Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
1. Die Bestattungspflicht nach § 8 Abs. 1 Satz 1 BestG NRW entfällt nicht, weil der Pflichtige nur über ein geringes Einkommen verfügt.
2. Allein der Bezug von Sozialhilfe, bzw. bescheidene finanzielle Verhältnisse können die Annahme einer unbilligen Härte im Sinne des § 24 Abs. 2 VOVwVG nicht begründen. Insoweit lassen sich die zu § 227 AO entwickelten Grundsätze auf das Verwaltungsvollstreckungsrecht übertragen.
3. Der Kostenübernahmeanspruch aus § 74 SGB XII ist bei der Prüfung, ob die Inanspruchnahme des Kostenpflichtigen eine unbillige Härte darstellen würde, mit zu berücksichtigen.
Der Kostenbescheid der Beklagten vom 5. Mai 2011 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
2Am 18. Januar 2011 verstarb der leibliche Vater der Klägerin im N. in H. V. . Darüber wurde die Beklagte am 19. Januar 2011 unterrichtet.
3Mit Anfrage vom selben Tag erkundigte sie sich beim Standesamt des Geburtsortes des Verstorbenen nach bestattungspflichtigen Angehörigen. Durch eine Einwohnermeldeamtsanfrage stellte die Beklagte weiterhin fest, dass der seit dem 17. November 1980 rechtskräftig geschiedene Verstorbene mit einer Lebensgefährtin in einer gemeinsamen Wohnung lebte. Die Lebensgefährtin erklärte, der Verstorbene habe eine Rente bezogen. Sie sei finanziell nicht in der Lage, die Bestattung zu veranlassen.
4Mit Schreiben vom 20.Januar 2011 unterrichtete die Beklagte die Klägerin und deren zwei Schwestern, darunter die Klägerin im Verfahren 14 K 2308/11, über den Tod ihres Vaters und wies auf die Bestattungspflicht sowie die Möglichkeit eines Antrags nach dem Sozialgesetzbuch XII hin.
5Die Klägerin meldete sich am 25. Januar 2011 telefonisch bei der Beklagten und teilte mit, die Bestattung werde nicht von der Familie in Auftrag gegeben, da sie und ihre Schwestern nur über ein geringes Einkommen verfügten. Zudem sei ihrer Meinung nach die Lebensgefährtin des Verstorbenen verpflichtet, die Bestattung zu veranlassen. Daraufhin beauftragte die Beklagte am 26. Januar 2011 ein Bestattungsunternehmen. Für die Bestattung des Verstorbenen entstanden Kosten in Höhe von 618,35 EUR für das Bestattungsunternehmen sowie 1.093,- EUR Friedhofsgebühren für die Urnenbeisetzung und die Nutzung eines Urnenreihengrabs. Aus einer Lebensversicherung wurden 232,- EUR an die Beklagte ausgezahlt.
6Mit Schreiben vom 11. März 2011 hörte die Beklagte die Klägerin sowie deren Schwestern zum Erlass eines Leistungsbescheides für die Bestattungskosten an.
7Die Klägerin und Ihre Schwestern teilten daraufhin unter Beifügung von Einkommensnachweisen der Beklagten ihre Einkommensverhältnisse mit.
8Die Klägerin, verheiratet, zwei Kinder, erklärte selbst nur über Einkünfte von monat-lich 336,21 EUR aus einer geringfügigen Beschäftigung zu verfügen. Das Einkommen ihres Ehemanns betrage netto 1.454,39 EUR monatlich. Die Wohnungsmiete betrage 600,- EUR zuzüglich Heizkosten von monatlich 450,- EUR.
9Die Klägerin im Verfahren 14 K 2308/11, verheiratet, zwei Kinder, teilte mit, selbst nur über Einkünfte von monatlich 300,- EUR aus einer geringfügigen Beschäftigung zu verfügen. Das Einkommen ihres Ehemanns betrage netto 1.723,56 EUR monatlich. Die Wohnungsmiete betrage monatlich 549,- EUR zuzüglich 150,- EUR Heizkosten.
10Die jüngste Tochter, geschieden, 2 Kinder erhält Sozialhilfe in Höhe von 912,- EUR.
11In einem Vermerk vom 4. Mai 2011 legte die Beklagte ihre Erwägungen zur Inanspruchnahme der Klägerin und ihrer Schwestern nieder. Ausgehend vom Nettoeinkommen der Familie (ohne Berücksichtigung des Kindergeldes) und der Zahl der im jeweiligen Haushalt lebenden Personen, ermittelte sie die Pfändungsfreigrenze. Für die Familie der Klägerin ermittelte die Beklagte einen pfändbaren Betrag von monatlich 20,- EUR. Für die Familie der Klägerin im Verfahren 14 K 2308 ergab die Berechnung der Beklagten einen die Pfändungsfreigrenze übersteigenden Betrag von 317,56 EUR. Hinsichtlich der weiteren Schwester ging sie aufgrund deren Sozialleistungsbezugs von einer Gefährdung der Existenzgrundlage aus und sah von einer Inanspruchnahme zur Erstattung der Bestattungskosten ab.
12Mit dem streitgegenständlichen Leistungsbescheid vom 5. Mai 2011 nahm sie die Klägerin und die Klägerin im Verfahren 14 K 2308/11 jeweils in (voller) Höhe von 1682,80 (1479,35 EUR ungedeckte Kosten zuzüglich 200,- EUR Verwaltungsgebühr und 3,45 EUR Postgebühren) als Gesamtschuldnerinnen in Anspruch.
13Zur Begründung führt sie sinngemäß aus, dass die Klägerin und auch die Klägerin im Verfahren 14 K 2308/11 nach der durchgeführten Prüfung - anders als die weitere Tochter des Verstorbenen - finanziell zur Übernahme der Bestattung in der Lage und deshalb als Kostenpflichtige heranzuziehen sei.
14Der Bescheid wurde der Klägerin am 7. Mai 2011 zugestellt.
