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Soweit das Verfahren für in der Hauptsache erledigt erklärt worden ist, wird es eingestellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu zwei Dritteln und das beklagte Land zu einem Drittel.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Neuerrichtung einer Maßregelvollzugsklinik durch das beklagte Land auf dem Grundstückskomplex Gemarkung M. , Flur 8, Flurstücke 16, 18, 19, 40, 41, 73, 90, 92, 95 (A. -Allee) in M. . Es handelt sich um einen Teil der oberirdischen Betriebsflächen der ehemaligen Zeche W. I/II. Deren Schachtanlagen waren bereits in den sechziger Jahren außer Betrieb genommen worden, hatten aber bis in die neunziger Jahre hinein teilweise zur Bewetterung der unterirdischen Anlagen gedient. Der Abschlussbetriebsplan stammt aus dem Jahre 2000. Die in Rede stehenden, von baulichen Anlagen inzwischen größtenteils freigeräumten und teilweise bodensanierten Flächen sind durch den Bebauungsplan Nr. 62 „W. “ aus dem Jahre 1980 überwiegend mit der Festsetzung „Sondergebiet Bergbaubetriebsfläche“, teilweise auch mit der Festsetzung „Industriegebiet“ beplant. Der im Jahre 1997 gefasste Beschluss zur Aufstellung eines neuen Bebauungsplans wurde von der Klägerin nicht weiter verfolgt. Von den Darstellungen des Flächennutzungsplans sind die Grundstücke ausdrücklich ausgenommen.
3Die Stadtbetrieb Abwasserbeseitigung M. AöR, die Klägerin des Parallelverfahrens 6 K 3298/15, ist Eigentümerin des benachbarten Grundstücks Gemarkung M. , Flur 8, Flurstück 94. Sie hatte dieses Grundstück erworben, um ein Regenrückhaltebecken zu bauen; diese Absicht ist bislang aber nicht umgesetzt worden.
4Auf dem südlich angrenzenden Grundstück Gemarkung M. , Flur 8, Flurstück 84 (A. -Allee 10) sowie dem östlich jenseits der A. -Allee gelegenen Grundstück Gemarkung B. , Flur 10, Flurstücke 1204, 1206, 1208 (zusätzliches Freilager) betreibt der Kläger des Parallelverfahrens 6 K 3307/15 seit 1993 einen Baustoffhandel (Fa. T. ). Für diesen Betrieb sind eine Baugenehmigung vom 22. Juni 1994 („Speditionsgebäude mit Wohnung – Baustoffhandel“), eine Baugenehmigung vom 4. Juli 1996 („Baustoff-Freilager“) und eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 12. März 2014 („Errichtung und Betrieb einer mobilen Siebanlage zum Sieben von Sand, Kies, Splitt und Schotter“) erteilt worden. Im Rahmen der vorgenannten Baugenehmigungen ist eine Betriebszeit an Werktagen „von 500-600 bis 1500-1800“ zugelassen. Die Siebanlage darf montags bis freitags von 6 bis 20 Uhr und samstags von 6 bis 16 Uhr betrieben werden.
5Östlich der A. -Allee befinden sich überdies mehrere Hallen, in denen die Fa. D. H. N. F. GmbH, ein Bergbau-Zulieferer, tätig ist.
6Weitere Einzelheiten der Umgebung zeigt der nachfolgende Kartenausschnitt:
7Im September 2011 wandte sich das Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen an die Klägerin und zahlreiche weitere Kommunen und erklärte, das Land verfolge das Ziel, einen Ausgleich zwischen den voraussichtlichen gerichtlichen Einweisungen und den forensischen Plätzen im jeweiligen Landgerichtsbezirk herzustellen. In den Landgerichtsbezirken Bonn, Dortmund, Essen, Münster und Wuppertal seien daher bis zum Jahr 2020 650 stationäre Plätze herzustellen. Es werde um Benennung von Grundstücken gebeten, die gemessen an einem beigefügten Kriterienkatalog in Betracht kämen. Die einzelne Klinik solle maximal 150 Plätze aufweisen. Die Klägerin benannte daraufhin drei Grundstücke, wies aber zugleich darauf hin, dass sie selbst diese Grundstücke für ungeeignet halte. Neben der Fläche eines ehemaligen Bundeswehrdepots und einer Fläche des M1. handelte es sich um die streitgegenständliche Fläche der ehemaligen Zeche W. . Im Oktober 2012 teilte das Ministerium der Klägerin mit, dass die Wahl für den Landgerichtsbezirk E. nach umfangreichen Untersuchungen auf das Gelände der ehemaligen Zeche W. I/II gefallen sei.
8Unter dem 21. November 2013 stellte das Ministerium, vertreten durch den Landesbeauftragten für den Maßregelvollzug, den Antrag auf Erteilung eines Bauvorbescheides betreffend die „bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Neubaus einer Maßregelvollzugsklinik mit 150 Plätzen auf dem Gelände der ehemaligen Zeche W. “ im Zustimmungsverfahren nach § 80 Bauordnung (BauO) NRW bei der Bezirksregierung Arnsberg. Die Klinik soll aus mehreren Gebäuden (Pfortengebäude, Stationsgebäude, Werkstättenbereich, Rehabilitationsbereich sowie Freizeit-, Schul-, Kreativ- und Sportbereich), einem Sportfeld, weiteren Außenanlagen sowie einer großen Stellplatzanlage bestehen. Gebäude, Sportfeld und Außenanlagen sind von einer 5,50 m hohen „Sicherungsanlage“ in einem 12 m breiten „Sicherheitsstreifen“ umgeben. Die Baubeschreibung enthält den Hinweis, es handele sich um einen „exemplarischen Bebauungsvorschlag“; die tatsächliche Planung könne in „Anzahl, Nutzungsverteilung und Stellung der einzelnen Gebäude“ davon abweichen. Im Laufe des Verfahrens wurden u.a. eine Artenschutzprüfung, eine UVP-Vorprüfung und ein schalltechnisches Gutachten (Immissionsprognose) vorgelegt. Die Schallprognose des Büros J. vom 8. Dezember 2014 kommt zu dem Ergebnis, dass weder von dem Vorhaben unzumutbare Immissionen auf die Umgebung ausgehen, noch das Vorhaben seinerseits unzumutbaren Immissionen ausgesetzt ist.
