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Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, über den Antrag der Antragstellerin auf Zulassung zur Cranger Kirmes 2008 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts spätestens bis zum 30. Juni 2008 neu zu entscheiden. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragstellerin und der Antragsgegner je zur Hälfte.
Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe:
2Der sinngemäß gestellte Antrag,
3den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Antragstellerin mit ihrem Autoskooter zur Cranger Kirmes 2008 zuzulassen und ihr einen näher beschriebenen Standplatz zuzuweisen,
4hilfsweise
5den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, bis zu einem vom Gericht festzusetzenden Termin die Bewerbung der Antragstellerin um einen Autoskooter-Standplatz auf der Cranger Kirmes 2008 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden,
6ist nur hinsichtlich des Hilfsantrages zulässig und begründet.
7Die Cranger Kirmes gehört zu den Volksfesten im Sinne von § 60 b der Gewerbeordnung (GewO). Gemäß § 60 b Abs. 2 GewO sind für Volksfeste u. a. die Vorschriften der § 69 Abs. 1 und 2, § 70 GewO entsprechend anwendbar. Da der Antragsgegner die Cranger Kirmes gemäß § 69 GewO als Volksfest festgesetzt hat, hat die Antragstellerin gemäß § 70 Abs. 1 GewO grundsätzlich einen Anspruch darauf, an dieser Veranstaltung als Anbieter teilnehmen zu dürfen, da ein Autoskooter, wie sie ihn anbietet, zum gegenständlichen Bereich der Cranger Kirmes gehört.
8Das Teilnahmerecht der Antragstellerin wird aber durch § 70 Abs. 3 GewO eingeschränkt. Danach kann der Veranstalter einzelne Anbieter von der Teilnahme an der
9Veranstaltung aus sachlich gerechtfertigten Gründen ausschließen. Das gilt insbesondere dann, wenn der zur Verfügung stehende Platz nicht für alle Bewerber ausreicht. Das ist bei der Cranger Kirmes regelmäßig der Fall.
10Bei der unter den sich bewerbenden Autoskootern gemäß § 70 Abs. 3 GewO vorzunehmenden Auswahl hat der Antragsgegner einen gerichtlich nur beschränkt überprüfbaren Einschätzungs- und Entscheidungsspielraum. Deshalb ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nur dann zulässig, wenn der Einschätzungs- und Entscheidungsspielraum des Veranstalters zu Gunsten des Bewerbers auf Null reduziert oder wenn effektiver Rechtsschutz anders nicht zu erreichen ist. Letzteres ist schon deswegen nicht der Fall, weil bis zu der am 1. August 2008 beginnenden Cranger Kirmes noch genügend Zeit besteht, den Zulassungsantrag der Antragstellerin erneut zu bescheiden.
11So bei noch weniger Wochen Zeit vor Beginn der Kirmes für das Zulassungsverfahren für die Cranger Kirmes 2007: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 13. Juli 2007 - 4°B°1001/07 -
12Darüber hinaus ist aus derzeitiger Sicht der Kammer auch keine Reduzierung auf Null ersichtlich. Dies schon deshalb nicht, weil der Antragsgegner den ihm zustehenden Spielraum auf rechtlich unzutreffender Grundlage ausgeübt hat. Deshalb hat die Antragstellerin einen Anspruch darauf, dass über ihren Zulassungsantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu entschieden wird.
13OVG NRW aaO.
14Dass der Antragsgegner auf rechtlich unzutreffender Grundlage und damit ermessensfehlerhaft entschieden hat, ergibt sich aus Folgendem: Bei seiner Auswahlentscheidung hat er die seine Ermessenserwägungen antizipierenden Zulassungsrichtlinien zugrundezulegen, und zwar vorliegend für das Jahr 2008 die Zulassungsrichtlinien vom 1. Oktober 2007, mit der die alte Fassung aus 1997 aufgehoben worden ist.
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Da es sich bei Autoskootern nicht um Neuheiten im Sinne Nr. 7.3.1 der Zulassungsrichtlinien handelt, ist die Auswahlentscheidung gemäß Nr. 7.3.2 zu treffen, wonach Betriebe, die in Bezug auf ihre optische Gestaltung (insbesondere Fassadengestaltung, Beleuchtung, Lichteffekte), ihre Fahrweise, ihren Pflegezustand oder ihr Warenangebot attraktiver als andere Betriebe sind, bevorzugt zugelassen werden. Soweit es dann in einen weiteren (neuen) Satz heißt: Die Attraktivitätskriterien werden von der Veranstalterin branchenbezogen spezifiziert.", hat sich vorliegend der Antragsgegner dann offenbar an die Bewertungskriterien für die Auswahl von Autoskootern" vom 17. Januar 2008 (Bl. 36 f der Gerichtsakte des zugehörigen Klageverfahrens 7 K 2096/08 - im Folgenden: Bewertungskriterien -) gehalten. Dies dürfte aber einer rechtlichen Prüfung nicht standhalten.
