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Kein Bleiberecht nach der Altfallregelung 2006 bei vorsätzlicher Täuschung über aufenthaltsrechtlich relevante Umstände (Ziffer 1.4.2 des Erlasses vom 11. Dezember 2006); hier: Wahrheitswidrige neue Behauptung, Roma zu sein. (Zugehörig: OVG NRW Beschluss vom 16.08.2007 - 17 B - 1294/07 -).
Der Antrag, den Antragstellern Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt N. aus L. zu bewilligen, wird abgelehnt.
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird auf Kosten der Antragsteller abgelehnt.
Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
2Die Anträge,
3dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung aufzugebenen, einstweilen, insbesondere am 16. August 2007 von der Abschiebung der Antragsteller in den Kosovo abzusehen,
4und den Antragstellern für diesen Antrag Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt N. aus L. zu bewilligen,
5haben keinen Erfolg.
61. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung gemäß § 166 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) abzulehnen, wie den nachfolgenden Ausführungen zu entnehmen ist.
72. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist abzulehnen, weil nicht gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO glaubhaft gemacht ist, dass die Antragsteller die erstrebte Anordnung beanspruchen können.
8Die Antragsteller sind zur Ausreise vollziehbar verpflichtet - das gilt auch für die Antragsteller zu 5. und 6., da sie gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 5. Juni 2007, mit dem ihre Asylanträge als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden sind, lediglich Klage (VG Düsseldorf 7 K 2531/07.A), jedoch keinen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO erhoben haben - und dürfen entsprechend den gegen sie ergangenen Abschiebungsandrohungen nach Serbien abgeschoben werden, was der Antragsgegner durch Beförderung auf dem Luftwege für den 16. August 2007 vorgesehen hat.
9Soweit die Antragsteller meinen, sie könnten aufgrund der im Lande Nordrhein-Westfalen maßgeblichen Erlasslage ein Bleiberecht und deswegen im Rahmen dieses Verfahrens eine Sicherungsanordnung beanspruchen, folgt das Gericht ihrer Einschätzung nicht. Zu Recht legt der Antragsgegner zugrunde, dass ein solches Bleiberecht im Blick auf die Ziffer 1.4.2 des Erlasses vom 11. Dezember 2006 nicht besteht, weil die Antragsteller vorsätzlich über aufenthaltsrechtlich relevante Umstände getäuscht haben, wobei sich die Antragsteller zu 3. bis 6. das Verhalten der Antragsteller zu 1. und 2., ihrer Erziehungsberechtigten, zurechnen lassen müssen.
10Die Täuschung kann zwar nicht darin gesehen werden, dass die Antragsteller zunächst im Jahre 1999 gegenüber dem Bundesamt vorgetragen hatten, sie gehörten zur Volksgemeinschaft der Kosovo-Albaner, während sie dann nach der ersten negativen Asylentscheidung des Bundesamtes vom 4. November 1999 im Klageverfahren behauptet hatten, sie gehörten zum Volk der Ashkali. Denn zum einen dürfte insoweit im Wechsel" des Sachvortrags kein wesentlich neuer Vortrag zu erblicken sein, da nach den der Kammer vorliegenden Erkenntnissen sich die zum Volk der Ashkali rechnenden Bewohner des ehemaligen Jugoslawien selbst (auch) als Albaner sehen und bezeichnen und ausweislich der Feststellungen des Kosovo Source Information Project (KOSIP Nr. 00463 0611) aus November 2006 die Antragsteller tatsächlich zur Volksgruppe der Ashkali gehören. Zum anderen liegt der Vortrag, zur Volksgemeinschaft der Kosovo-Albaner zu gehören, länger zurück und ist bereits im Januar 2000 durch die Angabe, zum Volk der Ashkali zu gehören, korrigiert bzw. spezifiziert worden; daher dürfte hier Satz 4 der Ziffer 1.4.2 des Erlass vom 11. Dezember 2006 einschlägig sein, wonach solchen länger zurückliegenden Sachverhalten keine wesentliche Bedeutung beigemessen werden braucht.
11Die Täuschung ist aber darin zu sehen, dass die Antragsteller im Jahre 2004 behauptet haben, sie gehörten dem Volk der Roma an, indem sie mit Schreiben ihrer früheren Verfahrensbevollmächtigten vom 4. März 2004 eine Kopie eines Roma-Ausweises des Antragstellers zu 1. vom 3. März 2003 vorgelegt haben und indem die Antragstellerin zu 2. am 5. April 2004 einen Asylfolgeantrag mit der Begründung gestellt hat, dass sie zum Volk der Roma gehöre. Die Behauptung, dem Volk der Roma anzugehören, ist wahrheitswidrig; denn sie widerspricht der Erkenntnis, die das KOSIP bei einer Überprüfung am Heimatort der Antragsteller gewonnen hat, dass die Antragsteller nämlich dem Volk der Ashkali zugehören, wie diese bereits unter Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung des Vereins Shoqata Ashkanli Shqipetar Kosoves" vom 8. Dezember 1999 vorgetragen hatten. Im übrigen hatte der Antragsteller zu 1., der nunmehr behauptet, er spreche u.a. die Sprache Romanes, in seiner auf Albanisch erfolgten Anhörung vor dem Bundesamt am 3. Mai 1999 angegeben, er spreche neben Albanisch keine andere Sprache und keinen anderen Dialekt, er gehöre zur Volksgemeinschaft der Kosovo- Albaner. Die erstmals im Jahre 2004 aufgestellte Behauptung, Roma zu sein, erscheint nach alledem evident verfahrensangepasst, weil mit Erlass des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 7. April 2003 die - zuvor ausgeschlossene - Möglichkeit der (auch zwangsweisen) Zurückführung von u.a. Ashkalis nach Serbien in das Kosovo eröffnet worden war, während eine Rückführung von Roma weiterhin nicht in Betracht kam.
12Die genannte Täuschung ist im vorliegenden Fall allein schon aufgrund der Dauer des täuschungsbedingt erlangten Aufenthalts von einigem Gewicht" i.S.v. Satz 2 der Ziffer 1.4.2 des Erlass vom 11. Dezember 2006.
13Die Antragsteller können nicht damit gehört werden, eine etwaige Täuschung über ihre Volkszugehörigkeit unterfalle nicht der Ziffer 1.4.2 des Erlass vom 11. Dezember 2006, weil in dieser Regelung als Ausschlussgrund nur eine Täuschung über die Identität oder die Staatsangehörigkeit des Betroffenen greife. Solche Täuschungsgründe stellen zwar den Regelfall einer nach Ziffer 1.4.2 des Erlass vom 11. Dezember 2006 relevanten Täuschungshandlung dar, wie sich aus der Formulierung dort insbesondere" ergibt. Neben den angegebenen Regelfällen sind aber weitere Umstände, die aufenthaltsrechtlich relevant" sind, zu beachten , wie vorliegend die Frage der Volkszugehörigkeit, die über die Frage einer zwangsweisen Rückführung entscheidet.
14Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 ZPO sowie auf § 52, § 53 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.V.m. § 5 ZPO in entsprechender Anwendung.
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