Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
2Der Kläger wurde am °°. März 2016 in E. geboren und ist eritreischer Staatsangehöriger. Seiner Mutter wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 21. April 2017 der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt und der Asylantrag im Übrigen abgelehnt. Die hiergegen vor dem erkennenden Gericht unter dem Aktenzeichen 1a K 5753/17.A erhobene Klage hat das Gericht im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 9. Juli 2018 abgewiesen. Die Vaterschaft für den Kläger hat am 29. März 2016 der ebenfalls eritreische Staatsangehörige Herr F. H. anerkannt, dem durch Bescheid des Bundesamtes vom 3. Mai 2016 die Flüchtlingseigenschaft zugesprochen wurde.
3In ihrer eigenen Anhörung vor dem Bundesamt am 9. Januar und 13. April 2017 gab die Mutter des Klägers unter anderem an, dass sie in Eritrea mit 15 Jahren verheiratet worden sei. Ihr Ehemann sei 2007 aus dem Nationaldienst ins Ausland desertiert und habe sie verlassen.
4Am 22. Mai 2017 wurde für den Kläger seitens seiner vormals Verfahrensbevollmächtigten ein Asylantrag gestellt. Die Beklagte übersandte daraufhin mit Schriftsatz vom 31. Januar 2018 diverse Unterlagen und teilte das Aktenzeichen des Bundesamtes mit. Eigene Verfolgungsgründe wurden für den Kläger in der Folgezeit nicht geltend gemacht.
5Mit Bescheid des Bundesamtes vom 8. Februar 2018 wurde dem Kläger der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt (Ziffer 1.), während die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und der Asylberechtigung abgelehnt wurden (Ziffern 2. und 3.). Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Bundesamt aus, dass die Mutter ebenfalls den subsidiären Schutzstatus erhalten habe, so dass dem Kläger nach den Grundsätzen des internationalen Schutzes für Familienangehörige der identische Schutzstatus zuzuerkennen sei. Demgegenüber könne er von der Mutter keinen höherrangigen Schutzstatus ableiten.
6Der Bescheid wurde am 9. Februar 2018 zur Post gegeben. Der Kläger hat hiergegen am 15. Februar 2018 Klage erhoben. Zur Begründung verweist er zunächst auf den Vortrag seiner Mutter. Ergänzend führt er aus, dass sein Vater die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt bekommen habe, so dass er jedenfalls deswegen den identischen Schutzstatus beanspruchen könne. Das von seinem Vater abgegebene Vaterschaftsanerkenntnis sei auch nicht etwa deswegen nichtig, da seine Mutter in Eritrea bereits mit einem anderen Mann verheiratet gewesen sei, ohne dass diese Ehe formell aufgelöst wurde. Es sei nämlich nicht anzunehmen, dass deren erste Eheschließung Gültigkeit beanspruchen könne. Dies sei schon vor dem Hintergrund fraglich, dass seine Mutter damals erst 15 Jahre alt gewesen sei. Zudem sei sie nur religiös verheiratet gewesen, was auch in Eritrea für eine gültige Ehe weder nach dem alten noch nach dem neuen, ab dem Jahr 2015 gültigen Familienrecht ausreiche. Auf diesem Rechtsstandpunkt stehe ausweislich diverser Bundestagsdrucksachen auch das Auswärtige Amt, welches bei Verfahren zum Familiennachzug bei nur religiös geschlossenen Ehen die Vorlage einer zivilen Registrierung einfordere. Sofern das erkennende Gericht dies anders sehe, beantrage er hilfsweise die Einholung einer Stellungnahme des Auswärtigen Amtes zu dieser Frage. Im Übrigen sei die Vorlage von Nachweisen über die Vaterschaft insofern nicht entscheidend, als es nach Art. 2 Buchst. j) der Richtlinie 2011/95/EU vom 13. Dezember 2011 (sog. Qualifikationsrichtlinie) für den Begriff des familienangehörigen Kindes gleichgültig sei, ob es sich nach dem nationalen Recht um ein eheliches oder außerehelich geborenes oder adoptiertes Kind handele.
7Ursprünglich hat der Kläger beantragt, die Beklagte zu verpflichten, ihm die Asylberechtigung und die Flüchtlingseigenschaft zu gewähren. Das erstgenannte Begehren hat er in der mündlichen Verhandlung am 9. Juli 2018 zurückgenommen.