17Denn die Auswahlkriterien müssen den Grundsätzen der Transparenz und Nachvollziehbarkeit entsprechen, weil mit ihnen Eingriffe in das Grundrecht der Bewerber auf Berufsfreiheit (Art. 12 GG) verbunden sind und Art. 3 GG die Chancengleichheit aller Bewerber erfordert.
18Vgl. Tettinger/Wank, Gewerbeordnung, 7. Aufl. 2004, § 70 Rdnr. 41
19Ein dementsprechendes Auswahlverfahren setzt deshalb voraus, dass sich jeder Interessent auf zumutbare Weise über eine Veranstaltung und deren dabei offen zu legende Auswahlkriterien informieren kann.
20So: Wagner in Friauf, Gewerbeordnung, Stand Mai 2008, §°70 Rdnr. 53
21Dies verlangt ein für alle Bewerber einheitliches, vorher festgelegtes Verfahren.
22OVG Lüneburg, Urteil vom 16. Juni 2005 - 7 LC 201/03 -(NVwZ-RR 2006, 177 ff)
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Denn die Bewerber müssen in der Lage sein, die Attraktivität ihres Fahrgeschäftes vor der Bewerbung ggfs. zu steigern und dementsprechend auch dem Profil des neuen Bewertungskatalogs anzupassen, um ihre Zulassungschancen zu erhöhen.
25Dies erscheint so selbstverständlich, dass es in den Gerichtsentscheidungen und Kommentaren nur in Nebensätzen Erwähnung findet. Bei Tettinger/Wank z.B. findet sich eine entsprechende Passage nur bei privaten Veranstaltern:
26Bei privaten Veranstaltern ist gleichfalls eine vorherige verbindliche Festlegung der Kriterien erforderlich, die den Bewerbern auf Anfrage zugänglich gemacht werden muss." (Rdnr. 55)
27Im Übrigen ergibt sich die Notwendigkeit einer vorherigen Bekanntgabe der Zulassungsrichtlinien und Auswahlkriterien auch daraus, dass damit der Veranstalter vorab sein Auswahlermessen bindet und ein Verstoß dagegen seine Entscheidung rechtswidrig macht.
28Vgl. Schönleiter in Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, Stand November 2007, § 70 Rdnr. 11
29Da der Antragsgegner seine Auswahlentscheidung hinsichtlich der Autoskooter aber vorliegend auf die erst nach Bewerbungsschluss und auch erst nach Eingang der nachgeforderten Angaben niedergelegten Bewertungskriterien vom 17. Januar 2008 gestützt hat, die auch offenbar den Bewerbern erst mit den Ablehnungsbescheiden bekannt geworden sind, ist die Auswahlentscheidung ermessensfehlerhaft. Sie muss deshalb auf der Grundlage der bei Bewerbungsschluss 15. November 2007 geltenden Zulassungsrichtlinien ohne Berücksichtigung der Bewertungskriterien wiederholt werden.
30Angesichts der erforderlichen betriebswirtschaftlichen und Organisationsentscheidungen, die beide Parteien zu treffen haben werden, erscheint der gesetzte Termin 30. Juni 2008 für die neue Auswahlentscheidung für beide Parteien angemessen.
31Abschließend wird angemerkt, dass bei der nunmehr notwendigen neuen Auswahlentscheidung die jetzt anzuwendenden Zulassungsrichtlinien 2007 den Zusatz der alten Zulassungsrichtlinien - wenn auch nur geringfügig -" nicht mehr enthalten; dies wird der Antragsgegner zu berücksichtigen haben.
32Da die Bewertungskriterien vorliegend nicht erheblich sind, bedarf es keiner Entscheidung dazu, ob diese angesichts des weiten Beurteilungs- und Ermessensspielraums des Veranstalters - ggfs. im Zusammenhang mit Bewertungskriterien für andere Branchen - sachgerecht erstellt und zutreffend angewendet worden sind.
33Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO und entspricht dem jeweiligen teilweisen Obsiegen und Unterliegen. Die Streitwertentscheidung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes; dabei geht das Gericht in ständiger Praxis in Übereinstimmung mit dem OVG NRW in Hauptsacheverfahren um die Zulassung zur Cranger Kirmes bei vergleichbaren Betrieben von 10.000 Euro aus, die im Eilverfahren halbiert werden.
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