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Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 6.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
2Der am 2. Januar 2025 sinngemäß gestellte Antrag des Antragstellers,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 3 K 17/25 gegen die Untersagungsverfügung der Antragsgegnerin vom 00. November 0000 hinsichtlich der Gewerbeuntersagung (einfache und erweiterte Gewerbeuntersagung gegenüber dem Vertretungsberechtigten) wiederherzustellen und hinsichtlich der Zwangsmittelandrohung anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5Der am 2. Januar 2025 in der Hauptsache erhobenen Klage kommt hinsichtlich der in der Untersagungsverfügung vom 00. November 0000 gegenüber dem Antragsteller in seiner Funktion als Geschäftsführer der „P.“ ausgesprochenen einfachen und erweiterten Gewerbeuntersagung wegen der behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und hinsichtlich der Zwangsmittelandrohung (hier: Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1.500,00 Euro) nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 112 Justizgesetz Nordrhein-Westfalen (JustG NRW) kraft Gesetzes abweichend von § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO keine aufschiebende Wirkung zu.
6A. Der Antrag ist jedenfalls unbegründet.
7I. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt dem in § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO normierten formellen Begründungserfordernis. Die Antragsgegnerin war sich des Ausnahmecharakters der sofortigen Vollziehung bewusst und hat dies in der angefochtenen Untersagungsverfügung hinreichend zum Ausdruck gebracht. Insoweit hat sie bezogen auf den streitgegenständlichen Einzelfall im Wesentlichen ausgeführt, die weitere Ausübung der Tätigkeit des Antragstellers als Geschäftsführer könne angesichts seiner gegebenen Unzuverlässigkeit aufgrund des Schutzes Dritter vor weiteren Wettbewerbsnachteilen sowie zum Schutz möglicher Vertragspartner und Gläubiger nicht – ggf. über Jahre hinaus – bis zum Eintritt der Bestandskraft der Untersagungsverfügung hingenommen werden. Folglich bestehe aus Gründen des Schutzes der Allgemeinheit ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Gewerbeuntersagung.
8II. Die im Übrigen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anzustellende Interessenabwägung fällt zulasten des Antragstellers aus.
9Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen einen belastenden Verwaltungsakt wiederherstellen bzw. anordnen, wenn bei einer Interessenabwägung das private Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Dies kommt dann in Betracht, wenn die angefochtene Verfügung offensichtlich rechtswidrig ist oder aus anderen Gründen das Interesse des Antragstellers an der beantragten Aussetzung der Vollziehung das öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzbarkeit des Verwaltungsaktes überwiegt.
10Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Vorliegend überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers.
11Die angefochtene Untersagungsverfügung der Antragsgegnerin vom 00. November 0000 (zugestellt am 00. November 0000), mit welcher dem Antragsteller als Geschäftsführer und damit Vertretungsberechtigtem der Firma „P.“ die Ausübung der Gewerbetätigkeit „Dachdeckerei, Bauklempnerei, Fassadenbau, Kaminbau, Trockenbau, Montage von Photovoltaik- und Solarsystemen, Asbestsanierung sowie Wärmedämmung an Gebäuden“ (sog. einfache Gewerbeuntersagung gegenüber dem Vertretungsberechtigten), die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden und als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person sowie die Ausübung aller anderen Gewerbe untersagt wurde (sog. erweiterte Gewerbeuntersagung gegenüber dem Vertretungsberechtigten) und zudem für den Fall der Nichteinstellung der Gewerbetätigkeit bis zum 00. Dezember 0000 ein Zwangsgeld in Höhe von 1.500,00 Euro angedroht wurde, erweist sich bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung insgesamt als offensichtlich rechtmäßig.
12Insoweit wird zur Begründung entsprechend § 117 Abs. 5 VwGO zunächst auf die im Wesentlichen zutreffenden Feststellungen in der angefochtenen Untersagungsverfügung vom 00. November 0000 – denen das erkennende Gericht folgt – Bezug genommen. Darüber hinaus ist ergänzend Folgendes anzumerken:
131. Ermächtigungsgrundlage für die gegenüber dem Vertretungsberechtigten verfügte einfache Gewerbeuntersagung ist § 35 Abs. 7a Sätze 1 und 3 i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 1 Gewerbeordnung (GewO), Ermächtigungsgrundlage für die erweiterte Gewerbeuntersagung ist § 35 Abs. 7a Sätze 1 und 3 i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO.
