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Zertifizierung der ärztlichen Fortbildung
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages Sicherheit leistet.
Tatbestand:
2Die Klägerin begehrt die Ausstellung eines Fortbildungszertifikats nach der Fortbildungsordnung der Beklagten.
3Die Klägerin praktiziert seit 1997 als Hautärztin in T. und ist seitdem Pflichtmitglied der Beklagten.
4Mit Datum vom 30. Juni 2009 erhielt die Klägerin von der Beklagten antragsgemäß erstmals ein Fortbildungszertifikat, mit dem die ordnungsmäße Fortbildung der Klägerin bescheinigt wurde. Das Zertifikat sollte für fünf Jahre, bis zum 29. Juni 2014 gelten.
5Mit Datum vom 3. April 2013 erteilte die Beklagte der Klägerin ein Fortbildungszertifikat, das bis zum 2. April 2018 gelten soll.
6Mit Schreiben vom 22. Juni 2015 beantragte die Klägerin die Ausstellung eines aktuellen Fortbildungszertifikats nach der Fortbildungsordnung der Ärztekammer Westfalen-Lippe vom 29. März 2014 (FortbildungsO ÄKWL), mit dem durch den Nachweis von Fortbildungen im vorausgegangenen Fünfjahreszeitraum (23. Juni 2010 – 22. Juni 2015) die Nachweispflicht über den von der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe mitgeteilten aktuellen Nachweiszeitraum (1. Juli 2014 – 30. Juni 2019) erfüllt werden sollte. Sie habe – voraussetzungsgemäß - im zurückliegenden Zeitraum mehr als 250 Fortbildungspunkte erworben.
7Die Beklagte lehnte die Ausstellung eines Fortbildungszertifikats mit Schreiben vom 9. Juli 2015, das keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, ab, da seit dem Erwerb des „letzten Zertifikates vom 08.01.2014 lediglich 114 Fortbildungspunkte nachgewiesen“ worden seien.
8Die Klägerin hat am 2. Oktober 2015 Klage erhoben.
9Sie ist der Auffassung, die Beklagte sei nicht berechtigt, die über den Betrag von 250 hinausgehenden Punkte nach Erteilung eines Fortbildungszertifikats verfallen zu lassen oder „auf Null zu setzen“. Eine gesetzliche Regelung zu der Frage, ob überschüssige Fortbildungspunkte auf den nachfolgenden Fünfjahreszeitraum übertragen werden könnten, bestehe nicht. Das Grundrecht der Klägerin auf effektiven Rechtsschutz gemäß Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) sei verletzt, wenn es die Beklagte selbst entscheiden könne, ob eine Gutschrift überzähliger Fortbildungspunkte auf den nachfolgenden Prüfzeitraum erfolge oder nicht.
10Die Fortbildungspflicht der Klägerin werde in § 95d Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch (SGB V) geregelt, dieser Fortbildungspflicht könne auf unterschiedliche Art und Weise nachgekommen werden. Ob die Klägerin die bei der Beklagten erworbenen Fortbildungspunkte nutze, sei allein ihre Entscheidung. Deshalb dürfe die Beklagte die erworbenen Fortbildungspunkte ohne Einwilligung der Klägerin weder nutzen noch löschen. Das sei auch die Auffassung des Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen.
11Sie, die Klägerin, habe ab dem 1. Juli 2004 bis zum Antragszeitpunkt am 22. Juni 2015 insgesamt 912 Fortbildungspunkte erworben, davon 549 Fortbildungspunkte im maßgeblichen Nachweiszeitrum vom 1. Juli 2009 bis zum 30. Juni 2014. Im der Antragstellung vorausgehenden Fünfjahreszeitraum habe sie insgesamt 254 Fortbildungspunkte erworben, so dass in jedem Fall eine ausreichende Anzahl von Punkten für das begehrte Fortbildungszertifikat zur Verfügung stehe.
