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Eine Atemwegserkrankung, die auf die Beschaffenheit des Dienstzimmes zurückgeführt wird - hier: Befall durch Schimmelpilze - ist keine einen Dienstunfall gleichzustellende Berufserkrankung im Sinne des § 31 Abs 3 BeamtVG.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über den von der Beklagten bei der Festsetzung der Versorgungsbezüge der Klägerin in Ansatz gebrachten Versorgungsabschlag in Höhe von 10,8%.
3Die am 31. Dezember 1945 geborene Klägerin stand seit 1971 als Sachbearbeiterin für den Pflegekinderdienst und die Adoptionsvermittlung im Dienst der beklagten Stadt. Im Jahre 1996 litt die Klägerin an einer Atemwegserkrankung, die sie auf eine Schadstoffbelastung ihres Dienstzimmers zurückführte. Daraufhin wurde das Dienstzimmer saniert. Nach der Sanierung war die Klägerin zunächst - nach eigenen Angaben zwei Jahre - beschwerdefrei. Das sanierte Büro hatte die Klägerin allerdings bereits im Sommer 1996 aus organisatorischen Gründen verlassen. Der danach bezogene Raum 301 war vor Bezug in der gleichen Weise saniert worden wie der zuvor genutzte Raum.
4Im Februar 2001 löste sich in Zimmer 301 eine Deckenleuchte. Danach litt die Klägerin - nach ihren Angaben - erneut unter Beschwerden. Im April 2001 litt sie an einer eitrigen Nasennebenhöhlenentzündung und wurde ambulant und stationär behandelt. Aufgrund ihrer Erkrankung kam es zu vermehrten Fehlzeiten.
5Die Beklagte leitete umfangreiche Untersuchungsmaßnahmen ein: So fand zunächst im Juni 2001 eine arbeitsmedizinische Untersuchung der Räumlichkeiten statt. Der Betriebsarzt empfahl eine orientierende Luftschadstoffmessung durch ein unabhängiges Institut. Daraufhin wurde das Dienstzimmer der Klägerin im Oktober 2001 durch die Firma J. (Ingenieurgesellschaft für Dienstleistungen, Gebäude- und Objektservice mbH) untersucht. Bei den durchgeführten Raumluftmessungen konnte keine erhöhte Raumluftbelastung mit "Kolonie bildenden Einheiten" (KBE) in dem Dienstzimmer der Klägerin ermittelt werden. Nachgewiesen wurden PCB in erhöhten Konzentrationen sowie bromierte Flammschutzmittel und Weichmacher in geringen Konzentrationen. Im November 2001 teilte die Firma J. jedoch mit, dass die PCB-Raumluftkonzentration unterhalb der Bestimmungsgrenze liege, also nicht nachweisbar sei. Die ermittelten "KBE" seien als geringe Belastung einzustufen. Es sei davon auszugehen, dass keine verdeckte Schimmelpilzquelle im Raum vorhanden sei.
6Auf Anregung der Klägerin wurde darüber hinaus das Institut für Innenraumdiagnostik Dr. M. mit weiteren Untersuchungen beauftragt. Im November 2002 fand u.a. eine Begehung des Raumes mit einem Schimmel- Spürhund statt. Das Gutachten des Instituts Dr. M. vom 17. Dezember 2002 kam zu folgendem Ergebnis: "Da weitgehend nur geringe Mengen an Mirkoorganismen vorliegen, kann von diesen Laborergebnissen nicht auf eine relevante gesundheitliche Belastung geschlossen werden. Wegen der Markierungen des Spürhundes, des Nachweises auffälliger Mengen an Toxinen und dem Auftreten von Indikatororganismen ist zu vermuten, dass es in den Räumen zumindest ein mikrobielles Problem gegeben hat. (...) Auch wenn keine gesundheitliche Gefährdung erkennbar ist, können bei einer Kontamination, z.B. mit abgestorbenen, nicht anzüchtbaren mikrobiellen Partikeln, bei sensiblen Personen gesundheitliche Beschwerden auftreten. (...) Aufgrund der Untersuchungsergebnisse besteht eigentlich kein weiterer Handlungsbedarf."
