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1. Die Auferlegung einer Steuer durch einen Steuerbescheid begründet eine Geldleistungspflicht und berührt damit die wirtschaftliche Betätigung als Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit. Die Pflicht zur Zahlung einer Steuer verletzt dann nicht die allgemeine Handlungsfreiheit, wenn dem Betroffenen ein angemessener Spielraum verbleibt, sich wirtschaftlich frei zu entfalten. Dieser Spielraum ist gegeben, soweit die Steuerbelastung verhältnismäßig ist.
2. Eine Steuer ist dann unverhältnismäßig, wenn sie aus demjenigen zu bezahlen ist, was der Staat dem Einzelnen zur Sicherung eines menschenwürdigen Daseins als Existenzminimum zur Verfügung stellt.
3. Da die Hundesteuer bei der Bestimmung des Existenzminimums nicht berücksichtigt wird, ist deren Erhebung bei denjenigen, die ihren Lebensunterhalt aus dem zur Führung eines menschenwürdigen Daseins staatlich garantierten Existenzminimum bestreiten müssen, unverhältnismäßig.
4. Dies gilt auch bei Haltung von Hunden, die aufgrund bestimmter Rasse- oder anderer Merkmale einer erhöhten Besteuerung unterliegen.
Der Hundesteuerbescheid des Beklagten vom 10. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 21. Mai 2008 wird aufgehoben, soweit darin für die Zeit ab dem 1. August 2007 Hundesteuerbeträge festgesetzt werden, welche einen monatlichen Hundesteuerbetrag in Höhe von 12,00 Euro übersteigen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils vollstreckungsfähigen Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
2Die Kläger wenden sich gegen die Erhebung einer sog. Kampfhundesteuer für ihren American Staffordshire Terrier, dessen Haltung der Beklagte mit Bescheiden vom 30. Juli 2007 unter Befreiung von der Maulkorbpflicht unbefristet genehmigte.
3Der Kläger bezieht ergänzend zu seiner Altersrente eine Grundsicherung nach dem 12. Buch Sozialgesetzbuch. Der Klägerin verbleiben aus einer selbständigen Tätigkeit monatlich ca. 88,00 Euro zum Leben.
4Mit Hundesteuerbescheid vom 10. August 2007 wurde die Klägerin rückwirkend jeweils für die Zeiträume vom 1. August 2005 bis zum 31. Dezember 2005, vom 1. Januar 2006 bis zum 31. Dezember 2006 und vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2007 zu einer höheren Hundesteuer herangezogen. Statt des bisherigen Jahresbetrages von jeweils 144,00 Euro wurde für 2005 ein Betrag in Höhe von 204,00 Euro und für die Jahre 2006 und 2007 jeweils ein Jahresbetrag von 288,00 Euro festgesetzt. Unter Bemerkungen" heißt es im Bescheid: Bescheid aufgrund der Änderung der Satzung für Kampfhunde".
5Unter dem 14. August 2007 legte der Kläger Widerspruch gegen den Steuerbescheid vom 10. August 2007 ein. Nicht die Klägerin, sondern der Kläger sei Eigentümer des nunmehr 12 Jahre alten Hundes. Sein Hund habe immer nur Liebe zu den Menschen gezeigt. Er habe alle Prüfungen mit Bravour bestanden, auch seien sämtliche Untersuchungen einschließlich schmerzhafter Behandlungen ohne Maulkorb durchgeführt worden. Er sei auch nicht in der Lage, von seiner Minirente eine solch hohe Steuer zu bezahlen.
6Mit an beide Kläger gerichtetem Widerspruchsbescheid vom 21. Mai 2008 hob der Beklagte die erhöhte Festsetzung einer Hundesteuer für den Zeitraum von 1. August 2005 bis zum 31. Juli 2007 auf. Grundlage der erhöhten Steuerfestsetzung im übrigen sei die zum 1. August 2005 wirksam gewordene Änderung der Hundesteuersatzung der Stadt E. , welche aufgrund der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen notwendig geworden sei.
7Am 10. Juni 2008 haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben.
