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1. Seit Inkrafttreten von Art. 11 der 3. EU-Führerscheinrichtlinie ist die Anerkennung eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins - jedenfalls nach dem (deutschen) Wortlaut der Richtlinie - zwingend abzulehnen, wenn der Führerschein zuvor für das eigene Hoheitsgebiet eingeschränkt, ausgesetzt und entzogen wurde.
2. Auch wenn der EuGH die restriktive Auslegung von Art. 8 Abs. 4 der 2. EU-Führerscheinrichtlinie vornehmlich mit der großen Bedeutung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Führerscheinen für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, die Niederlassungsfreiheit und den freien Dienstleistungsverkehr begründet, dürfte der Wortlaut von Art. 11 Abs. 4 Satz 2 der 3. EU-Führerscheinrichtlinie nunmehr keinen Spielraum mehr für die vom EuGH mit Blick auf die Grundfreiheiten vorgenommene enge Auslegung der Bestimmung bieten.
3. Bei summarischer Prüfung bleibt offen, ob die Eintragung eines Sperrvermerks in den Fällen einer von Gesetzes wegen bestehenden Nichtanerkennungsfähigkeit vorab einen feststellenden Verwaltungsakt der Straßenverkehrsbehörde nach § 28 Abs. 4 Satz 2 FeV erfordert, aus der sich die fehlende Berechtigung des Fahrerlaubnisinhabers ergibt.
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
2I.
3Mit Urteil des Amtsgerichts N. vom 24. Januar 2006 wurde dem Antragsteller wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr die Fahrerlaubnis entzogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Antragsteller vor Ablauf von noch sechs Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
4Am 20. März 2009 erwarb der Antragsteller eine polnische Fahrerlaubnis der Klasse B. Ausweislich der sich im Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin befindenden Kopien des polnischen Führerscheins ist auf der Vorderseite des Dokuments in Feld 8 als Wohnsitz bzw. Wohnort des Antragstellers "°°-°°° SLUBICE ° °°°° °°° °.°" eingetragen.
5Aus der von der Antragsgegnerin eingeholten Melderegisterauskunft ergibt sich, dass der Antragsteller am 21. Mai 2009 aus Polen nach C. verzogen ist.
6Mit Bescheid vom 17. August 2009 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller auf, seinen Führerschein des Staates Polen bis zum 2. September 2009 zur Eintragung der Ungültigkeit auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland bei ihr vorzulegen. Ferner drohte sie dem Antragsteller für den Fall der nicht termingerechten Abgabe des Führerscheins ein Zwangsgeld in Höhe von 250,00 Euro an. Zur Begründung führte sie aus: Nach § 28 Abs. 4 Nr. 1 Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr - FeV - sei die polnische Fahrerlaubnis des Antragstellers in Deutschland nicht gültig, weil ihm in Deutschland die Fahrerlaubnis entzogen bzw. die Erteilung versagt worden sei. Die deutsche Fahrerlaubnis sei ihm rechtskräftig entzogen und diese Entscheidung auch im Verkehrszentralregister des Kraftfahrt-Bundesamtes eingetragen worden. Die polnische Fahrerlaubnis sei deshalb in Deutschland ungültig, so dass er den Führerschein zur Eintragung der Tatsache der Ungültigkeit der Fahrerlaubnis vorzulegen habe. Die Antragsgegnerin ordnete zugleich die sofortige Vollziehung der Verfügung an und führte hierzu aus, eine Klage gegen die Feststellung der Ungültigkeit der ausländischen Fahrerlaubnis sowie gegen die Vorlagepflicht zur Eintragung der Ungültigkeit für Deutschland habe keine aufschiebende Wirkung.
7Der Antragsteller hat gegen diesen Bescheid am 9. September 2009 Klage (Az.: 9 K 3898/09) erhoben und zugleich beantragt,
8die aufschiebende Wirkung der Klage 9 K 3898/09 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. August 2009 wiederherzustellen bzw. anzuordnen.
9Die Antragsgegnerin beantragt,
10den Antrag abzulehnen.
11Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie des beigezogenen Verwaltungsvorganges der Antragsgegnerin Bezug genommen.
12II.
13Der zulässige Antrag ist unbegründet.
14Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder zumindest eine Aufhebung der Vollziehungsanordnung wegen unzureichender Begründung des Vollzugsinteresses (§ 80 Abs. 3 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) kommt nicht in Betracht.
15Formale Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Vollziehungsanordnung ist, dass für das besondere Interesse an der Anordnung der sofortigen Vollziehung eine schriftliche Begründung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO gegeben worden ist. Bei möglichen Fahreignungsmängeln bedarf es wegen der Gefahr für höchste Rechtsgüter keiner differenzierten, auf die Umstände des Einzelfalles eingehenden Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung,
16vgl. Hamburgisches OVG, Beschluss vom 15. Dezember 2005 - 3 Bs 214/05 -, zitiert nach Juris.
17Diesen Anforderungen genügt die vom Antragsgegner gegebene Begründung.
18Die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO hängt ferner von einer Abwägung der widerstreitenden Interessen an der Suspendierung der angefochtenen Maßnahme einerseits und der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits ab. Bei der Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Ergibt die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotene summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass der sofort vollziehbare Verwaltungsakt rechtswidrig ist, überwiegt das private Aufschubinteresse des Antragstellers. Denn an der Vollziehung einer rechtswidrigen hoheitlichen Maßnahme kann kein öffentliches Interesse bestehen. Ist hingegen der angegriffene Bescheid rechtmäßig und besteht - für den Fall des Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung - ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung, überwiegt regelmäßig das öffentliche Interesse am Bestand der sofortigen Vollziehbarkeit. Sind die Erfolgsaussichten offen, bleibt es bei der Abwägung der betroffenen Interessen.
19Vorliegend ergibt die Abwägung des Interesses des Antragstellers einerseits - vorläufig seinen Führerschein nicht zur Eintragung des Sperrvermerks bei der Antragsgegnerin vorzulegen und von seiner Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch zu machen - mit dem widerstreitenden öffentlichen Interesse andererseits - durch die Eintragung der Ungültigkeit den Rechtsschein einer etwaig nicht bestehenden Berechtigung zum Führen fahrerlaubnispflichtiger Kraftfahrzeuge in der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen - im Ergebnis, dass dem öffentlichen Interesse Vorrang einzuräumen ist.
20Die Erfolgsaussichten der Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. August 2009 sind offen, weil sich bei summarischer Prüfung aufgrund der komplexen Sach- und Rechtsfragen nicht absehen lässt, ob die Anordnung der Vorlage des Führerscheins zur Eintragung der Ungültigkeit auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland rechtswidrig oder rechtmäßig ist. Als Rechtsgrundlage für die Anordnung kommt allein § 3 Abs. 2 Satz 3 Straßenverkehrsgesetz - StVG - i. V. m. § 47 Abs. 2 FeV in entsprechender Anwendung in Betracht. Die Vorschriften bestimmen, dass der Führerschein der Fahrerlaubnisbehörde nach der Entziehung abzuliefern oder zur Eintragung der Entscheidung vorzulegen ist. In § 47 Abs. 2 Satz 1 und 2 FeV heißt es dazu konkretisierend, dass nach der Entziehung oder bei Beschränkungen oder Auflagen ausländische und im Ausland ausgestellte internationale Führerscheine unverzüglich der entscheidenden Behörde vorzulegen sind und auf dem Führerschein die Ungültigkeit der ausländischen Fahrerlaubnis vermerkt wird. Für eine Anwendung dieser Vorschriften auf Fälle, in denen nach § 28 Abs. 4 Satz 1 FeV keine Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland aufgrund der im EU-Ausland ausgestellten Fahrerlaubnis besteht, spricht der Regelungszweck dieser Vorschriften. Denn nicht nur nach einer Entziehung bzw. Aberkennung des Rechts von einer ausländischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch zu machen, besteht das Bedürfnis, zur Vermeidung eines falschen Anscheins der Berechtigung zum Führen des Kraftfahrzeugs im Inland einen entsprechenden Sperrvermerk einzutragen, sondern gleichermaßen auch in den Fällen, in denen mangels Anerkennungsfähigkeit die ausländische Fahrerlaubnis von vornherein nicht das Recht vermittelt, in Deutschland Kraftfahrzeuge zu führen,
21VG Gelsenkirchen, Urteil vom 11. November 2008 - 9 K 3109/07 -; VG München , Beschluss vom 27. Juli 2009 - M 1 S 09.2701 -, zitiert nach Juris; VG Ansbach, Beschluss vom 29. Mai 2009 - AN 10 S 09.00793 -, zitiert nach Juris; Geiger, Der feststellende Verwaltungsakt nach § 28 Abs. 4 Satz 2 FEV, SVR 2009, 253 ff.
