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Die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmens, das eine Mietwagengenehmigung beantragt, kann nur in den Formen des § 2 PBZugV nachgewiesen werden. Fehlt ein Jahresabschluss, genügt eine Eigenkapitalbescheinigung nicht. Eine Vermögensübersicht ist zwingend (wie OVG Rh.-Pf., Beschl. v. 17.06.2019 - 7 B 10747/19).
Die Klage wird auf Kosten der Klägerin abgewiesen.
Das Urteilt ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
2Die Klägerin beantrage am 2. Februar 2024 (Antragsdatum: 17. Januar 2024) die erstmalige Erteilung einer Mietwagengenehmigung für drei Fahrzeuge. Ihre finanzielle Leistungsfähigkeit belegte sie mit einer Eigenkapitalbescheinigung nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 der BOKraft vom 16. Januar 2024. Diese weist in der Zeile Kapital „7.350,00 Euro“ aus. Die Zeilen „Kapitalrücklage, Gewinnrücklagen, Gewinnvortrag/Verlustvortrag, Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag“ enthalten keine Eintragungen. Zudem legte die Klägerin einen Kontoauszug der Sparkasse T. vom 15. Januar 2024 über Sichteinlagen in Höhe von 7.368,10 Euro vor. Weiterhin legte sie eine Schufa-Bonitätsauskunft vom 11. Januar 2024 vor, die als Orientierungswert 250 angab, was nach den Schufa-eigenen Kriterien des Jahres 2024 auf eine "ausreichende Bonität" hindeutete, und zwar mit einer Ausfallwahrscheinlichkeit zwischen 0,75 und 2,00 Prozent.
3Am 21. Mai 2024 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, ihr den Eintritt der Genehmigungsfiktion zu bescheinigen. Am 22. Mai 2024 teilte die Beklagte ihr mit, dass der Antrag nicht vollständig sei und zählte verschiedene Unklarheiten bzw. Unvollständigkeiten auf (Beiakte Heft 1 Bl. 71) und stellte in Aussicht, über den ergänzten Antrag zu entscheiden. In der Folgezeit legte die Klägerin weitere Unterlagen vor und machte Angaben, um ihren Antrag klarzustellen. Die Beklagte erteilte weder die Genehmigung noch bescheinigte sie deren fiktiven Eintritt.
4Am 3. Juli 2024 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie trägt im Wesentlichen vor, der Genehmigungsantrag sei ab dem 2. Februar 2024 eindeutig und vollständig gewesen, so dass ab dem 3. Mai 2024 die Genehmigungsfiktion eingetreten sei. Im weiteren Verlauf des Prozesses hat die Klägerin den Hilfsstandpunkt eingenommen, der Antrag sei jedenfalls am 14. Juni 2024 vervollständigt worden, so dass die Fiktion der Genehmigung am 17. September 2024 eingetreten sei.
5Die Klägerin beantragt schriftsätzlich zuletzt,
61. den Eintritt der Genehmigungsfiktion zu dem am 2. Februar 2024 gestellten Antrag der Klägerin auf Erteilung von drei Genehmigungen zur Personenbeförderung im Gelegenheitsverkehr mit Mietwagen für die Zeit ab dem 3. Mai 2024 gemäß § 42a Abs. 3 VwVfG NRW zu bescheinigen,
72. hilfsweise – für den Fall, dass das Gericht, den Klageantrag zu 1. abweist – den Eintritt der Genehmigungsfiktion zu dem am 2. Februar 2024 gestellten Antrag der Klägerin auf Erteilung von drei Genehmigungen zur Personenbeförderung im Gelegenheitsverkehr mit Mietwagen für die Zeit ab dem 17. September 2024 gemäß § 42a Abs. 3 VwVfG NRW zu bescheinigen,
83. die Genehmigungsurkunden betreffend die in den Anträgen zu 1. und 2. genannten Genehmigungen nach Mitteilung der amtlichen Kennzeichen und der Fahrzeugidentifikationsnummern der Kraftfahrzeuge auszuhändigen.
9Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
10die Klage abzuweisen.