9Vorgelegt wurde ferner das „2. Ausbauprogramm für den Maßregelvollzug in NRW“. Dieses enthält umfangreiche Erläuterungen des Maßregelvollzugs und seiner Entwicklung. Für den Zeitraum 2010 bis 2020 wird eine Prognose angestellt, der zufolge sich bis zum April 2020 eine Unterversorgung um insgesamt ca. 650 Plätze ergeben wird. Für den Landgerichtsbezirk E. wird eine Lücke von ca. 150 Plätzen prognostiziert. Hinsichtlich der Wahl zusätzlicher Standorte für Maßregelvollzugskliniken enthält das Ausbauprogramm einen Kriterienkatalog, der bei der Standortauswahl Anwendung finden soll. Hier werden unter den Oberbegriffen „Notwendigkeit und Gerechtigkeit“, „Verfügbarkeit“, „Eignung“, „Rechtlicher Rahmen, Betroffenheit Dritter“ und „Machbarkeit“ etliche Einzelkriterien aufgelistet. Unter den Kriterien findet sich u.a. die Forderung nach einem Mindestabstand von 50 Metern zur nächstgelegenen Wohnbebauung und diejenige, dass Schallimmissionen „mit dem Behandlungsauftrag einer forensischen Klinik verträglich“ sein müssen; Flächen, „auf denen Immissionen zu befürchten sind, die die für Gewerbe- und Industriegebiete einschlägigen Werte erreichen“, sollten „von vornherein nicht beachtet“ werden. Wenn in Bezug auf eine Fläche bereits anderweitige Planungsvorstellungen der Kommune bestünden, solle darauf „soweit wie möglich Rücksicht“ genommen werden; nach Möglichkeit solle die Fläche ausgewählt werden, bei welcher der Eingriff „als am wenigstens schwer wiegend erscheint“. Das Programm stellt sodann fest, dass bis Oktober 2012 insgesamt 60 Grundstücke geprüft worden seien. Nur 14 Flächen hätten sich als grundlegend geeignet erwiesen und seien vertieft geprüft worden. Nach der Bekanntmachung der fünf ausgewählten Standorte durch das Ministerium am 23. Oktober 2012 seien weitere Flächen benannt und geprüft worden. Die abschließende Standortentscheidung sei am 18. Juli 2013 gefallen.
10Teil C des Ausbauprogramms enthält die Standortauswahl selbst und beschäftigt sich mit der Eignung der einzelnen (insgesamt 19) Standorte. Hinsichtlich der Fläche der ehemaligen Zeche W. I/II heißt es dort, das Grundstück eigne sich nach Größe, Zuschnitt und Lage für die Errichtung einer Klinik. Das Vorhaben sei zwar nach den Vorgaben des Bebauungsplans Nr. 62 unzulässig. In Betracht komme aber eine Befreiung. Es werde nur ein geringer Teil der Gesamtfläche in Anspruch genommen. Der Anspruch auf Schutz vor Immissionen der in einem Industriegebiet zulässigen Nutzungen könne durch die Zusicherung passiver Schallschutzmaßnahmen befriedigt werden. Die durch den Bebauungsplan vorgesehene Erschließung könne beibehalten werden. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Bebauungsplan nicht mehr aktuell sei. Da er viele Jahre lang nicht umgesetzt worden sei, könne von einem Widerspruch zu gemeindlichen Planungen nicht ausgegangen werden.
11Unter dem 7. Januar 2014 gab die Bezirksregierung der Klägerin gemäß § 80 Abs. 1 S. 4 BauO NRW Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Bauvorhaben und bat zugleich um die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens nach § 36 Baugesetzbuch (BauGB) zu den erforderlichen Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans. Die Klägerin erklärte unter dem 4. März 2014, dass sie das gemeindliche Einvernehmen nicht erteile. Die Bauvoranfrage sei bereits nicht hinreichend bestimmt, weil die Bauvorlagen unvollständig und die Gebäude nur „exemplarisch“ dargestellt seien. Eine Befreiung von ihrem Bebauungsplan Nr. 62 könne nicht erteilt werden, da die Grundzüge der Planung berührt seien.
12Der ebenfalls um Stellungnahme gebetene Kreis V. teilte unter dem 12. Februar 2014 mit, er habe Bedenken wegen möglicherweise vorhandener Bodenkontaminationen; im Baugenehmigungsverfahren seien weitere Untersuchungen zur Gefährdungsabschätzung erforderlich. Zudem seien Immissionskonflikte wegen des unmittelbar benachbarten Baustoffhandels und des dort geplanten Einsatzes einer mobilen Sieb- und Klassifizieranlage zu befürchten.
13Unter dem 22. Mai 2014 wandte sich die Bezirksregierung erneut mit einem Anhörungsschreiben an die Klägerin und erklärte, sie beabsichtige, das Vorhaben trotz der Einwände der Stadt und der Versagung des Einvernehmens zuzulassen. Die Abweichung von den planungsrechtlichen Vorgaben könne auf der Grundlage von § 37 BauGB zugelassen werden. Es handele sich nämlich um eine Anlage mit besonderer öffentlicher Zweckbestimmung. Die Klägerin antwortete unter dem 25. Juni 2014, sie halte die Bauvoranfrage nach wie vor für unbestimmt. Auch die Voraussetzungen des § 37 BauGB lägen indes nicht vor. Insbesondere sei eine ausreichende Abwägung der Standortalternativen bislang nicht belegt. Unter dem 14. Juli 2014 und unter dem 29. August 2014 ergänzte die Klägerin ihre Stellungnahme. Unter anderem wies sie auf den anhaltenden Strukturwandel sowie die soziale und demographische Struktur ihrer Bevölkerung hin. Die Ansiedlung der geplanten Klinik werde sich negativ auf den Mikrostandort und die Innenstadt auswirken. Die Entwicklung der Restflächen der Brache werde erschwert.
