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1. Die Landesluftfahrtbehörde ist zuständig für die Erteilung und den Widerruf bzw. die Beschränkung der Fluglehrberechtigung "Flight Instructor (Aeroplane)" (FI(A)) für den Bereich der "Private Pilote License (Aeroplane)" (PPL(A)).
2. Bewerber um eine FI(A), die (lediglich) Inhaber einer PPL(A) sind, müssen die Prüfung der Theoriekenntnisse für die "Commercial Pilot License" (CPL) bestanden haben.
3. In Deutschland kann diese CPL-Theorieprüfung nur beim Luftfahrt-Bundesamt abgelegt werden, das auch für die Erteilung der CPL(A) zuständig ist.
4. Hat ein Fluglehrer die erforderliche Prüfung nicht beim Luftfahrt-Bundesamt (oder einer anderen europäischen Luftfahrtbehörde) abgelegt, ist hierin im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 ein Verstoß zu sehen, der ein Sicherheitsproblem darstellt und zum Widerruf der Fluglehrerlaubnis befugt.
5. Die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG NRW wird durch die Verfahrensvorschriften und Ziele der Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 überlagert.
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 7.500,- Euro festgesetzt.
Gründe
2I.
3Der Antragsteller richtet sich gegen den (teilweisen) Widerruf bzw. die Beschränkung seiner Fluglehrberechtigung.
4Am 20. April 2019 stellte der Antragsteller einen Antrag bei der Bezirksregierung Düsseldorf (Bezirksregierung) auf Erteilung einer FI(A)-Lehrberechtigung („Flight Instructor (Aeroplane)“) nach der Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 Anhang 1 FCL.905.FI. Dem Antrag war u.a. eine Bescheinigung der R. GmbH aus B. beigefügt, laut derer der Antragsteller am 00. April 0000 erfolgreich an der theoretischen CPL(A)-Prüfung („Commercial Pilot License (Aeroplane)“) teilgenommen hatte.
5Am 21. Mai 2019 erteilte die Bezirksregierung dem Antragsteller daraufhin eine bis zum 21. Mai 2022 befristete Lehrberechtigung FI (A).
6Mit Schreiben vom 30. August 2019 teilte die Bezirksregierung dem Antragsteller mit, dass ihm die genannte Lehrberechtigung irrtümlich erteilt worden sei. Gemäß FCL.915.FI Buchst. b) (2) (ii) der VO (EU) Nr. 1178/2011 müsse der Bewerber u.a. die Anforderungen bezüglich der theoretischen CPL-Kenntnisse erfüllt haben. Eine Bestätigung hierüber stelle nur das Luftfahrt-Bundesamt (LBA) oder eine europäische Luftfahrtbehörde aus. Ohne diesen Nachweis sei nur der Eintrag einer Lehrberechtigung mit dem Zusatz „LAPL only“ („Light Aircraft Pilot License (Aeroplane)“) möglich, nicht aber eine Tätigkeit als Fluglehrer im Bereich PPL(A) („Private Pilot License (Aeroplane)“). Der Antragsteller wurde gebeten, bis zum 15. September 2019 einen entsprechenden Nachweis des LBA oder einer europäischen Luftfahrtbehörde vorzulegen.
7Der Antragsteller erwiderte mit E-Mail vom 8. September 2019, er könne dem nicht zustimmen. In FCL.915.FI sei nicht geschrieben, dass die Prüfung durch das LBA oder eine andere europäische Luftfahrbehörde abgenommen werden müsse. Er bat um ein klärendes Gespräch, welches am 12. September 2019 stattfand. Laut Vermerk (Bl. 204 der Beiakte) wurde in diesem Gespräch vereinbart, dass der fehlende Nachweis der theoretischen CPL-Kenntnisse durch erfolgreiche Ablegung der theoretischen CPL(A)-Prüfung gemäß FCL.025 beim LBA in Braunschweig oder bei einer anderen CA („Civil Aviation Authority“) erbracht werden könne. Werde der Nachweis nicht bis zum 9. März 2020 erbracht, werde die Berechtigung auf die Rechte „LAPL only“ beschränkt. Der Inhalt des Vermerks wurde dem Antragsteller mit Schreiben vom 17. Februar 2020 übersandt.
8Nachdem der Antragsteller keinen entsprechenden Nachweis eingereicht hatte, wurde besagte Beschränkung am 21. April 2020 in seine Lizenz eingetragen.
9Mit Antrag vom 30. Juli 2021 bat der Antragsteller um die Streichung der Beschränkung „LAPL only“ und um Erteilung der FI(A) für die Ausbildung von Schülern für die PPL(A). Zum Nachweis der theoretischen CPL-Kenntnisse legte der Antragsteller diesmal eine Bestätigung des Herrn G. Z. aus Q. vom 27. Juli 2021 vor. Dort heißt es, der Antragsteller habe die nach FCL.915.FI Buchst. b) (2) (i) geforderten CPL-Kenntnisse durch eine schriftliche Prüfung nachgewiesen. Grundlage der Prüfung sei eine ATPL-Papierversion aus dem LPLUS TestStudio der Firma J. gewesen.
10Daraufhin erteilte die Bezirksregierung ihm am 20. August 2021 zunächst erneut die begehrte Lehrberechtigung.
11Im Dezember 2021 / Januar 2022 fiel bei der Bezirksregierung auf, dass der eingereichte Nachweis über die theoretischen CPL-Kenntnisse nicht vom LBA ausgestellt worden war. Mit E-Mail vom 17. Januar 2022 wandte sie sich unter Beifügung der Bestätigung des Herrn Z. an die Prüferaufsicht des LBA und führte aus, es handele sich aus ihrer Sicht um einen Verstoß des Prüfers, da die Theorieprüfung vor der zuständigen Behörde, dem LBA, abgelegt werden müsse.
12Ebenfalls mit Schreiben vom 17. Januar 2022 teilte die Bezirksregierung dem Antragsteller mit, dass (auch) die Eintragung der Lehrberechtigung am 20. August 2021 irrtümlich erfolgt sei, da die Bestätigung der theoretischen CPL-Kenntnisse nur vom LBA oder einer europäischen Luftfahrtbehörde ausgestellt werde. Er wurde erneut aufgefordert, einen entsprechenden Nachweis vorzulegen.
13Der Antragsteller kam dem nicht nach, sondern bat mit E-Mail vom 28. Februar 2022 um ein erneutes Gespräch. Er führte aus, die EASA (European Union Aviation Safety Agency) fordere für die PPL(A)-Lehrberechtigung keine CPL-Prüfung, sondern lediglich einen CPL-Wissensnachweis.
14In einem (internen) Vermerk der Bezirksregierung vom 4. April 2022 heißt es sodann, die Bescheinigung von G. Z. über die erfolgreiche Teilnahme an der CPL(A)-Prüfung werde anerkannt. Es sei keine Rechtsgrundlage ersichtlich, dass Nachweise der theoretischen CPL-Kenntnisse nur durch das LBA ausgestellt werden dürften.
15Nachfolgend wurde dem Antragsteller mit Schreiben vom 3. Mai 2022 die Lehrberechtigung verlängert. Am 30. Juni 2023 wurde seine Berechtigung ferner erweitert auf die Ausbildung auf mehrmotorigen Flugzeuge – „ME SP“ („Multi Engine, Single Pilot“), vgl. FCL.905.FI.
16Aus dem behördeninternen E-Mail-Verkehr vom 4. Dezember 2023 geht hervor, dass bei der Bezirksregierung eine anonyme Beschwerde einging, nach der der Antragsteller zu Unrecht seine (erweiterte) Lizenz besitze.
17Mit E-Mail vom 12. April 2024 kontaktierte die Bezirksregierung daraufhin erneut das LBA und führte aus, dass nach dortiger Kenntnis die Bescheinigung über die Teilnahme der CPL(A)-Prüfung vom LBA ausgestellt werde, weshalb die vom Antragsteller vorgelegte Bescheinigung verwundere. Das LBA wurde um Mitteilung gebeten, ob die Bescheinigung Gültigkeit besitze bzw. ob offenbar privat erteilte Lehrgänge – wie der des Herrn Z. – die Qualität einer Anerkennung haben könnten.