142. Die einfache und die erweiterte Gewerbeuntersagung sind formell rechtmäßig.
15a. Die Ordnungsbehörde der Antragsgegnerin – einer großen kreisangehörigen Stadt – ist gemäß § 155 Abs. 2 GewO i.V.m. § 2 Abs. 1 der Verordnung zur Übertragung von Ermächtigungen zur Regelung von Zuständigkeiten und Festlegungen auf dem Gebiet des Gewerberechts (Gewerberechtsverordnung – GewRV –) i.V.m. Ziffer 1.17 und 1.18 der Anlage zur GewRV sachlich und – weil die gewerbetreibende Gesellschaft „P.“ in Z. eine gewerbliche Niederlassung unterhält – gemäß § 35 Abs. 7a Satz 3 i.V.m. § 35 Abs. 7 Satz 1 GewO örtlich zuständig,
16vgl. zur örtlichen Zuständigkeit bei auf § 35 Abs. 7a Sätze 1 und 3 i.V.m. § 35 Abs. 1 GewO gestützten Gewerbeuntersagungen: BVerwG, Beschluss vom 15. September 2023 – 8 B 6.23 –, juris Rn. 7 ff.; OVG Sachsen, Urteil vom 10. November 2022 – 6 A 559/19 –, juris Rn. 30 m.w.N.,
17für den Erlass der gegenüber dem Antragsteller als Geschäftsführer ausgesprochenen einfachen und erweiterten Gewerbeuntersagung.
18b. Der Antragsteller wurde vor Erlass der Untersagungsverfügung mit Schreiben vom 00. April 0000, 00. Mai 0000 und 00. September 0000 ordnungsgemäß im Sinne von § 28 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) angehört und hatte Gelegenheit, zur beabsichtigten Gewerbeuntersagung Stellung zu nehmen.
193. Die einfache und die erweiterte Gewerbeuntersagung sind materiell rechtmäßig.
20Die Voraussetzungen der § 35 Abs. 7a Sätze 1 und 3 i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO und § 35 Abs. 7a Sätze 1 und 3 i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO liegen in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage allein maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Untersagungsverfügung vor,
21vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. Februar 2022 – 4 B 1955/21 –, juris Rn. 15.
22a. Die einfache Gewerbeuntersagung begegnet keinen materiell-rechtlichen Bedenken.
23aa. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der einfachen Gewerbeuntersagung gemäß § 35 Abs. 7a Sätze 1 und 3 i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO, mit der dem Antragsteller als Geschäftsführer und damit Vertretungsberechtigtem der Gesellschaft „P.“ die Ausübung der Gewerbetätigkeit „Dachdeckerei, Bauklempnerei, Fassadenbau, Kaminbau, Trockenbau, Montage von Photovoltaik- und Solarsystemen, Asbestsanierung sowie Wärmedämmung an Gebäuden“ (sog. einfache Gewerbeuntersagung) untersagt wurde, sind erfüllt, weil sich der Antragsteller als unzuverlässig erwiesen hat.
24(1) § 35 Abs. 7a Satz 1 GewO gestattet es, einem in leitender Stellung abhängig Beschäftigten eines Gewerbebetriebes die Ausübung des Gewerbes zu untersagen, das seiner abhängigen Beschäftigung entspricht. Die Vorschrift ermöglicht es also, einer Person, die nicht Gewerbetreibende ist, die künftige Ausübung eines Gewerbes zu untersagen. Die Verweisung in § 35 Abs. 7a Satz 3 GewO auf § 35 Abs. 1 GewO führt auch zur Anwendung des § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO, so dass dem bisher unselbstständig leitend Tätigen neben der Ausübung des Gewerbes auch die (weitere) Tätigkeit als Vertretungsberechtigter oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person sowie die Ausübung einzelner anderer oder aller Gewerbe untersagt werden kann,
25vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 1995 – 1 C 3.93 –, juris Rn. 19; VG Schwerin, Urteil vom 29. März 2011 – 7 A 931/08 –, juris Rn. 39.
26Es ist allerdings zu beachten, dass die Einleitung eines Untersagungsverfahrens gegen den Vertretungsberechtigten – hier den Antragsteller als Geschäftsführer – zwingend voraussetzt, dass gegen den Gewerbetreibenden selbst – hier die Gesellschaft „P.“ – bereits ein Untersagungsverfahren nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO eingeleitet ist (sog. Akzessorietät der Untersagungsverfahren),
27vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. September 2023 – 8 B 6.23 –, juris Rn. 9; BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 1995 – 1 C 3.93 –, juris Rn. 21; OVG Sachsen, Beschluss vom 27. Februar 2013 – 3 B 354/12 –, juris Rn. 11; VG Schwerin, Urteil vom 29. März 2011 – 7 A 931/08 –, juris Rn. 40.
28Demzufolge ist ein Vorgehen auf Grundlage von § 35 Abs. 7a Sätze 1 und 3 i.V.m. § 35 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GewO nur möglich, wenn im für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung – hier: Erlass der streitgegenständlichen Untersagungsverfügung gegenüber dem Vertretungsberechtigten – ein Untersagungsverfahren gegenüber dem Vertretenen schon eingeleitet worden ist. Eine verfahrensmäßige Verbindung der beiden Verfahren ist nicht vorgeschrieben. Eine Verknüpfung besteht nur insoweit, als die Untersagung gegenüber dem unselbstständig leitend Tätigen die Einleitung eines Untersagungsverfahrens gegen den Gewerbetreibenden voraussetzt. Nicht erforderlich ist hingegen, dass die beiden Verfahren zeitlich parallel zu einem Abschluss gebracht werden,
29vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 1995 – 1 C 3.93 –, juris Rn. 21; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 1. Oktober 1997 – 4 A 771/97 –, juris Rn. 10; VG Schwerin, Urteil vom 29. März 2011 – 7 A 931/08 –, juris Rn. 40.