14Mit Datum vom 15. Juni 2015 erteilte die Bezirksregierung den beantragten positiven Bauvorbescheid und führte zur Begründung aus: Es handele sich um das Vorhaben eines öffentlichen Bauherrn und auch die weiteren Voraussetzungen für ein Zustimmungsverfahren nach § 80 BauO NRW lägen vor. Die Bauanfrage sei hinreichend bestimmt; insbesondere handele es sich nicht um einen „exemplarischen Bebauungsvorschlag“. Das Vorhaben verstoße gegen den Bebauungsplan Nr. 62. Entsprechende Befreiungen kämen nicht in Betracht, weil die Grundzüge der Planung berührt seien und das gemeindliche Einvernehmen nicht erteilt worden sei. Es seien aber die Voraussetzungen für eine Abweichung nach § 37 BauGB gegeben. Insbesondere lägen eine öffentliche Zweckbestimmung und ein entsprechender Bedarf vor. Andere geeignete Standorte seien im Landgerichtsbezirk E. nicht vorhanden. Der Eingriff in die kommunale Planungshoheit wiege weniger schwer, weil der Bebauungsplan nach 35 Jahren im Wesentlichen noch nicht umgesetzt worden sei und den Planungszielen der Stadt nicht mehr entspreche. Für den Fall einer Funktionslosigkeit des Bebauungsplans wäre das Vorhaben als nicht privilegierte Nutzung im Außenbereich, die das Entstehen einer Splittersiedlung befürchten lasse, unzulässig. Die Klinik sei auch keinen unzumutbaren Lärmimmissionen der benachbarten Gewerbebetriebe ausgesetzt, sofern der äußere Schutzzaun bis zu einer Höhe von vier Metern als Lärmschutzwand und schallabsorbierend ausgestaltet sei. Die benachbarte Fa. T. habe daher keine Nutzungseinschränkungen zu befürchten.
15Die Klägerin hat am 24. Juli 2015 Klage erhoben.
16In der mündlichen Verhandlung hat das beklagte Land erklärt, dass es auf den angefochtenen Bauvorbescheid verzichte, soweit dessen Feststellungswirkung auch bereits die Immissionsproblematik und die Frage etwaiger Lärmschutzmaßnahmen als Teil des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebotes erfasse. Daraufhin haben die Beteiligten das Klageverfahren insoweit für in der Hauptsache erledigt erklärt.
17Im Übrigen hält die Klägerin an ihrer Klage fest und führt zur Begründung aus: Die Zustimmung greife in ihre Planungshoheit ein. Der Bauvorbescheid sei bereits aus formalen Gründen rechtswidrig; die Voranfrage sei unbestimmt und unvollständig. Für einen umfassenden bauplanungsrechtlichen Vorbescheid könne es nicht genügen, einen „exemplarischen Bebauungsvorschlag“ vorzulegen. Denn gerade für die Prüfung des Rücksichtnahmegebots bedürfe es genauer Angaben zu Zahl und Lage der Gebäude. Zudem fehle die Berechnung zum Maß der baulichen Nutzung. Auch materiell-rechtlich habe der Bauvorbescheid nicht erteilt werden dürfen. Das Bauvorhaben habe zur Folge, dass sich auf den durch den Bebauungsplan als gewerbliche und industrielle Flächen vorgesehenen Grundstücken keine Betriebe mehr ansiedeln könnten, die zu einer nennenswerten Zusatzbelastung im Bereich der Klinik führten. Der Bebauungsplan verliere damit seine Verwirklichungsperspektive. Sie habe im Übrigen inzwischen eine Machbarkeitsstudie erstellen lassen, die sich u.a. mit einem Modell befasse, dem zufolge die forensische Klinik auf weiter westlich gelegenen Flächen der S. AG angesiedelt werden könne; insoweit bestehe die Möglichkeit einer einvernehmlichen Lösung. Die Sensibilität des Vorhabens belege im Übrigen das in ihrem Auftrag erarbeitete „Integrierte Handlungskonzept StadtGartenQuartier N1.------straße “, das die Strukturprobleme des Quartiers offenlege.
18Die Klägerin beantragt,
19den Zustimmungsbescheid der Bezirksregierung Arnsberg vom 15. Juni 2015 aufzuheben, soweit nicht auf ihn verzichtet worden ist.
20Das beklagte Land beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Es führt zur Begründung aus: Die Bauvoranfrage sei bescheidungsfähig gewesen. Einer Berechnung zum Maß der baulichen Nutzung habe es nicht bedurft; auf der Grundlage der vorgelegten Unterlagen habe die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens ohne weiteres beurteilt werden können. Im Übrigen seien die Vorgaben der Bauordnung zum Verfahren nicht drittschützend. Die erteilte Zustimmung sei auch nicht unbestimmt. Denn aus den Gesamtumständen ergebe sich, dass nicht ein exemplarischer Vorschlag, sondern ein konkretes Vorhaben Gegenstand des Verfahrens sei. Die Voraussetzungen des § 37 BauGB lägen vor. Es handele sich um ein Vorhaben mit öffentlicher Zweckbestimmung und die erforderliche Abweichung von bauplanungsrechtlichen Vorgaben sei geboten. Der Bebauungsplan sei funktionslos und daher unwirksam. Die Gesamtabwägung falle zugunsten des Bauvorhabens aus.