18Mit E-Mail vom 22. April 2024 wurde seitens des LBA (RefL2) erwidert, Prüfungen der theoretischen Kenntnisse nach FCL.915.FI Buchst. b) für die CPL zum Erwerb des FI(A)-Zeugnisses seien derzeit ausschließlich im LBA abzulegen. Eine Bestätigung durch private Personen, einschließlich Flugprüfern, sei nicht vorgesehen. Insbesondere sei die Durchführung der Prüfung mit Hilfe von kommerziellen Programmen nicht gestattet. Die Bescheinigung des Herrn Z. sei somit nicht gültig. Da für das Ablegen der Prüfung kein Lehrgang erforderlich sei, könne dieser privat Lehrgänge oder Schulungen anbieten; diese hätten aber keinerlei Relevanz für das Ablegen der Prüfung. Seitens des RefL4 des LBA wurde ferner mit E-Mail vom 23. April 2024 mitgeteilt, die in Rede stehende Bescheinigung stelle das RefL3 des LBA aus. Es sei nicht ersichtlich, auf welcher Rechtsgrundlage die von der Bezirksregierung beschriebene Bescheinigung ausgestellt worden sei, weshalb deren Gültigkeit angezweifelt werde.
19Die Bezirksregierung beanstandete mit Schreiben vom 13. Juni 2024 gegenüber dem Antragsteller, dass er die Prüfung nicht vor dem LBA abgelegt hatte. Sie führte aus, es sei von der Nichteinhaltung der einschlägigen Anforderungen auszugehen. Die Beanstandung werde aufgenommen, verzeichnet und ihm schriftlich mitgeteilt. Im weiteren Verfahren finde eine Untersuchung statt.
20Mit anwaltlichem Schreiben vom 4. Juli 2024 teilte der Antragsteller mit, die theoretische CPL-Prüfung bereits zweimal erfolgreich abgelegt zu haben, zunächst innerhalb der ATO (Approved Training Organisation), in welcher er die FI-Ausbildung absolviert habe, und sodann in Abstimmung mit der Bezirksregierung erneut am 27. Juli 2021 vor dem Prüfer Herrn Z.. Die Bezirksregierung habe im April 2022 die Gültigkeit der Prüfung vom 27. Jul 2021 bestätigt und die Lizenz erteilt. Dem Antragsteller sei kein Vorwurf zu machen; es bestehe kein Anlass für einen Widerruf.
21Mit Anhörungsschreiben vom 30. Juli 2024 teilte die Bezirksregierung mit, es sei zutreffend, dass sie die Bescheinigung zunächst anerkannt und die Lehrberechtigungen verlängert habe. Dies mache die nicht ordnungsgemäß abgelegte Prüfung aber nicht gültig. Bereits die Erteilung der Lehrberechtigung sei rechtswidrig gewesen. Der Antragsteller werde gebeten, umgehend einen entsprechenden Nachweis des LBA vorzulegen. Zu der andernfalls beabsichtigten Rücknahme der Lehrberechtigung für die Zukunft bzw. der Beschränkung auf „LAPL only“ wurde der Antragsteller angehört.
22Mit anwaltlichem Schreiben vom 2. September 2024 führte der Antragsteller aus, FCL.915.FI Buchst. b) (1) in der bis zum 11. November 2019 geltenden Fassung habe nach seinem Wortlaut keine förmliche Prüfung vor einer zur Abnahme befugten Stelle erforderlich gemacht. Es sei vielmehr ausreichend gewesen, wenn der Kandidat dem Prüfer die notwendigen Kenntnisse nachgewiesen habe. Diese Voraussetzungen habe der Antragsteller schon 2019 erfüllt. Er habe diese Prüfung am 28. August 2021 noch einmal abgelegt, weil die Behörde dieser Rechtsauffassung nicht haben folgen wollen. Jedenfalls stehe § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG NRW dem Widerruf entgegen. Zum Zeitpunkt des Schreibens am 13. Juni 2024 sei die Jahresfrist verstrichen gewesen.
23Mit Bescheid vom 3. Dezember 2024 widerrief die Bezirksregierung Düsseldorf die dem Antragsteller erteilte FI(A)-Berechtigung zum Teil mit Wirkung für die Zukunft und beschränkte diese auf LAPL only (Ziffer 1). Gleichermaßen widerrief sie die erweiterten Berechtigungen zum Ausbilden des „ME SP, night, instructor“ und beschränkte diese auf „SE SP“ („Single Engine Single Pilot“) (Ziffer 2). Der Antragsteller wurde aufgefordert, seine Lizenz unverzüglich bis zum 20. Dezember 2024 vorzulegen (Ziffer 3). Ferner ordnete die Bezirksregierung die sofortige Vollziehung der vorgenannten Maßnahmen an (Ziffer 4).
24Zur Begründung wiederholte sie die bereits im Verfahren gemachten Ausführungen und führte ergänzend im Wesentlichen aus: Auch in der bis zum 11. November 2019 geltenden EU-Verordnung sei die Erfüllung der Anforderungen bezüglich der theoretischen CPL-Kenntnisse verlangt worden. Sowohl die alte auch die aktuelle Fassung der Verordnung forderten unverändert das Bestehen einer theoretischen Prüfung ein. Die Voraussetzungen für den FI(A) seien mit der Änderung der EU-Verordnung, die jetzt ausdrücklich das Bestehen der Prüfung nenne, lediglich konkretisiert worden, um Missverständnisse auszuräumen. Die Stelle, die zur Abnahme dieser Prüfung befähigt sei, sei durch nationales Recht festgelegt. § 2 Abs. 1 Nr. 5 LFBAG i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 4 LuftPersV i.V.m. der Prüfungsordnung zur Durchführung der theoretischen Prüfung für Luftfahrtpersonal wiesen diese Aufgabe ausschließlich dem LBA zu. Eine Prüfungsabnahme und Bescheinigung der geforderten Kenntnisse durch eine private Person wie etwa eine Flugschule sei zu keiner Zeit rechtens gewesen. Der Umstand, dass der Antragsteller als Lehrberechtigter ohne rechtmäßig erworbene Berechtigung schule, sei ein Sicherheitsproblem. Es sei nicht sichergestellt, dass er über die von ihm geforderten tiefergehenden Kenntnisse der CPL-Theorie verfüge und diese anwenden könne. Dabei sei die CPL-Theorie von wesentlicher Bedeutung, da diese um ein Vielfaches umfassender sei als die PPL(A)-Theorie. Die Sicherheit habe im Luftverkehr oberste Priorität und es sei unerlässlich, dass alle Lehrberechtigten über die erforderliche Qualifikation verfügten und nach denselben gültigen Standards ausgebildet seien. Die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG NRW stehe den Maßnahmen nicht entgegen. Da die Verordnung eigenständige Verfahrensvorschriften enthalte, seien diese gegenüber § 48 VwVfG NRW vorrangig anzuwenden. Ungeachtet dessen sei infolge einer bei der Bezirksregierung vorgetragenen Beschwerde eine erneute Kenntnisnahme der Tatsachen erfolgt. Seitdem sei noch kein Jahr vergangen. Auf einen Vertrauensschutz könne der Antragsteller sich ohnehin nicht berufen. Zwar seien die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit auch Bestandteil der europäischen Rechtsordnung. In der Entscheidung sei aber berücksichtigt worden, dass die Bezirksregierung die fehlerhafte Eintragung wiederholt vorgenommen habe. Dies könne jedoch nicht aufwiegen, dass der Antragsteller die offensichtliche Verletzung der geltenden Anforderungen und damit die Rechtswidrigkeit der Eintragung gekannt habe. Er sei bereits im Gespräch vom 12. September 2019 und mit Schreiben vom 17. Februar 2020 umfassend über die geltenden Anforderungen und die ausschließliche Zuständigkeit des LBA zur Abnahme der geforderten CPL-Theoriekenntnisse belehrt worden. Dass der Antragsteller daraufhin mit Antrag vom 30. Juli 2021 erneut eine nicht vom LBA ausgestellte Bestätigung vorgelegt habe, stelle eine Missachtung der ihm zuvor mitgeteilten Anforderungen dar. Die Maßnahme sei ferner verhältnismäßig.
