Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
1. Für die Abgrenzung zwischen privater häuslicher Sphäre des Beamten und unfallfürsorgerechtlich geschütztem öffentlichem Bereich ist bei einem Unfall, der sich im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit der Haustür ereignet, darauf abzustellen, ob die Unfallursache und der maßgebliche Geschehensablauf einen sachlichen Bezug zu der häuslichen Risikosphäre des Beamten oder zu dem Verkehrs- bzw. Wegerisiko aufweisen.
2. Die Frage, ob die Haustür beim Unfallereignis bereits durchschritten worden ist, kann offen bleiben.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
2Der Kläger, der als Fahrdienstleiter im Dienst der Beklagten steht, erlitt am 16. April 2012 einen Unfall. Ausweislich seines Antrags auf Dienstunfallanerkennung stand er, vom Dienst kommend, mit dem Fahrrad in der geöffneten Haustür, als ihm der Schlüssel herunterfiel. Während er diesen mit der rechten Hand aufhob, hielt er sein Fahrrad mit der linken Hand am Lenker fest. Ein plötzlicher Windstoß/Luftzug ließ dabei die Haustür auf die linke Hand fallen. Dabei erlitt er eine Fraktur des Mittelhandknochens.
3Durch Bescheid vom 18. Juli 2012 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Anerkennung des Ereignisses als Dienstunfall ab. Zur Begründung führte sie aus, der Unfall habe sich im häuslichen Bereich zugetragen, der nach der Rechtsprechung nicht mehr dem gesetzlichen Unfallschutz unterstehe. Unfallfürsorgeleistungen könnten nicht gewährt werden.
4Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 27. Juli 2012 Widerspruch, den er dahingehend begründete, dass er sich noch vor der Türschwelle befunden habe, als sich der Unfall ereignet habe. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei maßgeblich, ob er die Außentür des Wohnhauses bereits durchschritten habe.
5Durch Bescheid vom 13. November 2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und führte zur Begründung aus, das Unfallgeschehen habe sich innerhalb des Hauses des Klägers ereignet, da sich die Außentür nach innen öffne. Nach der Rechtsprechung endeten die Leistungen der Unfallfürsorge an der Außentür des Hauses.
6Der Kläger hat am 3. Dezember 2012 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor: Der Weg von der Arbeitsstelle ende erst mit dem Durchschreiten der Außentür. Erst hinter der Türschwelle im Inneren des Hausflures beginne der häusliche Risikobereich. Da er sich noch vor der Türschwelle befunden habe, als sich der Unfall ereignet habe, könne noch nicht von einem Durchschreiten der Haustür gesprochen werden. Folgte man der Argumentation der Beklagten, auf den Ort des verletzten Körperteiles abzustellen, führte dies zu dem seltsamen Ergebnis eines „gespaltenen Dienstunfalles“. Verletzungen an Körperteilen, die sich vor der Türschwelle befunden hätten, wären im Rahmen eines Dienstunfalles anzuerkennen. Die Handverletzung im häuslichen Bereich wäre dagegen nicht von der Dienstunfallfürsorge umfasst. Dies führe im Ergebnis dazu, dass ein einheitlicher Geschehensablauf künstlich auseinandergerissen werde, was mit Sinn und Zweck der Unfallfürsorge nicht vereinbar sei. Vorliegend seien Unfallursache und maßgeblicher Geschehensablauf räumlich und sachlich dem dienstunfallrechtlich geschützten Weg zuzuordnen. Da er bei dem Unfall noch vor der Außentür gestanden habe, als sich diese plötzlich geschlossen habe, habe sich keine Gefahr realisiert, die aus dem häuslichen Bereich stamme.
7Der Kläger beantragt,
8die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 13. November 2012 zu verpflichten, den Vorfall vom 18. April 2012 gegen 23.17 Uhr (Verletzung der Hand an der Haustür) als Dienstunfall anzuerkennen.
9Die Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Die Beklagte verweist zur Begründung im Wesentlichen auf ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren.
12Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
13Entscheidungsgründe:
14Der Einzelrichter ist zuständig, nachdem ihm der Rechtsstreit durch Beschluss der Kammer vom 17. Januar 2014 übertragen worden ist (vgl. § 6 Abs. 1 VwGO).
15Die zulässige Klage ist unbegründet.
16Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Anerkennung des Ereignisses vom 16. April 2012 als Dienstunfall. Der Bescheid der Beklagten vom 6. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 13. November 2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
17Ein Dienstunfall ist nach § 31 Abs. 1 ein auf äußere Einwirkungen beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, dass in Ausübung oder in Folge des Dienstes eingetreten ist. Gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 Beamtenversorgungsgesetz gilt als Dienst auch das Zurücklegen des mit dem Dienst zusammenhängenden Weges nach und von der Dienststelle.
18Eine Anerkennung des Ereignisses vom 16. April 2012 als Dienstunfall kommt nicht in Betracht, weil es nicht während des Zurücklegens des mit dem Dienst zusammenhängenden Weges nach und von der Dienststelle eingetreten ist.
19Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,
20Urteil vom 27. Januar 2005 – 2 C 7/04 –, juris Rn. 11,
21hat der Gesetzgeber den Wegeunfall dem Dienstunfall lediglich gleichgestellt und damit zu erkennen gegeben, dass der Weg zwischen Dienststelle und Familienwohnung – wie vor der Einführung des Wegeunfallschutzes – im beamtenrechtlichen Sinne kein Dienst ist. Die Gleichstellung ist eine sozialpolitisch motivierte zusätzliche Leistung des Dienstherrn,
22so auch BAG, Urteil vom 14. Dezember 2000 – 8 AZR 92/00 – NJW 2001, 2039 zur gesetzlichen Unfallversicherung.