12Ein in Bezug genommenes Fortbildungszertifikat vom 8. Januar 2014 habe die Beklagte jedenfalls nicht bei der Kassenärztlichen Vereinigung eingereicht. Somit hätten die dort verwendeten Punkte auch nicht verfallen dürfen, zumal die Klägerin den betroffenen Zeitraum bereits durch ein anderes Zertifikat nachgewiesen habe.
13Die Klägerin ist der Auffassung, dass sie den Fortbildungszeitraum innerhalb des gesetzlich geregelten Nachweiszeitraumes selbst bestimmen dürfe.
14Die Klägerin beantragt,
15die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 9. Juli 2015 zu verpflichten, der Klägerin gemäß ihrem Antrag vom 22. Juni 2015 für den vorausgehenden Fünfjahreszeitraum ein Fortbildungszertifikat auszustellen.
16Die Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Die Beklagte vertieft zur Begründung im Wesentlichen die Ausführungen aus dem Verwaltungsverfahren.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (Beiakte Heft 1) Bezug genommen.
20E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
21Die Entscheidung ergeht durch den Einzelrichter (§ 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO - ) und im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
22Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
23Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig. Die Klägerin begehrt die Erteilung eines von ihr beantragten Fortbildungszertifikats durch die Beklagte nach § 5 Abs. 2 FortbildungsO ÄKWL.
24Die Klage ist fristgerecht erhoben. Da der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 9. Juli 2015 keine Rechtsmittelbelehrung enthält, begann die einmonatige Frist zur Klageerhebung (§ 74 Abs. 2 VwGO), nicht zu laufen, § 58 Abs. 1 VwGO. Die Klageerhebung am 2. Oktober 2015 erfolgte rechtzeitig innerhalb der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO.
25Der Klägerin steht ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite, auch wenn ihr die Beklagte mit Datum vom 3. April 2013 ein bis zum 2. April 2018 geltendes Fortbildungszertifikat erteilt hat. Denn die Klägerin begehrt die Erteilung eines über den genannten Zeitraum hinausreichenden Fortbildungszertifikates, das bis zum 30. Juni 2019 gelten soll und die Klägerin damit für einen längeren Zeitraum von der ihr obliegenden Nachweispflicht entlasten würde.
26Die Klage ist aber nicht begründet.
27Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung eines Fortbildungszertifikats für den Nachweiszeitraum vom 1. Juli 2014 bis zum 30. Juni 2019 durch die Beklagte. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 9. Juli 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO.
28Anspruchsgrundlage für die Erteilung des beantragten Fortbildungszertifikats ist § 5 Abs. 1 FortbildungsO ÄKWL. Danach wird ein Fortbildungszertifikat erteilt, wenn die Ärztin oder der Arzt innerhalb eines der Antragstellung vorausgehenden Zeitraums von fünf Jahren Fortbildungsmaßnahmen abgeschlossen hat, welche in ihrer Summe die nach den Bestimmungen des § 6 FortbildungsO ÄKWL ermittelte Mindestbewertung von 250 Punkten erreichen, wobei alle bis zur Antragstellung erworbenen Fortbildungspunkte in das Fortbildungszertifikat einfließen und damit ihre Anrechenbarkeit auf weitere Fortbildungszertifikate nach der FortbildungsO ÄKWL verlieren. Die Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage sind für den begehrten Zeitraum nicht erfüllt.
29Die im Zeitraum vor der Antragstellung am 22. Juni 2015 anrechenbaren Fortbildungsleistungen der Klägerin erreichen insgesamt nicht den erforderlichen Wert von 250 Fortbildungspunkten.
30Denn seit der Ausstellung des letzten Fortbildungszertifikates für die Klägerin durch die Beklagte haben die dafür verwendeten Fortbildungsleistungen ihre Anrechenbarkeit für künftige (weitere) Zertifikate verloren.