25Der Antragsteller hat am 13. Dezember 2024 Klage gegen die Ordnungsverfügung erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Gleichzeitig hat er den hiesigen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt.
26Zur Begründung wiederholt er, er habe die erforderliche Theorieprüfung zum Nachweis der CPL-Kenntnisse zweimal erfolgreich abgelegt, zuletzt in ausdrücklicher Absprache mit der Bezirksregierung vor dem staatlich bestellten Prüfer Herrn G. Z.. Soweit der Antragsgegner meine, dass die verlangte Theorieprüfung ausschließlich bei dem LBA abgelegt werden könne, irre sie. § 2 LFBAG bestimme die Aufgaben des LBA; in Ziffer 5 werde aufgezählt, welche Erlaubnisse durch das LBA zu erteilen seien. Die Fluglehrerberechtigung FI(A) sei dort gerade nicht aufgezählt, da deren Erteilung in die Zuständigkeit der Landesluftfahrtbehörden falle. Aus § 5 Abs. 1 LuftPersV ergebe sich nichts anderes. Nach dessen Nr. 1 seien die Landesluftfahrbehörden zuständig für die Erteilung des PPL(A) und zugehörige (Lehr-)Berechtigungen. Es gehe daher gerade nicht um eine in die Zuständigkeit des LBA fallende „weitere Erlaubnis“ i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 4 LuftPersV. Die vom Antragsgegner angeführte Prüfungsordnung könne bei diesem Ergebnis denknotwendig nicht relevant sein, da diese eben nur die beim LBA abzulegenden Prüfungen betreffe. Somit sei an keiner Stelle gesetzlich festgelegt, dass die Prüfung beim LBA abgelegt werden müsse. Es liege daher im Ermessen der für die Erteilung der Lizenz zuständigen Behörde, den Ort der Prüfung und den Prüfer zu bestimmen. Im Jahr 2021 habe die Bezirksregierung dem Antragsteller gestattet, die Prüfung vor Herrn Z. abzulegen, einem Prüfer mit der Berechtigung zur Prüfung von Fluglehreranwärtern und Fluglehrern FIE(A) („Flight Instructor Examiner“).
27Unabhängig davon sei der Bescheid jedenfalls nach § 48 Abs. 4 S. 1 VwVfG NRW rechtswidrig. Der Bezirksregierung seien alle Tatsachen bekannt gewesen, und zwar seit mehr als drei Jahren vor dem Widerruf. Das gelte auch für jene rechtlichen Bedenken, die der Antragsgegner nun als Begründung für den Widerruf heranziehe. Er habe detaillierte Kenntnis von der Rechtslage gehabt. Zwar sei richtig, dass die Verordnung keine Vorgaben zu einer Widerrufsfrist enthalte. Aus Art. 4 Abs. 1 und Abs. 3 EUV i.V.m. dem Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nach Art. 5 EUV folge, dass bei Fehlen einer Fristenregelung in der EU-Verordnung die bestehenden nationalen Gesetze anwendbar blieben. Es bestehe keine Veranlassung, im Bereich der Erteilung von Luftfahrtlizenzen von dieser Gesetzeslage abzuweichen. Dies folge schon daraus, dass vor der europäischen Harmonisierung der Luftfahrtlizenzen die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG NRW für die seinerzeit nach nationalem Recht erteilten Lizenzen ohne Einschränkung anzuwenden gewesen sei. Die Regelung gelte auch weiterhin für die im nationalen Recht verbliebenen Lizenzen – nicht alle Luftfahrtlizenzen würden nach EU-Recht erteilt. Für jene Lizenzen erfolge der Widerruf nach § 15 LuftPersV; eine Abweichung von der Jahresfrist sei im Gesetz nicht vorgesehen. Warum für Lizenzen nach der EU-Verordnung etwas anderes gelten solle, erschließe sich nicht. Vielmehr gälten auch hier die dargelegten Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes des Bürgers. Insoweit bestehendes nationales Recht sei bei der Anwendung des EU-Rechtes zu beachten, vgl. Art. 4 Abs. 3 Satz 1 und Art. 5 Abs. 4 Satz 1 EUV.
28Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
29die aufschiebende Wirkung der Klage (6 K 10665/24) gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 3. Dezember 2024 wiederherzustellen.
30Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,
31den Antrag abzulehnen.
32Er trägt im Rahmen des Klageverfahrens im Wesentlichen ergänzend vor, der Antragsteller sei ausdrücklich und mehrmals darüber informiert worden, dass die für seine Lehrberechtigung notwendigen theoretischen CPL-Kenntnisse nur vom LBA bescheinigt werden könnten. Weshalb er die Möglichkeit, die Prüfung beim LBA anzutreten, trotz wiederholter Aufforderungen und Fristsetzungen nicht genutzt habe, erschließe sich nicht. Eine Abstimmung der Beteiligten sei hinsichtlich der Ablegung der Prüfung bei Herrn Z. nicht erfolgt. Auch Herr Z. habe die Abnahme der Prüfung nicht weiter mit ihr abgestimmt, sondern sich lediglich nach einer möglichen Formulierung erkundigt. Dass die Lizenz danach auf Grundlage seiner Bescheinigung versehentlich erweitert worden sei, stelle eine falsche Entscheidung dar, könne aber nicht als abgestimmtes Verhalten gewertet werden. Ferner sei die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG NRW nicht einschlägig. Die VO (EU) Nr. 1178/2011 sei mit ihren eigenständigen Verfahrensvorschriften vorrangig anzuwenden und abschließend. Bei der Beschränkung bzw. dem Widerruf im Falle eines Sicherheitsproblems handele es sich um eine gebundene Entscheidung, die nicht durch nationales Verfahrensrecht unterlaufen werden dürfe; dem Unionsrecht werde anderenfalls seine praktische Wirksamkeit genommen. Die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG NRW sei jedenfalls auch nicht abgelaufen, da eine vollständige Tatsachenkenntnis frühestens mit Eingang der Stellungnahme des Antragstellers vom 2. September 2024 vorgelegen habe. Denn zur Herstellung der Entscheidungsreife, nach deren Eintritt die Entscheidungsfrist erst zu laufen beginnen könne, gehöre regelmäßig das Anhörungsverfahren. Auf Vertrauensschutz könne sich der Antragsteller im Übrigen nicht berufen, weil er schon seit Sommer 2019 wisse, dass einzig eine beim LBA abgelegte CPL-Theorieprüfung anerkannt werden könne. Das folge schon aus dem eindeutigen Wortlaut des FCL.915.FI Buchst. b) (2) (i), nach dem der Bewerber die originäre CPL-Theorieprüfung bestehen müsse, die nur vor der zuständigen Stelle abgenommen werden könne. Die zuständige Stelle sei nach den nationalen Bestimmungen das LBA. Dass die Erteilung der begehrten Berechtigung FI(A) in die Zuständigkeit der Bezirksregierung falle, stehe dem nicht entgegen. Insbesondere stehe es dadurch nicht in ihrem Ermessen festzulegen, vor welcher Stelle die CPL-Theorie abzulegen sei.
33II.
34Der Antrag hat keinen Erfolg. Er ist zulässig, aber unbegründet.
35A. Der Antrag ist zulässig. Er ist insbesondere gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2 VwGO statthaft, weil der in der Hauptsache erhobenen Anfechtungsklage gegen den Widerruf bzw. die Beschränkungen der Fluglehrerberechtigung in Ziffer 1 und 2 sowie der Vorlageaufforderung in Ziffer 3 der Ordnungsverfügung vom 3. Dezember 2024 abweichend von § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO keine aufschiebende Wirkung zukommt. Denn der Antragsgegner hat in Ziffer 4 gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung der Verfügung angeordnet.