15Mit Schreiben vom 6. Juni 2011, welches am folgenden Tag bei der Beklagten einging, bestellte sich die Verfahrensbevollmächtigte der Klägerin bei der Beklagten und machte geltend, die Heranziehung der Klägerin sei aufgrund deren wirtschaftlicher Verhältnisse nicht sachgerecht.
16Unter dem 16. Juni 2011 erläuterte die Beklagte daraufhin noch einmal ihre Entscheidung und wies auf die Gründe für eine unbillige Härte aus persönlichen Gründen wegen einer drohenden Existenzgefährdung, sowie auf die mögliche Übernahme der Bestattungskosten nach § 74 SGB XII hin.
17Die Klägerin hat am 6. Juni 2012 Klage erhoben, zu deren Begründung sie zunächst vorträgt, aus wirtschaftlichen Gründen nicht zur Übernahme der Bestattungskosten in der Lage zu sein, da sie lediglich Einkünfte im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung erziele. Ihre Heranziehung zur Kostenerstattung gefährde auch im Fall der Berücksichtigung des Einkommens ihres Ehegatten ihre Existenz und sei daher nicht sachgerecht.
18Sie beantragt,
19den Leistungsbescheid der Beklagten vom 5. Mai 2011 aufzuheben.
20Die Beklagte beantragt
21die Klage abzuweisen.
22Zur Begründung bezieht sie sich auf die Begründung des Bescheides
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten einschließlich des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten (Beiakte Heft 1)
24Entscheidungsgründe:
25Die zulässige Klage ist begründet, denn der angefochtene Leistungsbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - ), da sich die Entscheidung der Beklagten, die Klägerin als Kostenpflichtige in Anspruch zu nehmen, als ermessensfehlerhaft darstellt.
26Der streitgegenständliche Kostenbescheid findet seine Rechtsgrundlage in § 77 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land NRW - VwVG - in Verbindung mit § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 7 Ausführungsverordnung VwVG NRW - VOVwVG - hinsichtlich der Bestattungskosten bzw. § 15 Abs. 1 Nr. 11 VOVwVG für die Verwaltungsgebühr.
27Nach diesen Bestimmungen werden für Amtshandlungen nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz nach näherer Bestimmung einer Kostenordnung von dem Vollstreckungsschuldner oder dem Pflichtigen Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben. Zu den Auslagen gehören insbesondere Beträge, die bei der Ersatzvornahme an Beauftragte und an Hilfspersonen zu zahlen sind, sowie Kosten, die der Vollzugsbehörde (§ 56 VwVG NRW) durch die Ersatzvornahme entstanden sind.
28Der Kostenbescheid ist formell rechtmäßig. Die Beklagte hat hier als für den Erlass des Bescheides zuständige Kostengläubigerin gehandelt. Insbesondere wurde die Klägerin vor Erlass des Kostenbescheides mit Blick auf die Frage einer persönlichen Härte aus wirtschaftlichen Gründen gerade auch zu ihren Einkommensverhältnissen angehört, so dass die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG - vorliegend eingehalten wurden.
29Die dem streitgegenständlichen Leistungsbescheid zugrundeliegende Ersatzvornahme erfolgte ebenfalls rechtmäßig.
30Wird die Bestattung durch die Ordnungsbehörde veranlasst, weil die Bestattungspflichtigen ihren Pflichten aus § 8 Abs. 1 Satz 1 Bestattungsgesetz NRW - BestG - nicht nachkommen, handelt es sich um eine Ersatzvornahme im Sinne der §§ 57, 59 Abs. 1 VwVG.
31Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urt. v. 30. Juli 2009 - 19 A 448/07 -, www.nrwe.de.
32Die Beklagte konnte die Bestattung nach § 55 Abs. 2 VwVG im Wege des sogenannten "Sofortvollzugs" auch ohne den Erlass einer vorhergehenden, an die Bestattungspflichtigen gerichteten, Ordnungsverfügung veranlassen, da dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr notwendig war und sie als Verwaltungsbehörde hierbei innerhalb ihrer Befugnisse handelte.
33Die Beklagte wäre als örtliche Ordnungsbehörde aufgrund § 8 Abs. 1 Satz 2 BestG und § 14 Abs. 1 Ordnungsbehördengesetz NRW - OBG - befugt gewesen, den Bestattungspflichtigen die Bestattung des Verstorbenen innerhalb der Bestattungsfrist von acht Tagen (§ 13 Abs. 3 BestG) durch Ordnungsverfügung aufzugeben.
34Die Voraussetzungen für ein ordnungsbehördliches Einschreiten der Beklagten waren erfüllt. Im Zeitpunkt des Einschreitens bestand aufgrund eines Verstoßes gegen §§ 8 Abs. 1 Satz 1 und 13 Abs. 3 BestG eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit, weil sämtliche der Beklagten bekannten Personen, die eine familienrechtliche oder soziale Nähe zum Verstorbenen aufwiesen, eine Durchführung der Bestattung abgelehnt haben. Es stand daher bei ungehindertem Geschehensablauf unmittelbar zu befürchten, dass die Bestattung nicht innerhalb der gesetzlichen Frist erfolgen würde.
35Zum Zeitpunkt des Einschreitens der Beklagten war diese Gefahr auch gegenwärtig, da die Bestattungsfrist des § 13 Abs. 3 BestG am 26. Januar 2011, dem Tag der Beauftragung des Bestattungsinstituts durch die Beklagte, ablief. Die Auftragserteilung an das Bestattungsunternehmen am letzten Tag der Bestattungsfrist ist nicht zu beanstanden, insbesondere da vorliegend nach den sorgfältigen Ermittlungen der Beklagten keinerlei Anhaltspunkte für weitere, möglicherweise bestattungspflichtige Personen bestanden.
36Die Inanspruchnahme der Klägerin für die Kosten dieser Ersatzvornahme und die Gebühren stellt sich jedoch als ermessensfehlerhaft dar, weil nicht ersichtlich ist, dass die Beklagte das ihr bei der Existenz mehrerer prinzipiell gleichrangig Bestattungspflichtiger zustehende Auswahlermessen ordnungsgemäß ausgeübt hat.