7Da die Klägerin auch im Jahr 2002 häufig aufgrund von Dienstunfähigkeit gefehlt hatte, wurde sie am 8. Januar 2003 amtsärztlich untersucht. Der Amtsarzt diagnostizierte in seinem Gutachten vom 13. Januar 2003 ein hyperreagibles Bronchialsyndrom bei nachgewiesener Schimmel- und Hausstaubmilbenallergie, eine Schilddrüsenerkrankung, eine weiterhin abzuklärende Herzrhythmusstörung sowie funktionelle Beschwerden bei psychischer Alteration. Er stellte fest, dass eine Besserung der Erkrankungen nicht zu erwarten und die Klägerin als dauernd dienstunfähig anzusehen sei. Nach Anhörung der Klägerin verfügte die Beklagte mit Bescheid vom 5. März 2003 mit Wirkung vom 1. April 2003 die Versetzung der Klägerin in den Ruhestand. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
8Mit Bescheid vom 21. März 2003 setzte die Beklagte die Versorgungsbezüge der Klägerin fest. Dabei brachte sie einen Versorgungsabschlag in Höhe von 10,8% (230,81 Euro) in Ansatz, weil die Klägerin wegen Dienstunfähigkeit, die nicht auf einem Dienstunfall beruhte, vorzeitig ausgeschieden sei. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 14. April 2003 Widerspruch ein, den sie mit Schreiben vom 5. Juni 2003 wie folgt begründete: Bei ihr liege eine als Dienstunfall anzuerkennende Krankheit nach der Verordnung zu § 31 des Beamtenversorgungsgesetzes - BeamtVG - vor. Der nun bestehende Gesundheitsschaden sei durch den Einzug in das Bürogebäude in der G. -H. -Straße im Jahre 1991 begründet. Die Räumlichkeiten, in denen sie ihre Tätigkeit habe ausführen müssen, seien schadstoffbelastet gewesen. Nachdem man das Zimmer saniert habe, in dem sie zunächst tätig gewesen sei, sei im Jahre 1996 eine vorrübergehende Besserung eingetreten. Als sie dann jedoch in das Zimmer 301 habe umziehen müssen, hätten ihre Beschwerden extrem zugenommen. Seit ihrer letzten Krankschreibung im Sommer 2002 und dem seitdem andauernden Fernbleiben aus den Arbeitsräumen habe sie keine neuen Atemwegserkrankungen durchmachen müssen. Es könne auch nicht sein, dass öffentliche Arbeitgeber - im Gegensatz zu Arbeitgebern der freien Wirtschaft - ihre Mitarbeiter in schadstoffverseuchter Umgebung arbeiten lassen könnten, ohne hierfür zur Verantwortung gezogen zu werden.
9Die Klägerin überreichte als Anlage zu ihrem Widerspruchsschreiben diverse Atteste, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Beiakte Heft 1, Bl. 24 ff.). Hervorzuheben ist die Stellungnahme des Arztes für Kinderheilkunde und Allergologie Dr. L. vom 17. März 2003. Dr. L. kommt nach Studium der Akte der Klägerin zu dem Ergebnis, dass bei ihr die Symptome einer Allergischen Alveolitis vorlägen. Bei der Untersuchung der Räumlichkeiten am Arbeitsplatz seien außerdem Versäumnisse zu verzeichnen. Es liege die Vermutung nahe, dass im Zimmer 301 ein Feuchtigkeits- und Pilzbefall der Decke vorliege. Die Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin nach dem Öffnen von Bohrlöchern an der Decke bekräftige diese Annahme. Die Zimmerdecke sei jedoch nie in die Untersuchungen einbezogen worden. Der Nachweis des Auslösers der Erkrankung der Klägerin in den Arbeitsräumen sei daher fehlerhaft angegangen worden und mithin anfechtbar.
10Mit Widerspruchsbescheid vom 19. August 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine Anerkennung der Erkrankung der Klägerin als Dienstunfall komme nicht in Betracht. Ein Dienstunfall liege nicht vor; insoweit fehle es schon an einem konkreten Unfallereignis. Für eine Berufskrankheit im Sinne des § 31 Abs. 3 BeamtVG sei erforderlich, dass der jeweilige Beamte nach der Art seiner dienstlichen Verrichtung der Gefahr der Erkrankung besonders ausgesetzt gewesen sei. Krankheiten, die durch Umstände verursacht würden, die während der dienstlichen Tätigkeit mit einwirkten (z.B. feuchte Räume, Abgase von einer am Dienstzimmer vorbeiführenden Hauptverkehrsstraße, allergieauslösende Stoffe in den Einrichtungsgegenständen), seien nicht als Dienstunfall im Sinne des § 31 Abs. 3 BeamtVG anzuerkennen.