36B. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
37Die Begründetheit eines auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gerichteten Antrags nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2 VwGO beurteilt sich danach, ob die Anordnung der sofortigen Vollziehung formell ordnungsgemäß erfolgt ist und ob das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Ordnungsverfügung das private Interesse des Antragstellers an einer Aussetzung überwiegt. Die Begründetheit eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 VwGO richtet sich nur nach dem Ergebnis der Interessenabwägung.
38I. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Insbesondere hat der Antragsgegner das Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO beachtet. Nach dieser Vorschrift ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO schriftlich zu begründen. Das Begründungserfordernis dient dem Zweck, der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung vor Augen zu führen, den Betroffenen über die Gründe, die für die Anordnung der sofortigen Vollziehung maßgeblich gewesen sind, in Kenntnis zu setzen, und schließlich das Gericht im Falle eines Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO über die behördlichen Erwägungen zu unterrichten. Die Begründung muss dementsprechend erkennen lassen, dass und warum die Behörde in dem konkreten Einzelfall dem sofortigen Vollziehbarkeitsinteresse Vorrang vor dem Aussetzungsinteresse des Betroffenen einräumt. Ob die aufgeführten Gründe den Sofortvollzug inhaltlich rechtfertigen, ist hingegen keine Frage der formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, sondern der Interessenabwägung.
39Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 18. November 2014 – 16 B 1282/14 –, juris Rn. 3 m.w.N., vom 8. November 2011 – 16 B 24/11 –, juris Rn. 3, vom 11. Oktober 2010 – 6 B 1057/10 –, juris Rn. 18 und vom 17. März 2009 – 20 B 299/09.AK –, n.v., B.A. S. 3.
40Diesen Anforderungen werden die Ausführungen der Bezirksregierung in der Ordnungsverfügung vom 3. Dezember 2024 gerecht. Sie zeigen, dass sich die Behörde des Ausnahmecharakters der sofortigen Vollziehung bewusst war und warum ihrer Auffassung nach das öffentliche Interesse am Sofortvollzug im konkreten Fall Vorrang vor dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers hat. Der Antragsgegner hat zur Begründung ausgeführt, dass ein überwiegendes öffentliches Interesse daran bestehe, dass die Maßnahmen (Ziffer 1 bis 3) zeitnah durchgeführt würden. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei erforderlich, weil bereits jetzt die Sicherheit des Luftverkehrs durch die dem Antragsteller rechtswidrig erteilten Berechtigungen beeinträchtigt sei. Im Interesse eines effektiven Schutzes der Sicherheit des Luftverkehrs könne es nicht hingenommen werden, dass die Durchsetzung der Verfügung durch einen Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung auf unbestimmte Zeit verzögert werde, weil die Wahrung der geltenden Anforderungen für Luftfahrtpersonal bereits für sich alleine ein hohes Schutzgut darstelle und eine Gefährdung von Luftfahrzeugführern und Dritten bestmöglich auszuschließen sei. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung habe daher das besondere öffentliche Interesse am Sofortvollzug überwogen. Der mit dem formellen Begründungserfordernis bezweckten Informations- und Warnfunktion ist damit Genüge getan. Ob die Begründung inhaltlich zutrifft, ist für die Wahrung des Begründungserfordernisses nach § 80 Abs. 3 VwGO unerheblich.
41II. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Ordnungsverfügung überwiegt das private Interesse des Antragstellers an einer Aussetzung.
42Im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO ist im Wege einer eigenen Abwägung des Gerichts das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung der Maßnahme mit dem Interesse der Allgemeinheit an ihrer Vollziehung abzuwägen. Maßgebliches Kriterium für die Abwägung sind die Erfolgsaussichten der Klage im Hauptsacheverfahren. Ergibt die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes allein mögliche und gebotene summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, dass der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist, überwiegt das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung. Denn an der Vollziehung rechtswidriger hoheitlicher Maßnahmen kann kein öffentliches Interesse bestehen. Ist der Verwaltungsakt hingegen offensichtlich rechtmäßig und besteht darüber hinaus ein besonderes öffentliches Interesse am sofortigen Vollzug, das über jenes Interesse hinausgeht, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt, überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit.
43Nach diesen Maßstäben fällt die Interessenabwägung vorliegend zu Lasten des Antragstellers aus. Denn es ist nach der im vorläufigen Rechtsschutz allein möglichen summarischen Prüfung davon auszugehen, dass der mit der Ordnungsverfügung vom 3. Dezember 2024 ergangene (Teil-)Widerruf der FI(A) Berechtigung mit Wirkung für die Zukunft und die Beschränkung der Berechtigung auf „LAPL only“ (Ziffer 1) sowie der Widerruf der erweiterten Berechtigungen zum Ausbilden „ME SP, night, instructor“ und die Beschränkung auf „SE SP“ (Ziffer 2) sowie die Vorlagepflicht der Lizenz (Ziffer 3) offensichtlich rechtmäßig sind (1.). Darüber hinaus besteht auch ein besonderes öffentliches Interesse am Sofortvollzug (2.).
441. Die Maßnahmen sind ist voraussichtlich rechtlich nicht zu beanstanden. Nach summarischer Prüfung waren diese zu dem für die gerichtliche Beurteilung maßgebenden Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung rechtmäßig.
45a) Der Widerruf der FI(A)-Berechtigung mit Wirkung für die Zukunft und die Beschränkung auf „LAPL only“ (Ziffer 1) sowie der Widerruf der erweiterten Berechtigung zum Ausbilden des „ME SP, night, instructor“ und die Beschränkung auf „SE SP“ (Ziffer 2) finden ihre Rechtsgrundlage in FCL.070 Buchst. a) des Anhangs I (Teil-FCL) i.V.m. ARA.GEN.355 Buchst. b) Nr. 1 des Anhangs VI (Teil-ARA) der Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 der Kommission vom 3. November 2011 zur Festlegung technischer Vorschriften und von Verwaltungsverfahren in Bezug auf das fliegende Personal in der Zivilluftfahrt gemäß der Verordnung (EG) Nr. 216/2008 des Europäischen Parlamentes und des Rates (ABl. L. 311 vom 25. November 2011, S. 1). Die Verordnung (EG) Nr. 216/2008 wurde ersetzt durch die Verordnung (EU) 2018/1139 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2018 zur Festlegung gemeinsamer Vorschriften für die Zivilluftfahrt und zur Errichtung einer Agentur der Europäischen Union für Flugsicherheit (ABl. L 212/1 vom 22. August 2018).
46Nach FCL.070 Buchst. a) der VO (EU) Nr. 1178/2011 können Lizenzen, Berechtigungen und Zeugnisse, die gemäß dem Teil-FCL der Verordnung erteilt werden, von der zuständigen Behörde gemäß den in Teil-ARA der Verordnung festgelegten Bedingungen und Verfahren beschränkt, ausgesetzt oder widerrufen werden, wenn der Pilot die Anforderungen des Teils-FCL, des Teils-Medical der Verordnung oder die einschlägigen Einsatzanforderungen nicht erfüllt. Dies wird ergänzt durch die Vorschriften in ARA.GEN.355 und ARA.FCL.250 Buchst. a), in denen weitere Bedingungen und das Verfahren für die Beschränkung, die Aussetzung und den Widerruf geregelt sind.
47b) Nach Aktenlage sind der Widerruf bzw. die Beschränkungen in Ziffern 1 und 2 formell rechtmäßig ergangen.