22Sowohl bei einer von Gesetzes wegen bestehenden Nichtanerkennungsfähigkeit als auch bei einer Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 Satz 1 FeV ist ein entsprechender Vermerk auf den Führerschein unerlässlich, um den effektiven Vollzug des Fahrerlaubnisrechts zu gewährleisten.
23Nach summarischer Prüfung bleibt indes offen, ob die Eintragung eines Sperrvermerks in diesen Fällen vorab eine Entscheidung der Straßenverkehrsbehörde im Einzelfall erfordert, aus der sich die fehlende Berechtigung des Fahrerlaubnisinhabers ergibt. § 28 Abs. 4 Satz 2 FeV schafft nunmehr ausdrücklich eine Rechtsgrundlage für den Erlass eines feststellenden Verwaltungsakts über die fehlende Berechtigung die Fahrerlaubnis im Inland nutzen zu dürfen. Der Verordnungsgeber geht offenbar von der Erforderlichkeit eines solchen feststellenden Verwaltungsaktes aus, um einen Vermerk gemäß § 47 Abs. 2 FeV in den Führerschein eintragen zu können,
24vgl. die Begründung zur 3. VO zur Änderung der FeV, BR-Drs 851/08, Seite 2, wonach mit Blick auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. Juli 2008, Az.: 10 S 1688/08 in den Fällen des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 FeV ein festzustellender Verwaltungsakt erforderlich sein soll, um den Vermerk gemäß § 47 Abs. 2 FeV in den Führerschein eintragen zu können.
25Für die Notwendigkeit des Erlasses eines feststellenden Verwaltungsaktes dürfte auch der Wortlaut des § 47 Abs. 2 Satz 1 FeV sprechen, der mit der Entziehung, Beschränkung und Auflage jeweils eine Einzelfallentscheidung für die Verpflichtung zur Vorlage des Führerscheins voraussetzt. Allerdings lässt sich der vom Verordnungsgeber herangezogenen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg eine entsprechende Anforderung nicht entnehmen. Nach dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs kann eine von der Fahrerlaubnisbehörde im Rahmen des § 28 Abs. 4 FeV erlassene Entziehungsverfügung in einen Verwaltungsakt geändert oder umgedeutet werden, in dem festgestellt wird, dass die im EU-Ausland erworbene Fahrerlaubnis den Betroffenen im Bundesgebiet nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen berechtigt. Die Entscheidung verhält sich jedoch nicht zu der Frage, ob ein solcher feststellender Verwaltungsakt (zwingend) erforderlich ist, um einen Vermerk nach § 47 Abs. 2 Satz 1 FeV eintragen zu können. Darüberhinaus greift die vorstehende Begründung, mit der eine Analogie für die Fälle des § 28 Abs. 4 Satz 1 FeV angenommen wird, auch, wenn sich die Nichtberechtigung unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Zudem dürfte die Bestimmung des § 28 Abs. 4 Satz 2 FeV als Ermessensnorm ausgestaltet sein. Die Entscheidung über den Erlass eines feststellenden Verwaltungsaktes in das Ermessen der Straßenverkehrsbehörde zu stellen, ist aber wohl nur dann sachgerecht, wenn die Eintragung des Sperrvermerks nach § 47 Abs. 2 FeV nicht zwingend einen feststellenden Verwaltungsakt erfordert.