11Die Klägerin hat am 19. September 2003 Klage erhoben. Sie wiederholt ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und betont, dass ausschließlich die Tätigkeit in den schadstoffbelasteten Räumen zu ihrer Erkrankung geführt habe. Aufgrund ihres Berufsbildes sei sie in erster Linie in diesen Büroräumen tätig gewesen. Der im Rahmen des § 31 Abs. 3 BeamtVG erforderliche Kausalzusammenhang sei damit gegeben. Sie hebt hervor, dass sie inzwischen aufgrund des Fernbleibens vom Dienstort nicht mehr an dem fraglichen Krankheitsbild leide.
12Die Klägerin beantragt,
13die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 21. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 2003 zu verpflichten, ihr Versorgungsbezüge ohne einen Versorgungsabschlag i.H.v. 10,8 % zu gewähren.
14Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie trägt vor: Es liege weder ein Dienstunfall noch eine diesem ausnahmsweise gleichzustellende Berufskrankheit vor. In den eingeholten Gutachten sei schon nicht festgestellt worden, dass die aufgetretenen Beschwerden der Klägerin ihre Ursache in einer Kontaminierung der von ihr genutzten Diensträume gehabt hätten. Die Anerkennung als Berufskrankheit scheitere aber jedenfalls daran, dass die Klägerin nach Art ihrer dienstlichen Verrichtung der Gefahr einer solchen Krankheit nicht besonders ausgesetzt gewesen sei. Das gesetzliche Tatbestandsmerkmal der Art der dienstlichen Verrichtung umfasse nicht die besonderen räumlichen Bedingungen, unter denen der Beamte seinen Dienst versehe. Ein Verstoß gegen Art. 3 des Grundgesetzes - GG - bedeute diese Sichtweise nicht, weil - im Vergleich zu in der Privatwirtschaft Tätigen - keine Ungleichbehandlung von gleichen Sachverhalten vorliege. In der Rechtsprechung der Obergerichte sei wiederholt dargelegt worden, dass es keinen Grundsatz des Berufsbeamtentums gebe, den Beamten dienstunfallrechtlich in jeder Beziehung den Arbeitern im normalen Wirtschaftsleben gleichzustellen. Es sei schließlich auch zu beachten, dass die Atemwegserkrankung laut amtsärztlichem Gutachten vom 13. Januar 2003 nicht die einzige Ursache für die Zurruhesetzung der Klägerin gewesen sei. Soweit die Klägerin die Validität der zur Frage der Schadstoffbelastung eingeholten Gutachten in Frage stelle, sei darauf hinzuweisen, dass im Büroraum 301, in dem die Klägerin seit 1996 gesessen habe, keinerlei Wasserflecken oder Feuchtigkeitsschäden im Deckenbereich festgestellt worden seien. Der Raum verfüge auch nicht über eine sogenannte abgehängte Decke, sondern über eine reine Betondecke. Auch im Dachbereich seien keine Wassereinflüsse oder Feuchtigkeitsschäden festgestellt worden. Beanstandungen hinsichtlich der Räumlichkeiten habe es trotz Durchführung von Mitarbeiterbefragungen nicht mehr gegeben.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge (Beiakte Heft 1) Bezug genommen.
18E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
19Die zulässige Klage ist gemäß § 113 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Versorgungsbezügen ohne den von der Beklagten festgesetzten Versorgungsabschlag in Höhe von 10,8 %.
20Nach § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BeamtVG vermindert sich das Ruhegehalt um 3,6 vom Hundert für jedes Jahr, um das der Beamte vor Ablauf des Monats, in dem er das dreiundsechzigste Lebensjahr vollendet, wegen Dienstunfähigkeit, die nicht auf einem Dienstunfall beruht, in den Ruhestand versetzt wird. Dabei darf die Minderung des Ruhegehalts 10,8 vom Hundert nicht übersteigen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift, gegen die keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen,
21vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteile vom 19. Februar 2004 - 2 C 12/03 -, RiA 2004, 282, und vom 25. Januar 2005 - 2 C 48/03 - RiA 2005, 189; Bayerischer VGH, Urteil vom 1. März 2005 - 3 B 03.498 -, juris; VG Ansbach, Urteil vom 7. März 2006 - AN 1 K 05.01676 -, juris, sowie ferner BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 20. Juni 2006 - 2 BvR 361/03 -, juris,
22liegen vor.