48Die Bezirksregierung war gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 1 und 3 Luftverkehrsgesetz (LuftVG) i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung über Luftfahrtpersonal (LuftPersV) i.V.m. § 2 Nr. 1 der Verordnung zur Bestimmung der zuständigen Behörden auf dem Gebiet der Luftfahrt (LuftfahrtZustVO NRW) zuständig. Insbesondere fällt die dem Antragsteller erteilte Fluglehrberechtigung FI(A) für den Bereich PPL in die Zuständigkeit der Luftfahrtbehörde des Landes (und nicht des Luftfahrtbundesamtes), weil diese nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 LuftPersV (unter anderem) für die Erteilung von Lizenzen nach Anhang I Abschnitt C (darunter auch die Privatpilotenlizenz – PPL) der VO (EU) Nr. 1178/2011 zuständig sind. Diese Zuständigkeit umfasst auch die nach Abschnitt J erteilte Fluglehrberechtigung für den Bereich PPL, weil diese nach der Regelungssystematik lediglich eine dem Bereich PPL zugehörige besondere Berechtigung darstellt.
49Vgl. auch LuftVZO in der Fassung vom 28. Januar 2008, dort § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1.
50Die Bezirksregierung hat auch das unionsrechtlich vorgegebene Verfahren beachtet. Erhält nach ARA.GEN.355 Buchst. a) die zuständige Behörde im Rahmen der Aufsicht oder auf anderem Wege Nachweise für eine Nichteinhaltung der einschlägigen Anforderungen durch eine Person, die Inhaber einer Lizenz, eines Zeugnisses, einer Berechtigung oder einer Bescheinigung ist, das bzw. die gemäß der Verordnung (EG) Nr. 216/2008 und ihren Durchführungsbestimmungen ausgestellt wurde, dann nimmt die Behörde die Beanstandung auf, verzeichnet diese und teilt dies dem Inhaber der Lizenz, des Zeugnisses, der Berechtigung oder der Bescheinigung schriftlich mit (ARA.GEN.355 Buchst. a)); bei Vorliegen einer Beanstandung führt sie eine Untersuchung durch (ARA.GEN.355 Buchst. b) Satz 1).
51Die Bezirksregierung hat am 13. Juni 2024 eine dementsprechende Beanstandung gegenüber dem Antragsteller ausgesprochen, diese verzeichnet und eine Untersuchung eingeleitet. Ferner hat sie dem Antragsteller mit Schreiben vom 30. Juli 2024 Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem beabsichtigten Widerruf bzw. der Beschränkung gegeben und ihn damit auch im Einklang mit § 28 Abs. 1 VwVfG NRW angehört.
52c) Der Widerruf bzw. die Beschränkung ist voraussichtlich auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Nach der im Eilverfahren allein möglichen überschlägigen Prüfung hat der Antragsteller von vornherein nicht die Anforderungen an die ihm erteilte Fluglehrberechtigung nach dem Teil-FCL erfüllt, vgl. FCL.070 Buchst. a). Bestätigt sich der Tatbestand des Verstoßes, beschränkt oder widerruft die zuständige Behörde nach ARA.GEN.255 Buchst. b) Satz 2 Nr. 1 die Lizenz, das Zeugnis, die Berechtigung oder die Bescheinigung bzw. setzt diese(s) aus, wenn ein Sicherheitsproblem festgestellt wird.
53Die tatbestandlichen Voraussetzungen liegen nach Aktenlage vor.
54aa) Der Anwendungsbereich der Vorschrift FCL.070 ist eröffnet, weil die in Streit stehende Fluglehrerberechtigung nach dem Teil-FCL (Kapitel 2, Abschnitt J) erteilt worden ist. Auch der Anwendungsbereich der ARA.GEN Buchst. a und b ist eröffnet, da dem Antragsteller die Berechtigung bzw. das Zeugnis nach Art. 26 Abs. 1 der VO (EU) 2018/1139 zur Festlegung gemeinsamer Vorschriften für die Zivilluftfahrt und zur Errichtung einer Agentur der Europäischen Union, welche die aufgehobene VO (EG) Nr. 216/2008 ersetzt, ausgestellt wurde. Inhaber einer Fluglehrerberechtigung sind ferner auch „Piloten“ im Sinne der Vorschriften. Die Verordnung unterscheidet insofern nicht zwischen Piloten und Fluglehrern. Fluglehrberechtigungen werden nur Inhabern einer Pilotenlizenz erteilt (vgl. FCL.915.FI Buchst. b und allgemein FCL.900 Buchst. a).
55Vgl. VG Braunschweig, Beschluss vom 27. August 2024 – 2 B 250/24 –, juris, Rn. 48; siehe ferner ebenso: § 4 Abs. 4 LuftVG, wonach Fluglehrer als „Flugfahrer“ anzusehen sind.
56bb) Nach Aktenlage liegt entsprechend ARA.GEN.255 Buchst. b) auch ein Verstoß im obigen Sinne vor.
57Der Inhaber einer Fluglehrerberechtigung begeht einen „Verstoß“ im Sinne der Verordnung, wenn er die einschlägigen, also für die ordnungsgemäße Ausübung der Fluglehrerberechtigung geltenden Anforderungen nicht einhält. Zur Konkretisierung der Anforderungen verweist FCL.070 Buchst. a) auf den Teil-FCL und den Teil-MED der Verordnung sowie auf „einschlägige Einsatzanforderungen“. Eine beispielhafte – mithin nicht abschließende – Aufzählung von Fallgruppen, die zur Beschränkung, zur Aussetzung oder zum Widerruf einer Pilotenlizenz führen könnten, enthält ARA.FCL.250 Buchst. a) Nr. 1 bis 7. Die Formulierung „unter anderem“ eröffnet die Möglichkeit, andere Fälle, die von ihrem Gewicht her mit den aufgezählten Beispielsfällen vergleichbar sind, tatbestandlich gleichzustellen.
58Vgl. VG Braunschweig, Beschluss vom 27. August 2024 – 2 B 250/24 –, juris, Rn. 48, Nds. OVG, Beschluss vom 30.07.2014 – 7 ME 42/14 –, juris, Rn. 9.
59Der Inhaber der Berechtigung muss die einschlägigen Anforderungen dabei nicht schuldhaft verletzt haben.
60Vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 30.07.2014 – 7 ME 42/14 –, juris, Rn. 9; VG Braunschweig, Beschluss vom 27. August 2024 – 2 B 250/24 –, Rn. 50, juris)
61Gemessen daran hat der Antragsteller die einschlägigen Anforderungen nicht eingehalten und einen Verstoß im Sinne von ARA.GEN.355 Buchst. b Satz 2 Nr. 1 begangen, indem der den erforderlichen Nachweis der Theoriekenntnisse für die ihm erteilte Fluglehrerberechtigung nicht erbracht hat.
62Die Ablegung der CPL-Theorieprüfung war erforderlich (1) und zudem beim LBA zu erbringen (2).
63(1) Die Erforderlichkeit der Theorieprüfung CPL ergibt sich unmittelbar aus den Bestimmungen der VO (EU) Nr. 1178/2011.
64Nach FCL.920 (Fluglehrerkompetenzen und Beurteilung) müssen alle Lehrberechtigten eine Ausbildung zur Erlangung der erforderlichen (in der Vorschrift weiter aufgezählten) Kompetenzen erhalten. Kapitel 2 enthält die besonderen Anforderungen an den Fluglehrer (FI). Der Bewerber einer FI(A) muss, soweit hier relevant, nach FCL.915.FI Buchst. b) (2) – wenn er wie der Antragsteller nicht schon Inhaber einer CPL(A) ist – mindestens eine PPL(A) innehaben und ferner „i) abgesehen von dem Fall, dass ein FI(A) nur Ausbildung für die LAPL(A) erteilt, die Prüfung der Theoriekenntnisse für die CPL bestanden haben, die ohne Abschluss eines CPL-Theorielehrgangs abgelegt werden kann und in jenem Fall nicht für Folgendes gilt: A) die Erteilung einer CPL B) Anrechnungen für CPL-Theoriekenntnisse nach Punkt FCL.035 und Anlage 1“.
65Hieraus folgt, dass die „CPL-Theorieprüfung“ im Sinne des FCL.310 erfolgreich abgelegt werden muss. Nach dieser Vorschrift müssen Kenntnisse nachgewiesen werden, die den verliehenen Rechten in den in Buchst. a) bis m) aufgeführten Sachgebieten entsprechen. Nicht für zwingend erforderlich gehalten wird allein der Abschluss eines Theorielehrgangs.