11Sie hält den Antrag weiterhin für unvollständig und zählt verschiedene Gründe für ihre Ansicht auf.
12Entscheidungsgründe
13Der Einzelrichter ist nach § 6 VwGO zur Entscheidung berufen. Er konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden, § 101 Abs. 2 VwGO.
14Die Klage hat keinen Erfolg.
15Sie ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die Ausstellung einer Bescheinigung, dass die Genehmigung zur Personenbeförderung im Gelegenheitsverkehr mit drei Mietwagen als erteilt gilt. Sie hat bis heute ihre finanzielle Leistungsfähigkeit nicht ausreichend nachgewiesen, so dass die Genehmigung schon deswegen nicht als erteilt gilt.
16Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 5 PBefG gilt die Genehmigung als erteilt, wenn sie nicht innerhalb der Frist von drei Monaten nach Antragseingang (§ 15 Abs. 1 Satz 2 PBefG) oder einer durch Zwischenbescheid verlängerten Entscheidungsfrist (§ 15 Abs. 1 Satz 3 PBefG) versagt wird (§ 15 Abs. 1 Satz 5 PBefG). Die Frist beginnt mit dem Eingang der vollständigen Antragsunterlagen bei der Genehmigungsbehörde.
17Für den Beginn der Dreimonatsfrist des § 15 Abs. 1 Satz 2 PBefG ist nicht die subjektive Einschätzung der Behörde entscheidend, sondern allein die objektive Lage, mithin, ob und wann die Behörde durch das Einreichen vollständiger Unterlagen in die Lage versetzt worden ist, über den Antrag zu entscheiden. Alles andere widerspräche dem für die Vollständigkeit geltenden objektiven Maßstab. Steht der Fristbeginn demnach nicht zur Disposition der Behörde, dann ist ihre Einschätzung der Vollständigkeit auch keine ausreichende Grundlage für ein schutzwürdiges Vertrauen des Antragstellers, sodass eine spätere Berufung auf die objektive Unvollständigkeit nicht treuwidrig sein kann.
18Vgl. BVerwG, Urteil vom 8. November 2018 – 3 C 26.16, BVerwGE 163, 321; OVG RP, Beschluss vom 4. Juni 2024 – 7 B 10307/24.OVG, juris Rn. 9.
19Welche Unterlagen im Einzelnen erforderlich sind, damit ein im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 5 PBefG objektiv vollständiger Antrag vorliegt, ist zwar nicht abschließend geklärt. Nötig sind aber zumindest die Angaben und Unterlagen, die der Antrag gemäß § 12 Abs. 1 und 2 PBefG und den hierzu ergänzend heranzuziehenden Vorschriften der Berufszugangsverordnung für den Straßenpersonenverkehr (PBZugV) enthalten soll oder muss.
20Der Antragsteller muss die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmens durch die Unterlagen nachweisen, die § 2 PBZugV vorgibt. Aus § 2 Abs. 2 Nr. 2 PBZugV und den dort in Satz 1 bis 3 getroffenen Regelungen ergibt sich, dass maßgebend für die Beurteilung der finanziellen Leistungsfähigkeit entweder der Jahresabschluss oder ersatzweise die Vermögensübersicht ist. Mit diesen Unterlagen ist das gesetzlich mindestens geforderte Eigenkapital in Höhe von hier 2.250,- Euro für das erste Mietfahrzeug und je 1.250,- Euro für die beiden weiteren Fahrzeuge (insgesamt: 4.750,- Euro) nachzuweisen (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 PBZugV i.V.m. Artikel 7 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009).
21Die Klägerin hat jedoch die Vermögensübersicht, die § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 3 PBZugV fordert, bis heute nicht vorgelegt. Unternehmen des Taxen- und Mietwagenverkehrs, die wie die Klägerin (schon als Neuunternehmerin) keinen Jahresabschluss vorlegen können, sind nach dieser Regelung verpflichtet, eine detaillierte Vermögensaufstellung vorzulegen, aus der sich nicht nur die Höhe des Eigenkapitals ergibt, sondern darüber hinaus nachvollziehen lässt, aus welchen Vermögenswerten und den in Abzug zu bringenden Verbindlichkeiten sich das Eigenkapital im Einzelnen zusammensetzt.