37Vgl. dazu OVG NRW, Beschl. v. 26. April 1993 - 19 A 761/92 -, Urt. v. 10. Mai 1996 - 19 A 4684/95 -, S. 6 und 7 des amtlichen Abdrucks und Beschl. v. 15. Okto- ber 2001 - 19 A 571/00 -, NVwZ 2002, 996 und 31. Juli 2006 - 19 E 371/05 -, www.nrwe.de
38Zwar gehört die Klägerin zum Kreis der Kostenpflichtigen im Sinne der §§ 77 Abs. 1 VwVG; 20 Abs. 2 Satz 1 VOVwVG.
39Diese Bestimmungen treffen keine eigene Regelung wer "Pflichtiger" ist, sondern beziehen sich auf die ordnungsrechtliche Pflichtigkeit, welche Grundlage der die Kosten auslösenden Ersatzvornahme ist. § 20 VOVwVG ist, ebenso wie die bis Dezember 2009 einschlägige Regelung in § 11 der Kostenordnung NRW - KostO -, im Zusammenhang mit den Vorschriften des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes zu sehen. Bereits aus dem Wortlaut des § 59 VwVG NRW "Wird die Verpflichtung eine Handlung durchzuführen [...] nicht erfüllt, so kann die Vollzugsbehörde auf Kosten des Betroffenen die Handlung selbst ausführen oder einen anderen mit der Durchführung beauftragen", ergibt sich nämlich, dass die Ersatzvornahme auf Kosten dessen durchgeführt werden soll, der eigentlich ordnungsrechtlich zur Vornahme der durchgesetzten vertretbaren Handlung verpflichtet gewesen wäre.
40Der Kreis der Kostenpflichtigen ist daher nach dem Kreis der ordnungsrechtlich Verantwortlichen zu bestimmen.
41Vgl. Denninger in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Auflage Rdnr. 132.
42Daraus folgt auch, dass zivilrechtliche Beziehungen auf die Frage der Kostenpflicht keinen Einfluss haben, so dass es nicht darauf ankommt, ob der Kostenpflichtige (auch) als Erbe oder aufgrund bestehender Unterhaltspflichten nach dem bürgerlichen Recht dazu verpflichtet wäre, die Kosten der Bestattung zu tragen.
43Vgl. auch Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschl. v. 19. August 1994 - 1 B 149.94 -, NVwZ-RR 1995, 283 und ständige Kammerrechtsprechung, vgl. zuletzt VG Gelsen-kirchen, Urt. v. 18. Oktober 2011 - 14 K 2230/10 -, www.nrwe.de.
44Die Klägerin war als volljähriges Kind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 BestG zur Bestattung ihres verstorbenen Vaters verpflichtet.
45Ihrer Bestattungspflicht stand dabei zunächst nicht die Existenz von im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 BestG vorrangig zur Bestattung verpflichteten Hinterbliebenen entgegen. Nach dieser Bestimmung sind in der nachstehenden Rangfolge zunächst Ehegatten, Lebenspartner, volljährige Kinder, Eltern, volljährige Geschwister und nachfolgend weitere Verwandte zur Bestattung verpflichtet.
46Zur Rangfolge des § 8 Abs. 1 Satz 1 BestG vgl. OVG NRW, Beschl. v. 31. März 2006 - 19 E 969/04 -, www.nrwe.de.
47Da der Verstorbene rechtskräftig geschieden war, scheidet eine Ehefrau als vorrangig Verpflichtete aus, denn geschiedene Ehegatten werden von § 8 Abs. 1 Satz 1 BestG nicht erfasst. Die Bestattungspflicht endet mit Rechtskraft des Scheidungsurteils. Dies ergibt sich aus Sinn und Zweck des § 8 Satz 1 BestG, der Ausfluss des Rechts der Angehörigen auf Totenfürsorge aus Art. 2 Grundgesetz - GG - und damit der familienrechtlichen Verhältnisse, die über den Tod hinaus wirken, ist.
48Vgl. OVG NRW, Beschl. v. 31. März 2006 - 19 E 969/04 -, www.nrwe.de; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 19. Oktober 2004, - 1 S 681/04 -, Juris.
49Demnach ist der Kreis der Bestattungspflichtigen auf Angehörige, die dem Verstorbenen im Zeitpunkt des Todes möglichst nahe standen, beschränkt.
50Die mit dem Verstorbenen in einer Wohnung zusammenlebende Lebensgefährtin gehört aufgrund der fehlenden verwandtschaftlichen oder ehelichen Beziehung ebenfalls nicht zum Kreis der Bestattungspflichtigen. Sie ist insbesondere keine Lebenspartnerin im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes (LPartG) und damit auch nicht im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 BestG. Die Auslegung dahin, dass der Begriff "Lebenspartner" in § 8 BestG im Sinne des § 1 LPartG zu verstehen ist, folgt zum einen aus dem Umstand, dass das Bestattungsgesetz vom 17. Juni 2003 stammt und somit in Kenntnis des am 1. August 2001 in Kraft getretenen Lebenspartnerschaftsgesetzes ergangen ist. Zum anderen ist diese Auslegung auch nach Sinn und Zweck geboten, denn nur Lebenspartner gelten gemäß § 11 Abs. 1 LPartG als Familienangehörige und lassen sich insofern in die Auflistung der übrigen Hinterbliebenen in § 8 BestG einreihen. Ein nicht ehelicher Lebensgefährte zählt nicht zu diesem Kreis der Familienangehörigen.
51Vgl. LG Bonn, Beschl. v. 2. Juli 2009, - 8 S 122/09 -, www.nrwe.de.
52Der Bestattungspflicht der Klägerin steht grundsätzlich auch eine Leistungsunfähigkeit aufgrund ihrer finanziellen Verhältnisse nicht entgegen, denn die finanzielle Leistungsfähigkeit ist für die Frage des Bestehens der Bestattungspflicht nicht relevant. Wie bereits ausgeführt, knüpft die Bestattungspflicht allein an die über den Tod hinaus wirkenden familienrechtlichen Verhältnisse an. Diese bestehen unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten der Bestattungspflichtigen. Das Bestattungsgesetz begründet eine ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit und dient der Gefahrenabwehr. Die Bestattungspflicht erfüllt in Verbindung mit der Frist des § 13 Abs. 3 BestG den ordnungsrechtlichen Zweck, im öffentlichen Interesse die ordnungsgemäße und zeitige Durchführung der Bestattung Verstorbener zu gewährleisten und so sicherzustellen, dass von einem Leichnam keine Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen.