8Zur Begründung ihrer Klage tragen die Kläger unter Darlegung im Einzelnen im Wesentlichen vor:
9Die Besteuerung der Hundehaltung der Kläger verstoße gegen das verfassungsrechtliche Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums. Darüber hinaus verstoße die Höherbesteuerung aufgrund einer vermeintlich gesteigerten Aggressivität von Hunden der Rasse American Staffordshire Terrier gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -. Weder aufgrund der Zuchtgeschichte noch aufgrund sachlich tragender Erwägungen, die einem wissenschaftlichen Anspruch genügten, sei eine Höherbesteuerung gerechtfertigt. Der Satzungsgeber könne sich auch nicht den Regelungen des Hundegesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen - LHundG NRW - anschließen, da die in § 22 LHundG nach fünf Jahren vorgeschriebene Überprüfung der Auswirkungen des Gesetzes nicht stattgefunden habe. Daher sei nun der Satzungsgeber selbst in der Pflicht, die rechtlichen Voraussetzungen einer erhöhten Besteuerung in der Sache zu rechtfertigen.
10Die Kläger beantragen,
11den Hundesteuerbescheid des Beklagten vom 10. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 21. Mai 2008 aufzuheben, soweit darin Hundesteuerbeträge festgesetzt werden, welche einen monatlichen Hundesteuerbetrag in Höhe von 12,00 Euro übersteigen.
12Der Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Zur Begründung trägt der Beklagte unter Bezugnahme auf den Inhalt seines Widerspruchsbescheides ergänzend im Wesentlichen vor:
15Die Steuerfestsetzung sei zu Recht erfolgt. Die Kläger seien Halter eines gefährlichen Hundes im Sinne der Hundesteuersatzung der Stadt E. . Sie seien daher verpflichtet, einen höheren Steuersatz für gefährliche Hunde zu zahlen. Der im Widerspruchsverfahren vorgetragene Einwand der Kläger, der Hund sei nicht gefährlich, sei unerheblich, da es insoweit nicht auf den subjektiven Eindruck der Hundehalter ankomme, sondern allein auf das Halten eines Hundes einer bestimmten Rasse.
16Die staatlichen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes seien so gestaltet, dass dem Leistungsberechtigten genügend Mittel zur Verfügung stünden, um die vom Beklagten erhobene Hundesteuer zu entrichten. In jedem Regelbedarf seien sogenannte disponible Teile enthalten, die nicht zwingend zur Bestreitung des Unterhaltes für das tägliche Leben erforderlich seien.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
18E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
19Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet. Der Hundesteuerbescheid des Beklagten vom 10. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Mai 2008 ist im angefochtenen Umfang rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
20Gemäß § 1 Abs. 1 der Hundsteuersatzung der Stadt E. - HStS - ist Gegenstand der Steuer das Halten von Hunden im Stadtgebiet. Die Steuer beträgt jährlich bei Haltung eines Hundes 144,00 Euro, § 2 Abs. 1 Buchst. a) HStS. U.a. für Hunde der Rasse American Staffordshire Terrier beträgt die Steuer jährlich 288,00 Euro, wenn der Nachweis erbracht wird, dass eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit nicht zu befürchten ist. Für Hunde, die von Personen gehalten werden, die Grundsicherungsleistungen für Arbeitssuchende (ALG II ohne Zuschlag nach § 24 SGB II) oder Sozialgeld nach dem SGB II, Hilfe zum Lebensunterhalt oder Grundsicherungsleistungen nach dem 3. bzw. 4 Kapitel des SGB XII erhalten und von solchen Personen, die diesen einkommensmäßig gleichstehen, ist die Steuer auf Antrag auf die Hälfte des Steuersatzes nach § 2 HStS zu ermäßigen, jedoch nur für einen Hund. Für gefährliche Hunde, zu denen die Satzung auch Hunde der Rasse American Staffordshire Terrier zählt, wird eine solche Steuerermäßigung nicht gewährt.