66Nichts anderes galt im Übrigen nach der bis zum 11. November 2019 geltenden Fassung der Verordnung. FCL.915.FI Buchst. b) (2) a.F. sah danach vor, dass ein Bewerber der FI(A) – der nicht Inhaber einer CPL(A) ist – mindestens Inhaber einer PPL(A) sein muss „und – abgesehen von dem Fall, dass ein FI(A) nur Ausbildung für die LAPL(A) erteilt, die Anforderungen bezüglich der theoretischen CPL-Kenntnisse erfüllt haben“ muss. Diese Anforderungen erfüllt jedoch allein derjenige, der die Kenntnisse auch nachgewiesen hat. Dieser Nachweis hatte auch nach der Systematik der alten Fassung der Verordnung durch die Ablegung einer Prüfung zu erfolgen, vgl. FCL.310 a.F. Dafür, dass – wie der Antragsteller offenbar meint – für die PPL(A)-Lehrberechtigung nach alter Fassung keine CPL-Prüfung, sondern lediglich ein CPL-„Wissensnachweis“ zu erfolgen hatte, ist nichts ersichtlich. Wie ein solcher Wissensnachweis konkret ausgestaltet sein sollte, bliebe schon völlig unklar. Zudem folgt auch aus den Verordnungsmaterialien, dass die vom Antragsteller in Bezug genommene Änderung der Verordnung lediglich der Beseitigung von redaktionellen Fehlern und Unklarheiten bzw. der Klärung der Anforderungen dienen sollte. Dafür, dass der Unionsgesetzgeber eine Änderung der Anforderungen oder Zuständigkeiten beabsichtigt hätte, ist nicht ersichtlich.
67vgl. Durchführungsverordnung (EU) 2019/1747 der Kommission vom 15. Oktober 2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1178/2022 in Bezug auf die Vorschriften für bestimmte Lizenzen und Zeugnisse der Flugbesatzung und die Vorschriften für Ausbildungsorganisationen und zuständige Behörden (L 268/23 vom 22. Oktober 2019), Nr. 28. a), vgl. Erwägungsgründe 1, 3 und 6.
68Diesem Verständnis zur Erforderlichkeit einer bestandenen Prüfung entspricht auch § 4 LuftVG. Nach Abs. 1 der Vorschrift bedarf der Erlaubnis, wer ein Luftfahrzeug führt oder bedient (Luftfahrer). Als Luftfahrer gilt bei Übungs- und Prüfungsflügen nach der Fiktion des Abs. 4 auch der Fluglehrer. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LuftVG bestimmt weiter, dass der Bewerber um eine Erlaubnis u.a. eine Prüfung nach der VO (EU) Nr. 1178/2011 bestanden haben muss. (Nur) wenn der Bewerber die in der Verordnung geforderte Prüfung besteht, kann davon ausgegangen werden, dass er über die hinreichende Befähigung verfügt, die an ihn gestellten Anforderungen zu erfüllen.
69Vgl. OVG NRW, Urteil vom 13. Dezember 2024 – 22 D 35/24.AK –, juris, Rn. 55.
70(2) Die demnach erforderliche Prüfung muss in Deutschland vor dem LBA abgelegt werden.
71FCL.025 (Prüfung der theoretischen Kenntnisse für die Erteilung von Lizenzen) legt in Buchst. a) (Pflichten des Bewerbers) (i) fest, dass Bewerber sämtliche Prüfungen für eine bestimmte Lizenz oder Berechtigung unter der Verantwortlichkeit derselben zuständigen Behörden eines Mitgliedstaates ablegen müssen. Der Begriff der zuständigen nationalen Behörde ist in VO (EU) 2018/1139 definiert und bezeichnet demnach die von dem Mitgliedstaat benannte Stelle, die über die erforderlichen Befugnisse und übertragenen Zuständigkeiten verfügt, um die Aufgaben der Verordnungen bzw. Durchführungsakte im Zusammenhang mit der Zertifizierung, Aufsicht und Durchsetzung zu erfüllen.
72Damit obliegt die Benennung der zuständigen Stelle dem jeweiligen Mitgliedstaat. Wer für die Abnahme der erforderlichen CPL-Theorieprüfung in der Bundesrepublik Deutschland zuständig ist, bestimmt sich mithin nach deutschem Recht:
73§ 128 LuftPersV regelt das Verfahren bei Prüfungen für Erlaubnisse. Nach § 128 Abs. 1 Nr. 1 LuftPersV richten sich die Prüfungen, Befähigungsüberprüfungen und Kompetenzbeurteilungen für den Erwerb, die Verlängerung oder Erneuerung von Erlaubnissen und Berechtigungen sowie die zugehörigen Verfahren für erlaubnispflichtiges Personal nach § 1 Nr. 1 und 9 nach der VO (EU) Nr. 1178/2011 sowie nach den Absätzen 2, 4, 7, und 9 der Vorschrift. Bei der dem Antragsteller widerrufenen bzw. beschränkten Erlaubnis handelt es sich um eine Erlaubnis für „Luftfahrzeugführer“ auf Flugzeugen im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 LuftPersV. Dass dabei auch ein Fluglehrer als Luftfahrer im Sinne von § 4 Abs. 1 LuftVG anzusehen ist folgt dabei, wie ausgeführt, aus § 4 Abs. 4 Satz 1 LuftVG. Danach gelten bei Übungs- und Prüfungsflügen in Begleitung von Fluglehrern die Fluglehrer als diejenigen, die das Luftfahrzeug im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 LuftVG führen oder bedienen.
74Nach § 128 Abs. 2 LuftPersV ist die praktische Prüfung für den Erwerb von Erlaubnissen vor der nach § 5 zuständigen Stelle oder den von ihr beauftragten Prüfern abzulegen. Diese zuständige Stelle bestimmt nach Satz 2 auch Einzelheiten sowie Zeit und Ort der theoretischen Prüfung.
75Maßgeblich für die Zuständigkeit ist mithin § 5 LuftPersV. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 LuftPersV ist das LBA für die Erteilung aller – nicht in Nr. 1 bis 3 ausdrücklich genannten und hier nicht einschlägigen – Erlaubnisse zuständig. Dies umfasst auch die CPL nach Abschnitt D der Verordnung - Lizenz für Berufspiloten, vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 5 Gesetz über das Luftfahrt-Bundesamt (LFBAG). Ist demnach das LBA für die Erteilung der CPL zuständig, gilt dies auch hinsichtlich der für diese Erlaubnis abzulegenden Prüfungen und zwar auch dann, wenn die für die Erteilung dieser Lizenz erforderliche Theorieprüfung im Rahmen einer sonstigen Berechtigung – hier die FI(A) – abgelegt werden muss. Dementsprechend ist nicht zu beanstanden, dass die „Prüfungsordnung zur Durchführung der theoretischen Prüfung für Luftfahrtpersonal beim Luftfahrtbundesamt“ die Abnahme der CPL-Theorieprüfung nach FCL.915.FI Buchst. b) (2) (i) beim LBA vorsieht.
76Gemessen daran genügen die vom Antragsteller vorgelegten Bescheinigungen aus den Jahren 2019 und 2021 den Anforderungen nach Aktenlage nicht. Die ATO, bei der der Antragsteller seine Ausbildung absolviert hat, war zu seiner Ausbildung berechtigt, nicht aber zur Abnahme der in Rede stehenden CPL-Theorieprüfung. Die Rolle der ATO erschöpft sich bei der Theoriepüfung vielmehr regelmäßig darin, dass sie eine Empfehlung ausspricht, nach der der Bewerber die entsprechenden Teile des Theorieunterrichts auf einem zufriedenstellenden Niveau abgeschlossen hat, vgl. FCL.025 Buchst. a) (2). Herr Z. durfte die CPL-Theorieprüfung auch als zugelassener Prüfer für Fluglehrer nicht abnehmen. Nichts Gegenteiliges ergibt sich aus dessen Kompetenzen als FIE („Flight Instructor Examiner“) nach FCL.1005.FIE.