8Der Kläger beantragt nunmehr,
9die Beklagte unter Aufhebung von Ziffer 2. des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 8. Februar 2018 zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Das Gericht hat das Verfahren mit Beschluss vom 12. April 2018 auf den Einzelrichter übertragen. In der mündlichen Verhandlung am 9. Juli 2018 ist kein Vertreter der Beklagten erschienen.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gerichtsakte im Verfahren der Mutter sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der vorgenannten Personen und des Herrn F. H. Bezug genommen.
14Entscheidungsgründe:
15Das Gericht kann durch den Einzelrichter entscheiden, da die Rechtssache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder grundsätzliche Bedeutung hat (§ 76 Abs. 1 des Asylgesetzes – AsylG –).
16Das Gericht entscheidet gemäß § 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – trotz des Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung. Auf diese Möglichkeit ist sie mit der Ladung hingewiesen worden.
17Soweit der Kläger die Klage in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen hat, wird das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO eingestellt.
18Im Übrigen hat die Klage keinen Erfolg, da sie zwar zulässig, aber unbegründet ist. Der Bescheid der Beklagten vom 8. Februar 2018, in welchem dem Kläger der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt, sein Asylantrag im Übrigen aber abgelehnt wurde, ist rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –). Denn der Kläger kann zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AsylG) die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht beanspruchen.
19Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, wenn er sich (1.) aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (2.) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, (a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder (b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Gemäß § 3c AsylG kann die Verfolgung ausgehen von (1.) dem Staat, (2.) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder (3.) nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1. und 2. genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative. Die relevanten Verfolgungshandlungen und Verfolgungsgründe ergeben sich aus § 3a und § 3b AsylG. Dabei ist unerheblich, ob der betroffene Ausländer ein zur Verfolgung führendes Merkmal tatsächlich aufweist, sofern ihm ein solches Merkmal von seinem Verfolger zugeschrieben wird (§ 3b Abs. 2 AsylG).
203. Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen der vorgenannten Vorschriften nicht in eigener Person. Er wurde am °°. März 2016 in Deutschland geboren und kann keine eigenständigen Verfolgungsgründe geltend machen, welche eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft rechtfertigen könnten. Insbesondere trifft ihn die Einziehung zum Nationaldienst, dem Männer und Frauen in Eritrea vom 18. bis zum 50. Lebensjahr unterliegen,
vgl. Art. 6 der Proklamation Nr. 82/1995 über den Nationalen Dienst, Gesetzesblatt Eritrea Nr. 11 vom 23. Oktober 1995, englische Übersetzung: www.refworld.org/docid/ 3dd8d3af4.html,
23(noch) nicht, da er erst dreieinhalb Jahre alt ist. Im Übrigen knüpft weder die Einziehung zum Nationaldienst noch die drohende Sanktionierung wegen der Entziehung von selbigem an flüchtlingsrelevante Merkmale an.
24Vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 17. Mai 2017 – 1a K 1931/16.A –, juris Rn. 49 und Rn. 55 ff. m.w.N.; vgl. für Familienangehörige von Deserteuren zuletzt auch VG Düsseldorf, Urteil vom 9. November 2017 – 6 K 13718/16.A –, juris Rn. 65 ff.
252. Für den Kläger kommt auch keine abgeleitete Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach den Vorschriften zum internationalen Schutz für Familienangehörige gemäß § 26 AsylG in Betracht. Nach dessen Abs. 2 wird ein zum Zeitpunkt seiner Asylantragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylberechtigten auf Antrag als asylberechtigt anerkannt, wenn die Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter unanfechtbar ist und diese Anerkennung nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist. Gemäß Abs. 5 Satz 1 und 2 sind auf Familienangehörige im Sinne der Abs. 1-3 von international Schutzberechtigten die Abs. 1-4 entsprechend anzuwenden, wobei anstelle der Asylberechtigung die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz tritt.
26Aus den vorgenannten Vorschriften folgt keine abgeleitete Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zugunsten des Klägers.
27Dies gilt zunächst mit Blick auf seine Mutter. Denn diese hat – wie der Kläger – durch Bescheid vom 21. April 2017 lediglich den subsidiären Schutzstatus erhalten. Die hiergegen erhobene Klage vor der erkennenden Kammer wurde auf die mündliche Verhandlung vom 9. Juli 2018 hin abgewiesen.