26Offen bleibt auch die sich anschließende Frage, ob die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 17. August 2009 eine Feststellung nach § 28 Abs. 4 Satz 2 FeV über die Berechtigung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland getroffen hat. Zwar hat die Antragsgegnerin die Feststellung nach § 28 Abs. 4 Satz 2 FeV nicht auf der ersten Seite des Bescheides vom 17. August 2009 "tenoriert", jedoch ergibt sich aus der Begründung des Bescheides, dass sie von der Ungültigkeit der polnischen Fahrerlaubnis in Deutschland nach § 28 Abs. 4 Nr. 3 FeV ausgeht. Dementsprechend weist die Antragsgegnerin im Rahmen der Anordnung der sofortigen Vollziehung auch darauf hin, dass eine etwaige Klage gegen die Feststellung der Ungültigkeit der ausländischen Fahrerlaubnis des Antragstellers keine aufschiebende Wirkung habe. Bedenken dagegen, dass der Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. August 2009 einen feststellenden Verwaltungsakt enthält, ergeben sich jedoch mit Blick auf den Bestimmtheitsgrundsatz (vgl. § 37 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen - VwVfG NRW -). Das Erfordernis hinreichender inhaltlicher Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes bedeutet, dass aus der Regelung, d. h. aus dem Entscheidungssatz im Zusammenhang mit den Gründen und sonstigen bekannten oder ohne Weiteres erkennbaren Umständen für die Beteiligten, insbesondere für den Adressaten, die Regelung, die den Zweck, Sinn und Inhalt des Verwaltungsaktes ausmacht, so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein muss, dass dieser sein Verhalten danach ausrichten kann. Das Bestimmtheitserfordernis bezieht sich auch auf den Rechtscharakter der Maßnahme als Verwaltungsakt.
27Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. Juni 1992 - 20 A 2485/89 -, zitiert nach Juris; Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 9. Aufl., § 35 Rdnr. 17, § 37 Rdnr. 9.
28Nach diesen Maßgaben ist jedenfalls zweifelhaft, ob dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. August 2009 eine verbindliche Feststellung über das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV zu entnehmen ist. Aus der Begründung des Bescheides ergibt sich lediglich, dass die Antragsgegnerin die Voraussetzungen des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV als erfüllt ansieht. Aus den Gesamtumständen ist für den Adressaten des Bescheides erkennbar, dass die Verpflichtung zur Vorlage des Führerscheins nach Ablauf der Monatsfrist unanfechtbar wird, nicht aber, dass zugleich eine rechtsverbindliche Feststellung über seine Berechtigung getroffen wird, als Inhaber einer polnischen Fahrerlaubnis Kraftfahrzeuge im Inland führen zu können. Hieran vermag wohl auch der Hinweis, eine Klage gegen die Feststellung der Ungültigkeit der ausländischen Fahrerlaubnis habe keine aufschiebende Wirkung, nichts zu ändern. Aus dem angegriffenen Bescheid geht im Ergebnis wohl nicht deutlich genug hervor, dass die Antragsgegnerin neben der Anordnung, den Führerschein zur Eintragung der Ungültigkeit vorzulegen, zugleich noch eine verbindliche Feststellung über die Rechtslage durch Verwaltungsakt vornehmen wollte.
29Die Kammer vermag schließlich bei der allein möglichen summarischen Prüfung auch nicht abschließend zu beurteilen, ob der Antragsteller berechtigt ist, von seiner am 20. März 2009 in Polen erteilten Fahrerlaubnis der Klasse B im Bundesgebiet Gebrauch zu machen.