23Die Klägerin ist mehr als fünf Jahre vor Ablauf des Monats, in dem sie das dreiundsechzigste Lebensjahr vollendet (31. Dezember 2008), in den Ruhestand versetzt worden. Aufgrund dieses Zeitraums hat die Beklagte bei einem nach der Übergangsvorschrift des § 69d Abs. 3 Nr. 1 BeamtVG maßgeblichen jährlichen Abschlag in Höhe von 3% zu Recht den Höchstsatz der Minderung in Höhe von 10,8% festgesetzt. Die Zurruhesetzung der Klägerin erfolgte auch wegen Dienstunfähigkeit, die nicht auf einem Dienstunfall beruhte. Es liegen weder die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Dienstunfalls nach § 31 Abs. 1 BeamtVG noch einer Berufserkrankung nach § 31 Abs. 3 BeamtVG vor.
24Allerdings wird man entgegen der Auffassung der Beklagten davon auszugehen haben, dass die Zurruhesetzung der Klägerin auf ihrer Atemwegserkrankung beruhte. Der Bescheid der Beklagten vom 5. März 2003, mit dem diese die Zurruhesetzung verfügt hat, stützte sich auf das amtsärztliche Gutachten vom 13. Januar 2003. Danach litt die Klägerin an einem hyperreagiblen Bronchialsyndrom bei nachgewiesener Schimmel- und Hausstaubmilbenallergie, einer Schilddrüsenerkrankung, einer "weiterhin abzuklärenden" Herzrhythmusstörung sowie funktionellen Beschwerden bei psychischer Alteration. Obgleich in dem amtsärztlichen Gutachten neben der Atemwegserkrankung der Klägerin weitere Erkrankungen genannt werden, war jene erkennbar die Hauptursache für die ärztliche Einschätzung, die Klägerin sei als dauernd dienstunfähig anzusehen. Es spricht nichts dafür, dass die daneben gestellten Diagnosen wesentliche Ursachen für die Zurruhesetzung der Klägerin waren. So werden zur Bronchialhyperreagibilität gesonderte Ausführungen hinsichtlich gescheiterter Therapieversuche gemacht, während die Schilddrüsenerkrankung nicht näher erläutert und die Herzrhythmusstörungen als "weiterhin abzuklären" charakterisiert werden. Auch die "funktionellen Beschwerden" werden nicht näher spezifiziert. Hierzu fügt sich, dass die auf Dienstunfähigkeit beruhenden Fehlzeiten der Klägerin in den Jahren 2001 und 2002, die Anlass für die Einleitung des Zurruhesetzungsverfahrens waren, wohl im Wesentlichen auf der Atemwegserkrankung beruhten.
25Die Atemwegserkrankung der Klägerin kann nicht als Dienstunfall im Sinne des § 31 Abs. 1 BeamtVG angesehen werden. Danach ist ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. Die Atemwegserkrankung der Klägerin ist jedoch nicht auf eine äußere Einwirkung im Rahmen eines konkreten (Unfall-)Ereignisses zurückzuführen. Die Klägerin sieht die Ursache für ihre Atemwegserkrankung vielmehr darin, dass sie in einem - ihrer Ansicht nach - schadstoffbelasteten Dienstzimmer ihren Dienst habe verrichten müssen. Derartige gesundheitsschädigende Dauereinwirkungen, die in einem längeren Entwicklungsprozess die Beschwerden eines Beamten hervorgerufen haben sollen, fallen jedoch, auch wenn sie vom dienstlichen Bereich ausgehen, nicht unter den Begriff des Unfalls im Sinne des § 31 Abs. 1 BeamtVG.
26Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16. Februar 1996 - 2 A 11573/95 - NVwZ-RR 1997, 45; Bay. VGH, Urteil vom 17. Mai 1995 - 3 B 94.3181 - ZBR 1996, 343; VG Stuttgart, Urteil vom 8. Juli 2003 - 17 K 5318/02 -, juris; VG Göttingen, Urteil vom 22. August 2006 - 3 A 38/05 -, juris; Gesamtkommentar Öffentliches Dienstrecht (GKÖD), Stand, Oktober 2006, BeamtVG, § 31 Rdn. 116.
27Gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG wird jedoch eine sogenannte Berufserkrankung unter den dort genannten Voraussetzungen einem Dienstunfall gleichgestellt. Danach gilt es als Dienstunfall, wenn ein Beamter, der nach der Art seiner dienstlichen Verrichtung der Gefahr der Erkrankung an bestimmten Krankheiten besonders ausgesetzt ist, an einer solchen Krankheit erkrankt, es sei denn, dass der Beamte sich die Krankheit (erwiesenermaßen) außerhalb des Dienstes zugezogen hat. Nach § 31 Abs. 3 Satz 3 BeamtVG bestimmt die Bundesregierung die in Betracht kommenden Krankheiten durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates. § 1 der Verordnung zur Durchführung des § 31 BeamtVG (Bestimmung von Krankheiten für die beamtenrechtliche Unfallfürsorge) vom 20. Juni 1977 (BGBI. S. 1004) legt fest, dass als Krankheit im Sinne des § 31 Abs. 3 BeamtVG die in der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung - BKV - vom 08. Dezember 1976 (BGBI. l S. 3329) in der jeweils geltenden Fassung genannten Krankheiten mit den dort im Einzelnen bezeichneten Maßgaben bestimmt werden. Selbst wenn man unterstellt, dass die Atemwegserkrankung der Klägerin durch in ihrem Dienstzimmer befindliche Schadstoffe hervorgerufen worden ist - wofür nach Überzeugung der Kammer aufgrund der umfassenden Bemühungen der Beklagten, eine etwaige Kontamination des Dienstzimmers der Klägerin zu verifizieren, keine hinreichenden Anhaltspunkte bestehen -, liegen die Voraussetzungen des § 31 Abs. 3 BeamtVG nicht vor. Es fehlt bereits an einer gesicherten Diagnose einer Berufserkrankung nach der Anlage 1 zur BKV. Darüber hinaus war die Klägerin nach der Art ihrer dienstlichen Verrichtung der Gefahr einer Atemwegserkrankung nicht besonders ausgesetzt.
28Die Klägerin macht geltend, bei ihrer Atemwegserkrankung handle es sich um eine exogen-allergische Alveolitis (Nr. 4201 der Anlage 1 zur BKV). Ausweislich des Merkblatts für die ärztliche Untersuchung (Bekanntmachung des BMA vom 16. August 1989, BABl. 11/1989, vgl.http://arbmed.med.uni-rostock.de/bkvo/m4201.htm) handelt es sich hierbei um akute, subakute und chronische Lungenentzündungen, die durch eingeatmete Antigene verursacht werden und zur Lungenfibrose neigen. Hierzu gehören die Farmerlunge, die Vogelhalter-Lunge und die Befeuchter- Lunge sowie eine Reihe seltener beobachteter Erkrankungen. Die Farmerlunge tritt bevorzugt in regenreichen Gebieten (Alpenrand, Küstengebiete) während der Spätherbst-, Winter- und Frühjahrsmonate auf. Gefährdet sind vor allem Personen, die bei landwirtschaftlichen Arbeiten den Staub von verschimmelten Futter- und Einstreumitteln (Heu, Stroh u. a.) einatmen. Der Staub, der sich bei der Geflügelhaltung oder Weiterverarbeitung der
29Federn entwickelt, kann eine Vogelhalter-Lunge hervorrufen. Die Befeuchter-Lunge wird vorwiegend in Druckereibetrieben, vereinzelt auch in vollklimatisierten Arbeitsräumen beobachtet.
30Die Diagnose einer exogen-allergischen Alveolitis wurde im amtsärztlichen Gutachten vom 13. Januar 2003 nicht gestellt. Der behandelnde Arzt der Klägerin Dr. Warmuth spricht in seinen Berichten das Krankheitsbild zwar an, (etwa in den Berichten vom 6. Juni und 7. Juli 2001), benennt eine exogen-allergische Alveolitis aber lediglich als Differenzialdiagnose. Es handelte sich insofern um eine Erkrankung mit ähnlicher bzw. nahezu identischer Symptomatik, die vom Arzt neben der eigentlichen Verdachtsdiagnose ebenfalls als mögliche Ursache der Beschwerden der Klägerin in Betracht gezogen werden musste. Offensichtlich wurde die Klägerin zur Abklärung der genauen Diagnose an Dr. Nakhosteen überwiesen. Dieser bescheinigt in seiner zusammenfassenden Diagnose aber gerade keine exogen-allergische Alveolitis, sondern rezidivierende pulmonale Infekte. In der von der Klägerin vorgelegten Stellungnahme des Dr. L. wird die Erkrankung zwar angesprochen ("sind die Symptome wie bei einer Allergischen Alveolitis", "auf das Vorliegen einer Allergischen Alveolitis deuten"), aber keine eindeutige Diagnose gestellt. Dr. L. äußert vielmehr Vermutungen, die er offensichtlich auf die Angaben der Klägerin und ein nicht näher spezifiziertes Aktenstudium stützt. Dr. L. selbst weist darauf hin, dass wichtige Tests zur Bestimmung dieser Erkrankung unterblieben seien. Auch von ihm wurden sie nicht durchgeführt.