21Die vorgenannte Ermäßigungsregelung, die seit Jahrzehnten in der jeweils gültigen Hundesteuersatzung der Stadt E. enthalten ist (Für Hunde, die von Empfängern laufender Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz und von solchen Personen, die diesen einkommensmäßig gleichstehen, gehalten werden, ist die Steuer auf Antrag auf die Hälfte des Steuersatzes nach § 2 HStS zu ermäßigen, jedoch nur für einen Hund.") , geht zurück auf einen Runderlass des Innenministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 29. Dezember 1970. Im Einvernehmen mit dem Finanzminister wurde die Hundesteuermustersatzung seinerzeit um folgende Empfehlung erweitert (MBl NW 1971, S. 46 f.):
22Für Hunde, die von Empfängern laufender Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz und von solchen Personen, die diesen einkommensmäßig gleichstehen, gehalten werden, ist die Steuer auf Antrag auf die Hälfte / ein Viertel des Steuersatzes nach § 2 zu ermäßigen, jedoch nur für einen Hund."
23Eine solche Regelung verstößt allerdings gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der Verfassungsrang genießt:
24Die Auferlegung einer Steuer durch einen Steuerbescheid begründet eine Geldleistungspflicht und berührt damit die wirtschaftliche Betätigung als Ausfluss der durch Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG - geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit. Die Handlungsfreiheit auf wirtschaftlichem Gebiet ist allerdings nur in den Schranken des zweiten Halbsatzes des Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet. Die Pflicht zur Zahlung der Steuer verletzt dann nicht den durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Bereich, wenn dem Betroffenen ein angemessener Spielraum verbleibt, sich wirtschaftlich frei zu entfalten. Dieser Spielraum ist gegeben, soweit die Steuerbelastung verhältnismäßig ist.
25Vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 29. Juni 1995 - 1 BvR 1800/94, 1 BvR 2480/94 -, ZKF 1995, S. 204 f. (S. 205).
26Nach Auffassung der Kammer ist eine Steuer dann unverhältnismäßig, wenn sie aus demjenigen zu bezahlen ist, was der Staat dem Einzelnen zur Sicherung eines menschenwürdigen Daseins, vgl. Art. 1 Abs. 1 GG, als Existenzminimum zur Verfügung stellt, vgl. z.B. § 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches 12. Buch - SGB XII -.
27Ausgangspunkt der rechtlichen Würdigung ist das aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG abzuleitende Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums. Danach hat der Staat das Einkommen des Bürgers insoweit steuerfrei zu stellen, als dieser es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins für sich und seine Familie benötigt. Einem Grundgedanken der Subsidiarität, wonach Eigenversorgung Vorrang vor staatlicher Fürsorge hat, entspricht es, dass sich die Bemessung des steuerrechtlich maßgeblichen Existenzminimums nach dem im Sozialhilferecht niedergelegten Leistungsniveau richtet. Was der Staat dem Einzelnen voraussetzungslos aus allgemeinen Haushaltsmitteln zu Verfügung zu stellen hat, das darf er ihm nicht durch Besteuerung seines Einkommens entziehen.
28Vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Februar 2008 - 2 BvL 1/06 -, Juris- Dokument (zur Einkommenssteuer).
29Es ist streng auf das sozialhilferechtlich gewährleistete Leistungsniveau als eine das Existenzminimum quantifizierende Vergleichsebene abzustellen.
30Vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Februar 2008, a.a.O.
31Es liegt auf der Hand, dass eine Satzungsregelung, welche - wie hier - dem Hundehalter zumutet, aus seinem ihm staatlichen garantierten Existenzminimum eine weitere Steuer zu entrichten, diesen Vorgaben nicht gerecht wird.
32Die Kammer ist sich bewusst, dass Leistungsberechtigte nach SGB II bzw. SGB XII bzw. Bezieher von Einkommen in vergleichbarer Höhe tatsächlich in der Lage sein können, Hundesteuer zu entrichten. Es ist aber ein Unterschied, ob dem Betroffenen das zum (Über-)Leben absolut Notwendige verbleibt oder ob ihm das zur Führung eines menschenwürdigen Lebens Notwendige verbleibt. Vor dem Hintergrund von Art. 1 Abs. 1 GG, vgl. auch die ausdrückliche Bezugnahme in § 1 Abs. 1 SGB XII, und der vorgenannten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zieht die Kammer die Grenze zur Unverhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs nicht erst beim Eingriff in das zum (Über-)Leben absolut Notwendige.