22Die Vorschrift ist auf die Klägerin, die erstmals eine Mietwagengenehmigung beantragt, anwendbar. Ein Unternehmen in diesem Sinne liegt nicht erst dann vor, wenn eine Genehmigung erteilt und der Betrieb aufgenommen wurde. Wie auch das gesamte Personenbeförderungsgesetz Neuunternehmer und Erstantragsteller miteinschließt (vgl. hierzu nur § 3 Abs. 1 PBefG), so bezieht sich auch die in der PBZugV verwendete Begrifflichkeit des Unternehmens auf diese. Die Formulierung „Unternehmen des Taxen- und Mietwagenverkehrs“ dient erkennbar allein der Abgrenzung von den Unternehmen des übrigen Personenbeförderungsverkehrs (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 PBefG).
23Dass es für die Eigenkapitalbescheinigung eines Jahresabschlusses bedarf, wird jenseits des schon eindeutigen Wortlauts der in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Sätze 1 bis 3 PBZugV getroffenen Regelungen auch aus Artikel 7 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 deutlich, auf dessen Grundlage das nachzuweisende Eigenkapital und die Reserven beim Verkehr mit Taxen und Mietwagen gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 PBZugV zu bestimmen sind. Nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 weist das Unternehmen seine finanzielle Leistungsfähigkeit anhand der von einem Rechnungsprüfer oder einer ordnungsgemäß akkreditierten Person geprüften Jahresabschlüsse nach, dass es jedes Jahr über ein Eigenkapital und Reserven in Höhe von mindestens 9.000 Euro für nur ein genutztes Fahrzeug und 5.000 Euro für jedes weitere genutzte Fahrzeug verfügt. Für den Taxen- und Mietwagenverkehr ist nur ein Viertel dieser Summen nachzuweisen. Solch ein Nachweis ist der Klägerin wegen ihrer erstmaligen Betriebsaufnahme nicht möglich, so dass auch eine Eigenkapitalbescheinigung nach dem von dem Verordnungsgeber vorgegebenen Muster 1 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 PBZugV nicht sinnvoll und damit zugleich nach der mit diesem Formular offen zutage getretenen Vorstellung des Verordnungsgebers nicht hinreichend aussagekräftig ausgefüllt werden kann. Denn dies setzt erkennbar voraus, dass auch Angaben über die weiteren in dem Formular abgefragten Positionen wie beispielsweise Kapital- und Gewinnrücklagen sowie Gewinnvortrag und Jahresabschluss getroffen werden (können). Nur auf dieser Grundlage kann die Genehmigungsbehörde auch in der Sache zuverlässig überprüfen, ob die zur Aufnahme und ordnungsgemäßen Betriebsführung erforderlichen finanziellen Mittel (weiterhin) verfügbar sind.
24Zu alledem: OVG RP, Beschluss vom 17. Juni 2019 – 7 B 10747/19, GewArch 2019, 359.
25Scheidet aber die Nachweismöglichkeit durch Eigenkapitalbescheinigung wie bei der Klägerin schon aus tatsächlichen Gründen aus, ist das mindestens geforderte Eigenkapital anhand einer mit weiteren Angaben zu versehenden und dann auch weit aussagekräftigeren Vermögensübersicht nachzuweisen.
26Vgl. BR-Drucks. 257/00, S. 25.
27Die Vermögensübersicht weist beispielsweise langfristige (z.B. Grundschulden, langfristige Darlehen, Fahrzeugdarlehen) und kurzfristige Verbindlichkeiten (z.B. Dispositionskredite und andere kurzfristige Verbindlichkeiten, Versicherungsschulden, Lieferantenverbindlichkeiten) aus. Bei einem Erstantragsteller ist die Feststellung der finanziellen Leistungsfähigkeit für die Genehmigungsbehörde wegen der fehlenden Erfahrungen mit diesem und dem ihr nicht möglichen Vergleich mit einer bisherigen finanziellen Entwicklung des Unternehmens mit einer bloßen Bestätigung darüber, dass ein Eigenkapital in ausreichender Höhe vorliege, nicht zuverlässig möglich. Die zwingende Notwendigkeit einer solchen Aufstellung zeigt sich beispielhaft im Fall der Klägerin, deren ohne Erläuterung bescheinigtes Eigenkapital mit 7.350,- Euro nur 2.600,- Euro über dem gesetzlich geforderten Mindestmaß liegt.
