Sinne des § 2 Abs. 1 ProstSchG darstellen. Denn bei einer Zusammenschau mit den bereits zuvor dargestellten Begleitumständen lässt dieses weitere Massageangebot bei summarischer Prüfung auf ein der Antragstellerin mit der Ordnungsverfügung vom 11. Januar 2019 untersagtes Prostitutionsgewerbe schließen. Dabei ist auch zu beachten, dass die von der Antragstellerin diese Massageform zeitnah nach Ergehen des Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 19. Mai 2020 – 20 L 589/20 –, abrufbar unter juris und NRWE.DE, über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen ein auf die Coronaschutzverordnung gestütztes behördliches Verbot der Antragsgegnerin von Tantra-Massagen ausdrücklich neu in ihr Programm aufgenommen wurde. Die im vorliegenden Streitfall beschließende Kammer weist darauf hin, dass die im soeben genannten Eilverfahren zuständige 20. Kammer eine selbständige, allein am Sinn und Zweck der Coronaschutzverordnung orientierte Auslegung des § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 CoronaSchVO a.F. ohne Rückgriff auf den Begriff aus § 2 Abs. 1 ProstSchG vorgenommen und entschieden hat, dass die dortige Antragstellerin mit der von ihr konkret angebotenen Form der Tantra-Massage eine seinerzeit infektionsschutzrechtlich erlaubte „Massage“ erbrachte, die unter Beachtung der Hygiene- und Infektionsschutzstandards zulässig war. Die von der Antragsgegnerin vertretene Ansicht, dass es sich bei dem dort zu beurteilenden Betrieb um eine (damals untersagte) „Prostitutionsstätte, (ein) Bordell und ähnliche Einrichtungen“ im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 5 CoronaSchVO a.F. gehandelt habe, teilte die 20. Kammer ausdrücklich nicht.
54Vgl. VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 19. Mai 2020 – 20 L 589/20 – juris Rn. 20-33.
55Zu dieser Entscheidung hat die Pressestelle des erkennenden Gerichts einen Tag nach Bekanntgabe des Beschlusses eine Pressemitteilung auf die Homepage eingestellt. Die Antragstellerin hat offenbar auf diese Pressemitteilung reagiert, um das von ihr tatsächlich betriebene Geschäftsmodell, legal ausüben zu können. Eine solche Sachlage ist allerdings zur Überzeugung des Gerichts wegen fehlender stichhaltiger Angaben zu den von ihren Masseurinnen angebotenen Tantra-Massagen im Rahmen eines ganzheitlichen Konzepts der Körperarbeit ohne zielgerichtete sexuelle Ausrichtung angesichts der zuvor gewürdigten Feststellungen der Antragsgegnerin nicht gegeben.
56(2.4) Ermessensfehler bei der Festsetzung des Zwangsgeldes sind nicht ersichtlich. Einer Darstellung der Ermessenserwägungen im Bescheid bedarf es bei einer selbständigen Zwangsgeldfestsetzung, die im Streitfall bereits ihrer konkreten Höhe nach in der Ordnungsverfügung vom 11. Januar 2019 angedroht worden ist, im Regelfall nach den Grundsätzen des intendierten Ermessens gerade nicht.
57Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25. Januar 2010 – 15 B 1766/09 – juris Rn. 9-15.
58Anhaltspunkte für einen bestehenden Ausnahmefall sind nicht ersichtlich.
59cc) Die für die Festsetzung des Zwangsgeldes angeführten Auslagen der Antragsgegnerin über 3,50 Euro beruhen auf § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 der Verordnung zur Ausführung des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes (Ausführungsverordnung VwVG – VO VwVG NRW), und sind der Höhe nach nicht zu beanstanden.
60b) Soweit sich der Eilantrag ferner gegen die erneute Zwangsgeldandrohung in Höhe von 10.000 Euro aus Ziffer 2. der Zwangsgeldfestsetzung richtet, ist er ebenfalls unbegründet. Es ist bei summarischer Prüfung nicht ersichtlich, dass das private Aufschubinteresse der Antragstellerin das in den Fällen gesetzlicher Vollzugsanordnung vermutete öffentliche Interesse an einem Vollzug überwiegt. In Anbetracht der Vollziehbarkeit der Grundverfügung vom 11. Januar 2019 besteht kein Anlass, in Bezug auf die erneute Zwangsgeldandrohung vom Regelvorrang des Vollziehungsinteresses nach § 112 JustG NRW abzuweichen. Auch im Übrigen bestehen keine Bedenken gegen die Zwangsgeldandrohung; insbesondere liegen die Voraussetzungen der § 55 Abs. 1, § 57 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2, § 60, § 63 Abs. 1, Abs. 3, Abs. 5 und Abs. 6 VwVG NRW vor. Ermessensfehler sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Namentlich die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes von wiederholt 10.000 Euro ist nicht unverhältnismäßig. Diese hat sich daran zu orientieren, welches wirtschaftliche Interesse der Adressat an der Nichtbefolgung der durchzusetzenden Pflicht hat.
61Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Dezember 2012 – 12 B 1339/12 – juris Rn. 7.
62Angesichts des von der Antragsgegnerin festgestellten, der Antragstellerin gegenüber untersagten sexuellen Dienstleistungen erfasst ein Zwangsgeld über 10.000 Euro mit Blick auf die beworbenen Öffnungszeiten von täglich zwölf Stunden das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin nicht unangemessen hoch.
63II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes und trägt den Ziffern 1.5 und 1.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit Rechnung. Demnach beträgt der Streitwert in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine selbständige Zwangsgeldfestsetzung mit gleichzeitiger Androhung eines weiteren Zwangsgeldes ein Viertel des festgesetzten zuzüglich einem Achtel des angedrohten Betrages.
64Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. Oktober 2018 – 4 B 1181/18 – juris Rn. 9 ff.
65Rechtsmittelbelehrung:
66Gegen den Beschluss zu 1. steht den Beteiligten die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster zu.
67Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Beschlusses schriftlich oder als elektronisches Dokument, letzteres nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV), bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, einzulegen. Sie ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich oder als elektronisches Dokument, letzteres nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV, einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
68Im Beschwerdeverfahren gegen den Beschluss zu 1. muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO.
69Gegen den Beschluss zu 2. findet innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
70Die Beschwerde ist schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder als elektronisches Dokument, letzteres nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV, bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen einzulegen. Über sie entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, falls das beschließende Gericht ihr nicht abhilft.