23Das Klageverfahren des Nachbarn T. (6 K 3307/15) ist in der mündlichen Verhandlung vom 28. März 2017 infolge der Reduzierung des Bauvorbescheides für in der Hauptsache erledigt erklärt worden. Das Klageverfahren der Stadtbetrieb Abwasserbeseitigung M. AöR (6 K 3298/15) ist teilweise für in der Hauptsache erledigt erklärt worden; im Übrigen hat die Kammer die Klage abgewiesen.
24Wegen der sonstigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
25Entscheidungsgründe:
26Soweit es in der mündlichen Verhandlung von den Beteiligten für in der Hauptsache erledigt erklärt worden ist, ist das Klageverfahren einzustellen.
27Die verbliebene Klage ist zulässig, aber unbegründet.
28Die Anfechtungsklage ist zulässig. Insbesondere ist die nach § 42 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) erforderliche Klagebefugnis gegeben, weil die Klägerin sich auf die Möglichkeit einer Verletzung des ihr zustehenden, durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 des Grundgesetzes und Art. 78 Abs. 1 und 2 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen geschützten Rechts der kommunalen Selbstverwaltung, namentlich ihrer Planungshoheit, berufen kann.
29Die Klage ist jedoch unbegründet. Der durch die Bezirksregierung B. erteilte planungsrechtliche Bauvorbescheid vom 15. Juni 2015 ist, nachdem die Frage der Lärmimmissionen ausgeklammert worden ist, rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.
30Rechtsgrundlage des im Zustimmungsverfahren erteilten Bauvorbescheides ist § 80 Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 71 Abs. 1 S. 1 BauO NRW.
31Die Voraussetzungen für eine Entscheidung im Zustimmungsverfahren nach § 80 Abs. 1 BauO NRW liegen vor. Es handelt sich um das (genehmigungspflichtige) Vorhaben eines öffentlichen Bauherrn, die Leitung der Entwurfsarbeiten und die Bauüberwachung sind einer Baudienststelle des Landes übertragen – nämlich dem Bau- und Liegenschaftsbetrieb – und diese Baudienststelle ist mit den notwendigen Fachleuten besetzt.
32Vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 19. Dezember 2006 - 10 A 5098/04 -, Juris (Rn. 35); Schönenbroicher, in: Schönenbroicher/Kamp, BauO NRW, § 80 Rn. 6.
33Die Bauvoranfrage hätte – entgegen der Auffassung der Klägerin – auch nicht wegen unvollständiger Bauvorlagen zurückgewiesen werden müssen. Dem Antrag auf Erteilung eines Vorbescheides sind gemäß § 1 Abs. 2 S. 1 und § 16 der Verordnung über bautechnische Prüfungen (BauPrüfVO) diejenigen Bauvorlagen beizufügen, die zur Beurteilung der durch den Vorbescheid zu entscheidenden Fragen des Bauvorhabens erforderlich sind. Dies ist vorliegend geschehen. Insbesondere bedurfte es nicht der nach § 3 Abs. 2 BauPrüfVO für das Baugenehmigungsverfahren bei Vorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplans vorgesehenen Berechnung der Grundflächenzahl, der Geschossflächenzahl, der Zahl der Vollgeschosse und der Baumassenzahl. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Großteil des Bauvorhabens auf einer Fläche errichtet werden soll, für die der Bebauungsplan keine der vorgenannten Maßfestsetzungen enthält. Für das Industriegebiet, in dem das östliche Ende des Geländes der Maßregelvollzugsklinik errichtet werden soll, gibt es zwar Festsetzungen der Grundflächenzahl (0,8) und der Baumassenzahl (9,0). Dass diese Vorgaben durch die in dem entsprechenden Bereich geplanten Anlagen eingehalten werden, lässt sich indes auf einen Blick erkennen, ohne dass es einer entsprechenden Berechnung bedürfte. Ob die Klägerin sich auf die Unvollständigkeit der Bauvorlagen überhaupt würde berufen können, mag dahinstehen.
34Unschädlich ist aus Sicht der Kammer auch der Hinweis in der Baubeschreibung, es handele sich um einen „exemplarischen Bebauungsvorschlag“; die tatsächliche Planung könne in „Anzahl, Nutzungsverteilung und Stellung der einzelnen Gebäude“ davon abweichen. Zu Recht weist die Klägerin darauf hin, dass es Sache des Bauherrn ist, das von ihm geplante Vorhaben festzulegen; er darf die Einzelheiten insoweit nicht der Behörde überlassen. Dies ist vorliegend aber auch nicht geschehen. Das Ministerium hat die geplanten Anlagen detailliert und in einer für den planungsrechtlichen Vorbescheid ausreichenden Weise beschrieben. Dass sich die Feststellungswirkung des Bauvorbescheides nur auf diese konkrete Variante bezieht, diese also nicht nur als unverbindliches Beispiel anzusehen ist, hat die Bezirksregierung in dem angefochtenen Bescheid hinreichend klargestellt, indem sie (auf Seite 3) ausführt, dass es sich nicht um einen exemplarischen Bebauungsvorschlag, sondern um das konkret zur Beurteilung anstehende Vorhaben handele. Insoweit leidet der Bauvorbescheid auch nicht an mangelnder Bestimmtheit; er bezieht sich vielmehr ausschließlich auf das konkret beschriebene Bauvorhaben. Wenn das beklagte Land zukünftig ein substantiell anderes Vorhaben verwirklichen will, wird es sich auf den Bauvorbescheid nicht berufen können.
35Die Bezirksregierung hat die Zustimmung auch in der Sache zu Recht erteilt, weil bauplanungsrechtliche Vorschriften, soweit sie Gegenstand der Bauvoranfrage sind, dem Vorhaben nicht entgegenstehen.
36Das Bauvorhaben ist zwar nach der Art der baulichen Nutzung unzulässig, war aber im Wege der Abweichung nach § 37 Abs. 1 BauGB zu genehmigen.