31Die Erkrankung der Klägerin kann auch nicht als obstruktive Atemwegserkrankung im Sinne der Nr. 4301 oder Nr. 4302 der Anlage 1 zur BKV angesehen werden. Danach sind obstruktive Atemwegserkrankungen nur dann Berufskrankheiten, wenn sie "zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können". Selbst wenn unterstellt wird, dass es sich bei der Atemwegserkrankung der Klägerin um eine durch allergisierende, chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankung handelt, fehlt es an der zuvor genannten qualifizierenden Voraussetzung, die typisierend den Schweregrad der Krankheit umschreiben soll. Nach dieser Maßgabe muss wegen der Erkrankung objektiv ein Zwang zum Unterlassen der schädigenden beruflichen Tätigkeiten vorgelegen haben, die Tätigkeiten müssen tatsächlich unterlassen, d.h. aufgegeben
32worden sein. Gemeint ist damit - dem Zweck der Regelung entsprechend - eine Notwendigkeit der Aufgabe gerade der beruflichen Tätigkeiten, die nach Lage der Dinge als solche für die betreffende Person erkrankungsträchtig sind. Nach der Wertung des Verordnungsgebers handelt es sich nicht auch um Sachverhalte, bei denen lediglich, um der Gesundheitsgefährdung zu begegnen, der Ort von Tätigkeiten verlegt wird.
33Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 28. September 1993 - 4 S 2915/92 - IÖD 1994, 95.
34Für die Klägerin bestand indessen kein Zwang, ihre berufliche Tätigkeit als Sachbearbeiterin für den Pflegekinderdienst und in der Adoptionsvermittlung zu unterlassen. Vielmehr wäre eine Verlegung des Orts, an dem sie ihre Tätigkeit ausübte, ausreichend gewesen, weil sie ihre Atemwegserkrankung allein auf den Zustand ihres Dienstraumes zurückführte.
35Selbst wenn entgegen der obigen Ausführungen unterstellt wird, die Atemwegserkrankung der Klägerin sei als solche im Sinne der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen, liegt eine Berufserkrankung nach § 31 Abs. 3 BeamtVG nicht vor. Denn die Klägerin war der Gefahr der Erkrankung nach Art ihrer dienstlichen Verrichtung nicht besonders ausgesetzt. Zwar wird insoweit von der Rechtsprechung, die dieses Merkmal konkretisiert hat, nicht vorausgesetzt, dass die durch die Art der dienstlichen Verrichtung hervorgerufene Gefährdung generell den Dienstobliegenheiten anhaftet. Vielmehr genügt es, wenn die eintretende Gefährdung der konkreten dienstlichen Verrichtung ihrer Art nach eigentümlich ist, allerdings nur dann, wenn sich die Erkrankung als typische Folge des Dienstes darstellt. Maßgebend kommt es darauf an, ob die von dem Beamten zum Zeitpunkt der Erkrankung ausgeübte dienstliche Tätigkeit erfahrungsgemäß eine hohe Wahrscheinlichkeit der Erkrankung gerade an dieser Krankheit in sich birgt.
36Vgl. ständige Rechtsprechung des BVerwG, Urteile vom 9. November 1960 - VI C 144.58 -, BVerwGE 11, 229; vom 4. September 1969 - II C 106.67 -, BVerwGE 34, 4; Beschluss vom 15. Mai 1996 - 2 B 106/95 -, juris.
