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1. Verfügt der Beurteiler nicht über hinreichende eigene Erkenntnisse über die von dem zu beurteilenden Beamten im Beurteilungszeitraum erbrachten Leistungen, so ist er verpflichtet, auf andere Erkenntnisquellen zurückzugreifen; insofern kommen insbesondere Beurteilungsbeiträge Dritter in Betracht. Dies gilt nur dann nicht, wenn die fehlenden eigenen Erkenntnisse nur einen gemessen am Gesamtbeurteilungszeitraum unerheblich kurzen Zeitraum betreffen. Ein Zeitraum von rund acht Monaten ist gemessen an einem Gesamtbeurteilungszeitraum von knapp 75 Monaten erheblich.
2. Beamte, die derselben oder einer niedrigeren Besoldungsgruppe angehören als der zu beurteilende Beamte, sind nicht grundsätzlich von der Mitwirkung am Beurteilungsverfahren ausgeschlossen. Diese Beamten sind daher nicht aus Rechtsgründen gehindert, einen - mündlichen oder schriftlichen - Beurteilungsbeitrag zu liefern.
1. Dem Antragsgegner wird im Wege einstweiliger Anordnung untersagt, die im Justizministerialblatt vom 00.00.0000 ausgeschriebene Stelle des Präsidenten/ der Präsidentin des Oberlandesgerichts bei dem Oberlandesgericht L. (JMBl. NRW 0000, 0) mit dem Beigeladenen zu besetzen, bevor über die Bewerbung der Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu entschieden worden ist.Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, der diese selbst trägt.
2. Der Streitwert wird auf die Wertstufe bis zu 35.000,- € festgesetzt.
G r ü n d e:
2I.
3Der dem Tenor entsprechende Antrag hat Erfolg.
4Er ist zulässig und begründet.
5Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann eine einstweilige Anordnung zur Sicherung eines Rechts der Antragstellerin getroffen werden, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung dieses Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Hierbei sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 der Zivilprozessordnung (ZPO) das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) und die besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen.
61.
7Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
8Der Antragsgegner beabsichtigt, die streitbefangene Stelle des Präsidenten eines Oberlandesgerichts an den Beigeladenen zu vergeben. Diese Entscheidung könnte vor dem Hintergrund des das öffentliche Dienstrecht prägenden Grundsatzes der Ämterstabilität nur mit Blick auf eine – hier nicht ersichtliche – Verletzung des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) in ganz außergewöhnlichen Ausnahmefällen rückgängig gemacht werden.
92.
10Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
11Nach Art. 33 Abs. 2 GG dürfen öffentliche Ämter im statusrechtlichen Sinne nur nach Kriterien vergeben werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung betreffen. Hierbei handelt es sich um Gesichtspunkte, die darüber Aufschluss geben, in welchem Maße der Beamte/Richter den Anforderungen seines Amts genügt und sich in einem höheren Amt voraussichtlich bewähren wird. Art. 33 Abs. 2 GG gilt für Beförderungen unbeschränkt und vorbehaltlos; er enthält keine Einschränkungen, die die Bedeutung des Leistungsgrundsatzes relativieren. Diese inhaltlichen Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG für die Vergabe höherwertiger Ämter machen eine Bewerberauswahl notwendig. Der Dienstherr darf das Amt nur demjenigen Bewerber verleihen, den er aufgrund eines den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG entsprechenden Leistungsvergleichs als den am besten geeigneten ausgewählt hat.
12Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom19. Dezember 2014 – 2 VR 1.14 –, juris Rn 21.