37Der weit überwiegende Teil des Klinikgeländes soll auf einer Fläche entstehen, für die der Bebauungsplan Nr. 62 die Festsetzung „Sondergebiet Bergbaubetriebsfläche“ mit dem Zusatz „Zulässig sind Anlagen, die für den Betrieb einer Steinkohleschachtanlage erforderlich sind“ enthält. Diese Festsetzung ist allerdings funktionslos und damit unwirksam. Eine bauleitplanerische Festsetzung wird funktionslos und damit unwirksam, wenn und soweit die tatsächlichen Verhältnisse, auf die sie sich bezieht, ihre Verwirklichung auf unabsehbare Zeit ausschließen und diese Tatsache so offensichtlich ist, dass ein in ihre Fortgeltung gesetztes Vertrauen keinen Schutz verdient. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist für jede Festsetzung gesondert zu prüfen. Dabei kommt es nicht auf die Verhältnisse auf einzelnen Grundstücken an. Entscheidend ist vielmehr, ob die jeweilige Festsetzung geeignet ist, zur städtebaulichen Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB im Geltungsbereich des Bebauungsplans einen wirksamen Beitrag zu leisten. Die Planungskonzeption, die einer Festsetzung zugrunde liegt, wird nicht schon dann sinnlos, wenn sie nicht mehr überall im Plangebiet umgesetzt werden kann. Erst wenn die tatsächlichen Verhältnisse vom Planinhalt so massiv und so offenkundig abweichen, dass der Bebauungsplan insoweit eine städtebauliche Gestaltungsfunktion unmöglich zu erfüllen vermag, kann von einer Funktionslosigkeit die Rede sein. Das setzt voraus, dass die Festsetzung unabhängig davon, ob sie punktuell durchsetzbar ist, bei einer Gesamtbetrachtung die Fähigkeit verloren hat, die städtebauliche Entwicklung noch in eine bestimmte Richtung zu steuern.
38So BVerwG, Urteil vom 18. November 2004 - 4 CN 11.03 -, BVerwGE 122, 207; Beschlüsse vom 9. Oktober 2003 - 4 B 85.03 -, BauR 2004, 1128, und vom 22. Juli 2013 - 7 BN 1.13 -, NVwZ 2013, 1547, mit weiteren Nachweisen.
39Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die früher vorhandene Zeche W. I/II ist seit langem aufgegeben; die entsprechenden Baulichkeiten sind weitgehend entfernt worden. Dass auf der in Rede stehenden Fläche noch einmal der „Betrieb einer Steinkohleschachtanlage“ aufgenommen wird, ist nicht zuletzt aufgrund der getroffenen politischen Entscheidung, den Steinkohlebergbau im Ruhrgebiet demnächst auslaufen zu lassen, unter keinen Umständen zu erwarten. Eine Verwirklichung der gemeindlichen Planung ist damit de facto ausgeschlossen. Dies führt allerdings nicht zur Gesamtnichtigkeit des Bebauungsplans. Der überwiegende Teil des recht großen Plangebietes ist mit verschiedenen, nach dem Störpotential gegliederten Wohn-, Misch-, Gewerbe- und Industriegebieten beplant. Dass diese Planung ohne die „Bergbaubetriebsfläche“ ihrer Grundlage beraubt wäre, ist jedenfalls nicht offensichtlich.
40Vgl. zur Begrenzung der Funktionslosigkeit auf einen Teil der Festsetzungen nur Kalb/Külpmann, in: Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 10 Rn. 409.
41Die wegen der Funktionslosigkeit unbeplante Fläche befindet sich auch nicht innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinne von § 34 BauGB, so dass sie als Außenbereichsfläche einzustufen und das Bauvorhaben nach § 35 BauGB zu beurteilen ist. Da ein Privilegierungstatbestand nach § 35 Abs. 1 BauGB nicht einschlägig ist, richtet sich die Zulässigkeit nach § 35 Abs. 2 BauGB. Dies führt zur Unzulässigkeit des Vorhabens, denn die Errichtung einer Maßregelvollzugsklinik an dieser Stelle lässt das Entstehen einer Splittersiedlung befürchten und beeinträchtigt damit den in § 35 Abs. 3 Nr. 7 BauGB genannten öffentlichen Belang. Abgesehen davon, dass bereits die Klinikgebäude selbst als Splittersiedlung anzusehen sein dürften, ließe ihre Existenz auch die Errichtung weiterer Vorhaben auf der Außenbereichsfläche – etwa auf dem Streifen zwischen dem Klinikgelände und der X.--------straße – befürchten. Eine ungeordnete Zersiedelung wäre durchaus denkbar.
42Hinsichtlich des durch den Bebauungsplan Nr. 62 festgesetzten Industriegebiets, in dem das östliche Ende des Klinikgeländes liegen soll, könnte sich ebenfalls die Frage der Funktionslosigkeit stellen, weil in diesem Industriegebiet ausschließlich „Anlagen zur Reparatur von Grubenbetriebsmitteln, Elektromotoren einschl. Nebenanlagen, Anlagen mit ähnlichem oder geringerem Emissionsgrad“ zugelassen sind. Da diese Aufzählung nicht allein auf bergbaunahe Nutzungen beschränkt ist und sich zudem auf dem benachbarten Gelände östlich der A. -Allee das Unternehmen D. H. N. befindet, mag diese Festsetzung indes noch eine städtebauliche Steuerungsfunktion ausfüllen können. Die Kammer unterstellt zugunsten der Klägerin auch, dass die Festsetzung trotz der fragwürdigen Formulierung „Anlagen mit ähnlichem oder geringerem Emissionsgrad“ nicht wegen Unbestimmtheit unwirksam ist. Die Zulässigkeit des Vorhabens richtet sich somit nach § 30 BauGB.