33Einer solchen Sichtweise könnte entgegengehalten werden, dass das staatlich garantierte Existenzminimum die Entrichtung einer Hundesteuer bereits beinhalte. Das ist allerdings nicht der Fall. Gemäß § 28 Abs. 3 Satz 4 SGB XII ist Datengrundlage der Regelsatzbemessung die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe. Dies konkretisiert § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 28 SGB XII dahin, dass bestimmte Abteilungen einer neu zur Verfügung stehenden Einkommens- und Verbrauchsstichprobe zur Bestimmung des Eckregelsatzes heranzuziehen sind, und zwar:
34Nahrungsmittel, Getränke, Tabakwaren
35Bekleidung und Schuhe
36Wohnung, Wasser, Strom, Gas u.a. Brennstoffe
37Einrichtungsgegenstände (Möbel), Apparate, Geräte und Ausrüstungen für den Haushalt sowie deren Instandhaltung
38Gesundheitspflege
39Verkehr
40Nachrichtenübermittlung
41Freizeit, Unterhaltung und Kultur
42Beherbergungs- und Gaststättenleistungen
43Andere Waren und Dienstleistungen.
44Hundesteuern sind demgegenüber den sonstigen Steuern in der Abteilung Andere Ausgaben" zuzuordnen.
45Vgl. Statistisches Bundesamt, Fachserie 15 Heft 4: Einkommens und Verbrauchsstichprobe - Einnahmen und Ausgaben privater Haushalte 2003
46Auch in der Zeit der Geltung des Bundessozialhilfegesetzes lässt sich eine Einbeziehung der Hundesteuer in die Regelsätze nicht feststellen.
47Vgl. die Auflistung der regelsatzrelevanten Positionen aus dem Systematischen Verzeichnis für die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1983 in NDV 1990, S. 157 f.
48Schließlich bilden die nach der Regelsatzverordnung gebildeten Regelsätze auch die Bezugsgrundlage für Leistungen nach dem 2. Buch Sozialgesetzbuch.
49vgl. Schellhorn u.a., SGB XII - Sozialhilfe, 17. Auflage, München 2006, Teil C I, Rn 3.
50Augenfällig wird dies z.B. durch die derzeit geltenden Regelsätze für Alleinstehende in Höhe von 351,00 Euro gemäß § 1 der Verordnung über die Regelsätze der Sozialhilfe in Nordrhein-Westfalen bzw. in Höhe von 345,00 Euro gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB II.
51Erweist sich die Ermäßigungsregelung in § 5 Abs. 3 HStS (einschließlich der inhaltsgleichen Vorgängerregelungen) als unverhältnismäßig und nichtig, hat dies auf den Bestand der Hundesteuersatzung der Stadt E. im Übrigen keinen Einfluss.
52Im Rahmen des dem Satzungsgeber zukommenden weitreichenden Spielraums zur Ausgestaltung einer Steuer,
53vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 3. Mai 2001 - 1 BvR 624/00 -, NVwZ 2001, S. 1264 f.,
54muss er nicht zwingend schon in seiner Hundesteuersatzung selbst der Steuerfreiheit des Existenzminimums Rechnung tragen. Die Kammer ist der Auffassung, dass die insoweit interessierenden Fälle schon mit Hilfe der jedenfalls anwendbaren gesetzlichen Möglichkeiten einer abweichenden Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen bzw. eines Erlasses der Steuer im Einzelfall, vgl. § 163 Sätze 1 u. 3 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) KAG NRW und § 227 AO i.V.m. § 12 Abs.1 Nr. 5 Buchst. a) KAG NRW sachgerecht zu lösen sind.
55Es ergibt sich nichts anderes aus § 5 Abs. 5 HStS, wonach für gefährliche Hunde eine Steuerermäßigung u.a. gemäß § 5 Abs. 3 HStS nicht gewährt wird. Auch insoweit gilt der Grundsatz der Steuerfreiheit des Existenzminimus:
56Es ist nach dem ausdrücklichen Willen des Landesgesetzgebers zulässig, dass die Erzielung von Einnahmen im Rahmen der Steuererhebung nur Nebenzweck ist, vgl. § 3 Abs. 1 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) KAG NRW, m.a.W., der Satzungsgeber darf mit der Steuer Lenkungszwecke verfolgen. Der Satzungsgeber hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und im Anschluss an § 3 Abs. 2 LHundG NRW auch Hunde der Rasse American Staffordshire Terrier einer erhöhten Besteuerung unterworfen. Eine solche allein an die Rassezugehörigkeit anknüpfende Besteuerung ist grundsätzlich möglich.