37Indem sich der Gesetzgeber in § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG dafür entschieden hat, auf die Art der dienstlichen Verrichtung abzustellen, sind für die Frage, ob der Beamte der Gefahr der Erkrankung besonders ausgesetzt war, gerade nicht die sonstigen dienstlichen Bedingungen ausschlaggebend, unter denen die Tätigkeit verrichtet wird. Zu diesen sonstigen dienstlichen Bedingungen zählt auch die Beschaffenheit der Diensträume. Eine andere Interpretation der Vorschrift würde zur unzulässigen Ersetzung des gesetzlichen Tatbestandsmerkmals der "Art der dienstlichen Verrichtung" etwa durch das Tatbestandsmerkmal "dienstliche Verrichtung unter besonderen räumlichen Bedingungen" führen.
38Vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 17. Mai 1995, a.a.O.; OVG Rheinland- Pfalz, Urteil vom 16. Februar 1996, a.a.O.; VG Lüneburg, Urteil vom 26. Mai 2004 - 1 A 187/01 -, juris; VG Stuttgart, Urteil vom 8. Juli 2003, a.a.O., VG Ansbach, Urteil vom 19. Oktober 2005 - AN 11 K 03.02595 - juris, vgl. auch GKÖD, a.a.O., § 31 BeamtVG Rdnr. 117.
39Für diese Auslegung streitet nicht nur der Wortlaut des § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG, sondern auch ein Vergleich mit dem in § 31 Abs. 3 Satz 2 BeamtVG geregelten Fall. Denn hält sich der betreffende Beamte aufgrund einer dienstlichen Anordnung im Ausland auf, kommt es für die Annahme einer Berufserkrankung nicht auf die Art der dienstlichen Verrichtung an. Ausreichend ist vielmehr, dass die Erkrankung durch gesundheitsschädigende Verhältnisse verursacht worden ist, denen der Beamte im Ausland besonders ausgesetzt war. Das bedeutet aber im Umkehrschluss, dass im Inland gerade auf außerhalb der Art der dienstlichen Verrichtung liegende gesundheitsschädigende Verhältnisse nicht abzustellen ist. Soweit dieses zusätzliche Tatbestandsmerkmal nicht erfüllt ist, kommt die Gewährung von Dienstunfallfürsorge selbst dann nicht in Betracht, wenn die gesundheitsschädigende Dauereinwirkung der dienstlichen Sphäre entstammt.
40Vgl. VG Ansbach, Urteil vom 19. Oktober 2005, a.a.O.
41Diese Frage sowie die noch darüber hinausgehende, ob ein Dienstherr von der besonderen Gefahr der Erkrankung gewusst und diese in Kauf genommen hat, erlangen nicht im Zusammenhang mit der angestrebten Anerkennung von Beschwerden als Dienstunfall an Bedeutung. Sie stellen sich vielmehr nur bei der
42Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen Verletzung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn, die darauf gestützt werden, dass bestimmte körperliche Beschwerden auf gesundheitsschädliche Dauereinwirkungen wegen der Beschaffenheit der Diensträume zurückzuführen sind.
43Vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 17. Mai 1995, a.a.O.
44Da die Klägerin ihre Erkrankung lediglich auf den Zustand des ihr zugewiesenen Dienstraums zurückführt, die Gefahr einer Atemwegserkrankung dagegen nicht der Art ihrer dienstlichen Tätigkeit als Sachbearbeiterin im Jugendamt der Beklagten innewohnt, scheidet eine Anerkennung als Berufserkrankung aus.
45Diese Rechtslage führt auch im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin nicht zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung von Beamten einerseits und in der freien Wirtschaft Tätigen andererseits. Selbst wenn insoweit eine unterschiedliche rechtliche Ausgestaltung vorliegen sollte, gibt es nach der Rechtsprechung des BVerwG gibt es keinen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums, den Beamten dienstunfallrechtlich in jeder Beziehung den Arbeitnehmern gleichzustellen.
46Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 13. Januar 1978 - VI B 57.78 -, ZBR 1978, 202, und vom 29. Juli 1987 - 2 B 65/87 -, juris; vgl. auch GKÖD, a.a.O., § 31 BeamtVG Rdnr. 117.
47Darüber hinaus bleibt es der Klägerin unbenommen, ihr Begehren in Gestalt eines Schadensersatzanspruchs weiter zu verfolgen, wobei aus gerichtlicher Sicht keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass die Beklagte insoweit schuldhaft ihre gegenüber der Klägerin bestehende Fürsorgepflicht verletzt hat.
48Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, § 708 Nr.11, § 711 ZPO.
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