23Da der Wortlaut der Vorschrift sich zu den Kriterien dieses – erweiterten – Unfallschutzes nicht verhält, muss § 31 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 BeamtVG nach Sinn und Zweck ausgelegt werden. Danach dient die Gleichstellung des Wegeunfalls mit dem Dienstunfall der Erweiterung der Unfallfürsorge des Dienstherrn auf die außerhalb der eigenen Wohnung herrschenden Gefahren des allgemeinen Verkehrs. Denn die dortigen Gefahren können weder der Beamte noch der Dienstherr im Wesentlichen beherrschen oder beeinflussen. Die gesetzestechnische Konstruktion der Gleichstellung durch eine gesetzliche Fiktion in § 31 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 BeamtVG, ferner Sinn und Zweck sowie die Konzeption dieser Vorschrift als Ausnahmeregelung lassen jedoch erkennen, dass es nicht zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten Ausdehnung der Unfallfürsorge auf die im Wesentlichen vom Beamten beherrschten privaten Lebensbereiche kommen soll. Das zwingt zur restriktiven Auslegung der Vorschrift mit der Folge, dass grundsätzlich sämtliche Bereiche nicht vom Dienstunfallschutz erfasst sind, in denen der Beamte die dort gegebene Unfallgefahr im Wesentlichen selbst beherrschen und beeinflussen kann.
24Zur örtlichen Abgrenzung eines – gem. § 31 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG der Dienstunfallfürsorge zuzurechnenden – Wegeunfalls und eines Unfalls, der sich im privaten Bereich des Beamten zugetragen hat, stellt die höchstgerichtliche Rechtsprechung, wie der Kläger zutreffend vorträgt, maßgeblich auf die Außentür des Hauses ab. Der Dienstunfallschutz endet im privaten Lebensbereich des Beamten. Insbesondere die Wohnung ist diesem zuzurechnen. Damit verbundene Ungereimtheiten – Hof und Vorgarten gehören zum Dienstweg, Gemeinschaftsflächen eines Mehrfamilienhauses nicht – werden in Kauf genommen.
25Vgl. BVerwG, a. a. O., juris Rn. 12.
26Die Abgrenzung allein nach dem Merkmal der Außentür versagt jedoch in den Fällen, in denen sich das Unfallereignis – wie hier – gerade im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit dieser zugetragen hat. In diesen Ausnahmekonstellationen kann es nicht etwa auf den genauen Standort des Beamten – jeweils vor oder hinter der Türschwelle – zum Zeitpunkt des Unfallereignisses ankommen. Abgesehen von der kaum möglichen Aufklärbarkeit des hierzu exakt zu rekonstruierenden Geschehensablaufes versagt die Außentür als örtliches Abgrenzungsmerkmal zwischen Dienstweg und privater Sphäre in Konstellationen, in denen Unfallereignis und Verletzung gerade im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit der Außentür stehen. In diesen Fällen muss auf die in § 31 Abs. 1, 2 BeamtVG konkretisierten gesetzlichen Grundwertungen abgestellt werden, dass Dienst und Dienstweg von der Dienstunfallfürsorge umfasst werden, der private Lebensbereich dagegen nicht. Entscheidend ist demnach in derartigen Ausnahmefällen danach zu fragen, ob sich ein Wege- oder ein dem privaten Lebensbereich des Beamten zuzurechnendes Risiko realisiert hat.
27Vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 11. Oktober 2013 – 3 K 4303/12 –, juris Rn. 25; VG Regensburg, Urteil vom 17. Oktober 2012 – RN 1 K 12.1111 –, juris Rn. 18.
28Die höchstgerichtliche Rechtsprechung stellt sich der derartigen Sphärenbetrachtung in den skizzierten Ausnahmefällen nicht in den Weg, sondern konzediert, indem es von einer Ergänzung der Risikobetrachtung durch das Abstellen auf die Außentür spricht,
29BVerwG, a.a.O., juris Rn. 14
30dass eine Abgrenzung zwischen der privaten Sphäre des Beamten und dem Dienstweg nach der Beherrschbarkeit des Risikos durchaus sachgerecht ist.
31Nach dieser Maßgabe haben sich bei dem Unfallereignis des Klägers am 16. April 2012 Risiken realisiert, die dessen privatem Lebensbereich zuzuordnen sind. Unfallverursachender Umstand war ausweislich der Dienstunfallanzeige des Klägers ein plötzlicher Windzug. Dieser kann, da sich die Außentür nach innen schließt, nur verursacht worden sein durch einen Umstand innerhalb des Hauses des Klägers, etwa durch ein geöffnetes Fenster, wie der Kläger selbst im Schriftsatz vom 20. August 2013 vermutet. Es handelt sich dabei um eine Gefahr, die der privaten häuslichen Sphäre des Klägers zuzuordnen ist und die dieser erkennen und beherrschen kann. Damit fällt das plötzliche Schließen der Außentür in seinen (privaten) Verantwortungsbereich.
32Bei einer derartigen Risikobetrachtung dürfte die vom Kläger angesprochene Gefahr eines „gespaltenen Dienstunfalles“ äußerst gering sein. Realisiert sich in einem Ausnahmefall eines Unfalles im unmittelbaren Zusammenhang mit der Außentür ein Wegerisiko, erfolgt eine Dienstunfallanerkennung, realisiert sich ein der privaten Sphäre zuzurechnendes Risiko, unterbleibt sie.
33Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung.