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1. Hatte ein Referendar seine Einstellung durch Vorlage eines gefälschten Zeugnisses über die Erste Staatsprüfung erschlichen und werden nach Rücknahme seiner Ernennung die ihm gezahlten Referendarbezüge zurückgefordert, so muss auch dann nicht zwingend aus Gründen der Billigkeit ganz oder teilweise von der Rückforderung abgesehen werden, wenn er im Rahmen seiner Referendartätigkeit aufgrund der Vertretung erkrankter Kollegen teilweise eigenständig Unterricht gegeben und damit "Leistungen" erbracht hat.
2. Die Grundsätze über ein faktisches Arbeitsverhältnis sind nicht ohne Weiteres auf ein Beamtenverhältnis übertragbar.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
2Der am 22.04.1973 geborene Kläger wurde mit Urkunde vom 01.02.2006 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Studienreferendar für das Lehramt ernannt. Mit Bescheid der Bezirksregierung N. vom 21.01.2008 wurde nach Anhörung des Klägers die Ernennung unter Anordnung der sofortigen Vollziehung zurückgenommen, da sie durch arglistige Täuschung erschlichen sei. Der Kläger habe bewusst ein falsches Zeugnis über die erste Staatsprüfung vorgelegt.
3Mit Bescheid vom 25.02.2008 forderte das Landesamt für Besoldung und Versorgung des Beklagten - LBV - für die Monate Februar 2006 bis Januar 2008 die ihm gezahlten monatlichen Referendarbezüge einschließlich Weihnachtsgeld in Höhe von insgesamt 31.361,94 Euro zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, auf Grund der Rücknahme der Ernennung seien die Beamtenbezüge zuviel gezahlt und zu erstatten. Die Erstattung habe aus steuerrechtlichen Gründen brutto zu erfolgen. Auf einen entsprechenden Antrag werde die Gewährung einer Ratenzahlung geprüft.
4Mit seinem gegen die Rückforderung der Beamtenbezüge gerichteten Widerspruch begehrte der Kläger - bei Anerkennung des grundsätzlichen Vorliegens der Rücknahmevoraussetzungen - allein einen Rückforderungsverzicht aus Billigkeitsgründen. Er habe seine unterrichtlichen und dienstlichen Aufgaben gewissenhaft und zuverlässig erfüllt und auch über seinen Fachbereich hinaus weitergehendes Engagement gezeigt. Er habe bedarfsdeckenden Unterricht erteilt und damit die ihm gezahlten Bezüge "verdient". Dies insbesondere dadurch, dass er auf Grund langfristiger Erkrankung eines Kollegen den zunächst als Ausbildungsunterricht begonnenen Unterricht eigenständig fortgesetzt und somit die Einstellung einer Ersatzkraft vermieden habe.
5Mit Bescheid vom 02.06.2008 reduzierte das LBV unter Änderung des Rückforderungsbescheides vom 25.02.2008 den Rückforderungsbetrag auf insgesamt 29.033,96 Euro brutto. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger ebenfalls Widerspruch ein.
6Mit Strafbefehl des Amtsgerichts F. -T. vom 13.11.2008 wurde der Kläger wegen Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
7Das LBV wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17.04.2009 zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, mit der Rücknahme der Ernennung sei die Rechtsgrundlage für die Zahlung der Bezüge entfallen. Eine Nachzahlung auf Tarifebene sei nach Erörterung mit der Bezirksregierung N. mangels befristeten Arbeitsverhältnisses nicht möglich. Auch wenn teils bedarfsdeckender Unterricht erteilt worden sei, habe der Ausbildungsunterricht im Vordergrund gestanden. Der Wegfall der Bereicherung könne unterstellt werden, da der Kläger die Unrechtmäßigkeit der Zahlung gekannt habe oder habe erkennen müssen. Gründe für ein Absehen von der Rückforderung aus Billigkeitsgründen seien nicht ersichtlich.
8Am Montag, den 18.05.2009 hat der Kläger Klage erhoben.
9Zur Begründung wiederholt er seine Widerspruchsbegründung und betont, er habe in einem solchen Umfang eigenständige Unterrichtsleistungen erbracht, dass er dem Beklagten die Einstellung und Vergütung anderweitigen Personals erspart habe. Die Aufgaben, die er übernommen habe, hätte kein durchschnittlicher Referendar übernommen. Ergänzend trägt er vor, da er tatsächlich gearbeitet habe, sei das fehlerhafte Beamtenverhältnis so zu behandeln wie ein fehlerfreies. Diese Aspekte hätten im Rahmen der Billigkeitsentscheidung keine hinreichende Beachtung gefunden.
10Der Kläger beantragt,
11den Bescheid des beklagten Landes vom 25.02.2008 und den Änderungsbescheid vom 02.06.2008, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.04.2009, aufzuheben.
12Der Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Er trägt in Ergänzung der Begründung des Widerspruchsbescheides vor, dass der Kläger im gesamten Zeitraum seiner Referendartätigkeit Leistungen erbracht habe, die von einem durchschnittlichen Referendar nicht erbracht worden wären, rechtfertige kein Absehen von der Rückforderung aus Billigkeitsgründen. Diese Leistungen könnten auch nicht auf die Rückforderung angerechnet werden, da hier nicht arbeitsrechtliche, sondern beamtenrechtliche Grundsätze Anwendung fänden.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Rechtsstreits wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der vorgelegten Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
16Entscheidungsgründe:
17Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Rückforderungsbescheid des LBV vom 25.02.2008 ist in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 02.06.2008 und des Widerspruchsbescheides vom 17.04.2009 rechtmäßig (§113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).
18Rechtsgrundlage für die mit der Klage allein angegriffene Billigkeitsentscheidung über ein Absehen von der Rückforderung ist § 12 Abs. 2 Satz 3 des Bundesbesoldungsgesetzes - BBesG -. Nach dieser Vorschrift kann von der Rückforderung aus Billigkeitsgründen mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde oder der von ihr
19bestimmten Stelle ganz oder teilweise abgesehen werden. Die Billigkeitsentscheidung hat die Aufgabe, eine allen Umständen des Einzelfalles gerecht werdende, für die Behörde zumutbare, für den Bereicherten tragbare Lösung zu ermöglichen, bei der auch Alter, Leistungsfähigkeit und sonstige Lebensverhältnisse des Herausgabepflichtigen eine maßgebende Rolle spielen. Sie soll der besonderen Lage des Einzelfalles Rechnung tragen, die formale Strenge des Besoldungs- und Versorgungsrechts auflockern und Ausdruck des auch im öffentlichen Recht geltenden Grund-satzes von Treu und Glauben sein und sich als sinnvolle Ergänzung des ohnehin von dem gleichen Grundsatz geprägten Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung auswirken. Dabei ist nicht nochmals die gesamte Rechtsbeziehung, aus welcher der Bereicherungsanspruch erwächst, unter dem Grundsatz von Treu und Glauben zu würdigen, sondern es ist auf das konkrete Rückforderungsbegehren und vor allem auf die Modalitäten der Rückabwicklung und ihrer Auswirkungen auf die Lebens-umstände des Bereicherungsschuldners abzustellen. Dafür kommt es nicht ent-scheidend auf die Lage in dem Zeitraum an, für den die Zahlung geleistet worden ist, sondern auf die Lage im Zeitpunkt der Rückabwicklung. Im Rahmen dieser Entscheidung kann auch eine von dem zur Zurückzahlung Verpflichteten erbrachte Gegenleistung berücksichtigt werden. Die Billigkeitsentscheidung kann darin bestehen, dass von der Rückforderung insgesamt oder teilweise endgültig abgesehen, dass die Rückzahlung ganz oder teilweise erst für einen späteren Zeitpunkt verlangt oder dass eine Rückzahlung in Teilbeträgen (Ratenzahlung) gestattet wird.
20Vgl. BVerwG, Urteile vom 25.11.1982 - 2 C 12.81 - ZBR 1983, 192 f. (juris Rn. 15 und 18) und vom 25.01.2001 - 2 A 7.99 - (juris Rn. 22); OVG NRW, Urteil vom 02.08.2001 - 1 A 3262/99 - (juris Rn. 63).
21Die Billigkeitsentscheidung des LBV wird diesen Grundsätzen gerecht. Das LBV hat das ihm zustehende Ermessen erkannt und - dies ist allein Maßstab der gerichtlichen Überprüfung - unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände ermessens-fehlerfrei ausgeübt. In den angefochtenen Bescheiden wurde das Vorliegen von Gründen für ein vollständiges oder teilweises Absehen von der Rückforderung mangels Vorliegens eines begründeten Ausnahmefalls verneint und dem Kläger für den Fall eines entsprechenden Antrags die Gewährung einer angemessenen Raten-zahlung angeboten. Dabei hatte die Beklagte erkennbar zu Grunde gelegt, dass der Kläger im Rahmen seines Referendar- und mithin Ausbildungsverhältnisses teilweise Ausbildungsunterricht unter Anleitung, teilweise aber auch als selbständigen
22Unterricht gegeben hatte. Hierzu war an anderer Stelle des Widerspruchsbescheides bereits ausgeführt worden, dass solcher selbständiger Unterricht als Nebenwirkung zur Deckung des Unterrichtsbedarfs an der Ausbildungsschule beitrage, jedoch in erster Linie der Ausbildung der Lehramtsanwärter für die eigenverantwortliche Unterrichts- und Erziehungstätigkeit an Schulen diene.
23Darüber hinaus hat das LBV im Rahmen seiner Ermessensentscheidung auch berücksichtigt, dass der Kläger während seiner Referendartätigkeit Aufgaben übernommen hat, die - jedenfalls nach seinem Vortrag - von einem durchschnittlichen Referendar niemals in dieser Form übernommen worden wären. Zwar wurde dieser Vortrag des Klägers erst im Verlaufe des Klageverfahrens mit Schriftsatz vom 15.07.2010 gewürdigt. Hierin liegt jedoch eine gemäß § 114 Satz 2 VwGO zulässige Ergänzung der bereits in den angefochtenen Bescheiden enthaltenen Ermessens-erwägungen.
24Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich die Auffassung vertreten hat, auf Grund der von ihm erbrachten Leistungen habe er aus Gründen der Billigkeit Anspruch auf einen nicht unerheblichen, zumindest teilweisen Erlass der Rückforderung, so kann dem nicht gefolgt werden. Dass der Kläger durch die Vertretung erkrankter hauptamtlicher Kollegen in gewissem Umfang überobligato-risch Unterricht gegeben hat, gebietet nach Treu und Glauben nicht zwingend eine weitergehende Billigkeitsregelung zu seinen Gunsten. Die Grundsätze über ein faktisches Arbeitsverhältnis sind auf die beamtenrechtliche Billigkeitsentscheidung nicht ohne Weiteres zu übertragen.
25Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 709 Satz 1 der Zivilprozessordnung.