28Ebenfalls kann sich der Kläger nicht auf den Flüchtlingsstatus von Herrn F. H. berufen. Dieser hat zwar bezüglich dem Kläger am 29. März 2016 die Vaterschaft anerkannt. Diese Vaterschaftsanerkennung ist jedoch unwirksam.
293) Dies gilt zunächst dann, wenn man diesbezüglich das deutsche Recht zugrunde legt, wie dies von Art. 19 Abs. 1 Satz 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch – EGBGB – vorgesehen ist. Danach richtet sich die Abstammung eines Kindes nach dem Recht des Staates, in dem dieses seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dieses Land ist bei dem Kläger Deutschland, da er hier geboren wurde und aufgrund des ihm und der Mutter zukommenden Schutzstatus auch nicht anzunehmen ist, dass er dieses Land in näherer Zukunft verlassen wird.
30Ausgehend hiervon ist die Vaterschaftsanerkennung von Herrn F. H. nach § 1594 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs – BGB – unwirksam. Danach ist ein Vaterschaftsanerkenntnis dann unwirksam, wenn die Vaterschaft eines anderen Mannes besteht. Dies ist vorliegend der Fall. Denn die Mutter des Klägers ist nach eigener Aussage bereits in Eritrea mit einem Mann nach religiösem Ritus verheiratet, ohne dass diese Ehe in der Folgezeit aufgelöst wurde. Insbesondere hat die Mutter des Klägers selbst in der mündlichen Verhandlung am 9. Juli 2018 auf Nachfrage des Gerichts angegeben, dass ihre frühere Ehe nicht geschieden worden sei. Damit ist aber gemäß § 1592 Nr. 1 BGB, wonach Vater eines Kindes der Mann ist, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist, bereits diejenige Person, mit welcher die Mutter des Klägers in Eritrea die Ehe geschlossen hat, als sein Kindesvater anzusehen.
31Es ist auch nicht anzunehmen, dass die in Eritrea geschlossene Ehe der Mutter ihrerseits unwirksam ist.
32Dies gilt zunächst mit Blick darauf, dass die Mutter des Klägers nach eigenen Angaben bereits mit 15 Jahren geheiratet hat. Zwar sah die zum Zeitpunkt ihrer Eheschließung in Eritrea geltende Proklamation Nr. 2/1991 über das vorläufige Zivilgesetzbuch – VZGB –,
33zitiert nach Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, 162. Lieferung, Eritrea, S. 22 ff.,
34in dem damals inkorporierten Art. 46 des vormaligen EPLF-Zivilgesetzbuches grundsätzlich die Vollendung des 18. Lebensjahres als Eheerfordernis vor. Jedoch kam nach Art. 587 in Verbindung mit Art. 309 VZGB auch die Eheschließung eines Minderjährigen mit dessen Zustimmung sowie derjenigen seines Vormunds in Betracht. Dass die Mutter des Klägers zu ihrer damaligen Heirat gegen ihren Willen gezwungen wurde, hat sie aber nicht vorgetragen. Dies folgt auch nicht implizit allein aus ihrer Aussage während der ersten Anhörung am 9. Januar 2017, dass sie verheiratet worden sei, obwohl sie gerne länger zur Schule gegangen wäre. Denn vor dem Hintergrund, dass in Eritrea eine möglichst frühe Heirat mit anschließender Mutterschaft für Frauen den Vorteil bietet, dem ansonsten drohenden Nationaldienst zu entgehen,
35vgl. zu dieser Praxis die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH), Eritrea: Nationaldienst, Themenpapier der SFH-Länderanalyse vom 30. Juni 2017, S. 11,
36kann aus der vorgenannten Äußerung nicht geschlossen werden, dass die Mutter des Klägers einer Vermeidung der Eheschließung unter späterer Teilnahme am Nationaldienst den Vorzug gegeben hätte. Dies gilt zusätzlich insofern, als sie auch in ihrem eigenen Klageverfahren die drohende Einziehung in den Nationaldienst als Verfolgungsgrund geltend gemacht und damit zu erkennen gegeben hat, dass sie diesen fürchtet.