57Es verletzt insbesondere nicht den Gleichheitssatz, wenn auch ein im Einzelfall ungefährlicher Hunde der erhöhten Steuer unterworfen wird, da der Rat der Stadt E. einen zulässigen Lenkungszweck im Rahmen des ihm zustehenden Gestaltungs- und Typisierungsspielraum verfolgt. Mit dem als unwiderlegliche Vermutung der Gefährlichkeit für bestimmte Hunderassen ausgestalteten Steuertatbestand verfolgt der Satzungsgeber nicht in erster Linie oder gar ausschließlich einen im engeren Sinne "polizeilichen" Zweck der aktuellen und konkreten Gefahrenabwehr. Das Lenkungsziel besteht vielmehr ersichtlich auch darin, ganz generell und langfristig im Gemeindegebiet solche Hunde zurückzudrängen, die aufgrund ihres Züchtungspotentials in besonderer Weise die Eignung aufwiesen, ein gefährliches Verhalten zu entwickeln, sei es auch erst nach Hinzutreten anderer Faktoren. Die unwiderlegliche Vermutung in der Rasseliste ist in besonderer Weise geeignet, dieses Ziel zu erreichen. Müssten nämlich in bestimmten Einzelfällen Ausnahmen von der höheren Besteuerung gewährt werden, so würde das dem steuerlichen Lenkungszweck, den Bestand an potentiell gefährlicheren Hunden möglichst gering zu halten, zuwiderlaufen. Der mit der erhöhten Steuer verfolgte Lenkungszweck, die Population von Hunden, die als potentiell gefährlich eingeschätzten Rassen angehören, im Gemeindegebiet generell zurückzudrängen, zielt auch von vornherein auf einen deutlich größeren Kreis von Fällen - nämlich die potentiellen Halter solcher Hunde - als die ordnungsrechtlichen Pflichten im Zusammenhang mit der Haltung der hier interessierenden Hunde. Diese ordnungsrechtlichen Pflichten treffen nämlich nur die Halter, die sich ungeachtet der erhöhten Besteuerung zur Anschaffung eines nach Maßgabe der Rasseliste als gefährlich vermuteten Hundes entschlossen haben.
58Hierin werden zugleich die Lenkungsfunktion der erhöhten Hundesteuer und ihr Zusammenspiel mit dem Recht der Gefahrenabwehr deutlich. Die erhöhte Steuer soll die Zahl der nach ihrer Rasse als gefährlich geltenden Hunde im Gemeindegebiet minimieren. Es liegt im Wesen jeder Verhaltenslenkung durch Besteuerung, dass es dem Adressaten von Gesetzes wegen frei steht, sich unter Inkaufnahme der erhöhten Steuer gegen deren Lenkungszweck zu entscheiden und - hier - einen nach Maßgabe der Rasseliste gefährlichen Hund zu halten. Tut er dies, greift das Recht der Gefahrenabwehr mit dem Erlaubnisvorbehalt ein. An der Verwirklichung des Steuertatbestandes ändert es indes nichts, wenn der Halter die erforderlichen Nachweise erbringt und der Hund den Wesenstest besteht. Entginge der Halter in diesem Fall der erhöhten Besteuerung, verlöre die Steuer ihre generelle Lenkungswirkung. Die Begrenzung der Zahl der nach Rassemerkmalen als gefährlich vermuteten Hunde würde nur mit dem ordnungsrechtlichen Instrumentarium erfolgen können, das jedenfalls mit seinem Erlaubnisverfahren für das Halten gefährlicher Hunde hierauf aber nicht abzielt.