13Anderen Gesichtspunkten als Eignung, Befähigung und fachliche Leistung darf der Dienstherr nur Bedeutung beimessen, wenn sich aus dem Vergleich anhand von unmittelbar leistungsbezogenen Gesichtspunkten kein Vorsprung von Bewerbern ergibt. Diese Vorgaben dienen zum einen dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlichen Dienstes. Zum anderen trägt Art. 33 Abs. 2 GG dem berechtigten Interesse des Bewerbers dadurch Rechnung, dass er für diesen ein grundrechtsgleiches Recht auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl begründet. Aus der Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruches folgt zwar regelmäßig kein Anspruch auf Ernennung. Der unterlegene Bewerber kann aber eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung beanspruchen.
14Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22. Juli 2014 – 6 A 815/11 –, juris Rn. 42.
15Dabei muss der „übergangene“ Bewerber nicht nur die Verletzung des Rechts auf fehlerfreie Entscheidung über die Bewerbung glaubhaft machen, sondern auch die Möglichkeit, dass die noch zu treffende rechtmäßige Auswahlentscheidung zur Besetzung der Stelle mit ihm führen kann. Wenn im Sinne einer „offensichtlichen Chancenlosigkeit“ von vornherein ausgeschlossen erscheint, dass die Wiederholung des Auswahlverfahrens unter Vermeidung der Rechtsverletzung zu einer günstigeren Entscheidung für die Antragstellerin führen kann, kommt eine Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht in Betracht.
16Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 25. November 2015 – 2 BvR 1461/15 –, juris Rn. 20; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14. März 2016 – 1 B 1512/15 –, juris Rn. 19.
17Nach diesen Maßstäben liegt eine Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs der Antragstellerin vor (a)). Eine Auswahlentscheidung zu ihren Gunsten erscheint im Falle der Wiederholung des Auswahlverfahrens unter Vermeidung der Rechtsverletzung nicht von vornherein ausgeschlossen (b)).
18a)
19Die zugunsten des Beigeladenen getroffene Auswahlentscheidung verletzt den aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin. Die der Auswahlentscheidung zugrunde liegende, den Beigeladenen betreffende dienstliche Beurteilung vom 00.00.0000 stellt keine tragfähige Grundlage für eine Auswahlentscheidung nach den Grundsätzen der Bestenauslese dar.
20Dienstliche Beurteilungen sind im Hinblick auf ihre inhaltliche Richtigkeit nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zugänglich. Nach Sinn und Zweck der dienstlichen Beurteilungen obliegt es allein dem Dienstherrn bzw. dem für ihn handelnden Vorgesetzten, in der Beurteilung ein persönlichkeitsbedingtes Werturteil darüber abzugeben, ob und in welcher Weise der zu Beurteilende den zahlreichen fachlichen und persönlichen Anforderungen des ausgeübten Amtes entspricht. Dem Gericht ist es demnach verwehrt, die fachliche und persönliche Beurteilung des Beigeladenen durch den zuständigen Beurteiler in vollem Umfang nachzuvollziehen oder diese gar durch eine eigene Beurteilung zu ersetzen. Die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle hat sich darauf zu beschränken, ob die Verwaltung gegen Verfahrensvorschriften verstoßen, die anzuwendenden Begriffe oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt, einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat.
21Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 11. Dezember 2008 – 2 A 7.07 –, juris Rn. 11 mit Verweis auf seine ständige Rechtsprechung; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. April 2015– 6 A 2748/13 –, juris Rn. 5 m.w.N.
22Gemessen an diesem Maßstab erweist sich die den Beigeladenen betreffende dienstliche Beurteilung vom 00.00.0000 als rechtsfehlerhaft. Sie beruht nicht auf einer hinreichenden Tatsachengrundlage.
23Dienstliche Beurteilungen müssen zur Erfüllung ihrer Funktion, eine Grundlage für künftige Auswahlentscheidungen am Maßstab des Art. 33 Abs. 2 GG zu bieten, eine möglichst lückenlose Leistungsnachzeichnung gewährleisten.