31Es kann dahinstehen, ob das letzte Fortbildungszertifikat am 3. April 2013 ausgestellt worden ist – dieses hat die Klägerin im Klageverfahren vorgelegt – oder ob ein weiteres Zertifikat am 8. Januar 2014 erteilt worden ist – ein solches nennt die Beklagte in ihrem Bescheid vom 9. Juli 2015. Nach keinem der beiden möglichen Stichtage erreicht die von der Klägerin absolvierte Fortbildung die geforderte Zahl von 250 Punkten. Im ersten Fall hätte die Klägerin 148 Fortbildungspunkte erreicht (Fortbildungsleistungen vom 19. April 2013 bis zum 22. Juni 2015), im zweiten Fall hätte sie 114 Fortbildungspunkte erreicht (Fortbildungsleistungen vom 9. Januar 2014 bis zum 22. Juni 2015).
32Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Regelung in § 5 Abs. 2 Satz 2 FortbildungsO ÄKWL, wonach in ein Fortbildungszertifikat eingeflossene Punkte ihre Anwendbarkeit für künftige Zertifikate verlieren, nicht zu beanstanden. Die Löschung „alter Punkte“ entspricht dem Sinn und Zweck der Fortbildungspflicht für Ärzte, eine kontinuierliche, auf dem neuesten wissenschaftlichen Stand beruhende Weiterbildung der tätigen Ärzte sicherzustellen. Die Fortbildung dient der Erhaltung und Fortentwicklung der zur Berufsausübung notwendigen Fertigkeiten. Damit wäre die von der Klägerin gewünschte Ansammlung von Fortbildungspunkten aus der Vergangenheit nicht vereinbar.
33§ 95d SGB V steht dem nicht entgegen, sondern stützt diese Auffassung. Nach § 95d Abs. 3 SGB V hat ein Vertragsarzt alle fünf Jahre nachzuweisen, dass er in dem zurückliegenden Fünfjahreszeitraum seiner Fortbildungspflicht nach Absatz 1 nachgekommen ist. Danach ist eine „Gutschrift“ bzw. ein „Ansammeln“ von Punkten aus einem außerhalb der Fünfjahresfrist liegenden Zeitraum ausgeschlossen. Wäre die von der Klägerin in ihrer Klageschrift vertretene Ansicht richtig, wonach überschüssige Punkte auf nachfolgende Zeiträume übertragen werden könnten, so wäre es im äußersten Fall möglich, durch intensive und überobligatorische Fortbildung in einem Fünfjahreszeitraum die Fortbildungsverpflichtung für mehrere nachfolgende Zeiträume zu erfüllen, ohne dass dann noch tatsächliche weitere Fortbildungsleistungen zu erbringen wären, mithin eine – wie auch immer lange – „Fortbildungspause“ eingelegt werden könnte.
34An dieser Bewertung, die die Kammer bereits in ihrer Hinweisverfügung vom 26. November 2015 abgegeben hat, wird auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin aus ihrem Schriftsatz vom 14. Januar 2016 festgehalten. Sofern die Klägerin ihrer Fortbildungsverpflichtung gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung mittels eines Fortbildungszertifikats der Beklagten nachkommen möchte (vgl. § 95d Abs. 2 Satz 1 SGB V), hat sie die von der Beklagten in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorgaben zur Fortbildung erlassenen Regelungen in der FortbildungsO ÄKWL zu beachten. Jedenfalls das Fortbildungszertifikat vom 3. April 2013 hat die Klägerin zur Erfüllung ihrer Fortbildungsverpflichtung genutzt, wenn sie nun auch vorträgt, das sei ohne ihren Antrag und Zustimmung geschehen. Danach trifft sie auch die Regelung des § 5 Abs. 2 Satz 2 FortbildungsO ÄKWL, wonach die in das genannte Fortbildungszertifikat eingeflossenen Punkte ihre Anwendbarkeit für künftige Zertifikate verlieren.
35Darin liegt keine Benachteiligung der Klägerin und kein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG, wie sie vorträgt, indem „Erworbenes“ ohne Grundlage verfalle, sondern eine Regelung, die – wie dargelegt – die Kontinuität der ärztlichen Fortbildung sicherstellen soll.
36Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.