43Auch hier erweist sich die Maßregelvollzugsklinik als unzulässig, weil sie nach der Art der baulichen Nutzung gegen die Festsetzung des Bebauungsplans verstößt. Zwar dürfte eine solche Klinik einen „geringeren Emissionsgrad“ haben, als eine „Anlage zur Reparatur von Grubenbetriebsmitteln“. Die Maßregelvollzugsklinik kann aber keinem der im Industriegebiet nach der hier anwendbaren Baunutzungsverordnung (BauNVO) von 1977 zulässigen Nutzungstypen zugeordnet werden. Insbesondere handelt es nicht um eine nach § 9 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 1977 ausnahmsweise genehmigungsfähige „Anlage für gesundheitliche Zwecke“. Denn nach § 1 Abs. 1 S. 2 Maßregelvollzugsgesetz (MRVG) NRW soll der Maßregelvollzug neben der Therapie und der Resozialisierung auch der Sicherheit und dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren erheblichen Straftaten dienen. Insoweit handelt es sich also nicht um eine bloße Anlage der Gesundheitsfürsorge, sondern um eine Vollzugseinrichtung.
44So bereits OVG NRW, Urteil vom 19. Dezember 2006 - 10 A 5098/04 -, Juris, und VG Düsseldorf, Urteil vom 22. Oktober 2007 - 25 K 5308/06 -, Juris.
45Zudem würde es für eine Anlage mit jedenfalls teilweise wohnähnlichem Charakter auch ersichtlich an der Gebietsverträglichkeit in einem Industriegebiet fehlen.
46Eine Befreiung von der Festsetzung nach § 31 Abs. 1 BauGB kommt nicht in Betracht, weil die Grundzüge der Planung berührt sind. Davon geht inzwischen auch das beklagte Land aus.
47Soweit im Vortrag der Beteiligten schließlich anklingt, dass ein Teil des Klinikgeländes, nämlich das westliche Ende, im Bereich der Festsetzung eines Allgemeinen Wohngebietes liege, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Da der Bebauungsplan durchgehend davon ausgeht, dass die festgesetzten Verkehrsflächen unterschiedliche Baugebiete voneinander abgrenzen, es insoweit also nicht der in Ziffer 15.14 der Planzeichenverordnung vorgesehenen Linie („Perlenschnur“) bedarf, muss auch die Verkehrsflächenfestsetzung, die das Klinikgelände im Westen begrenzt, insoweit als Abgrenzung verstanden werden, welche die Festsetzung des Allgemeinen Wohngebiets von dem Klinikgelände trennt. Für die bestehende Parkplatzfläche ist somit keine Festsetzung zur Art der baulichen Nutzung vorhanden.
48Das Bauvorhaben verstößt nach alledem hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung teilweise gegen § 35 Abs. 2 BauGB und teilweise gegen § 30 Abs. 1 BauGB, es ist jedoch nach § 37 BauGB genehmigungsfähig. Nach § 37 Abs. 1 BauGB ist eine Abweichung von den Vorschriften des Baugesetzbuches oder von auf dessen Grundlage erlassenen Satzungen zulässig, wenn die öffentliche Zweckbestimmung für bauliche Anlagen des Bundes oder eines Landes eine solche Abweichung erforderlich macht. Der Behörde kommt bei der Anwendung dieser Norm weder ein Beurteilungsspielraum, noch ein Ermessensspielraum zu.
49Vgl. Blechschmidt, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 37 Rn. 26, mit weiteren Nachweisen.
50Es handelt sich vorliegend um ein Bauvorhaben des Landes mit besonderer öffentlicher Zweckbestimmung. Darunter fallen keine zu rein fiskalischen Zwecken genutzten und keine reinen Verwaltungsgebäude, sondern nur Anlagen, die sich wegen ihrer Aufgabenstellung nach Standort, Art, Ausführung oder Auswirkungen von sonstigen Verwaltungsbauten unterscheiden, wie z. B. Anlagen der Landesverteidigung oder der technischen Daseinsvorsorge. Nicht erforderlich ist hingegen, dass das Vorhaben von vornherein auf einen ganz bestimmten Standort angewiesen ist.
51Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1992 - 4 C 24.90 -, BVerwGE 91, 227; Blechschmidt, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 37 Rn. 16.
52Dass eine Maßregelvollzugsklinik eine solche öffentliche Zweckbestimmung aufweist, ist in Rechtsprechung und Literatur – soweit ersichtlich – unbestritten.
53OVG NRW, Urteil vom 19. Dezember 2006 - 10 A 5098/04 -, Juris (Rn.109); VG Gelsenkirchen, Urteil vom 10. November 2004 - 10 K 2105/02 -, NWVBl. 2005, 146 (149 f.); VG Düsseldorf, Urteil vom 22. Oktober 2007 - 25 K 5308/06 -, Juris; Düppenbecker/Greiving, DVBl. 2001, 1567 (1571 f.).
54Die Abweichung von den bauplanungsrechtlichen Vorgaben ist schließlich auch zur Verwirklichung des öffentlichen Zwecks erforderlich. Dies ist dann der Fall, wenn die Abweichung nach den Umständen des Einzelfalles zur Erfüllung oder Wahrung der in Rede stehenden öffentlichen Zweckbestimmung vernünftigerweise geboten ist; nicht erforderlich ist, dass sie das einzig denkbare Mittel zur Verwirklichung des Vorhabens ist; auch Aspekte der Zumutbarkeit und Wirtschaftlichkeit dürfen insoweit Berücksichtigung finden. Die Frage, ob zur Verwirklichung des Vorhabens Abweichungen vom Bauplanungsrecht geboten sind, lässt sich sachgerecht und abschließend nicht ohne einen Blick auf mögliche Alternativen beurteilen; denn an der Erforderlichkeit kann es auch dann fehlen, wenn die besondere öffentliche Zweckbestimmung des Vorhabens im Wesentlichen auch bei einer Errichtung an anderer Stelle erreicht und gleichzeitig ein Verstoß gegen das Bauplanungsrecht vermieden oder erheblich gemildert werden kann. Auch wenn Alternativstandorte nicht vorhanden sind, bedarf es schließlich einer Abwägung zwischen den dem Vorhaben entgegen stehenden Belangen und den Gründen, die für eine Verwirklichung des Vorhabens an der in Rede stehenden Stelle sprechen.