30Die gemäß § 35 Abs. 7a Sätze 1 und 3 i.V.m. § 35 Abs. 1 GewO geforderte Unzuverlässigkeit des Vertretungsberechtigten muss sich auf die künftige Gewerbeausübung in einem Gewerbe beziehen, das der bisherigen unselbstständigen Tätigkeit entspricht. Unzuverlässig ist für eine künftige gewerbliche Betätigung der bisher unselbstständig Tätige, wenn er nicht die Gewähr dafür bietet, dass er in Zukunft ein seiner bisherigen Tätigkeit entsprechendes Gewerbe ordnungsgemäß ausüben wird. Die in § 35 Abs. 7a Sätze 1 und 3 i.V.m. § 35 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GewO vorausgesetzte Unzuverlässigkeit eines Vertretungsberechtigten oder einer mit der Leitung des Gewerbebetriebs beauftragten Person kann sich auch aus Tatsachen ergeben, die nicht im Rahmen gerade desjenigen Gewerbebetriebs eingetreten sind, in dem der Betreffende als Vertretungsberechtigter oder Betriebsleiter bestellt ist,
31vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27. Februar 2024 – 4 B 751/23 –, juris Rn. 4.
32Maßgeblicher Zeitpunkt für die insoweit erforderliche Prüfung ist derjenige der letzten Behördenentscheidung. Nicht entscheidend ist, wie sich die tatsächlichen Verhältnisse nach Abschluss des behördlichen Untersagungsverfahrens weiterentwickelt haben,
33vgl. OVG Sachsen, Urteil vom 10. November 2022 – 6 A 559/19 –, juris Rn. 39.
34Unzuverlässig im Sinne von § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO ist ein Gewerbetreibender, der nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreibt. Die Annahme der Unzuverlässigkeit kann aus einer lang andauernden wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit abzuleiten sein, die eine ordnungsgemäße Betriebsführung und die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Zahlungspflichten verhindert, ohne dass Anzeichen für eine Besserung vorhanden sind,
35vgl. OVG Sachsen, Urteil vom 10. November 2022 – 6 A 559/19 –, juris Rn. 40.
36Dabei rechtfertigen Zahlungsrückstände gegenüber Sozialversicherungsträgern und Steuerbehörden die Annahme einer gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit, wenn sie sowohl nach ihrer absoluten Höhe als auch im Verhältnis zur Gesamtbelastung des Gewerbetreibenden von Gewicht sind; zudem ist die Zeitdauer, während derer der Gewerbetreibende seinen öffentlich-rechtlichen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt, insoweit von Bedeutung,
37vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. März 2024 – 4 A 14/23 –, juris Rn. 6 m.w.N.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. Februar 2022 – 4 B 1955/21 –, juris Rn. 7; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. Mai 2020 – 4 A 1558/19 –, juris Rn. 7; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20. Mai 2016 – 4 B 12/16 –, juris Rn. 7.
38Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Gewerbetreibende zahlungswillig ist und trotz seiner Schulden nach einem sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzept arbeitet,
39vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. März 2024 – 4 A 14/23 –, juris Rn. 8; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. Februar 2022 – 4 B 1955/21 –, juris Rn. 9; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. Mai 2020 – 4 A 1558/19 –, juris Rn. 9.
40Ein derartiges Sanierungskonzept liegt nach anerkannter Rechtsprechung etwa dann vor, wenn ein verbindlicher und von den Gläubigern akzeptierter Tilgungsplan existiert, dem konkrete Ratenzahlungen und insbesondere das Ende der Rückführung der (gesamten) Rückstände zu entnehmen sind, der Schuldner vereinbarten Ratenzahlungen nachkommt und währenddessen keine Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn eingeleitet werden (können),
41vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. März 2024 – 4 A 14/23 –, juris Rn. 9; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. Februar 2022 – 4 B 1955/21 –, juris Rn. 11; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. Mai 2020 – 4 A 1558/19 –, juris Rn. 11 m.w.N.
42Die Annahme gewerberechtlicher Unzuverlässigkeit setzt kein Verschulden des Gewerbetreibenden voraus. Für die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit kommt es folglich nicht darauf an, aus welchem Grund der Gewerbetreibende nicht in der Lage war, seine öffentlich-rechtlichen Zahlungspflichten zu erfüllen. Es ist in der Rechtsprechung geklärt, dass die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit kein subjektiv vorwerfbares Verhalten voraussetzt, sondern lediglich an objektive Tatsachen anknüpft, die hinsichtlich der zukünftigen Tätigkeit des Gewerbetreibenden eine ungünstige Prognose rechtfertigen. Auf den Grund der Entstehung von Schulden und für die Unfähigkeit zur Erfüllung der Zahlungspflicht kommt es nicht an,
43vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. März 2024 – 4 A 14/23 –, juris Rn. 11; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. Februar 2022 – 4 B 1955/21 –, juris Rn. 13; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 3. Juli 2018 – 4 B 221/18 –, juris Rn. 6.