37Nichts anders gilt unter Berücksichtigung deutschen Rechts. Insofern bestimmt Art. 13 Abs. 1 EGBGB zunächst, dass für die Wirksamkeit der Eheschließung auf das Recht des Staates, dem der jeweilige Ehepartner angehört, hier also das eritreische Recht, abzustellen ist. Zwar sieht Abs. 3 Nr. 1 der Vorschrift weiterhin vor, dass dann, wenn die Ehemündigkeit eines Verlobten nach Abs. 1 ausländischem Recht unterliegt, die Ehe nach deutschem Recht unwirksam ist, wenn der oder die Verlobte im Zeitpunkt der Eheschließung das 16. Lebensjahr nicht vollendet hatte. Diese Vorschrift erfasst die Mutter des Klägers nach Maßgabe der Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 44 Abs. 3 EGBGB aber nicht. Danach greift die Vorschrift des Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB nämlich dann nicht ein, wenn der minderjährige Ehegatte vor dem 22. Juli 1999 geboren wurde. Dies ist hinsichtlich der Mutter des Klägers, die nach eigenen Angaben im Jahr 1989 geboren sein will, der Fall. Es ist auch nicht anzunehmen, dass der Ehemann der Mutter vor dem 22. Juli 1999 geboren wurde, da er dann zum Zeitpunkt der von der Mutter vorgetragenen Heirat im Jahr 2003 maximal vier Jahre alt gewesen wäre, was nicht dazu passt, dass er im Anschluss an die Eheschließung als Soldat nach T. gegangen sein soll.
38Weiterhin ist die von der Mutter des Klägers noch in Eritrea eingegangene Ehe auch nicht deswegen unwirksam, da diese nach ihren eigenen Angaben nur religiös geschlossen wurde. Denn nach Art. 577 VZGB erkannte der eritreische Staat zum Zeitpunkt der Heirat auch diejenigen Eheschließungen an, die entsprechend der Religion der Parteien oder den örtlichen Gewohnheiten erfolgten. Und in Art. 625 Abs. 3 VZGB war hinsichtlich der Wirkungen der Ehe geregelt, dass es keinen Unterschied mache, ob die Ehe vor einem Zivilstandesbeamten oder ob sie gemäß den durch Religion oder die Gewohnheit vorgesehenen Formen geschossen wurde.
39Vgl. auch Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, 162. Lieferung, Eritrea, S. 15, wonach nicht nur die staatliche Zivilehe anerkannt wird, sondern genauso eine Ehe, welche in der Form einer der im Lande vorhandenen Religionen geschlossen wurde.
40Umstritten ist diesbezüglich lediglich die Frage, ob für die Wirksamkeit der religiösen Ehe zusätzlich noch eine Eintragung in das Zivilregister der jeweiligen kleinsten Verwaltungseinheit in Eritrea („Kebabi“-Register) erforderlich ist. Insofern wurde in Art. 48 EPLF-ZGB, der hinter den Vorschriften zu den Formen der Eheschließung in das VZGB inkorporiert war, gefordert, dass eine geschlossene Ehe gleich welcher Form in das Eheregister der Volksversammlung am Ort des Aufenthalts der Eheleute einzutragen ist, und dies in Gegenwart von drei Zeugen während oder nach der Eheschließung. Hierbei wird aus der Vorschrift selbst aber nicht unmittelbar erkennbar, ob es sich um eine konstitutive Voraussetzung für die Wirksamkeit der Ehe oder lediglich um eine deklaratorische Bestimmung im Sinne einer Ordnungsvorschrift handelt, welche lediglich die Publizität der Eheschließung für die Behörden sichern soll.
41Die Mutter des Klägers hat in der mündlichen Verhandlung keine Angaben dazu gemacht, ob ihre religiöse Eheschließung im Anschluss auch in das Zivilregister eingetragen wurde. Selbst wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, geht die erkennende Kammer jedoch davon aus, dass ihre Eheschließung in Eritrea wirksam geworden ist.