55Vgl. zu alledem BVerwG, Urteil vom 14. Februar 1991 - 4 C 20.88 -, BVerwGE 88, 35 (37 f.); OVG NRW, Beschluss vom 7. Juli 1989 - 11 B 170/89 -, NVwZ 1990, 531 (532 f.); Blechschmidt, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 37 Rn. 17.
56Vorliegend ist festzustellen, dass die in Rede stehende Fläche sich auf der Grundlage des Auswahlverfahrens des Landes als die am besten geeignete Fläche erwiesen hat. Grundsätzliche Bedenken gegen das von dem beklagten Land durchgeführte Standortauswahlverfahren, das in den Bauvorlagen eingehend beschrieben ist, sind weder von der Klägerin vorgetragen worden, noch sonst ersichtlich.
57Ebenso zu dem entsprechenden Auswahlverfahren im Rahmen des 1. Ausbauprogramms bereits VG Gelsenkirchen, Urteil vom 10. November 2004 - 10 K 2105/02 -, NWVBl. 2005, 146 ff.; dazu auch die Anmerkung von Baur, Recht & Psychiatrie 2005, 92 f.
58Nicht zu beanstanden ist zunächst, dass das beklagte Land sich an dem Bedarf in den einzelnen Landgerichtsbezirken orientiert und den Standort für eine forensische Klinik (nur) in den fünf Bezirken mit entsprechender prognostischer Unterdeckung gesucht hat. Für ein solches Vorgehen spricht nicht nur das Gebot einer gleichmäßigen Belastung, sondern auch der therapeutische Zweck, der nach einer eher wohnortnahen Unterbringung verlangt, wie im Ausbaukonzept ausgeführt worden ist. Innerhalb des Landgerichtsbezirks E. hat das Land nach nachvollziehbaren Kriterien insgesamt 19 Standorte näher beleuchtet. Dass die streitgegenständliche Fläche die am besten geeignete ist, erscheint nachvollziehbar. Die geprüften Standorte waren jeweils ungeeignet aufgrund des hohen bzw. unklaren Aufbereitungsaufwands (I. , Munitionsdepot; I. , Bergwerk Ost; M. , Fläche neben Marienhospital), konkreterer gemeindlicher Planungen (V. , ehem. Landesstelle), fehlender Verkaufsbereitschaft des Eigentümers (I. , ehem. Schachtanlage I1. ; M. , ehem. Bundeswehrdepot; I. , J1. ), zu geringer Größe (I. , B1. Kaserne; I. , Fläche neben dem OLG; E. , Hochschulgelände T1.-----weg ; I2. , F1. -Kaserne; M. , M2. U. ; M. , Bahnhof Q. ; E. , Zeche H1. ), unvereinbarer Nachbarnutzung (I2. , ehem. S. ) fehlender Erschließung (M. , Fläche neben Marienhospital) und hoher Lärmbelastung (V. , Gemeinsames Gewerbegebiet; V. , Q1.---------straße ). Eine denkbare Alternative wäre wohl die ebenfalls in M. gelegene (Außenbereichs-) Fläche „Im F. “. Allerdings wäre hier eine hohe Lärmbelastung durch die nahe Autobahn zu gewärtigen, die Erschließung müsste aufwändig erstellt werden und der Flächennutzungsplan stünde dem Vorhaben entgegen; die Verletzung des Planungsrechts wäre also mindestens ebenso gewichtig.
59Die Kammer hat die Bewertung der einzelnen in Betracht gezogenen Standorte anhand der zusammenfassenden Angaben im Verwaltungsvorgang (Bl. 571 - 708) überprüft und sieht keinen Grund zur Beanstandung. Die Angaben sind plausibel und nachvollziehbar. Anlass, sich detailliertere Unterlagen zu jedem der Standorte vorlegen zu lassen, hat die Kammer nicht gesehen, nachdem die Klägerin, der Detailunterlagen vorgelegen haben, keinerlei konkrete Einwände geltend gemacht hat.
60Soweit die Klägerin und eine Bürgerinitiative inzwischen eine Alternativfläche im südwestlichen Bereich der Brache W. favorisieren, ist bereits zweifelhaft, ob das Land sich nach Beendigung des Auswahlverfahrens überhaupt noch auf die Prüfung einer neuen Fläche einlassen musste, wenngleich eine Befassung mit dieser Alternative im Interesse einer einvernehmlichen Lösung zweifellos sinnvoll war und ist. Die Zulässigkeit der Abweichung nach § 37 BauGB wird durch die Existenz dieser Alternative jedenfalls nicht in Frage gestellt. Denn die in Rede stehende Fläche ist schon nicht in gleichem Maße geeignet. Der Baugrund ist in besonderem Maße aufbereitungsbedürftig, weil es sich um stark mit Haldenmaterial aufgefülltes Gelände handelt, die Fläche ist wegen der vorhandenen Bodenkontamination problematisch und es sind Biotope vorhanden, die bei der Planung berücksichtigt werden müssten. Auch die von der Klägerin vorgelegte Machbarkeitsstudie weist deutlich auf die vorgenannten Probleme hin. Mit Blick auf § 37 Abs. 1 BauGB ist zudem zu bedenken, dass das Bauplanungsrecht und die gemeindliche Planungshoheit bei einer Inanspruchnahme der „S. -Fläche“ für das Vorhaben eher stärker beeinträchtigt wären. Denn diese Fläche liegt in einem Teil des Bebauungsplans, der keine bergbaulichen oder bergbauaffinen Nutzungen vorsieht und daher nicht als funktionslos anzusehen ist; die entsprechenden Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung stünden der Maßregelvollzugsklinik entgegen.