59Dies zeigt, dass der steuerrechtliche Lenkungszweck, Hunde bestimmter Rassen, in ihrer Population im Gemeindegebiet generell zurückzudrängen, unabhängig davon greift, ob im Einzelfall Umstände vorliegen, die im Hinblick auf die nachgewiesene Zuverlässigkeit und Eignung des Halters und den bestandenen Wesenstest des Hundes gegen dessen konkrete Gefährlichkeit sprechen.
60Vgl. zum Ganzen: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 28. Juni 2005 - 10 B 22.05 -, KStZ 2006, S. 12 ff. m.w.N.
61Es liegt auf der Linie des vom Rat der Stadt E. verfolgten Lenkungszweckes, u.a. Hunde der Rasse American Staffordshire Terrier von einer Ermäßigung der Hundesteuer aufgrund der Einkommensverhältnisse des Hundehalters abzusehen.
62Die Kammer hält die sich daraus ergebende Besteuerung allerdings gleichwohl für unverhältnismäßig. Die Kammer geht mit dem Bundesverwaltungsgericht (s.o.) davon aus, dass es im Wesen der Verhaltenslenkung durch Besteuerung liegt, dass es dem Adressaten von Gesetzes wegen frei steht, sich unter Inkaufnahme der erhöhten Steuer gegen deren Lenkungszweck zu entscheiden und einen nach Maßgabe der Rasseliste gefährlichen Hund zu halten.
63Allerdings greifen Steuernormen in die - vom Bundesverwaltungsgericht ja auch ersichtlich vorausgesetzte - allgemeine Handlungsfreiheit gerade in deren Ausprägung als persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen und im beruflichen Bereich (Art. 14 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG) ein. Dies bedeutet, dass eine Steuernorm keine erdrosselnde Wirkung" haben darf: Das geschützte Freiheitsrecht darf nur so weit beschränkt werden, dass dem Grundrechtsträger (Steuerpflichtigen) ein Kernbestand des Erfolges eigener Betätigung im wirtschaftlichen Bereich in Gestalt der grundsätzlichen Privatnützlichkeit des Erworbenen und der grundsätzlichen Verfügungsbefugnis über die geschaffenen vermögenswerten Rechtspositionen erhalten bleibt.
64Vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. September 1992 - 2 BvL 5, 8, 14/91 -, BVerfGE 87, S. 152 ff. (S. 169).
65Eine Besteuerung, welche dem Steuerpflichtigen die Einschränkung des Existenzminimums zumutet, hat nach Auffassung der Kammer eine in diesem Sinne erdrosselnde Wirkung. Sie schließt - zumal als erhöhte Besteuerung - eine Handlungsfreiheit im vorgeschriebenen Sinne aus und kommt bei Einkommensverhältnissen, die dem Existenzminimum entsprechen, einem faktischen Haltungsverbot für bestimmte Hunderassen gleich. Der Eingriff in die Handlungsfreiheit wird insbesondere dann augenfällig, wenn eine bestehende Hundehaltung durch eine solche Besteuerung faktisch beendet werden muss.
66Angesichts dessen hält die Kammer auch § 5 Abs. 5 HStS für nichtig.
67Da schon im Widerspruchsverfahren ein Erlassantrag gestellt wurde, hat der nach den vorstehenden Ausführungen den Klägern aus verfassungsrechtlichen Gründen zu gewährende Erlass auf der Grundlage von § 163 Satz 1 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) KAG NRW zu erfolgen. Das in dieser Vorschrift eingeräumte Ermessen, welches der Beklagte entsprechend dem Zweck der Ermächtigung und unter Einhaltung der Grenzen des Ermessens auszuüben hat, vgl. § 5 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) KAG NRW, ist dahin reduziert, dass nur ein vollumfänglicher Erlass der Hundesteuer für die Kläger der Billigkeit entspricht und damit ermessensgerecht ist.
68Angesichts des klägerseits gestellten Antrages ist der Steuerbescheid vom 10. August 2007 allerdings für die Zeit ab 1. August 2007 in Höhe eines Jahresbetrages von 144,00 Euro bestandskräftig geworden. Daher kann nur eine teilweise Bescheidaufhebung erfolgen.
69Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
70Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 709, 711 der Zivilprozessordnung.
71Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung folgt aus §§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
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