77Dahinstehen kann, ob bzw. inwiefern dem Antragsteller der Verstoß – die nicht ordnungsgemäß abgelegte Prüfung – mit Blick auf den vorab geführten Schriftverkehr und die diesbezüglich geführten Gespräche einerseits und die irrtümlich erfolgten Erteilungen durch die Behörde andererseits vorzuwerfen ist. Denn die einschlägigen unionsrechtlichen Regelungen über den Widerruf und die Beschränkung beinhalten, wie ausgeführt, kein Verschuldenserfordernis.
78cc) In der Nichteinhaltung der Anforderungen an den Nachweis der Theoriekenntnisse liegt auch ein Sicherheitsproblem im Sinne der unionsrechtlichen Vorschrift, ARA.GEN.355 Buchst. b) S. 2 Nr. 1. Ein Sicherheitsproblem in diesem Sinne muss nicht konkret bestehen oder sich gar schon realisiert haben. Es dürfte vielmehr bereits dann vorliegen, wenn die verletzte luftrechtliche Vorschrift der Aufrechterhaltung der Luftsicherheit dient und ein Verstoß geeignet ist, eine Gefahr für die Sicherheit des Luftverkehrs hervorzurufen. Abzustellen ist dabei auf das Bestehen einer Gefahrenlage für den Fall, dass der Betroffene die Berechtigung weiter in vollem Umfang ausüben kann. Eine solche ist gegeben, wenn der Schutzzweck der unionsrechtlichen Rechtsgrundlagen und die sich aus Art. 2 Abs. 2 Satz des GG ergebende Pflicht des Staates zum Schutz von Leib und Leben ein Einschreiten gebieten.
79Vgl. VG Braunschweig, Beschluss vom 27. August 2024 – 2 B 250/24 –, juris, Rn. 64 ff.
80Das ist bei einem fehlenden Nachweis zu den erforderlichen Theoriekenntnissen der Fall. Sind diese nicht ordnungsgemäß nachgewiesen, bestehen Zweifel am Vorliegen der erforderlichen Kenntnisse. Dies ist sicherheitsrelevant.
81Zur Bedeutung der ordnungsgemäßen Ausbildung und Prüfung, vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 30. Juli 2014 – 7 ME 42/14 – , juris, Rn. 9.
82d) Dem Widerruf bzw. der Beschränkung steht ferner nicht § 48 Abs. 4 Satz 1, § 49 Abs. 3 Satz 2 VwVfG NRW entgegen.
83Erhält die Behörde demnach von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme bzw. den Widerruf eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme bzw. der Widerruf grundsätzlich nur innerhalb eine Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig.
84aa) Es spricht schon Überwiegendes dafür, dass die Vorschrift vorliegend nicht anwendbar ist.
85Bei dem Widerruf der Fluglehrerberechtigung nach der VO (EU) Nr. 1178/2011 handelt es sich um einen sog. indirekten Vollzug von Unionsrecht, also um den Vollzug europarechtlicher Regelungen durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union.
86Vgl. hierzu: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 10. Aufl. 2023, § 48, Rn. 261.
87In einem solchen Fall bleiben die nationalen Vorschriften über Widerruf und Rücknahme zwar grundsätzlich anwendbar; anders liegt der Fall jedoch, wenn das Unionsrecht speziellere Regelungen vorsieht. Nach der Pflicht zur effektiven Durchsetzung von Gemeinschaftsrecht („effet util“, Art. 4 Abs. 3 EUV) müssen verfahrensrechtliche Bestimmungen für eine wirksame Durchsetzung des Unionsrechts sorgen. Der Ablauf der Jahresfrist kann daher ausnahmsweise unbeachtlich sein, wenn die Behörde die Frist zum Nachteil der Union hat verstreichen lassen.
88Vgl. BeckOK VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, 65. Edition, Stand: 1. April 2024, § 49, Rn. 99; Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 5. EL Juni 2024, § 48 VwVfG, Rn. 233 ff.
89Für eine Überlagerung des nationalen Rechts durch das Unionsrecht, hier in Gestalt der einschlägigen Verordnungen, sprechen vorliegend Regelungssystematik und Schutzzweck der Verordnung. Nach Erwägung (1) der VO (EU) Nr. 1178/2011 ist ihr Ziel die Schaffung und die Aufrechterhaltung eines einheitlichen, hohen Sicherheitsniveaus der Zivilluftfahrt in Europa. Die Verordnung sieht dabei die zum Erreichen dieses Ziels und anderer Ziele auf dem Gebiet der Sicherheit der Zivilluftfahrt notwendigen Mittel vor. Die Verordnung enthält auch Verfahrensvorschriften, die aber ihrerseits Einschränkungen – etwa Fristbestimmungen oder Regelungen zum Vertrauensschutz – nicht vorsehen. Es dürfte vor diesem Hintergrund davon auszugehen sein, dass mit der Europäisierung des Lizenzierungswesens ein abgeschlossenes und kohärentes System festgelegt werden sollte, nach dem Pilotenlizenzen – jedenfalls im Regelungsumfang der einschlägigen Verordnungen – von den Mitgliedstaaten ausschließlich nach Unionsrecht erteilt werden sollen. Hierfür spricht auch maßgeblich, dass die beabsichtigte unproblematische gegenseitige Anerkennung von Pilotenlizenzen innerhalb der EU nur dann gewährleistet werden kann, wenn ein an sich gerechtfertigter Widerruf nicht an nationalen Verfahrensvorschriften scheitert.
90Vgl. auch Artikel 1 (Gegenstand und Ziele) der Verordnung (EU) 2018/1139, wonach ein „hohes einheitliches Niveau der Flugsicherheit“ u.a. durch „einheitliche Anwendung aller notwendigen Rechtsakte“ erreicht werden soll; ferner soll sichergestellt sein, dass die nach der VO erteilten Zulassungen/Zeugnisse „in der gesamten Union ohne weitere Anforderungen gültig sind und anerkannt werden“.
91bb) Unabhängig davon ist die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG NRW nach Aktenlage auch nicht verstrichen.
92Bei der Jahresfrist handelt es sich nicht um eine Bearbeitungs-, sondern um eine Entscheidungsfrist. Der zuständigen Behörde wird ein Jahr Zeit eingeräumt, um die Entscheidung über die Rücknahme bzw. den Widerruf des Verwaltungsakts zu treffen. Daraus folgt, dass die Frist erst bei vollständiger behördlicher Kenntnis der für die Entscheidung maßgebenden Sach- und Rechtslage zu laufen beginnt. Erst wenn die Behörde auf der Grundlage aller entscheidungserheblichen Tatsachen den zutreffenden rechtlichen Schluss gezogen hat, dass ihr die Aufhebungsbefugnis zusteht, muss sie innerhalb eines Jahres entscheiden, ob sie davon Gebrauch macht. Sie muss zu der Erkenntnis gelangt sein, dass die weiteren Voraussetzungen des § 48 VwVfG oder des § 49 VwVfG zweifelsfrei gegeben sind. Dies ist anzunehmen, wenn die Behörde ohne weitere Sachaufklärung imstande ist, diese gesetzlichen Voraussetzungen zutreffend zu beurteilen, und daraus die richtigen Schlüsse zieht.
93OVG NRW, Beschluss vom 15. August 2019 – 15 A 2792/18 –, juris, Rn. 12.
94Daraus folgt, dass jede Form der Nichtkenntnisnahme entscheidungserheblicher Umstände den Fristlauf hindert, weil es im Rahmen des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG auf ein „(qualifiziertes) Kennenmüssen“ der die Rücknahme bzw. den Widerruf rechtfertigenden Gründe nicht ankommt.