61Ist die Auswahl der streitgegenständlichen Fläche somit nicht zu beanstanden, kann die Abweichung von den aufgezeigten Vorgaben des Bauplanungsrechts, also von § 35 Abs. 2, 3 BauGB und von § 30 Abs. 1 BauGB in Verbindung mit dem Bebauungsplan Nr. 62, als „vernünftigerweise geboten“ angesehen werden. Denn für die Verwirklichung des Vorhabens sprechen ganz erhebliche Gründe des Gemeinwohls. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein massiver Bedarf für die Schaffung zusätzlicher Maßregelvollzugskapazitäten im Landgerichtsbezirk E. besteht und dass das Land gemäß § 29 MRVG verpflichtet ist, diesen Bedarf zu befriedigen. Eine ausreichende Ausstattung mit entsprechenden Einrichtungen ist im Interesse der unterzubringenden Patienten, aber auch im Interesse der Sicherheit der Einwohner des Landes unverzichtbar. Ohne eine Heranziehung von § 37 BauGB ist die Erfüllung dieser Verpflichtung häufig kaum möglich; die Genehmigung einer Maßregelvollzugsklinik allein nach den §§ 30 bis 36 BauGB dürfte wegen der Atypik und der Auswirkungen dieses Nutzungstyps nur an wenigen Standorten denkbar sein, wenn die jeweilige Gemeinde nicht zugunsten des Vorhabens einen Bebauungsplan aufstellt.
62Vgl. auch VG Gelsenkirchen, Urteil vom 10. November 2004 - 10 K 2105/02 -, NWVBl. 2005, 146 (149).
63Dem stehen keine Belange der Klägerin oder Dritter gegenüber, die eine Anwendung von § 37 BauGB ausschließen. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass die Klägerin bislang keine bauleitplanerischen Schritte ergriffen hat, um die fragliche Fläche nach der vollständigen Aufgabe der Zeche einer Nachnutzung zuzuführen. Zwar bestehen nunmehr gewisse Vorüberlegungen, die etwa in der Machbarkeitsstudie des Planungsbüros E1. /T2. vom April 2016 und in dem „Integrierten Handlungskonzept StadtGartenQuartier N1.------straße “ vom November 2016 aufgezeigt werden. Zu bauleitplanerischen Konsequenzen haben diese Überlegungen bislang aber nicht geführt. Weder ist der Flächennutzungsplan um Darstellungen für die Flächen der „W. -Brache“ ergänzt worden, noch ist der Bebauungsplan im Bereich der früheren Schachtanlage der Entwicklung angepasst worden. Abgewichen wird daher, soweit der Bebauungsplan überhaupt noch als wirksam betrachtet werden kann, von einer Bauleitplanung der Klägerin, die durch die tatsächliche Entwicklung weitgehend überholt ist; der Eingriff in die Planungshoheit der Klägerin muss daher als begrenzt angesehen werden. Soweit die Maßregelvollzugsklinik auf einer Außenbereichsfläche errichtet werden soll, kann zwar durchaus ein Bezug zur gemeindlichen Planungshoheit hergestellt werden, weil § 35 BauGB auch den Zweck verfolgt, dem Planmäßigkeitsgrundsatz des § 1 Abs. 1 BauGB zur Wirksamkeit zur verhelfen, also das Recht der Gemeinde zur Bauleitplanung zu schützen. Auch insoweit kann der Eingriff in die Planungshoheit indes nicht als gravierend betrachtet werden. Denn die in Rede stehende, vollständig von bebauten oder beplanten Gebieten eingefasste Fläche ist kein „klassischer“ Außenbereich, dessen Entwicklung noch als völlig offen betrachtet werden kann. Es handelt sich vielmehr um eine durch jahrzehntelange gewerbliche Nutzung vorbelastete und von verschiedenen, teilweise industriellen Nutzungen umgebene Fläche. Die Gestaltungsmöglichkeiten der Klägerin sind infolgedessen bei weitem nicht so groß wie bei anderen Außenbereichsflächen.
64Entgegenstehende Belange des Naturschutzes sind praktisch nicht vorhanden, wie die Artenschutz- und die UVP-Vorprüfung ergeben haben.
65Soweit in die bei § 37 Abs. 1 BauGB gebotene Abwägung auch die Interessen der Nachbarschaft einschließlich des bauplanungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme einzustellen sind,
66OVG NRW, Beschluss vom 7. Juli 1989 - 11 B 170/89 -, NVwZ-RR 1990, 531 (533),
67ist festzustellen, dass unter dem Gesichtspunkt des Rücksichtnahmegebotes vorliegend vor allem die Frage relevant ist, ob die Klinik sich unzumutbaren Lärmeinwirkungen der benachbarten Gewerbebetriebe aussetzt und damit deren Handlungsmöglichkeiten einengt. Dieser Aspekt ist nach dem Teilverzicht des beklagten Landes aber nicht mehr Gegenstand des angefochtenen Bauvorbescheides, die entsprechenden Fragen werden damit im Baugenehmigungsverfahren zu klären sein. Sonstige rechtlich geschützte Interessen der Nachbarschaft, die in die Abwägung einzustellen wären, sind nicht ersichtlich.
68Die Vereinbarkeit des Vorhabens mit sonstigen Vorgaben des Bauplanungsrechts begegnet keinen Bedenken.
69Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens hinsichtlich des erledigten Teils dem beklagten Land aufzuerlegen. Denn es spricht einiges dafür, dass die Klägerin mit ihrer Klage Erfolg gehabt hätte, wenn das beklagte Land nicht den angeregten teilweisen Verzicht auf den Bauvorbescheid ausgesprochen hätte. Dass die Maßregelvollzugsklinik keinen unzumutbaren Lärmeinwirkungen durch die benachbarten Gewerbebetriebe ausgesetzt ist, hätte sich auf der Grundlage der vorliegenden Daten und Prognosen wohl nicht feststellen lassen.
70Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 709 Zivilprozessordnung.