44Die materielle Rechtmäßigkeit der festgesetzten Steuerforderungen ‒ auch soweit diese Forderungen nur auf Schätzungen der Besteuerungsgrundlagen beruhen ‒ ist für die Beurteilung, ob dem Gewerbetreibenden die gewerberechtliche Zuverlässigkeit fehlt, unerheblich. Für die Beurteilung der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit ist es ohne Belang, ob die Steuerschulden auf Schätzungen der Besteuerungsgrundlagen beruhen. Die Berechtigung der Steuerforderungen haben weder die Behörde im Verwaltungsverfahren noch das Verwaltungsgericht zu prüfen. Maßgeblich ist allein, in welcher Höhe der Gewerbetreibende Steuern zuzüglich Verspätungs- und Säumniszuschlägen nicht gezahlt hat, die er bereits deshalb von Rechts wegen hätte zahlen müssen, weil die ergangenen Steuerbescheide vollziehbar waren. Dabei sind auf Schätzungen beruhende Steuerschulden in gleicher Weise von Bedeutung wie solche, die sich aus exakt ermittelten Besteuerungsgrundlagen ergeben. Ausgehend davon, dass Steuerbescheide grundsätzlich vollziehbar sind, sofern die Vollziehung nicht ausnahmsweise ausgesetzt worden ist (§§ 220, 361 Abgabenordnung – AO sowie § 69 Finanzgerichtsordnung – FGO), besteht grundsätzlich keine Veranlassung, die Höhe der vollstreckbaren Forderungen anzuzweifeln,
45vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. Februar 2022 – 4 B 1955/21 –, juris Rn. 18; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. Mai 2020 – 4 A 1558/19 –, juris Rn. 19 m.w.N.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20. März 2019 – 4 B 1844/18 –, juris Rn. 8; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 8. August 2017 – 4 B 661/17 –, juris Rn. 7.
46Im Interesse eines ordnungsgemäßen und redlichen Wirtschaftsverkehrs muss von einem Gewerbetreibenden erwartet werden, dass er bei anhaltender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit ohne Rücksicht auf die Ursachen seiner wirtschaftlichen Schwierigkeiten seinen Gewerbebetrieb aufgibt. Diese – durch die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Gewerbeausübung begründete – Erwartung ist der eigentliche Grund, den wirtschaftlich leistungsunfähigen Gewerbetreibenden als unzuverlässig zu bewerten,
47vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Februar 1982 – 1 C 146.80 –, juris Rn. 15; OVG Sachsen, Urteil vom 10. November 2022 – 6 A 559/19 –, juris Rn. 40.
48(2) Nach Maßgabe dieser Kriterien ist der Antragsteller als unzuverlässig anzusehen.
49(a) Zunächst hat die Antragsgegnerin parallel zur vorliegend streitgegenständlichen Untersagungsverfügung vom 00. November 0000 auch gemäß § 35 Abs. 1 GewO die Gewerbeausübung gegenüber der Firma „P.“ als Gewerbetreibender untersagt (vgl. Untersagungsverfügung gegenüber der Gesellschaft vom 00. November 0000, zugestellt am 00. November 0000), sodass das Erfordernis der Akzessorietät der gegenüber dem Antragsteller als Vertretungsberechtigtem verfügten Untersagung erfüllt ist.
50(b) Die Annahme der Unzuverlässigkeit des Antragstellers folgt – unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Leistungs(un)fähigkeit – bereits aus den erheblichen Zahlungsrückständen der Firma „P.“ als Gewerbetreibender gegenüber dem Finanzamt Z. hinsichtlich fälliger Steuerforderungen.
51Aus der Unzuverlässigkeit der gewerbetreibenden Firma „P.“ folgt die Unzuverlässigkeit des Antragstellers als Vertretungsberechtigtem. Dass es sich bei den Steuerschulden der gewerbetreibenden GmbH nicht um eigene Verbindlichkeiten des Antragstellers handelt, ist unerheblich. Bei der nach § 35 Abs. 7a Satz 1 GewO eröffneten Möglichkeit der Gewerbeuntersagung gegenüber Vertretungsberechtigten eines Gewerbebetriebes kommt es insoweit allein darauf an, dass der Antragsteller als Geschäftsführer und mithin gesetzlicher Vertreter der GmbH (§ 35 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung – GmbHG) deren steuerliche Pflichten zu erfüllen und insbesondere dafür zu sorgen hat, dass die Steuern aus den von ihm verwalteten Mitteln entrichtet werden (§ 34 AO), er diese Pflicht aber mit der Folge verletzt hat, dass bei der Gesellschaft erhebliche Steuerrückstände aufgelaufen sind,
52vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 6. Oktober 2021 – 4 B 1401/21 –, juris Rn. 8; OVG Sachsen, Urteil vom 10. November 2022 – 6 A 559/19 –, juris Rn. 49.