42Hierfür spricht zunächst, dass die eritreischen Behörden die Ehe der Mutter des Klägers offenbar selbst als wirksam behandelt haben. Denn ihr wurden nach ihrer Aussage bis zur Flucht ihres Mannes aus dem Militärdienst Leistungen des eritreischen Staates, namentlich Rationskarten für Zucker und andere Lebensmittel, zugewendet. Zudem hatte die Mutter des Klägers nach eigenen Angaben das Recht auf landwirtschaftliche Tätigkeiten in dem Ort, in dem sie mit ihrem Ehemann gelebt hat. Dieses Recht ist auf Art. 15 der Proklamation Nr. 58/1994 über den Landbesitz,
43abgedruckt bei Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, 162. Lieferung, Eritrea, S. 52,
44zurückzuführen, wonach eritreische Eheleute persönliche Rechte an zu Ackerbauzwecken gewidmeten Land entweder am Ort ihres ständigen Aufenthalts oder an dem Ort, an welchem sie sich dauerhaft niederlassen wollen, erhalten. Die vorgenannten Leistungen wurden erst mit der Desertion des Ehemanns aus dem Nationaldienst gestrichen, wobei diese Bestrafung nicht nur von Soldaten, sondern nach Aussage der Mutter auch von den Verwaltungsbeamten ihres Bezirks betrieben wurde. Im Übrigen geht auch die Mutter selbst in ihrer Klagebegründungsschrift vom 20. April 2018 im Verfahren 1a K 5753/17.A, dort S. 17 ff., davon aus, dass der eritreische Staat ihre damalige Ehe als wirksam ansieht. Denn sie verweist in diesem Schriftsatz explizit auf Gefahren, die ihr bei einer Rückkehr nach Eritrea als Familienangehöriger eines Deserteurs drohen.
45Für die Wirksamkeit einer (nur) religiösen Eheschließung ohne Eintragung in das Zivilregister spricht weiterhin auch die Auslegung einschlägiger Bestimmungen des VZGB. So sah Art. 48 EPLF-ZGB zwar die Eintragung in das Eheregister vor, benannte hierfür aber keine konkrete zeitliche Frist, sondern bestimmte lediglich, dass selbige „während oder nach“ der Eheschließung vorzunehmen war. Im Fall, dass man die Eintragung als Wirksamkeitsvoraussetzung interpretieren würde, könnte sich danach an die eigentliche Eheschließung eine längere Zeitspanne – im Extremfall mehrere Jahre – anschließen, in denen eine Ehe vollzogen wird, aber mangels Eintragung im Register schwebend unwirksam wäre. Zudem verweist Art. 605 Abs. 2 VZGB für die allgemeinen Gültigkeitsvoraussetzungen, die auch bei einer religiösen Ehe „in jedem Fall beachtet“ werden müssen, (nur) auf die Vorschriften der Art. 582-596 VZGB und damit nicht auf das Registrierungserfordernis des Art. 48 EPLF-ZGB. Schließlich sah Art. 698 VZGB für den Beweis der Eheschließung die Vorlage der Heiratsurkunde als ausreichend an, die bei oder nach der Eheschließung gemäß dem Gesetz errichtet wurde, ohne dass zusätzlich der Registerauszug über die Eintragung der Ehe erwähnt wird. Alle diese Überlegungen weisen danach auf ein Verständnis des Art. 48 EPLF-ZGB als reine Ordnungsvorschrift hin.
46Nichts anderes ergibt sich schließlich aus dem Inkrafttreten des neuen eritreischen Zivilgesetzbuchs – ZGB – im Mai 2015,
47herunterzuladen unter http://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=7&ved=0ahUKEwjXr9DL25vcAhXCUlAKHU-ZcpEQFghWMAY&url=http%3A%2F%2Fportal.vindburgerzaken.nl%2FStippWebDLL%2FResources%2FHandlers%2FDownloadBestand.ashx%3Fid%3D2000020146&usg=AOvVaw2AIHSIxXZ0CZG6vsIjj1sm,
48welches das VZGB ab dem vorbenannten Zeitpunkt abgelöst hat. Ausweislich der bereits von der Prozessbevollmächtigten benannten Position des Auswärtigen Amtes, wie sie in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage von Abgeordneten und der Fraktion „Die Linke“ aus dem Jahr 2017 deutlich wird,
49BT-Drucks. 18/13359, S. 10,
50führte dieses zwar auf die Frage, aus welchem Grund von nachzugswilligen Ehegatten aus Eritrea seit Herbst 2016 unter anderem die Registrierung der Eheschließung verlangt wird, aus, dass der eritreische Gesetzgeber im Jahr 2015 nochmals klargestellt habe, dass jede religiöse oder gewohnheitsrechtliche Eheschließung zu ihrer Wirksamkeit beim Standesamt registriert werden müsse. Der Nachweis über die Registrierung werde daher als Nachweis des Bestehens einer Ehe verlangt.