28Andere Nachweismöglichkeiten, wie etwa eine Bonitätsbewertung bzw. ein Scoring einer privaten Wirtschaftsauskunftei, sind von § 2 PBZugV nicht zugelassen. Insofern konnte die Schufa-Auskunft, die die Klägerin vorgelegt hat, ihre finanzielle Leistungsfähigkeit nicht belegen.
29Aus dem Ablauf des Verwaltungsverfahrens lässt sich nichts für die Genehmigungsfiktion zugunsten der Klägerin ableiten. Insbesondere besteht keine Pflicht der Genehmigungsbehörde, die eingereichten Unterlagen innerhalb der Entscheidungsfrist nach § 15 Abs. 1 Satz 2 PBefG auf ihre Vollständigkeit zu überprüfen. Mit der Fiktionsregelung soll die Position des Antragstellers gegenüber einer untätigen Genehmigungsbehörde gestärkt werden. Um in schutzwürdiger Weise auf den Eintritt der Genehmigungsfiktion vertrauen zu können, muss der Antragsteller jedoch seinerseits die Behörde zunächst durch das Einreichen vollständiger Unterlagen in die Lage versetzt haben, über seinen Antrag zu entscheiden. Auch die Zielrichtung des Personenbeförderungsgesetzes – der Schutz der zu befördernden Fahrgäste – spricht dafür, dass nur ein sorgfältiger Antragsteller in den Genuss der Genehmigungsfiktion kommen soll. Dagegen ist es nicht Zweck des § 15 Abs. 1 Satz 5 PBefG, sonstige Verfahrensvereinfachungen herbeizuführen oder materielle Genehmigungsanforderungen herabzusetzen.
30Vgl. BVerwG, Urteil vom 8. November 2018 – 3 C 26.16, BVerwGE 163, 321.
31Angesicht des objektiven Maßstabes für die Vollständigkeit der Unterlagen kann die Kammer offen lassen, ob die Klägerin darauf vertraut hat, dass nur die Unterlagen fehlen bzw. nur die Ungenauigkeiten bestehen, die die Beklagte in ihrem eMail-Schreiben vom 22. Mai 2024 aufgeführt hat, und unter denen sich die Vermögensübersicht nicht findet. Hinzu tritt, dass die Beklagte in diesem eMail-Schreiben auch die Vollständigkeit nicht bestätigt hat. Vielmehr hat sie ausdrücklich lediglich zugesagt, über den Antrag nach Vervollständigung der aufgeführten Punkte zu entscheiden. Eine Entscheidung läge aber auch dann vor, wenn die Behörde weitere Unterlagen anfordert, etwa eine Vermögensübersicht.
32Da der Antrag wegen der fehlenden Vermögensübersicht unvollständig war und bis heute ist, können die übrigen Aspekte, die die Beteiligten in den Mittelpunkt des Rechtsstreits gerückt haben (Person des Unternehmers und der zur Führung der Geschäfte bestellte Person, Betriebssitz/teilgeschwärzter Mietvertrag usw.) unentschieden bleiben.
33Da es an der fiktiven Genehmigung fehlt, hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Aushändigung der Genehmigungsurkunden.
34Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
35Rechtsmittelbelehrung
36Innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils kann bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf schriftlich beantragt werden, dass das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster die Berufung zulässt. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
37Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster schriftlich einzureichen.
38Beschluss
39Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß § 52 Abs.1 GKG entsprechend der für drei Fahrzeuge beantragten Genehmigung auf 3 * 10.000 Euro = 30.000,- Euro festgesetzt.
40Rechtsmittelbelehrung
41Gegen diesen Beschluss kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Beschwerde eingelegt werden.