53Im allein maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Untersagungsverfügung war mithin eine negative Prognose der Zuverlässigkeit gerechtfertigt, was sich bereits aus den zu diesem Zeitpunkt bekannten Verletzungen von Zahlungspflichten der Gesellschaft „P.“ u.a. gegenüber dem Finanzamt Z., für die der Antragsteller als Geschäftsführer verantwortlich war, ergibt.
54So teilte das Finanzamt Z. der Antragsgegnerin bereits mit Schreiben vom 00. November 0000 mit, dass Zahlungsrückstände der Gesellschaft „P.“ in Höhe von 29.850,77 Euro bestehen. Aus der Rückstandsaufstellung des Finanzamtes ist zu ersehen, dass es sich bei den Steuerschulden um Steuerrückstände aus den Veranlagungszeiträumen 2018, 2019, 2020, 2021, 2022 und 2023 nebst darauf fortlaufend anfallender Säumniszuschläge handelt. Ferner wurde mitgeteilt, dass bisher durchgeführte Vollstreckungsversuche in Bezug auf die bestehenden Steuerrückstände erfolglos geblieben sind. Zudem komme die Gesellschaft auch ihren sonstigen steuerlichen Verpflichtungen nicht ordnungsgemäß nach. Die letzte Umsatzsteuererklärung sei für den Veranlagungszeitraum 2019 abgegeben worden. Mit weiterem Schreiben vom 00. April 0000 teilte das Finanzamt Z. der Antragsgegnerin weiter mit, die bestehenden Steuerrückstände der „P.“, u.a. in Bezug auf Lohnsteuer, Körperschaftssteuer, Solidaritätszuschlag, Umsatzsteuer, Säumniszuschlägen und Verspätungszuschlägen, seien auf einen Betrag von 29.240,31 Euro angewachsen. Die Gesellschaft sei auch ihren sonstigen steuerlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen. Eine Umsatzsteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2021 sei nicht eingereicht worden. Die Besteuerungsgrundlagen seien daher im Schätzungswege ermittelt worden. Das Finanzamt Z. teilte der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 00. September 0000 mit, dass sich die Steuerrückstände der Gesellschaft zwischenzeitlich auf einen Betrag in Höhe von 32.859,55 Euro erhöht hätten. Mit Schreiben vom 0. November 0000 teilte das Finanzamt Z. der Antragsgegnerin mit, die Steuerrückstände der „P.“ seien weiter auf einen Betrag in Höhe von 33.616,55 Euro angewachsen, wobei Zahlungen auf die Steuerschuld weiterhin nicht geleistet würden. Die Umsatzsteuererklärungen für die Veranlagungszeiträume 2020 und 2021 seien zwischenzeitlich eingereicht worden, hätten indes bei der Steuerfestsetzung nicht mehr berücksichtigt werden können. Weitere Erklärungen seien bislang nicht eingereicht worden. Voranmeldungen würden getätigt aber nicht gezahlt. Der Rückstandsaufstellung ist zu entnehmen, dass es sich insoweit im Wesentlichen um Steuerrückstände (u.a. in Bezug auf Lohnsteuer, Körperschaftssteuer, Solidaritätszuschlag und Umsatzsteuer) aus den Veranlagungszeiträumen 2018, 2019, 2020, 2021, 2022, 2023 und 2024 nebst darauf fortlaufend anfallender Verspätungs- und Säumniszuschläge handelt.
55Damit belaufen sich die Steuerrückstände der Gesellschaft „P.“ gegenüber dem Finanzamt Z. im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen Untersagungsverfügung vom 00. November 0000 auf einen Betrag in Höhe von 33.616,55 Euro und sind sowohl ihrer absoluten Höhe nach als auch im Verhältnis zur Gesamtbelastung der Gesellschaft erheblich. Aus den Rückstandsaufstellungen des Finanzamtes Z. ist im Übrigen zu ersehen, dass die im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der behördlichen Entscheidung bestehenden Steuerschulden der Gesellschaft beginnend mit dem Jahr 2018 kontinuierlich aufgebaut wurden.
56Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Steuerschulden zu einem Großteil auf Schätzungen des Finanzamtes beruhen. Denn auch auf Schätzungen beruhende Steuerschulden sind für die gewerberechtliche Zuverlässigkeitsprognose in gleicher Weise von Bedeutung wie solche, die sich aus exakt ermittelten Besteuerungsgrundlagen ergeben.
57Gemessen an diesen bereits über Jahre hinweg bestehenden Steuerrückständen, die maßgeblich u.a. auf eine jahrelange Verletzung steuerlicher Erklärungspflichten zurückzuführen sind, und der wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit der Gesellschaft, sind verlässliche Anhaltspunkte für eine zukünftige Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage nicht ersichtlich.
58Zudem ist weder ersichtlich noch ansatzweise dargetan, dass die „P.“ nach einem sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzept arbeitet. Denn es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Gesellschaft mit dem Finanzamt Z. einen verbindlichen Tilgungsplan mit konkreten Ratenzahlungen und insbesondere das Ende der Rückführung der gesamten Rückstände in Bezug auf die bestehenden Steuerschulden vereinbart hat.