51Dieser Ansicht vermag die erkennende Kammer jedoch nicht zu folgen. Unabhängig davon, dass keine Anzeichen dafür ersichtlich sind, dass die in Art. 545 Abs. 3 des seit Mai 2015 geltenden ZGB wiederum geregelte Pflicht zur Eintragung religiös geschlossener Ehen in das Zivilregister anders zu verstehen ist als im Vorgängergesetzbuch des VZGB, ist insofern die Regelung des Art. 2775 ZGB zu beachten. Nach dessen Abs. 1 bleiben, sofern nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, rechtliche Verhältnisse, die vor Inkrafttreten des neuen Gesetzbuchs entstanden sind, gültig, auch wenn die neuen Vorschriften die Bedingungen ändern, unter denen diese Verhältnisse entstehen können. Und nach Abs. 2 werden die Folgen, die sich aus den zuvor entstandenen Rechtsverhältnissen ergeben, durch das neue Gesetzbuch nicht berührt. Mangels ersichtlicher ausdrücklich abweichender Regelungen bezüglich in der Vergangenheit geschlossener Ehen ist danach davon auszugehen, dass eine unter dem alten Recht rechtsgültig erfolgte Heirat durch Inkrafttreten des neuen ZGB nicht tangiert wurde.
52Dass das Auswärtige Amt auch zum jetzigen Zeitpunkt noch an seiner vorgehend dargestellten Rechtsansicht festhält, wird im Übrigen dadurch in Zweifel gezogen, als es in einer weiteren Kleinen Anfrage von Mitgliedern und der Fraktion „Die Linke“ aus März 2018,
53BT-Drucks. 19/1407, S. 1 f.,
54heißt, dass nach deren Kenntnis das Auswärtige Amt inzwischen auf dem Standpunkt steht, dass die religiösen Ehen auch ohne zivilrechtliche Nachregistrierung gültig sind, und eine solche nur deswegen noch gefordert wird, um Zweifel an der Echtheit der eritreischen religiösen Eheurkunde zu beseitigen.
55Nach alledem geht das Gericht nicht davon aus, dass die Eintragung in das Zivilregister für die Wirksamkeit der nur religiös geschlossenen Ehe der Mutter des Klägers erforderlich gewesen ist.
56Ebenso aus der niederländischen Rechtsprechung: Rechtbank Den Haag, Entscheidung vom 5. Juli 2017 – 16 / 26926 –, zu finden unter https://uitspraken.rechtspraak.nl/inziendocument?id=ECLI:NL:RBDHA:2017:7423.
57Vor dem vorgenannten Hintergrund ist auch dem hilfsweise gestellten Beweisantrag des Klägers, durch Einholung einer Auskunft des Auswärtigen Amtes Beweis zu erheben über die Tatsache, dass eine nach religiösem Ritus in Eritrea zwischen eritreischen Staatsangehörigen geschlossene Ehe nicht wirksam ist, wenn diese nicht in das zivile Heiratsregister eingetragen wurde, und dass dies auch dann gilt, wenn die Ehe vor Inkrafttreten des neuen eritreischen Familiengesetzbuchs 2015 geschlossen wurde, nicht zu folgen.
58Der vorgenannte Antrag kann entsprechend § 98 VwGO in Verbindung mit § 244 Abs. 4 Satz 1 der Strafprozessordnung abgelehnt werden. Danach kann ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Denn die erkennende Kammer kann – wie dargelegt – die Bedeutung des Erfordernisses der Eintragung einer rein religiös geschlossenen Ehe in das eritreische Zivilregister durch Auslegung der jedenfalls in Übersetzung greifbaren Bestimmungen des VZGB und ZGB selbst bestimmen. Dass diese Auslegung nicht in Widerspruch zur eritreischen Praxis steht, wird bereits durch die Behandlung der durch die Mutter des Klägers in Eritrea geschlossenen Ehe deutlich.