95OVG NRW, Beschluss vom 15. August 2019 – 15 A 2792/18 –, juris, Rn. 12 unter Bezugnahme auf BVerwG, Beschluss vom 29. August 2014 – 4 B 1.14 –, juris, Rn. 8.
96Der Fristbeginn setzt somit voraus, dass sich die zuständige Behörde über die Rechtswidrigkeit des begünstigenden Verwaltungsaktes im Klaren ist. Sie muss zu der Erkenntnis gelangt sein, dass sie den Verwaltungsakt bislang zu Unrecht für rechtmäßig gehalten hat. Es ist unerheblich, ob sie sich zuvor in einem Irrtum über den entscheidungserheblichen Sachverhalt (Tatsachenirrtum) oder über dessen rechtliche Beurteilung (Rechtsirrtum) befunden hat. Auch wenn der Erlass des begünstigenden Verwaltungsakts darauf beruht, dass die Behörde den ihr vollständig bekannten Sachverhalt rechtsfehlerhaft gewürdigt oder das anzuwendende Recht verkannt hat, beginnt die Jahresfrist erst mit der Kenntnis des Rechtsfehlers zu laufen.
97BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2012 – 2 C 13/11 –, juris, Rn. 28.
98Zur Herstellung der Entscheidungsreife, nach deren Eintritt die Entscheidungsfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG NRW erst beginnen kann, gehört regelmäßig das Anhörungsverfahren, und zwar unabhängig von dessen Ergebnis. Denn die Einwände des Anzuhörenden können nur dann ernstlich zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen werden, wenn sich die Behörde ihre Entscheidung bis zum Abschluss des Anhörungsverfahrens offen hält. Dies gilt auch und gerade, wenn es sich bei der zu treffenden Entscheidung um eine Ermessensentscheidung handelt, bei der zudem die für die Ermessensbetätigung maßgeblichen Umstände auch in der Sphäre des anzuhörenden Betroffenen liegen. Unterlässt die Behörde die Anhörung, so läuft die Frist nicht. Verzögert sie sie, so läuft die Frist gleichwohl nicht früher.
99OVG NRW, Beschlüsse vom 15. August 2019 – 15 A 2792/18 -, juris, Rn. 16 f; vom 29. Mai 2017 - 4 A 516/15 -, juris Rn. 17, Urteil vom 20. April 2012 - 4 A 2005/10 -, juris Rn. 58 unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des BVerwG.
100Von einer Anhörung im Sinne des § 28 Abs. 1 VwVfG kann dabei nur dann gesprochen werden, wenn dem Anhörungsschreiben die Ankündigung entnommen werden kann, dass in einem konkreten Einzelfall der Erlass eines bestimmten Verwaltungsakts beabsichtigt sei.
101Vgl. BVerwG, Urteile vom 25. Mai 2022 – 8 C 11.21 –, juris, Rn. 17; und vom 22. März 2012 – 3 C 16.11 –, juris Rn. 12.
102Gemessen an diesen Maßstäben ist der streitgegenständliche Bescheid vom 3. Dezember 2024 innerhalb der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVG NRW ergangen. Die Frist begann demnach erst nach der Anhörung bzw. Beanstandung im Juni 2024. Dass die Bezirksregierung bereits zuvor wiederholt Bedenken an der Gültigkeit der vorgelegten Bescheinigungen über die Theorieprüfung geäußert hatte und die Beteiligten mehrmals in schriftlichem und mündlichen Austausch zu dieser Thematik standen, ändert hieran nichts. Die Bezirksregierung hatte zwar bereits Ende 2021 bzw. Anfang 2022 die tatsächlichen Umstände – erneute Vorlage einer Bescheinigung, die nicht vom LBA ausgestellt wurde – erkannt, war aber zunächst rechtsirrtümlich davon ausgegangen, dass die Bescheinigung anzuerkennen sei. Die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes erkannte sie abschließend erst nach einer anonymen Beschwerde über die Lehrberechtigung des Antragstellers, die eine abschließende Klärung der Rechtslage – einschließlich entsprechender Anfragen beim LBA – nach sich zog.
103e) Auch auf Rechtsfolgenseite sind die Maßnahmen nicht zu beanstanden.
104Der Aufsichtsbehörde steht insofern nur ein eingeschränktes Ermessen zu. Die genannten Vorschriften der Verordnung räumen der Behörde kein Entschließungsermessen ein, also ob gegen den Betroffenen einzuschreiten ist. Ist nämlich ein Verstoß gegeben, aufgrund dessen ein Sicherheitsproblem festzustellen ist, muss die Aufsichtsbehörde zwingend gegen den Betroffenen tätig werden. Ein Ermessensspielraum kommt allein im Hinblick auf die Auswahl der in den Regelungen vorgesehenen Maßnahmen zu, also allein hinsichtlich der Frage, ob und in welchem Umfang die Berechtigung beschränkt, widerruft oder aussetzt.
105Vgl. VG Braunschweig, Beschluss vom 27. August 2024 – 2 B 250/24 –, juris, Rn. 82 f.
106Soweit die Entscheidung im Ermessen der Behörde steht, hat der Antragsgegner dieses ausübt (Seite 10 des Bescheides). Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.
107Die Aufforderung zur Abgabe der Lizenz (Ziffer 3) findet ihre Rechtsgrundlage in FCL.070 Buchst. b), wonach der Pilot die Lizenz oder das Zeugnis unverzüglich an die zuständige Behörde zurückzugeben hat, wenn die Aussetzung oder der Widerruf der Lizenz angeordnet wird, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
1082. Neben der Rechtmäßigkeit des Widerrufs bzw. der Beschränkungen (Ziffer 1 und 2) sowie der Aufforderung zur Vorlage der Lizenz (Ziffer 3) ist auch ein besonderes öffentliches Interesse am Sofortvollzug der Maßnahme gegeben. Die hohe Bedeutung der Sicherheit des Luftverkehrs und die verantwortungsvolle Rolle des Fluglehrers in diesem Zusammenhang rechtfertigen die Anordnung der sofortigen Vollziehung. Das gilt auch dann, wenn der sofortige Widerruf erhebliche wirtschaftliche oder berufliche Folgen für den Antragsteller hat. Auch solche weitreichenden Folgen für die von Art. 12 GG geschützte Berufsfreiheit können angesichts des von Piloten bzw. Fluglehrern, die die gesetzlichen Anforderungen nicht erfüllen bzw. nicht nachgewiesen haben, ausgehenden Risikos für die Sicherheit des Luftverkehrs und des aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ableitbaren Auftrags zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben aber hingenommen werden. Im Übrigen trägt der Antragsteller selbst vor, dass der Flugunterricht, der ihm nunmehr verwehrt wird, (zumindest teilweise) von angestellten Fluglehrern übernommen wird. Zudem trifft es den Antragsteller nicht schwer, die CPL-Theorieprüfung vor dem LBA abzulegen, da er nach seinem eigenen Vortrag über die erforderlichen Kenntnisse seit langem verfügt und vor der Prüfung nicht einmal einen Theorielehrgang besuchen muss.
109Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
110Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Das Interesse an der Fluglehrberechtigung wird im Hauptsacheverfahren in Anlehnung an Ziffer 26.4 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31. Mai / 1. Juni 2012 und am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen mit 15.000,- Euro angesetzt. In Verfahren betreffend die Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes ermäßigt sich dieser Betrag wegen der Vorläufigkeit der erstrebten Entscheidung um die Hälfte.
111Rechtsmittelbelehrung
112Gegen die Entscheidung über den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist eingeht bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster. Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
113Die Beschwerde ist einzulegen und zu begründen durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, oder eine diesen gleichgestellte Person als Bevollmächtigten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Auf die besonderen Regelungen in § 67 Abs. 4 Sätze 7 und 8 VwGO wird hingewiesen.
114Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens ist nicht selbstständig anfechtbar.
115Gegen die Festsetzung des Streitwerts kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem diese Entscheidung Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls das Verwaltungsgericht ihr nicht abhilft. Hierfür besteht kein Vertretungszwang. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes zweihundert Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zulässt.