30§ 28 FeV bestimmt in Absatz 1, dass Inhaber einer gültigen EU-Fahrerlaubnis, die ihren ordentlichen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland haben, grundsätzlich im Umfang der durch die Fahrerlaubnis vermittelten Berechtigung Kraftfahrzeuge im Inland führen dürfen. Die Berechtigung besteht jedoch nach § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV u. a. dann nicht, wenn dem Betroffenen die Fahrerlaubnis im Inland vorläufig oder rechtskräftig von einem Gericht entzogen worden ist. Der Antragsteller wäre demnach gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV aufgrund seiner polnischen Fahrerlaubnis zu keinem Zeitpunkt berechtigt gewesen, Kraftfahrzeuge im Inland zu führen, da ihm durch Urteil des Amtsgerichts N. vom 24. Januar 2006 - rechtskräftig seit dem 4. Mai 2006 - die Fahrerlaubnis entzogen worden ist.
31Der Anwendung von § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV könnte im vorliegenden Fall allerdings Gemeinschaftsrecht entgegenstehen.
32Der Europäische Gerichtshof - EuGH - hat in seiner bisherigen Rechtsprechung zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Mitgliedstaat der europäischen Gemeinschaft verpflichtet ist, die von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellte Fahrerlaubnis anzuerkennen, stets die Pflicht zur gegenseitigen Anerkennung der in anderen Mitgliedstaaten ausgestellten Fahrerlaubnisse hervorgehoben,
33vgl. nur EuGH, Urteil vom 29. April 2004 - C - 476/01 -, Rechtssache "Kapper"; Beschluss vom 6. April 2006 - C - 227/05 -, Rechtssache "Halbritter"; Urteil vom 26. Juni 2008 - C - 329/06 -, Rechtssache "Wiedemann", - C - 343/06 - Rechtssache "Funk"; Beschluss vom 3. Juli 2008 - C - 225/07 -, Rechtssache "Möginger".
34Nach den Entscheidungen des EuGH sind die Wohnsitzvoraussetzungen und auch die weiteren in der Richtlinie niedergelegten Voraussetzungen für die Ausstellung eines EU-Führerscheins von den anderen Mitgliedstaaten grundsätzlich ohne Überprüfungsmöglichkeit anzuerkennen (vgl. Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 über den Führerschein - 2. Führerscheinrichtlinie -). Dies hat zur Folge, dass die Anerkennung der Fahrerlaubnis nicht abgelehnt werden kann, wenn im Anschluss an eine vorangegangene Entziehung der Fahrerlaubnis im Inland durch einen anderen Mitgliedstaat ein EU-Führerschein ausgestellt wird und die zusammen mit der Entziehung angeordnete Sperrfrist für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis bereits abgelaufen war.
35Vgl. EuGH, Urteil vom 29. April 2004 - C - 476/01 - Rechtssache "Kapper"; Beschluss vom 6. April 2006 - C - 227/05 - Rechtssache "Halbritter"; beide zitiert nach Juris; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Auflage, § 28 FeV Rdnr. 7.
36Die Mitgliedstaaten können sich nach dieser Rechtsprechung nicht auf ihre Befugnisse nach Art. 8 Abs. 2 und 4 der 2. Führerscheinrichtlinie berufen, um einer nach Ablauf der Sperrfrist in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen Fahrerlaubnis die Anerkennung mit der Begründung zu versagen, der Betreffende erfülle nicht die Bedingungen des nationalen Rechts für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach ihrer Entziehung. Art. 8 Abs. 4 der 2. Führerscheinrichtlinie sei als Ausnahme von dem in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie enthaltenen allgemeinen Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der von den EU-Mitgliedstaaten ausgestellten Fahrerlaubnisse eng auszulegen. Der Aufnahmestaat könne seine innerstaatlichen Vorschriften über Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung der Fahrerlaubnis in derartigen Fällen nur im Hinblick auf ein Verhalten des Betroffenen nach Erwerb der neuen Fahrerlaubnis anwenden.
37EuGH, Beschluss vom 6. April 2006 - C - 227/05 -, Rechtssache "Halbritter"; Urteil vom 29. April 2004 - C - 476/01 - Rechtssache "Kapper"; Urteil vom 26. Juni 2008 - C - 329/06 -, Rechtssache "Wiedemann", - C - 343/06 - Rechtssache "Funk", alle zitiert nach Juris.
38Gemessen an diesen vom EuGH statuierten Grundsätzen wäre der Antragsteller wohl berechtigt, von seiner polnischen Fahrerlaubnis auch im Bundesgebiet Gebrauch zu machen. Denn er hat die in Rede stehende Fahrerlaubnis deutlich nach Ablauf der mit dem Urteil des Amtsgerichts N. vom 24. Januar 2006 verhängten Sperrfrist erworben. Ferner gibt es auch keine Anhaltspunkte für ein Verhalten des Antragstellers nach Erwerb seiner Fahrerlaubnis im März 2009, das für seine Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen spricht.
39Fraglich ist allerdings, ob der Anwendbarkeit von § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV nach der für die Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage der letzten Behördenentscheidung noch die vorgenannte Rechtsprechung des EuGH entgegensteht. Nach Art. 18 der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein - 3. EU-Führerscheinrichtlinie - ist am 19. Januar 2009 Art. 11 Abs. 1 und 3 bis 6 dieser Richtlinie, der Regelung über den Entzug, die Ersetzung und die Anerkennung von Führerschein enthält in Kraft getreten.
40Vor diesem Hintergrund bestehen erhebliche Zweifel, ob dem in der Rechtsprechung des EuGH herausgestellten Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Fahrerlaubnisse im Anwendungsbereich des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV weiterhin die zuvor skizzierte Bedeutung zukommt. Nach Art. 11 Abs. 4 Satz 1 der 3. EU-Führerscheinrichtlinie lehnt es ein Mitgliedstaat ab, einem Bewerber, dessen Führerschein in einem anderen Mitgliedstaat eingeschränkt, ausgesetzt oder entzogen wurde, einen Führerschein auszustellen. Nach Satz 2 dieser Vorschrift lehnt ein Mitgliedstaat die Anerkennung der Gültigkeit eines Führerscheins ab, der von einem anderen Mitgliedstaat entgegen Satz 1 einer Person ausgestellt wurde, deren Führerschein im Hoheitsgebiet des erstgenannten Mitgliedstaats eingeschränkt, ausgesetzt oder entzogen worden ist.
41Der Beschränkung der Fahrerlaubnis im Bundesgebiet unter Bezugnahme auf Art. 11 Abs. 4 der 3. EU-Führerscheinrichtlinie dürfte zunächst nicht Art. 13 Abs. 2 der 3. EU-Führerscheinrichtlinie entgegenstehen. Danach darf eine vor dem 19. Januar 2013 erteilte Fahrerlaubnis aufgrund der Bestimmungen der Richtlinie weder entzogen noch in irgendeiner Weise eingeschränkt werden. Aus der Systematik der 3. EU-Führerscheinrichtlinie ergibt sich jedoch, dass jedenfalls Fälle der Ablehnung der "Anerkennung" der Fahrerlaubnis im Sinne des Art. 11 Abs. 4 der 3. EU-Führerscheinrichtlinie nicht von Art. 13 Abs. 2 der 3. EU-Führerscheinrichtlinie erfasst werden. Denn in Art. 11 Abs. 4 der 3. EU-Führerscheinrichtlinie wird zwischen der "Einschränkung" und "Entziehung" auf der einen und der "Anerkennung" auf der anderen Seite klar differenziert. Die Ablehnung der Anerkennung der Fahrerlaubnis ist in Art. 13 Abs. 2 der 3. EU-Führerscheinrichtlinie aber gerade nicht genannt.
42Vgl. Mosbacher/Gräfe, Die Strafbarkeit von "Führerscheintourismus" nach neuem Recht, NJW 2009, 801 (802); a. A. wohl Geiger, Neues Ungemach durch die 3. Führerscheinrichtlinie der Europäischen Gemeinschaft", DAR 2007, 126 (127).
43Ob die Rechtsetzungsorgane der Europäischen Gemeinschaft mit der Neufassung des Art. 11 Abs. 4 Satz 2 der 3. EU-Führerscheinrichtlinie klar zum Ausdruck gebracht haben, dass eine Harmonisierung der nach einem Entzug der Fahrerlaubnis für die Neuerteilung geltenden Eignungsregeln auf niedrigem Niveau nicht gewollt und für eine enge Auslegung des Art. 11 Abs. 4 Satz 2 der 3. EU-Führerscheinrichtlinie im Sinne der Entscheidungen des EuGH zu Art. 8 Abs. 4 Satz 1 der 2. Führerscheinrichtlinie kein Raum mehr ist,
44so die Begründung zur 3. VO zur Änderung der FeV, BR-Drs. 851/08, Seite 8,
45ist zweifelhaft. Dem Erwägungsgrund 15 der 3. EU-Führerscheinrichtlinie, wonach die Mitgliedstaaten der Europäischen Union aus Gründen der Verkehrssicherheit die Möglichkeit haben sollen, ihre innerstaatlichen Bestimmungen über den Entzug, die Aussetzung, die Erneuerung und die Aufhebung einer Fahrerlaubnis auf jeden Führerscheininhaber anzuwenden, der seinen ordentlichen Wohnsitz in ihrem Hoheitsgebiet begründet hat, lässt sich dazu nichts entnehmen. Ferner ist der zitierte Erwägungsgrund bereits wortgleich in der 2. Führerscheinrichtlinie aufgeführt und kann daher nicht als Auslegungshilfe im oben genannten Sinne herangezogen werden. Auch aus dem gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 18. September 2006,
46vgl. Amtsblatt der Europäischen Union vom 5. Dezember 2006, C 295 E/44,
47lässt sich nichts für eine erweiterte Befugnis der Mitgliedstaaten zur Nichtanerkennung der von einem anderen EU-Mitgliedstaat ausgestellten Fahrerlaubnis ableiten. Parlament und Rat unterstützen danach uneingeschränkt den Kommissionsgrundsatz "ein Führerschein pro Person", um Betrügereien bei der Erlangung eines Führerscheins in Zukunft zu unterbringen. Der Rat verweist in diesem Zusammenhang aber vornehmlich auf die neuen Vorschriften über die Überprüfung der Wohnsitzklausel und bezieht sich nicht auf die Auslegung von Art. 11 Abs. 4 Satz 2 der 3. Führerscheinrichtlinie,
48vgl. hierzu auch Hailbronner, Anerkennung der in anderen EU-Mitgliedstaaten erworbenen Fahrerlaubnisse, NZV 2009, 361 (366).
49Allerdings ist der Wortlaut gegenüber Art. 8 Abs. 4 Satz 1 der 2. EU-Führerscheinrichtlinie neu gefasst. Während der Wortlaut des Art. 8 Abs. 4 Satz 1 der 2. EU-Führerscheinrichtlinie Ermessen einräumt, wurde in Art. 11 Abs. 4 Satz 2 der 3. EU-Führerscheinrichtlinie für die Mitgliedstaaten die Pflicht statuiert, die Anerkennung zu verweigern.
50Vgl. hierzu Art. 8 Abs. 4 Satz 1 der 2. Führerscheinrichtlinie: "Ein Mitgliedstaat kann es ablehnen, [...]" und Art. 11 Abs. 4 Satz 2 der 3. Führerscheinrichtlinie: "Ein Mitgliedstaat lehnt die Anerkennung der Gültigkeit eines Führerscheins ab, [...]"; auch in der englischsprachigen Fassung der Richtlinien ist der Wortlaut nunmehr zumindest enger gefasst: Art. 8 Abs. 4 Satz 1 der 2. Führerscheinrichtlinie: "A Member State may refuse [...]" und Art. 11 Abs. 4 Satz 2 der 3. Führerscheinrichtlinie: "A Member State shall refuse [...]".
51Auch wenn der EuGH die restriktive Auslegung von Art. 8 Abs. 4 der 2. EU-Führerscheinrichtlinie vornehmlich mit der großen Bedeutung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Führerscheinen für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, die Niederlassungsfreiheit und den freien Dienstleistungsverkehr begründet,
52vgl. EuGH, Urteil vom 29. April 2004 - C - 476/01 - Rechtssache "Kapper"; Hailbronner, Anerkennung der in anderen EU-Mitgliedstaaten erworbenen Fahrerlaubnisse, NVZ 2009, 361 (366),
53dürfte der Wortlaut von Art. 11 Abs. 4 Satz 2 der 3. EU-Führerscheinrichtlinie nunmehr keinen Spielraum mehr für die vom EuGH mit Blick auf die Grundfreiheiten vorgenommene enge Auslegung der Bestimmung bieten.
54Vgl. hierzu auch VG Kassel, Beschluss vom 22. Juni 2009 - 2 L 476/09 -; Geiger, Neues Ungemach durch die 3. Führerscheinrichtlinie der Europäischen Gemeinschaft", DAR 2007, 126 (128); Mosbacher/Gräfe, Die Strafbarkeit von "Führerscheintourismus" nach neuem Recht, NJW 2009, 801 (802 f.); a. A. Hailbronner, Anerkennung der in anderen EU-Mitgliedstaaten erworbenen Fahrerlaubnisse, NZV 2009, 361 (366 f.).
55Denn seit Inkrafttreten von Art. 11 der 3. EU-Führerscheinrichtlinie ist die Anerkennung eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins - jedenfalls nach dem (deutschen) Wortlaut der Richtlinie - zwingend abzulehnen, wenn der Führerschein zuvor für das eigene Hoheitsgebiet eingeschränkt, ausgesetzt und entzogen wurde.
56Spricht danach einiges dafür, dass sich die Rechtslage seit dem 19. Januar 2009 zum Nachteil des Antragstellers geändert hat, können bei der hier allein möglichen summarischen Prüfung gleichwohl die Erfolgsaussichten der Klage gegen die Anordnung der Vorlage des Führerscheins noch nicht mit der notwendigen Gewissheit verneint werden, so dass es der näheren Betrachtung der betroffenen Interessen bedarf.
57Unter Einbeziehung des öffentlichen Interesses, den Rechtschein des Besitzes einer gültigen Fahrerlaubnis zu beseitigen und damit zu gewährleisten, dass der Antragsteller nicht weiter am motorisierten Straßenverkehr im Bundesgebiet teilnimmt, und - dem gegenüberstehend - des privaten Interesses des Antragstellers, den Anschein zu erwecken, von einer ausländischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, überwiegt das öffentliche Interesse. Eine mögliche Teilnahme des Antragstellers am motorisierten Straßenverkehr bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens ist mit nicht hinnehmbaren Risiken für wichtigste Rechtsgüter, insbesondere Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer verbunden. Das Risiko, dass der Antragsteller unter der berauschenden Wirkung von Drogen im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt, ist unter dem ordnungsrechtlichen Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr zu hoch. Aufgrund des Vorfalls im Mai 2005 ist nicht auszuschließen, dass dem Antragsteller im Hinblick auf seinen erwiesenen Drogenkonsum die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen fehlt. Anhaltspunkte dafür, dass er den Konsum von Kokain und Cannabis inzwischen endgültig eingestellt hat, sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist nichts dazu vorgetragen, dass die im Zuge der Erteilung der Fahrerlaubnis in Polen vorgenommene ärztliche Untersuchung auch den Drogenkonsum des Antragstellers in der Vergangenheit in den Blick genommen hat.
58Vor diesem Hintergrund begegnet auch die kraft Gesetzes vorgesehene sofortige Vollziehbarkeit der Zwangsgeldandrohung keinen rechtlichen Bedenken.
59Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
60Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Dabei setzt die Kammer in Anlehnung an die geänderte Streitwertpraxis des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen,
61vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. Mai 2009 - 16 B 114/09 -,
62in Rechtsstreitigkeiten, in denen es um die Entziehung einer Fahrerlaubnis geht, in Hauptsacheverfahren den Auffangwert und in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Hälfte dieses Betrags an, es sei denn es geht um einen - hier nicht gegebenen - Fall der qualifizierten beruflichen Nutzung der Fahrerlaubnis.
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