59Lediglich ergänzend ist danach darauf zu verweisen, dass das Auslegungsergebnis des Gerichts auch durch eine Stellungnahme des Eritrea-Experten Günter Schröder vom Mai 2017,
60Günter Schröder, Marriage, Vital Events Registration & Issuance of Civil Status Documents in Eritrea, May 2017, herunterzuladen unter https://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=2&ved=0ahUKEwjXqIvYopzcAhXJAewKHQ6EBgkQFggxMAE&url=https%3A%2F%2Fwww.ecoi.net%2Ffile_upload%2F1930_1390233580_eritrea-marriage-pack-august-2013.pdf&usg=AOvVaw23eNB4Bk1C6zEPSkNpdLf_,
61bestätigt wird. Dort stellt er unter Berufung auf Juristen aus Eritrea dar, dass bereits unter der Geltung des VZGB nach der Rechtspraxis eine Ehe von dem Moment an als gültig angesehen wurde, wenn die jeweilige Trauung abgeschlossen war und der Priester das betroffene Paar zu Mann und Frau erklärt hatte. Weder das neue ZGB noch das vormals gültige VZGB hätten die Gültigkeit der Ehe abhängig von einer Registrierung gemacht, was mit Blick auf die in der Vergangenheit bestehenden fehlenden zivilen Ämter insbesondere in ländlichen Gebieten auch nicht möglich gewesen sei.
62Vgl. Günter Schröder, Marriage, Vital Events Registration & Issuance of Civil Status Documents in Eritrea, May 2017, Rn. 61, 86, 91.
63Auch die spätere Eheschließung der Mutter des Klägers mit Herrn F. H. , den sie nach ihrer Ausreise aus Eritrea in einem Flüchtlingslager in Äthiopien geheiratet haben will, führt nach § 1592 Nr. 1 BGB nicht zu dessen Vaterschaft als „neuer“ Ehemann. Denn unabhängig davon, ob für diese Eheschließung, die in Äthiopien und nicht in Eritrea stattgefunden hat, die vorgenannten Grundsätze über das fehlende Erfordernis einer zivilrechtlichen Registrierung entsprechend gelten, ist eine solche Heirat bei bestehender anderweitiger Ehe sowohl nach Art. 11 des äthiopischen Zivilgesetzbuchs,
64wiederum zitiert nach Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, 159. Lieferung, Äthiopien, S. 38,
65wie auch nach dem damals gültigen Art. 585 VZGB ausgeschlossen gewesen.
66b) Schließlich gilt auch dann nichts anderes, wenn man gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EGBGB, wonach die Abstammung im Verhältnis zu jedem Elternteil auch nach dem Recht des Staates bestimmt werden kann, dem dieser Elternteil angehört, bezüglich der Frage der Gültigkeit des Vaterschaftsanerkenntnisses auf die Voraussetzungen des eritreischen Rechts abstellt. Denn sowohl aus Art. 746 VZGB als auch Art. 661 ZGB ergibt sich – entsprechend dem deutschen Recht – der Grundsatz, dass das Vaterschaftsanerkenntnis eines Mannes nicht möglich ist, solange die Vaterschaft eines anderen Mannes besteht.
67c) Soweit der Kläger zuletzt vorträgt, es komme auf die Nachweise über die Vaterschaft nicht an, da nach Art. 2 Buchst. j) der Richtlinie 2011/95/EU für den Begriff des familienangehörigen Kindes allein darauf abzustellen sei, dass es sich um das minderjährige Kind einer Person handele, der internationaler Schutz zuerkannt worden sei, gleichgültig, ob es sich nach dem nationalen Recht um ein eheliches oder außerehelich geborenes oder adoptiertes Kind handele, führt auch dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn wie bereits der Wortlaut der Begriffsbestimmung, der auf das nationale Recht abstellt, nahelegt, kommt es jedenfalls darauf an, dass die Vaterschaft in rechtlicher Hinsicht gültig ist. Hierdurch werden gegenüber dem betroffenen Personenkreis auch keine unzumutbaren Hindernisse für die Zuweisung der Vaterschaft an den leiblichen Vater geschaffen. Diesbezüglich kann auf das Recht der Vaterschaftsanfechtung verwiesen werden, welches gemäß §§ 1599, 1600 BGB sowohl der Mutter, dem betroffenen Kind als auch einer anerkennungswilligen Person für zwei Jahre ab Kenntnis der Umstände eine Korrektur der bestehenden rechtlichen Vaterschaft ermöglicht. Dass der Aufenthaltsort des bisherigen Vaters als nach § 172 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit notwendig Beteiligten – wie vorliegend der Fall – unbekannt ist, hindert mit Blick auf die Möglichkeit einer öffentlichen Zustellung gemäß § 185 der Zivilprozessordnung – ZPO – die Durchführung eines Vaterschaftsanfechtungsprozesses nicht.
68Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 155 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit § 83b AsylG, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.