53Vgl. OVG NRW, Beschl. v. 15. Oktober 2001 - 19 A 571/00 -, NVwZ 2002, 996.
54Es ist im Ordnungsrecht ein allgemein anerkannter Grundsatz, dass die Verantwortlichkeit eines Störers allein auf der ihm zuzurechnenden Gefahrverursachung beruht, nicht jedoch auf seinen individuellen persönlichen Verhältnissen. Insoweit kommt es weder auf Vorsatz an, noch darauf, ob der Verantwortliche wirtschaftlich dazu in der Lage ist, die von ihm zu verantwortende Gefahr zu beseitigen, denn auf die finanzielle Leistungsfähigkeit kommt es in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht an.
55Vgl. Denninger in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Auflage Rdnr. 73 f.; Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, 3. Auflage 2005, Rdnr. 86 ff.
56Aus den vorgenannten Gründen sind auch die beiden Schwestern der Klägerin nach § 8 Abs. 1 BestG gleichrangig bestattungspflichtig.
57Aufgrund dieser Bestattungspflicht sind sowohl die Klägerin als auch ihre beiden Schwestern grundsätzlich als gleichrangig Kostenpflichtige im Sinne der §§ 77 Abs. 1 VwVG; 20 Abs. 2 Satz 1 VOVwVG in Anspruch zu nehmen.
58Der Wortlaut des § 77 Abs. 1 VwVG, "für Amtshandlungen nach diesem Gesetz werden [...] von dem Pflichtigen Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben", ebenso wie der Wortlaut der hier ebenfalls einschlägigen Bestimmungen der §§ 15 Abs. 1 Nr. 11 ("werden erhoben") und 20 Abs. 2 Satz 2 ("sind zu erstatten") VOVwVG, geht von dem Grundsatz aus, dass (jeder) Pflichtige zur Kostenerstattung und zu Verwaltungsgebühren heranzuziehen ist, der Behörde also insoweit kein Ermessen eingeräumt ist. Dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird auf der sogenannten "sekundären Ebene" der Auswahl des heranzuziehenden Kostenpflichtigen durch § 24 Abs. 2 VOVwVG Rechnung getragen, der ein Absehen von der Inanspruchnahme des Kostenpflichtigen aus Billigkeitsgründen ermöglicht.
59Vgl. Spranger, Bestattungsgesetz Nordrhein-Westfalen, 2. Auflage, Seite 143f.
60Dies gilt uneingeschränkt jedoch nur für die Fälle des sogenannten "gestreckten Verfahrens", in denen die Behörde bereits auf der Primärebene bei der Auswahl des "Pflichtigen" aus einem Kreis mehrerer in Betracht kommender Störer ihr pflichtgemäßes Ermessen ausgeübt und so den potenziellen Kreis der Kostenschuldner bestimmt hat. Im Fall des hier zu betrachtenden "Sofortvollzugs" nach § 55 Abs. 2 OBG, bei dem die Behörde unmittelbar selbst und zunächst adressatenneutral tätig geworden ist, verlagert sich die Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens jedoch von der primären Ebene der "Störerauswahl" auf die sekundäre Ebene der Auswahl des heranzuziehenden Kostenpflichtigen. Das in diesen Fällen auf die Sekundärebene verlagerte Auswahlermessen bedeutet jedoch nicht freies Belieben der Behörde; schon die verfassungsmäßige Bindung an das Übermaßverbot und an den Grundsatz der Gleichbehandlung verbieten jede Willkür.
61Vgl. Denninger in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Auflage Rdnr. 129ff.
62Das bedeutet, dass die Behörde in den Fällen des Sofortvollzugs vor Erlass eines Kostenbescheides zu prüfen hat, ob ein Bestattungspflichtiger aus Billigkeitsgründen als Kostenpflichtiger ausscheidet und in den Fällen, in denen mehrere Kostenpflichtige verbleiben, im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens zu entscheiden hat, ob sie alle oder nur einzelne und wenn letzteres der Fall ist, welche Kostenschulder sie in Anspruch nimmt.
63Vgl. OVG NRW, Beschl. v. 31. Juli 2007 - 19 E 371/05, -, www.nrwe.de.
64Sowohl die Entscheidung über den Erlass der Forderung aus Billigkeitsgründen, als auch die Auswahlentscheidung unter mehreren Kostenpflichtigen, sind als Ermessensentscheidungen durch das Gericht nur im Rahmen des § 114 VwGO zu überprüfen.
65Die Beklagte hat das ihr eingeräumte Ermessen vorliegend im Grundsatz ausgeübt, jedoch erfolgten sowohl die Prüfung der Unbilligkeit der Inanspruchnahme als auch die Entscheidung zur Auswahl der Kostenpflichtigen ermessensfehlerhaft.
66Die Beklagte hat zutreffend zunächst geprüft, ob die Inanspruchnahme der drei bestattungspflichtigen Kinder des Verstorbenen für diese jeweils eine Unbilligkeit darstellt. Sie ist jedoch zu Unrecht davon ausgegangen, dass die jüngste der drei Töchter des Verstorbenen nicht als Kostenpflichtige heranzuziehen ist, weil sich ihre Inanspruchnahme aufgrund ihres Sozialhilfebezugs als eine wirtschaftliche Existenzgefährdung darstelle und deshalb eine unbillige Härte vorliege.
67Das Vorliegen einer unbilligen Härte ist Tatbestandsvoraussetzung der nachfolgenden Ermessensentscheidung im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nach § 24 Abs. 2 VOVwVG. Es handelt sich insoweit um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der Inhalt und Grenzen der pflichtgemäßen Ermessensausübung bestimmt,
68vgl. BVerwG, Urt. v. 23. August 1990 - 8 C 42/88 -, Juris,
69und als solcher der vollständigen gerichtlichen Überprüfung unterliegt.
70§ 24 Abs. 2 VOVwVG enthält keine Definition des Begriffs der unbilligen Härte.
71In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Inanspruchnahme eines Bestattungspflichtigen jedenfalls dann eine unbillige Härte darstellt, wenn sich diese aufgrund der familiären Verhältnisse vor dem Todesfall in Anknüpfung an unterhaltsrechtliche Regelungen als grob unbillig darstellt.
72Vgl. OVG NRW, Urt. v. 30. Juli 2009 - 19 A 448/07 -; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 18. Oktober 2011 - 14 K 2230/10 - m.w.N., beide www.nrwe.de.
73Derartige Ausschlussgründe hat die Beklagte nicht angenommen und sie wurden weder von der Klägerin noch von ihren Schwestern vorgetragen.
74Daneben kommt eine Unbilligkeit der Inanspruchnahme als Kostenpflichtiger auch dann in Betracht, wenn - wovon die Beklagte vorliegend bezüglich der jüngsten Schwester der Klägerin ausgegangen ist - dem Kostenpflichtigen durch seine Inanspruchnahme eine wirtschaftliche Existenzgefährdung droht. In einem solchen Fall würde sich die Inanspruchnahme als Kostenpflichtiger auch mit Blick auf das aus §§ 77 Abs. 1 VwVG; 20 Abs. 2 Satz 1 VOVwVG folgende öffentliche Interesse daran, dass der Bestattungspflichtige und nicht der öffentliche Haushalt die Kosten der Bestattung trägt, als unverhältnismäßig darstellen.
75Zur Klärung der Frage, wann eine solche Existenzgefährdung droht, lässt sich die Rechtsprechung zu der abgabenrechtlichen Billigkeitsregelung in § 227 Abgabenordnung (AO) heranziehen. Gemäß § 227 AO können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Bei der Entscheidung über den Erlass von öffentlichen Abgaben geht es um den Ausgleich des öffentlichen Interesses an einer gleichmäßigen und vollständigen Steuerhebung und der persönlichen Situation des Steuerschuldners. Die nach § 24 Abs. 2 VOVwVG zu treffende Entscheidung betrifft ebenfalls die in ihrer Ausgangsposition vergleichbare Abwägung öffentlicher fiskalischer Interessen mit der im Einzelfall zu wahrenden Verhältnismäßigkeit, denn es ist das öffentliche Interesse an der möglichst vollständigen Erstattung der Kosten für eine Ersatzvornahme durch den Pflichtigen mit dessen persönlicher Situation abzuwägen.
76In der Rechtsprechung ist allgemein anerkannt, dass die Einziehung einer Abgabe aus persönlichen Gründen unbillig ist, wenn der Abgabepflichtige erlasswürdig und erlassbedürftig ist, wobei letzteres vorliegt, wenn die Einziehung der Abgabe die Fortführung der persönlichen wirtschaftlichen Existenz gefährdet, das heißt wirtschaftlich existenzgefährdend oder existenzvernichtend wirken würde. Gefährdet ist die wirtschaftliche Existenz, wenn ohne Billigkeitsmaßnahmen der notwendige Lebensunterhalt vorübergehend oder dauernd nicht mehr bestritten werden kann.
77Vgl. Bundesfinanzhof (BFH), Urt. v. 27. September 2001, X R 134/98 -, Juris; BVerwG, Urt. v. 23. August 1990 - 8 C 42/88 -, Juris; OVG NRW, Urteil vom 28. Februar 2011, - 14 A 451/10 -, www.nrwe.de.
78Dies setzt voraus, dass sich der Billigkeitserlass auf die wirtschaftliche Situation des Steuer- bzw. hier des Kostenpflichtigen konkret auswirken kann. Lebt der Pflichtige unabhängig von Billigkeitsmaßnahmen in wirtschaftlichen Verhältnissen, die - weil Einkünfte und Vermögen gering sind und im Übrigen dem Pfändungsschutz unterliegen - eine Durchsetzung von Ansprüchen aus dem öffentlich - rechtlichen Schuldverhältnis ausschließen, könnte ein Erlass hieran nichts ändern und wäre aus diesem Grunde nicht mit einem wirtschaftlichen Vorteil für den Kostenpflichtigen verbunden. Bei Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit kommt deshalb grundsätzlich weder eine zinslose Stundung noch ein Erlass aus persönlichen Billigkeitsgründen in Betracht
79Vgl. BFH, Urt. v. 27. September 2001, - X R 134/98 -, Beschl. v. 21. April 1999, - VII B 347/98 - m.w.N., beide Juris.
80Allein die Tatsache der Vermögenslosigkeit führt daher nicht notwendig zur Annahme einer unbilligen Härte nach § 24 VOVwVG wegen Existenzgefährdung, mit der Folge, dass das öffentliche fiskalische Interesse hinter das private Interesse des (möglicherweise nur zur Zeit zahlungsunfähigen) Kostenpflichtigen zurücktreten müsste.
81Unabhängig davon bedroht allein das Bestehen einer öffentlich-rechtlichen Kostenforderung den Kostenpflichtigen schon nicht in seiner Existenz, auch wenn er seinen Lebensunterhalt (zur Zeit der Behördenentscheidung über den Erlass) nicht durch eigenes Einkommen, sondern nur durch die Inanspruchnahme von Sozialleistungen sichern kann. Sein Existenzminimum wird in diesen Fällen - ebenso wie bei der Vollstreckung zivilrechtlicher Forderungen - auch gegenüber einer Vollstreckung der Forderung durch die öffentliche Hand durch die Pfändungsschutzvorschriften hinreichend geschützt, ohne dass es deshalb eines Verzichts der öffentlichen Hand auf diese Forderung bedürfte.
82Die gemäß § 77 Abs. 4 VwVG in Verbindung mit § 20 Abs. 2 Gebührengesetz NRW - GebG - auch auf den festgesetzten Kostenerstattungsanspruch anzuwendenden Verjährungsregeln sichern darüber hinaus, dass ein Kostenpflichtiger nicht über einen ungewissen Zeitraum mit der Kostenforderung konfrontiert wird.
83Die jüngste Schwester der Klägerin ist daher vorliegend bereits aus diesen Gründen nicht erlassbedürftig.
84Bei der Prüfung, ob die Inanspruchnahme eines vermögens- bzw. einkommenslosen Bestattungspflichtigen sich als unbillige Härte darstellt, ist des Weiteren die Bestimmung des § 74 SGB XII in den Blick zu nehmen. Nach dieser Vorschrift werden die erforderlichen Kosten einer Bestattung übernommen, soweit dem hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen. Diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich der jüngsten Schwester der Klägerin vor, denn sie ist - wie bereits ausgeführt - bestattungspflichtig und gehört unstreitig zum Kreis der Leistungsberechtigten nach § 19 Abs. 3 SGB XII.
85Der Übernahmeanspruch aus § 74 SGB XII besteht unabhängig von möglichen Ausgleichsansprüchen des Pflichtigen gegenüber anderen Bestattungspflichtigen oder einem denkbaren Erlass der Kosten nach § 24 VOVwVG. Es ist dem Bestattungspflichtigen insbesondere nicht zuzumuten, vor der Inanspruchnahme von Sozialhilfe nach § 74 SGB XII eine ordnungsbehördliche Bestattung abzuwarten und sich dann als Kostenpflichtiger in Anspruch nehmen zu lassen.
86Vgl. Bundessozialgericht, Urt. v. 29. September 2009 - B 8 SO 23/08 R, vorgehend Landessozialgericht NRW, Urt. v. 29. Oktober 2008 - L 12 SO 3/08 -, Juris.
87Dieser Rechtslage kann nicht entgegen gehalten werden, dass § 74 SGB XII auf die - hier landesrechtliche - Kostentragungspflicht verweise, die gerade in Form des § 24 Abs. 2 VOVwVG eine Ausnahme von der Kostenpflicht vorsehe.
88So OVG NRW, Urt. v. 30. September 2009 - 19 A 448/07 -, Beschluss vom 24. Februar 2010 - 19 E 150/10 -, beide www.nrwe.de und im Ergebnis auch Hess. VGH, Urt. v. 26. Oktober 2011 - 5 A 1245/11 -, Juris.
89Wenn der Bestattungspflichtige nach der sozialrechtlichen Rechtsprechung schon nicht auf das Abwarten einer ordnungsbehördlichen Bestattung verwiesen werden kann, kann es auf die Frage, ob nach dem Verwaltungsvollstreckungsrecht eine theoretische Erlassmöglichkeit besteht, erst recht nicht ankommen. Denn der sozialhilferechtliche Anspruch aus § 74 SGB XII knüpft allein an das Bestehen einer nicht lediglich aus persönlichen Pietätsgründen bestehenden Bestattungspflicht, sei es nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Rechts, sei es aufgrund der landesrechtlichen Regelung des § 8 Abs. 1 BestG, und die Unzumutbarkeit, die sich aus dieser Pflicht ergebenden Kosten zu übernehmen, an.
90Es spricht aus systematischen Erwägungen deshalb überwiegendes dafür, dass es sich bei § 74 SGB XII um die gegenüber den Erlassbestimmungen speziellere Vorschrift handelt, so dass es nicht zu einem "Zirkelverweis" kommt, der letztendlich nur über das Verhältnis von Bundes- zu Landesrecht zu lösen wäre.
91Vgl. dazu im einzelnen OVG NRW, Urteil vom 28. Februar 2011, - 14 A 451/10 -, www.nrwe.de.
92Unabhängig davon, wäre ein Übernahmeanspruch nach § 74 SGB XII in Fällen der hier vorliegenden Konstellation auch mit Blick auf die Möglichkeit, nach § 24 Abs. 2 VOVwVG von der Kostenpflicht im Einzelfall abzusehen, bereits deshalb nicht ausgeschlossen weil allein der Sozialhilfebezug - wie oben ausgeführt - bereits nicht zur Erlassbedürftigkeit führt, da keine persönliche Unbilligkeit der Kostenerstattung und damit auch keine Ausnahme von der Kostenpflicht vorliegt.
93Die Annahme einer unbilligen Härte aufgrund einer wirtschaftlichen Existenzgefährdung wäre demnach nur dann möglich, wenn die aus §§ 77 Abs. 1 VwVG; 20 Abs. 2 Satz 1 VOVwVG resultierende Forderung trotz der Pfändungsschutz- und Verjährungsregelungen sowie des Kostenübernahmeanspruchs aus § 74 SGB XII dazu geeignet wäre, eine eigenständige wirtschaftliche Existenz des Kostenpflichtigen dauerhaft zu verhindern.
94Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Möglichkeit angesichts der persönlichen Situation der jüngsten Schwester der Klägerin eintreten könnte, sind nicht ersichtlich, so dass ihr Ausschluss aus dem Kreis der Kostenpflichtigen ermessensfehlerhaft erfolgte.
95Dieser Ermessensfehler beeinträchtigt die Klägerin in ihren Rechten, denn er wirkt sich auf die weitere Entscheidung der Beklagten, welche Kostenpflichtigen sie in Anspruch nimmt, unmittelbar aus.
96Wie bereits ausgeführt, gelten für die auf die Sekundärebene verlagerte Auswahlentscheidung ebenfalls die verfassungsmäßige Bindung an das Übermaßverbot und an den Grundsatz der Gleichbehandlung.
97Die Inanspruchnahme der Klägerin als Kostenpflichtige verstößt gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung.
98Grundsätzlich ist es nicht zu beanstanden, wenn sich die Beklagte bei der Auswahl der Kostenpflichtigen an deren wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit orientiert.
99Vgl. OVG NRW, Beschl. v. 31. Juli 2006 - 19 E 371/05 -, www.nrwe.de.
100Nach den allgemein anerkannten ordnungsrechtlichen Grundsätzen wirkt sich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit auf der primären Ebene bei der Auswahl unter mehreren im Übrigen gleichrangig ordnungsrechtlich Verantwortlichen zwar allenfalls mit Blick auf die Effektivität der Gefahrenabwehr im Spannungsfeld mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit aus, indem es nicht zu beanstanden ist, wenn ein "leistungsfähiger" Störer vorrangig oder gar alleine in Anspruch genommen wird.
101Vgl. Denninger in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Auflage Rdnr. 129ff.
102Insbesondere muss sich die Ordnungsbehörde auf der Primärebene keine Gedanken darüber machen, ob der in Anspruch genommene Ordnungspflichtige auf der sogenannten "Tertiärebene" gegen einen weiteren Störer einen Anspruch auf Aufwendungsersatz hat.
103Vgl. OVG NRW, Beschl. v. 28. Januar 2011 - 2 B 1495/10 -, www.nrwe.de.
104Wenn auch die fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Bestattungspflichtigen, wie dargelegt, nicht aus Billigkeitsgründen bereits dessen Ausschluss aus dem Kreis der im Rahmen der Auswahlentscheidung zu betrachtenden Kostenpflichtigen rechtfertigt, kann sie mit Blick auf die Grundsätze der Gesamtschuld bei der Auswahl der durch Leistungsbescheid in Anspruch zu nehmenden Kostenpflichtigen jedoch eine Rolle spielen. Stehen nämlich mehrere gleichrangig Bestattungspflichtige als Kostenpflichtige zur Auswahl, haften sie nicht nur auf der sogenannten "tertiären Ebene" des Ausgleichs innerhalb des Kreises der Kostenpflichtigen im Innenverhältnis untereinander nach den Grundsätzen der Gesamtschuld,
105vgl. Denninger in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Auflage Rdnr. 134ff (137),
106sondern die Beklagte kann diese Grundsätze auch als Grundlage ihrer Ermessensausübung bei der Entscheidung heranziehen, in welchem Umfang sie die jeweiligen Kostenpflichtigen als Adressaten eines Leistungsbescheides heranzieht.
107Es ist zwar angesichts des dem Gläubiger insoweit eingeräumten weiten Ermessenspielraums regelmäßig ebenso ermessensfehlerfrei, gleichrangig bestattungspflichtige Angehörige als Gesamtschuldner jeweils in voller Höhe und nicht (nur) anteilig zu gleichen Teilen in Anspruch zu nehmen. Etwas anderes gilt aber dann, wenn nach Aktenlage eine davon abweichende differenzierende Heranziehung nahe liegt oder sich sogar aufdrängt.
108Eine solche Konstellation dürfte insbesondere dann anzunehmen sein, wenn einzelne Gesamtschuldner dem für die Durchführung der Bestattung im Wege der Ersatzvornahme bzw. der nachfolgenden Kostenerstattung zuständigen Amt der Beklagten ihre "bescheidenen" finanziellen Verhältnisse offen legen, so dass dieses (und nicht erst die für die Bewilligung von Sozialleistungen zuständigen Ämter) in die Lage versetzt wird zu überprüfen, ob das Einkommen der jeweiligen Bestattungspflichtigen den sozialhilferechtlichen Bedarf übersteigt oder eben nicht, andere bestattungspflichtige Gesamtschuldner hingegen keine entsprechenden Einwände erheben und/oder ihre finanziellen Verhältnisse nicht offenbaren.
109Jedenfalls dann, wenn einzelne der potentiellen Kostenschuldner nicht nur auf ihre bescheidenen Einkünfte verweisen, sondern belegen, dass ihr Bedarf den notwendigen Lebensunterhalt im Sinne von §§ 41 f, 28 ff SGB XII nicht übersteigt und/oder (sogar) die Eröffnung eines Privatinsolvenzverfahrens nachweisen, drängen sich mindestens nähere Erwägungen auf, die Kostenschuldner ggf. unterschiedlich entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in Anspruch zu nehmen. Diese Überlegungen können es im Ergebnis nahe legen, wenn nicht gebieten, einzelne Gesamtschuldner nicht in die Kostenerstattung einzubeziehen.
110Es kann vorliegend offen gelassen werden, ob bei einer solchen Betrachtung die Leistungsfähigkeit anhand der Pfändungsfreigrenzen zu beurteilen ist, wie es die Beklagte vorliegend getan hat, oder ob hier - auch mit Blick auf den auf die Zumutbarkeit der Kostentragung abstellenden Übernahmeanspruch des § 74 SGB XII - eher die Grundsätze des Sozialhilferechts, etwa die Einkommensgrenze in § 85 SGB XII, heranzuziehen sind.
111Vorliegend hat die Beklagte auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit allein mit Blick auf die Frage der aus einer angenommenen Existenzgefährdung folgenden Unbilligkeit der Inanspruchnahme abgestellt und im weiteren nicht mehr nach der Leistungsfähigkeit der bestattungspflichtigen Kinder des Verstorbenen differenziert. Eine solche differenzierende Betrachtungsweise wäre vorliegend aber aufgrund des allgemeinen Gleichbehandlungsgebots aus Art. 3 Abs. 1 GG geboten gewesen.
112Bereits nach der Berechnung der Beklagten, welche anhand des Familieneinkommens die Pfändungsfreigrenze ermittelt hat, lag das Einkommen der Familie der Klägerin nur 20,- EUR oberhalb dieser Pfändungsfreigrenze, so dass sich bei Einräumung einer Ratenzahlung 84 Monatsraten ergeben hätten, mit der Folge, dass die gesamte Familie der Klägerin sieben Jahre an der Pfändungsfreigrenze - und damit länger als die reguläre Verjährungsfrist des § 20 Abs. Abs. 2 GebG - hätte leben müssen. Bei einer überschlägigen Berechnung des sozialhilferechtlichen Bedarfs der Familie ergibt sich, wenn man - wie die Beklagte - von den Einkommensverhältnissen der Klägerin und ihres Ehemanns sowie den Wohnkosten ausgeht, unter Einrechnung des Kindergeldes sogar ein verbleibender Bedarf von rund 350,- EUR.
113Mit Blick darauf, dass die Beklagte allein aufgrund des Umstandes, dass sich die jüngste Schwester der Klägerin zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung als alleinerziehende Mutter im Sozialhilfebezug befand, ihr gegenüber dauerhaft auf die Geltendmachung der Forderung verzichtet hat, hätte die Beklagte an dieser Stelle im Rahmen der Auswahlentscheidung Ermessenserwägungen anstellen müssen, warum unter Berücksichtigung des Art. 3 GG hier eine Ungleichbehandlung der Klägerin gerechtfertigt ist, deren von der Beklagten als Vergleichsmaßstab herangezogenes Familieneinkommen bereits nach der Berechnung der Beklagten nahezu an der Pfändungsfreigrenze liegt und sich jedenfalls im Bereich des Sozialhilfeniveaus bewegt.
114Unabhängig davon leidet die Auswahlentscheidung der Beklagten auch daran, dass sie ihren Erwägungen schlicht das gesamte Familieneinkommen zugrundegelegt hat.
115Die Kostenpflicht folgt - wie bereits dargelegt - unmittelbar aus der Bestattungspflicht nach § 8 BestG. Der Ehemann der Klägerin ist - ebenso wie ihre Kinder - nicht bestattungspflichtig. Vor diesem Hintergrund ist er auch nicht zur Übernahme der Bestattungskosten für seinen verstorbenen Schwiegervater verpflichtet. Bei der Ermittlung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Klägerin als Kostenpflichtiger ist daher nicht auf das Gesamteinkommen der Familie abzustellen, da dann die Bestattungskosten faktisch auf einen Nicht - Bestattungspflichtigen, nämlich den Ehemann der Klägerin, abgewälzt würden.
116Vgl. OVG NRW, Beschl. vom 24. Februar 2010 - 19 E 150/10 -, www.nrwe.de.
117Das Einkommen des Ehegatten darf bei der Ermittlung der Leistungsfähigkeit der Kostenpflichtigen allerdings nicht gänzlich außer Betracht bleiben. Denn selbst wenn ein Ehegatte als Kostenpflichtiger selbst nur geringfügige, bzw. keine Einkünfte hat, steht ihm gemäß den familienrechtlichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB -, hier insbesondere § 1360a BGB, möglicherweise ein Unterhaltsanspruch gegen seinen Ehepartner zu, der bei der Frage der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit im Rahmen der Auswahl der Kostenpflichtigen mit zu berücksichtigen ist.
118Derartige Erwägungen hat die Beklagte vorliegend nicht angestellt. Es kann daher offen gelassen werden, ob der Klägerin ein solcher Unterhaltsanspruch zustünde, was angesichts der geringen Einkünfte der Familie eher unwahrscheinlich erscheint.
119Insbesondere vor dem Hintergrund des geringen, hier allein relevanten persönlichen Einkommens der Klägerin hätte die Beklagte an dieser Stelle im Rahmen der Auswahlentscheidung Ermessenserwägungen anstellen müssen, warum unter Berücksichtigung des Art. 3 GG hier eine Ungleichbehandlung der Klägerin gegenüber ihrer jüngsten Schwester gerechtfertigt ist, die allein aufgrund ihrer bescheidenen Einkommensverhältnisse gar nicht erst in Anspruch genommen wurde.
120Die vorliegenden Ermessensfehler sind auch nicht deshalb unerheblich, weil allein die von der Beklagten getroffene Entscheidung im Ergebnis rechtmäßig wäre. Aufgrund des weiten Ermessensspielraums besteht die Möglichkeit, dass auch andere Formen der Inanspruchnahmen möglich sind. So ist es neben der Inanspruchnahme aller drei Töchter - jeweils in voller Höhe, oder aber auch nur für ihren Anteil -, die bei etwa gleich gelagerten Einkommensverhältnissen jedenfalls ermessensfehlerfrei wäre, auch möglich, lediglich eine der Schwestern in Anspruch zu nehmen, sofern eine erneute Überprüfung der Leistungsfähigkeit hierfür sachliche Anhaltspunkte gibt.
121Ohne dass es vorliegend darauf ankommt, würde sich die Auswahl der Kostenpflichtigen durch die Beklagte auch dann als fehlerhaft und damit rechtswidrig darstellen, wenn eine mangelnde finanzielle Leistungsfähigkeit die Annahme einer unbilligen Härte im Sinne des § 24 Abs. 2 VOVwVG begründen würde. Denn auch dann wäre die Beklagte bei ihrer Ermessensausübung an den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 GG gebunden, so dass die oben dargestellten (fehlenden) Erwägungen zur Differenzierung anhand der Leistungsfähigkeit der drei bestattungspflichtigen Töchter dann im Rahmen der Billigkeitsentscheidung anzustellen wären.
122Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
123Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
124Die Kammer hat die Berufung gemäß §§ 124 Abs. 1; 124a Abs. 1 i.v.m. 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO zugelassen, da die Fragen der Beachtlichkeit der (fehlenden) wirtschaftlichen Leitungsfähigkeit sowie der Möglichkeit der Übernahme der Bestattungskosten nach § 74 SGB XII, für einen Erlass der Kostenforderung nach § 24 VOVwVG zum einen von grundsätzlicher Bedeutung sind und die Kammer zum anderen in diesen Fragen von dem Urteil des für das Bestattungsrecht zuständigen Senats des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein - Westfalen vom 30. September 2009 - 19 A 448/07 - abweicht. Zwar hat der Senat die Frage des Verhältnisses des § 24 Abs. 2 VwGO zu § 74 SGB XII als bislang offen und die in dem Urteil vom 30. September 2009 geäußerte Ansicht in einer späteren Entscheidung,
125Beschl. v. 24. Februar 2010, - 19 E 150/10 -, www.nrwe.de,
126als "obiter dictum" bezeichnet, in beiden Entscheidungen jedoch zum Ausdruck gebracht, dass er dieser Ansicht zuneige. Des weiteren geht der 19. Senat in seiner oben zitierten Rechtsprechung davon aus, dass eine fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Bestattungspflichtigen zur Annahme einer unbilligen Härte im Sinne des § 24 Abs. 2 VOVwVG führen kann.
127