59Rechtlich unerheblich ist der Vortrag des Antragstellers, die Steuerschulden der „P.“ resultierten im Wesentlichen aus mehreren schweren Schicksalsschlägen. So sei die für die Buchhaltung bei der Gesellschaft zuständige Ehefrau des Antragstellers im Jahr 2014 an Brustkrebs erkrankt, habe aus diesem Grund ihre Berufstätigkeit aufgeben müssen und sich nicht mehr um die Buchhaltung kümmern können. Ferner sei der Antragsteller selbst im Jahr 2020 an der Legionärskrankheit sowie einer schweren Lungenentzündung erkrankt, so dass er über ein Jahr arbeitsunfähig gewesen und seiner betrieblichen Tätigkeit als Geschäftsführer in dieser Zeit nicht habe nachgehen können. Die vom Antragsteller geltend gemachten Schicksalsschläge sind zweifelsohne bedauerlich, allerdings für die Beurteilung der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit aus Rechtsgründen ohne Belang, da es nicht darauf ankommt, aus welchem Grund der Gewerbetreibende nicht in der Lage war, seine öffentlich-rechtlichen Zahlungspflichten zu erfüllen. Denn da die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit lediglich an objektive Tatsachen anknüpft, kommt es auf den Grund der Entstehung von Schulden und für die Unfähigkeit zur Erfüllung der Zahlungspflicht grundsätzlich nicht an.
60Die geschilderten persönlichen Umstände ändern nichts daran, dass der Antragsteller als Geschäftsführer der GmbH deren steuerliche Zahlungs- und Erklärungspflichten nachhaltig verletzt und ihre gewerbliche Tätigkeit trotz ihrer wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit fortgesetzt hat,
61vgl. zu diesem Aspekt: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 6. Oktober 2021 – 4 B 1401/21 –, juris Rn. 16.
62Angesichts der vorstehend beschriebenen erheblichen Steuerrückstände der „P.“ gegenüber dem Finanzamt Z. fällt in Bezug auf die Unzuverlässigkeitsprognose nicht mehr erheblich ins Gewicht, dass zusätzlich auch gegenüber der Stadtkasse Z. erhebliche weitere Abgabenrückstände (Gewerbesteuer- und Beitragsrückstände) der Gesellschaft in Höhe von 20.124,57 Euro bestehen.
63bb. Das der Antragsgegnerin gemäß § 35 Abs. 7a Sätze 1 und 3 i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO auch mit Blick auf die einfache Gewerbeuntersagung eröffnete Ermessen wurde fehlerfrei ausgeübt.
64Die Behörde muss ihr Ermessen erkennen und das Für und Wider eines Eingreifens sachgerecht unter Beachtung der Grundrechte abwägen. Anders als etwa bei ordnungsbehördlichen Maßnahmen zur Beseitigung rechtswidriger Zustände, bei denen das Einschreiten regelmäßig geboten ist, wenn keine besonderen Gegebenheiten vorliegen, muss hier nach dem Grad der Wahrscheinlichkeit des Ausweichens auf die selbstständige Gewerbeausübung entschieden werden. Insoweit gilt inhaltlich nichts anderes als bei der erweiterten Gewerbeuntersagung im Sinne von § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO. Daher muss der Verwaltungsentscheidung zumindest konkludent die maßgebliche Erwägung entnommen werden können, das Ausweichen in die gewerbliche Betätigung sei so wahrscheinlich, dass deren Untersagung erfolgen solle,
65vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 1995 – 1 C 3.93 –, juris Rn. 33; BVerwG, Urteil vom 2. Februar 1982 – 1 CB 2.81 –, juris Rn. 37; OVG Sachsen, Urteil vom 10. November 2022 – 6 A 559/19 –, juris Rn. 51; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 3. November 2010 – 6 A 10676/10 –, juris Rn. 28.
66Eine derartige konkludente Ermessenserwägung lässt sich der Untersagungsverfügung entnehmen. Die Antragsgegnerin hat das ihr zustehende Ermessen erkannt und hinreichend deutlich gemacht, dass sie angesichts der Tatsache, dass der Antragsteller nicht nur Geschäftsführer, sondern zugleich auch Gesellschafter der „P.“ ist, die naheliegende Möglichkeit des Ausweichens auf eine andersartige gewerbliche Tätigkeit besteht, weswegen sie sich zum Schutz der Allgemeinheit zu der Gewerbeuntersagung veranlasst gesehen hat. Diese Ermessenserwägungen hat die Antragsgegnerin im gerichtlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 00. Januar 0000 vertieft und damit in zulässiger Weise gemäß § 114 Satz 2 VwGO ergänzt.