24Nur inhaltlich aussagekräftige dienstliche Beurteilungen können einen Leistungsvergleich am Maßstab der Bestenauslese ermöglichen. Daher ist es erforderlich, dass dienstliche Beurteilungen die dienstliche Tätigkeit im maßgebenden Beurteilungszeitraum vollständig erfassen, auf zuverlässige Erkenntnisquellen gestützt sind, das zu erwartende Leistungsvermögen in Bezug auf das angestrebte Amt auf der Grundlage der im innegehabten Amt erbrachten Leistungen hinreichend differenziert darstellen sowie auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhen.
25Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 21. Dezember 2016 – 2 VR 1/16 –, juris Rn. 24.
26Ist der für die Beurteilung Zuständige nicht in der Lage, sich ein eigenes vollständiges Bild von den Leistungen des zu beurteilenden Beamten/Richters zu machen, ist er darauf angewiesen, sich die fehlenden Kenntnisse anderweitig zu beschaffen. Hierfür kommen vorrangig, aber nicht ausschließlich Beiträge der früher für die Beurteilung Zuständigen sowie Personen in Betracht, die die Dienstausübung des Beamten/Richters aus eigener Anschauung kennen. Um die für die Beurteilung erforderlichen tatsächlichen Kenntnisse über die Leistungen des Beamten/Richters zu erhalten, kann der Beurteiler des Weiteren insbesondere schriftliche Arbeiten des zu Beurteilenden heranziehen und auswerten.
27Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28. Januar 2016 – 2 A 1/14 –, juris Rn. 22.
28Diese Rechtspflicht, Beurteilungsbeiträge einzuholen, besteht auch dann, wenn der Beurteiler für einen nicht unerheblichen oder sogar für den überwiegenden Teil des Beurteilungszeitraums über aus eigener Anschauung gewonnene Erkenntnisse verfügt.
29Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. April 2019 – 1 A 1285/17 –, juris Rn. 14.
30Der Beurteiler darf nicht davon absehen, Beurteilungsbeiträge einzuholen, weil er sich trotz fehlender eigener Anschauung zutraut, den Beamten/Richter zutreffend einzuschätzen.
31Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 2. März 2017 – 2 C 21/16 –, juris Rn. 21.
32Gemessen an diesen Grundsätzen beruht die den Beigeladenen betreffende dienstliche Beurteilung vom 00.00.0000 nicht auf einer ausreichenden Erkenntnisbasis.
33Der Beurteiler verfügte für einen nicht unbedeutenden Teil des Gesamtbeurteilungszeitraums vom 00.00.0000 bis zum 00.00.0000 über kein eigenes hinreichendes Bild von den Leistungen des Beigeladenen und hat sich diese Erkenntnisgrundlage nicht für den gesamten Zeitraum durch Heranziehung weiterer Informationsquellen in Gestalt eines Beurteilungsbeitrags verschafft (aa)). Von der Verpflichtung zur Einholung eines Beurteilungsbeitrages war der Beurteiler auch nicht ausnahmsweise aufgrund rechtlicher Unmöglichkeit befreit (bb)).
34aa)
35Der Präsident des Oberlandesgerichts E. hat es als zuständiger Beurteiler rechtsfehlerhaft unterlassen, für den Teilbeurteilungszeitraum vom 00.00.0000 bis zum 00.00.0000 einen Beurteilungsbeitrag des Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts E. einzuholen.
36Der zuständige Beurteiler, der erst seit dem 00.00.0000 das Amt des Präsidenten des Oberlandesgerichts bei dem Oberlandesgericht E. innehat, erstellte für den Beigeladenen, den Präsidenten des Landgerichts E. , für den Beurteilungszeitraum vom 00.00.0000 bis zum 00.00.0000 eine Anlassbeurteilung. Für den Teilbeurteilungszeitraum vom 00.00.0000 bis zum 00.00.0000 holte er einen Beurteilungsbeitrag seiner bis zu diesem Stichtag das Amt wahrnehmenden Amtsvorgängerin ein. Für den gesamten nachfolgenden Teilbeurteilungszeitraum stützte er die dienstliche Beurteilung der Leistungen des Beigeladenen auf seine eigene Anschauung.
