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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
2Der minderjährige Kläger wurde als Sohn serbischer Eltern, zugehörig der Volksgruppe der Roma, in der Bundesrepublik geboren. Seine Eltern T. E. und S. B. reisten im August 2010 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragten Asyl. Ihre Asylanträge wurden mit Bescheiden des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 7. September 2010 als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Die dagegen erhobenen Klagen blieben erfolglos (VG Gelsenkirchen, S. B. Urteil vom 25. Mai 2011 - 7a K 4677/10.A -; T. E. Urteil vom 25. Mai 2011 - 1a K 4587/10.A). Am 16. September 2011 wurde ein Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter aufgrund der Antragsfiktion des § 14 a Abs. 2 AsylVfG als gestellt erachtet. Zur Begründung wiederholten seine Eltern schriftlich den in ihren eigenen Asylverfahren geltend gemachten Vortrag: Die Familien beider Elternteile des Klägers hätten die Beziehung nicht akzeptiert. Die Mutter habe zwangsverheiratet werden sollen. Sie sei von ihrem psychisch kranken Vater misshandelt worden. Er habe ihr mit Vergewaltigung gedroht. Bei einer Rückkehr in ihr Heimatland befürchte sie harte Misshandlungen und die Entführung ihres Kindes. Bislang wisse die Familie nichts von ihrem Kind. Die offensichtliche Roma-Zugehörigkeit und die daraus resultierende landesweite Diskriminierung mache das Überleben für den Kläger und seine Mutter in Serbien unmöglich.
3Mit Bescheid vom 12. März 2012 lehnte das Bundesamt den Asylantrag als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes - AufenthG - offensichtlich nicht und Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 2 - 7 AufenthG nicht vorliegen. Ferner forderte es den Kläger unter Abschiebungsandrohung nach Serbien zur Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland binnen einer Frist auf.
4Der Kläger hat am 3. April 2012 Klage erhoben und gleichzeitig um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Der Antrag ist durch Beschluss der Kammer vom 12. April 2012 abgelehnt worden - 7a L 436/12.A -. Zur Begründung der Klage wiederholen und vertiefen die Eltern des Klägers ihre Ausführungen gegenüber dem Bundesamt.
5Der Kläger beantragt,
61. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 12.März 2012 zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen,
72. die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote zu Gunsten des Klägers gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen.
8Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
9die Klage abzuweisen.
10Sie nimmt Bezug auf den angegriffenen Bescheid.
11Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
12Entscheidungsgründe:
13Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 12. März 2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
14Der Kläger hat weder einen Anspruch auf asylrechtlichen Schutz im engeren Sinne oder Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Art. 16 a Abs. 1 GG, § 60 Abs. 1 AufenthG) noch darauf, dass die Beklagte zu seinen Gunsten Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 - 7 AufenthG feststellt.
15Das Gericht ist in dem gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung davon überzeugt, dass der Kläger im Falle ihrer Rückkehr nach Serbien vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist. Das Gericht verweist zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG auf die ausführlichen und zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid.
16Der Kläger hat davon abweichend keinen Sachverhalt schlüssig dargelegt, der in seinem Falle Übergriffe Dritter, gegen die der Staat keinen Schutz zu bieten hat, erkennen lässt. Eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure, die die Schutzwirkungen des § 60 Abs. 1 S. 1 AufenthG auslösen könnte, setzt nämlich Verfolgungshandlungen gegen die Gruppe voraus, die so intensiv und zahlreich sind, dass jedes einzelne Mitglied der Gruppe daraus die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit ableiten kann.
17Vgl. Sächs. OVG, Urt. Vom 19. Mai 2009 - A 4 B 229/07 -, m.w.N., juris.
18Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines europarechtlich begründeten Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 S. 2 AufenthG.
19Vgl. zur Auslegung des Antrages: BVerwG, Urt. vom 24. Juni 2008 - 10 C 43/07 - juris, LS 1 und Rdnr.13 f.
20Auch insoweit verweist die Kammer auf die zutreffenden Gründe des Bescheides des Bundesamtes vom 12. März 2012, die sie sich zu eigen macht.
21Letztlich ist auch ein (national begründetes) Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG nicht erkennbar. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dies setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer hingegen auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG, die nicht nur ihn persönlich, sondern zugleich die gesamte Bevölkerung oder seine Bevölkerungsgruppe allgemein treffen, wird - abgesehen von Fällen der richtlinienkonformen Auslegung bei Anwendung von Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie für internationale oder innerstaatliche bewaffnete Konflikte - der Abschiebungsschutz grundsätzlich nur durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt. Beim Fehlen einer solchen Regelung kommt die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke (Art. 1, Art. 2 Abs. 2 GG) in Betracht, d.h. nur zur Vermeidung einer extremen konkreten Gefahrenlage in dem Sinne, dass dem Ausländer sehenden Auges der sichere Tod droht oder er schwerste Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten hätte.
22Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07-, juris.
23Eine solche extreme konkrete Gefahrenlage besteht für den Kläger nicht. Allein aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Minderheit der Roma in Serbien gerät der Kläger - ungeachtet der für diese Volksgruppe nach wie vor dort in erheblichem Ausmaß bestehenden Schwierigkeiten - weder mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in eine extreme Gefahrenlage noch droht ihm deswegen ernste Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit. Dies hat das Bundesamt im angegriffenen Bescheid ebenfalls zutreffend ausgeführt; auf diese Ausführungen wird Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylVfG).
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Vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 4. Juni 2010; OVG NRW, Beschluss vom 14. Dezember 2009 - 5 A 2716/09.A -, VG Gelsenkirchen, Urteile vom 18. August 2010 - 7a K 2060/10.A - und vom 28. Juli 2010 - 1a K 1840/10.A -.
26Individuelle Aspekte, die für den Kläger eine im Rahmen von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG relevante Gefahr unabhängig von seiner Volkszugehörigkeit begründen könnten, greifen ebenfalls nicht durch. Für den in der Bundesrepublik Deutschland geborenen Kläger machen seine Eltern die für sie selbst vorgetragenen Gründe geltend. Sie meinen, auch der Kläger habe im Falle einer Abschiebung mit Übergriffen seitens ihrer Familien zu rechnen. In sofern kann daher Urteile in den Verfahren der Eltern des Klägers, 1 a K 4587/10.A und 7 a K 4677/10.A, verwiesen werden.
27Die in Ziffer 4. des Bescheides des Bundesamtes vom 12. März 2012 enthaltene Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in § 34 Abs. 1 Satz 1, § 36 Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) und § 59 AufenthG.
28Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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