67Die einfache Gewerbeuntersagung erweist sich auch nicht als unverhältnismäßig. Sie ist geeignet, dem Interesse an einem ordnungsgemäßen und redlichen Wirtschaftsverkehr nachzukommen, und auch erforderlich. Auch im Anwendungsbereich des § 35 Abs. 7a GewO bestimmt sich die Erforderlichkeit nach den zu der vergleichbaren Regelung des § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO entwickelten Grundsätzen und liegt bereits vor, wenn von dem Beschäftigten ein Ausweichen in eine entsprechende selbstständige Tätigkeit zu erwarten ist. Die Erforderlichkeit einer Untersagung nach § 35 Abs. 7a GewO ist danach gegeben, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, die es ausschließen, dass der Vertreter das Gewerbe zukünftig selbstständig ausübt. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass es für einen solchen Beschäftigten mit Rücksicht auf die gegen seinen Arbeitgeber gerichtete Gewerbeuntersagung naheliegt, sich als selbstständiger Gewerbetreibender zu betätigen,
68vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 1995 – 1 C 3.93 –, juris Rn. 32; BVerwG, Urteil vom 2. Februar 1982 – 1 C 17.79 –, juris Rn. 29; OVG Sachsen, Urteil vom 10. November 2022 – 6 A 559/19 –, juris Rn. 50.
69Anhaltspunkte dafür, dass besondere Umstände der Aufnahme einer selbstständigen gewerblichen Tätigkeit durch den Antragsteller entgegenstehen könnten, sind weder ersichtlich noch dargetan.
70b. Die erweiterte Gewerbeuntersagung begegnet ebenfalls keinen materiell-rechtlichen Bedenken.
71Die rechtliche Grundlage hierfür bietet § 35 Abs. 7a Sätze 1 und 3 i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO, sodass dem bisher unselbstständig leitend Tätigen neben der Ausübung des Gewerbes auch die (weitere) Tätigkeit als Vertretungsberechtigter oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person sowie die Ausübung einzelner anderer oder aller Gewerbe untersagt werden kann. Mit diesem Regelungsgehalt ist die Vorschrift verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden,
72vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 1995 – 1 C 3.93 –, juris Rn. 19; OVG Sachsen, Urteil vom 10. November 2022 – 6 A 559/19 –, juris Rn. 52.
73Die vorstehend unter A. II. 3. a. aa. (2) (b) umfassend dargelegte Vernachlässigung der steuerlichen Angelegenheiten rechtfertigt die Annahme der Unzuverlässigkeit auch in Bezug auf die weiter untersagten Betätigungen als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden und als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person sowie die Ausübung aller anderen Gewerbe, da die Pflichtverletzungen keinem bestimmten Gewerbezweig zuzuordnen und bei allen untersagten Tätigkeiten von Bedeutung sind. Der konkludenten Erwägung in der streitgegenständlichen Untersagungsverfügung, wonach ein Ausweichen in andere Tätigkeitsbereiche zu erwarten ist, ist der Antragsteller nicht entgegengetreten. Das für die Entscheidung gemäß § 35 Abs. 7a Sätze 1 und 3 i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO eröffnete Ermessen wurde ausweislich der konkludent in der Untersagungsverfügung enthaltenen Ermessenserwägungen erkannt und dahingehend fehlerfrei ausgeübt, als die Entscheidung darauf gestützt wurde, dass ein Ausweichen in andere Tätigkeitsbereiche naheliegt. Diese Ermessenserwägungen hat die Antragsgegnerin im gerichtlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 00. Januar 0000 vertieft und damit in zulässiger Weise gemäß § 114 Satz 2 VwGO ergänzt. Entsprechend der vorstehenden Ausführungen unter A. II. 3. a. bb. genügt auch die erweiterte Gewerbeuntersagung dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Abgesehen davon, dass dem Antragsteller auch angesichts einer erweiterten Gewerbeuntersagung eine erhebliche Bandbreite an Tätigkeiten in abhängiger Beschäftigung verbleibt, steht der Ausschluss des Gewerbetreibenden aus dem Wirtschaftsverkehr nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auch mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in der Ausprägung durch Art. 12 Grundgesetz (GG) in Einklang, wenn er – wie hier der Antragsteller – gewerbeübergreifend unzuverlässig und die Untersagung erforderlich ist. Dies gilt insbesondere auch für den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in engerem Sinne. Es verstößt nicht gegen das Übermaßverbot, die gewerbliche Betätigung eines unzuverlässigen Gewerbetreibenden zu verhindern,
74vgl. BVerwG, Urteil vom 16. März 1982 – 1 C 124.80 –, juris Rn. 24; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. März 2024 – 4 A 14/23 –, juris Rn. 18.
754. Die für den Fall der Nichtbefolgung der einfachen und erweiterten Gewerbeuntersagung in der angefochtenen Untersagungsverfügung enthaltene und auf §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60 und 63 Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW) gestützte Zwangsgeldandrohung in Höhe von 1.500,00 Euro begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken.
76III. An der sofortigen Vollziehung der einfachen und erweiterten Gewerbeuntersagung besteht aus den in der Begründung der Vollziehungsanordnung in der angefochtenen Untersagungsverfügung genannten Gründen auch ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse.