37Demgegenüber verfügte der Beurteiler, der Präsident des Oberlandesgerichts E. , für den Zeitraum vom 00.00.0000 bis zum 00.00.0000 über keine ausreichende Erkenntnisbasis für die dienstliche Beurteilung des Beigeladenen.
38Seine für diesen Zeitraum gewonnenen eigenen Erkenntnisse über die Eignung, Leistung und Befähigung des Beigeladenen basieren ausschließlich auf den in seinem vorherigen Amt als Abteilungsleiter der Abteilung A. erworbenen Anschauungen. Die aus einer solchen, lediglich mittelbaren dienstlichen Beziehung gewonnenen Erkenntnisse sind grundsätzlich nicht geeignet, eine hinreichend tragfähige Tatsachengrundlage über die erbrachten Leistungen im hier fraglichen statusrechtlichen Amt des Beigeladenen zu vermitteln. Es ist weder substantiiert vorgetragen noch erschließt sich von selbst, dass der Beurteiler in dem seinerzeitigen Amt als Abteilungsleiter A. aus eigener Zusammenarbeit mit dem Beigeladenen oder aus sonstigem Kontakt mit ihm ausreichende eigene Wahrnehmungen und Eindrücke sammeln konnte, die ein umfassendes, plastisches und zutreffendes Bild von dessen Leistungen und Befähigungen gemessen an dessen Amt eines Richters der Besoldungsgruppe R 6 LBesG NRW gezeichnet haben. Insbesondere ist nichts dafür ersichtlich, dass diese Eindrücke nach Quantität und Qualität denjenigen des seinerzeitigen – vertretungsweise amtierenden – Präsidenten des Oberlandesgerichts E. entsprachen. Der schriftsätzliche Vortrag, der Beurteiler habe sich auch in Bezug auf diesen Zeitraum in seiner damaligen Funktion als Abteilungsleiter A. unter Einholung der erforderlichen Informationen ein eigenes Bild von den Leistungen und Fähigkeiten des Beigeladenen gemacht, macht Derartiges nicht nachvollziehbar.
39Im Übrigen könnte erwogen werden, ob die Beschränkung des Beurteilers auf seine für diesen Zeitraum gewonnenen eigenen Erkenntnisse über die Eignung, Leistung und Befähigung des Beigeladenen auch deshalb grundsätzlichen rechtlichen Bedenken begegnet, weil der Beurteiler in dem entsprechenden Zeitraum (noch) kein Amt der Judikative innehatte. Dies könnte deshalb problematisch sein, weil er in diesem Zeitraum folglich einer anderen Staatsgewalt angehörte, deren Interessenlagen denjenigen der Judikative jedenfalls nicht deckungsgleich sind. Im Ergebnis kommt es hierauf jedoch nach den vorstehenden Ausführungen nicht mehr entscheidend an.
40Der Beurteiler war deshalb darauf angewiesen und gemäß Art. 33 Abs. 2 GG auch verpflichtet, sich die fehlenden Erkenntnisse anderweitig zu verschaffen. In Betracht kam insoweit die Einholung eines Beurteilungsbeitrags des Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts E. , der in der Zeit vom 00.00.0000 bis zum 00.00.0000 die Aufgaben des Präsidenten des Oberlandesgerichts vertretungsweise wahrgenommen hatte.
41Die Einholung eines Beurteilungsbeitrags war nicht ausnahmsweise entbehrlich.
42Eine Notwendigkeit zur Einholung eines Beurteilungsbeitrags besteht nur dann nicht, wenn gemessen am Gesamtbeurteilungszeitraum durch den Beurteilungsbeitrag lediglich ein sehr kurzer Zeitraum abzudecken wäre.
43Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. April 2019 – 1 A 1285/17 –, juris Rn. 15.
44Dies ist hier nicht der Fall. Der Zeitraum von rund acht Monaten, für den kein Beurteilungsbeitrag eingeholt wurde, ist gemessen am Gesamtbeurteilungszeitraum von knapp 75 Monaten erheblich. Die von dem Beigeladenen während dieser Zeitspanne, die gut 10 Prozent des Gesamtbeurteilungszeitraums erfasst, erbrachten Leistungen sind geeignet, das Gesamtleistungsbild des Beigeladenen wesentlich zu beeinflussen. Diese Zeitspanne liegt sowohl hinsichtlich ihrer abstrakten Dauer als auch hinsichtlich des prozentualen Anteils am Beurteilungszeitraum oberhalb der in der jüngeren obergerichtlichen Rechtsprechung für unerheblich gehaltenen Zeiträume.
45Vgl. zu ähnlichen Zeiträumen: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24. Januar 2011 – 1 A 1810/08 –, juris Rn. 69; Urteil vom 27. Juni 2013 – 6 A 1449/11 –, juris Rn. 52 sowie Beschluss vom 14. März 2016 – 1 B 1512/15 –, juris Rn. 15 f. mit weiteren zahlenmäßigen Nachweisen.
46bb)
47Der Beurteiler war auch nicht aufgrund rechtlicher Unmöglichkeit von der Verpflichtung zur Einholung eines Beurteilungsbeitrags befreit. Der Vizepräsident des Oberlandesgerichts E. stellt eine geeignete Informationsquelle über die vom Beigeladenen während des Zeitraums vom 00.00.0000 bis zum 00.00.0000 gezeigten Leistungen dar.
48Seine Beteiligung am Beurteilungsverfahren verstößt nicht gegen das aus Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitende Prinzip des fairen Verfahrens. Es gibt keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass der Beurteiler von einem Beamten/Richter, der ein – wie hier um zwei Besoldungsgruppen – niedrigeres Statusamt als der zu beurteilende Beamte/Richter innehat, keinen Beurteilungsbeitrag einholen darf. Die insoweit für Beurteiler anerkannten Grundsätze sind nicht auf Beurteilungsbeiträge leistende Amtsträger übertragbar. Der Beurteiler und der Beamte/Richter, der (lediglich) einen Beurteilungsbeitrag leistet, nehmen unterschiedliche Funktionen im Beurteilungsgefüge wahr, mit denen divergierende rechtliche Anforderungen korrespondieren.
49Als Beurteiler sind zwar grundsätzlich diejenigen Beamten/Richter ausgeschlossen, die das gleiche oder ein niedrigeres Statusamt innehaben als der zu beurteilende Beamte/Richter.
50Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 1. März 2018 – 2 A 10/17 –, juris Rn. 16.
51Dies rechtfertigt sich daraus, dass ein Beurteiler, der ein niedrigeres Statusamt innehat als der zu Beurteilende, grundsätzlich nicht in der Lage ist, die Leistungen des Beamten/Richters gemessen an dessen Statusamt, das er selbst nicht innehat und dessen Anforderungen er nicht notwendig kennt, zu bewerten und gleichzeitig diese Leistungen ins Verhältnis zu den Leistungen anderer Beamter/Richter mit demselben – höheren – Statusamt zu setzen. Ihm fehlt im Regelfall auch der Überblick über die Leistungsfähigkeit der beschäftigten Beamten/Richter einer höheren Besoldungsgruppe.
52Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 1. März 2018 – 2 A 10/17 –, juris Rn. 16; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21. März 2017 – 1 B 1361/16 –, juris Rn. 8 ff.