77Es sind keine Umstände dargetan, die die begründete Besorgnis entfallen lassen könnten, dass sich die mit der Gewerbeuntersagung bekämpfte Gefahr schon in der Zeit bis zur abschließenden Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Gewerbeuntersagung realisieren kann. Zwar ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Begründetheit dieser Besorgnis unter Berücksichtigung auch solcher Umstände zu beurteilen, die erst nach dem Erlass der angefochtenen Untersagungsverfügung eingetreten sind,
78vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. Februar 2022 – 4 B 1955/21 –, juris Rn. 22; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. Mai 2020 – 4 B 402/20 –, juris Rn. 13; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. Juli 2022 – 4 B 115/21 –, juris Rn. 25; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. April 2020 – 4 B 21/20 –, juris Rn. 15; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20. Oktober 2016 – 4 B 852/16 –, juris Rn. 19.
79Auch im weiteren Verlauf sind jedoch keine grundlegenden Veränderungen eingetreten, die zumindest bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens eine ordnungsgemäße Gewerbeausübung erwarten lassen. Belastbare Anhaltspunkte dafür, dass dem Antragsteller die Begleichung der laufenden öffentlichen Verbindlichkeiten der Gesellschaft alsbald möglich sein wird, sind nicht substantiiert vorgetragen. Es ist weder ersichtlich noch dargelegt, dass die Gesellschaft seit Erlass der streitgegenständlichen Untersagungsverfügung nach einem sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzept arbeitet. Eine nachhaltige Rückführung der gewerbebezogenen Steuerschulden ist damit nicht erkennbar. Ganz im Gegenteil hat das Finanzamt Z. der Antragsgegnerin nach Erlass der Untersagungsverfügung mit Schreiben am 0. Januar 0000 mitgeteilt, dass die Steuerschulden der Gesellschaft zwischenzeitlich auf einen Betrag in Höhe von 34.603,55 Euro weiter angestiegen sind. Folglich ist nach wie vor von einer fortbestehenden wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit der Gesellschaft auszugehen, für die der Antragsteller als vertretungsberechtigter Geschäftsführer verantwortlich ist. Hierdurch verschafft sich die Gesellschaft unlautere Wettbewerbsvorteile gegenüber Mitbewerbern, die ihren steuerlichen Verpflichtungen nachkommen. Es steht daher zu befürchten, dass die Gesellschaft ihren steuerlichen Verpflichtungen auch bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht in vollem Umfang nachkommen und es – allein durch den fortlaufenden Anfall weiterer Säumniszuschläge – deshalb zu weiteren Schädigungen öffentlicher Kassen kommen wird.
80Sofern es dem Antragsteller zukünftig wieder gelingen sollte, die Gründe, die die Unzuverlässigkeit begründen – namentlich die bestehenden erheblichen Steuerschulden der Gesellschaft – wegfallen zu lassen, kommt eine Wiedergestattung unter Berücksichtigung der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit ausschließlich nach § 35 Abs. 7a Satz 3 i.V.m. § 35 Abs. 6 Satz 2 GewO auf entsprechenden Antrag des Antragstellers bei der Antragsgegnerin in einem gesonderten Wiederaufnahmeverfahren in Betracht,
81vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. Februar 2022 – 4 B 1955/21 –, juris Rn. 27.
82B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
83C. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Sie berücksichtigt, dass die Untersagung nach § 35 Abs. 7a GewO entsprechend dem wirtschaftlichen Interesse an der Fortführung dieser Tätigkeit, mindestens aber mit 8.000,00 Euro und die erweiterte Gewerbeuntersagung zusätzlich mit 5.000,00 Euro zu veranschlagen sind. Die unselbstständige, in einem Bescheid mit der Grundverfügung ergangene Zwangsmittelandrohung (vgl. Nr. 1.7.2 Satz 1 des Streitwertkatalogs), wird bei der Bemessung des Streitwertes nicht berücksichtigt, wenn beide Regelungen – wie hier – zusammen angefochten werden. Der insoweit anzusetzende Streitwert in Höhe von 13.000,00 Euro ist für das hiesige Verfahren betreffend die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren (vgl. Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkataloges),
84vgl. zu dieser Streitwertpraxis: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 6. Oktober 2021 – 4 B 1401/21 –, juris Rn. 18; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 1. Oktober 2004 – 4 B 1637/04 –, juris Rn. 2 ff.
85Rechtsmittelbelehrung
86Gegen die Entscheidung über den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist eingeht bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster. Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
87Die Beschwerde ist einzulegen und zu begründen durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, oder eine diesen gleichgestellte Person als Bevollmächtigten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Auf die besonderen Regelungen in § 67 Abs. 4 Sätze 7 und 8 VwGO wird hingewiesen.
88Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens ist nicht selbstständig anfechtbar.
89Gegen die Festsetzung des Streitwerts kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem diese Entscheidung Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls das Verwaltungsgericht ihr nicht abhilft. Hierfür besteht kein Vertretungszwang. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes zweihundert Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zulässt.