53Ein Beurteiler im gleichen Statusamt scheidet in der Regel deshalb aus, weil die potentielle Konkurrenzsituation zwischen Beurteiler und dem zu beurteilenden Beamten/Richter die erforderliche Neutralität und Objektivität des Beurteilers beeinträchtigen kann. Es soll der „böse Schein" vermieden werden, die Beurteilung erfolge wegen einer abstrakt möglichen Konkurrenzsituation nicht unvoreingenommen.
54Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 1. März 2018 – 2 A 10/17 –, juris Rn. 16; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29. September 2005 – 1 A 4240/03 –, juris Rn. 36 sowie Beschluss vom 14. Juli 2017 – 1 B 98/17 –, juris Rn. 8.
55Diese Grundsätze sind aber nicht auf die einen Beurteilungsbeitrag liefernden Amtsträger übertragbar.
56Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz, wonach der zur Entscheidung berufene Amtsträger bei der Ermittlung des maßgeblichen Tatsachenstoffs bestimmte mögliche Auskunftspersonen von vornherein nicht heranziehen darf, weil diese einen Grund haben könnten, unrichtige Angaben zu machen. Vielmehr muss auch die Ermittlung des Sachverhalts, auf den ein höchstpersönliches Werturteil gestützt werden soll, umfassend angelegt sein und darf zugängliche und greifbare Erkenntnisquellen nicht von vornherein aussparen und auf das Wissen mit dem Sachverhalt vertrauter Auskunftspersonen verzichten.
57Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21. März 2007 – 2 C 2/06 –, juris Rn. 10.
58Die Gefahr, dass potenzielle Mitbewerber um ein Beförderungsamt durch Erteilung einer schlechten Beurteilung benachteiligt werden, besteht so nicht, wenn ein statusgleicher oder statusniedrigerer Beamter/Richter mündlich zu beurteilungsrelevanten Gesichtspunkten vorträgt oder er einen den Beurteiler nicht bindenden schriftlichen Beurteilungsbeitrag erstellt. Vielmehr verbleibt in diesem Fall die endgültige Erstellung der dienstlichen Beurteilung und damit sowohl die Entscheidung über die Bewertung der Einzelmerkmale als auch die Entscheidung über die Gesamtnote verantwortlich in den Händen einer anderen Person, des Beurteilers. Das Ausmaß der (möglichen) Einflussnahme des statusgleichen oder statusniedrigeren Beamten/Richters auf die dienstliche Beurteilung des Konkurrenten ist somit ungleich geringer als in Fällen, in denen ein statusgleicher oder statusniedrigerer Beamter/Richter die Beurteilung selbst erstellt. Da ein solches Konkurrenzverhältnis auf der Hand liegt, ist es dem Beurteiler in der Regel auch bewusst, so dass er es in seine Würdigung der erhaltenen Informationen mit einbeziehen kann. Aufgrund dieser „Filterung" des Beurteilungsbeitrags durch den zuständigen Beurteiler verstößt die Beteiligung eines statusgleichen oder statusniedrigeren Beamten/Richters am Beurteilungsverfahren nur dann gegen die Grundsätze der Chancengleichheit und des fairen Verfahrens, wenn die erteilten Informationen für den beurteilten Beamten/Richter nachteilige Äußerungen enthalten und der Beurteiler diese ungeprüft übernimmt. Die Situation ähnelt damit in gewisser Weise derjenigen bei Befragung eines gegenüber dem beurteilten Beamten/Richters voreingenommenen Vorgesetzten, die (ebenfalls) nicht automatisch die Rechtswidrigkeit dieser Beurteilung nach sich zieht.
59Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29. September 2005 – 1 A 4240/03 –, juris Rn. 45 ff.; a.A. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 23. Mai 1990 – 3 B 89.03631 –, juris Rn. 19.
60Zudem wird die Möglichkeit einer Voreingenommenheit des statusgleichen oder statusniedrigeren Amtsträgers, der einen Beurteilungsbeitrag leistet, hier schon dem Grunde nach nicht virulent und steht damit der Einholung eines Beurteilungsbeitrags des Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts E. auch deshalb nicht entgegen, weil eine Konkurrenzsituation zwischen diesem und dem Beigeladenen nicht ersichtlich ist.
61Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14. Juli 2017 – 1 B 98/17 –, juris Rn. 10; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 23. April 2019 – 6 CE 19.76 –, juris Rn. 16.
62Der Vizepräsident des Oberlandesgerichts E. verfügt über aussagekräftige Erkenntnisse über die Tätigkeiten des Beigeladenen während des Zeitraums vom 00.00.0000 bis zum 00.00.0000. Diese wurden ihm im Rahmen der vertretungsweisen Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten des Oberlandesgerichts E. während der Vakanz dieser Stelle vermittelt. Er dürfte aufgrund seines Erfahrungshorizonts als Stellvertreter des Präsidenten – auch wenn er ein um zwei Besoldungsgruppen niedrigeres Statusamt innehat als der zu beurteilende Präsident des Landgerichts – in der Lage sein, die Leistungen des Beigeladenen in diesem Zeitraum dem zuständigen Beurteiler angemessen zu vermitteln.
63Aufgrund des dargelegten Mangels der dienstlichen Beurteilung des Beigeladenen kommt es nicht entscheidungserheblich darauf an, ob die zugunsten des Beigeladenen getroffene Auswahlentscheidung noch aus weiteren Gründen rechtfehlerhaft ist. Insofern dürfte insbesondere fraglich sein, ob die Berücksichtigung der Tätigkeit des Beigeladenen als Vorsitzender des Präsidialrats mit § 17 Abs. 2 Richter- und Staatsanwältegesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (LRiStaG) im Einklang steht.
64Vgl. Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 17. März 2003 – 7 A 295.02 –, juris Rn. 12 ff.; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 25. Mai 2011 – 3 CE 11.605 –, juris Rn. 50.
65b)
66Der nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO sicherungsfähige Bewerbungsverfahrensanspruch streitet auch insofern zugunsten der Antragstellerin, als die Möglichkeit besteht, dass die noch zu treffende rechtmäßige Auswahlentscheidung zur Besetzung der Stelle mit ihr führen kann.
67Die Verweigerung vorläufigen Rechtsschutzes kann nur dann in Betracht kommen, wenn im Sinne einer „offensichtlichen Chancenlosigkeit“ von vornherein ausgeschlossen erscheint, dass die Wiederholung des Auswahlverfahrens unter Vermeidung der Rechtsverletzung zu einer günstigeren Entscheidung für die Antragstellerin führen kann.
68Vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 25. November 2015 – 2 BvR 1461/15 –, juris Rn. 20; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14. März 2016 – 1 B 1512/15 –, juris Rn. 19.
69Eine solche „offensichtliche Chancenlosigkeit“ liegt nicht vor.
70Es ist nicht auszuschließen, dass die Antragstellerin bei einer erneut zu treffenden Auswahlentscheidung nach den Grundsätzen der Bestenauslese auf Grundlage eines Qualifikationsvergleichs anhand der dienstlichen Beurteilungen der Antragstellerin und der neu zu erstellenden dienstlichen Beurteilung des Beigeladenen ausgewählt wird. Es erscheint jedenfalls möglich, dass der Beigeladene bei Würdigung seiner Leistungen im gesamten Beurteilungszeitraum eine in Nuancen andere dienstliche Beurteilung erhält und sich das den gesamten Beurteilungszeitraum umfassende Leistungsbild des Beigeladenen im Rahmen der Ausschöpfung der dienstlichen Beurteilungen zugunsten der Antragstellerin auswirkt.
71II.
72Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, da er keinen Antrag gestellt und sich damit nicht selbst einem Risiko der Auferlegung von Kosten gemäß § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat.
73Die Streitwertfestsetzung erfolgt auf der Grundlage der §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1, 6 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 bis 4 Gerichtskostengesetz (GKG).