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Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
2Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil die Klage nicht die nach § 166 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
3Die als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthafte, zulässige Klage ist unbegründet.
4Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 16. Oktober 2024 (zugestellt am 18. Oktober 2024), mit welchem dem Kläger die weitere selbstständige Ausübung des Gewerbes „Handel mit digitalen Gütern, Affiliate-Marketing“ (sog. einfache Gewerbeuntersagung), die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden und als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person sowie die Ausübung aller anderen Gewerbe untersagt wurde (sog. erweiterte Gewerbeuntersagung) und zudem für den Fall der Nichteinstellung des Gewerbes ein Zwangsgeld in Höhe von 1.500,00 Euro angedroht wurde, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
5I. Ermächtigungsgrundlage für die einfache Gewerbeuntersagung ist § 35 Abs. 1 Satz 1 Gewerbeordnung (GewO), Ermächtigungsgrundlage für die erweiterte Gewerbeuntersagung ist § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO.
6Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO ist die Ausübung eines Gewerbes von der zuständigen Behörde ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des Gewerbebetriebes beauftragten Person in bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist. Nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO kann die Untersagung auch auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person sowie auf einzelne andere oder auf alle Gewerbe erstreckt werden, soweit die festgestellten Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Gewerbetreibende auch für diese Tätigkeiten oder Gewerbe unzuverlässig ist.
7II. Die einfache und die erweiterte Gewerbeuntersagung sind formell rechtmäßig.
81. Die Ordnungsbehörde der Beklagten – einer kreisfreien Stadt – ist gemäß § 155 Abs. 2 GewO i.V.m. § 2 Abs. 1 der Verordnung zur Übertragung von Ermächtigungen zur Regelung von Zuständigkeiten und Festlegungen auf dem Gebiet des Gewerberechts (Gewerberechtsverordnung – GewRV -) i.V.m. Ziffer 1.17 und 1.18 der Anlage zur GewRV sachlich und – weil der Kläger in J. eine gewerbliche Niederlassung unterhält – gemäß § 35 Abs. 7 Satz 1 GewO örtlich zuständig für den Erlass der einfachen und erweiterten Gewerbeuntersagung.
92. Der Kläger wurde vor Erlass der Untersagungsverfügung mit Schreiben vom 29. Juli 2024 ordnungsgemäß im Sinne von § 28 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) angehört und hatte Gelegenheit, zur beabsichtigten Gewerbeuntersagung Stellung zu nehmen.
10III. Die einfache und die erweiterte Gewerbeuntersagung sind materiell rechtmäßig.
11Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GewO liegen in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage allein maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides vor,
12vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. Februar 2022 – 4 B 1955/21 –, juris Rn. 15.
131. Die Voraussetzungen der einfachen Gewerbeuntersagung gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO sind erfüllt, weil sich der Kläger als unzuverlässig erwiesen hat.
14a. Unzuverlässig im Sinne von § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO ist ein Gewerbetreibender, der nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreibt. Dabei rechtfertigen Zahlungsrückstände gegenüber Sozialversicherungsträgern und Steuerbehörden die Annahme einer gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit, wenn sie sowohl nach ihrer absoluten Höhe als auch im Verhältnis zur Gesamtbelastung des Gewerbetreibenden von Gewicht sind; zudem ist die Zeitdauer, während derer der Gewerbetreibende seinen öffentlich-rechtlichen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt, insoweit von Bedeutung,
15vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. März 2024 – 4 A 14/23 –, juris Rn. 6 m.w.N.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. Februar 2022 – 4 B 1955/21 –, juris Rn. 7; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. Mai 2020 – 4 A 1558/19 –, juris Rn. 7; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20. Mai 2016 – 4 B 12/16 –, juris Rn. 7.
16Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Gewerbetreibende zahlungswillig ist und trotz seiner Schulden nach einem sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzept arbeitet,
17vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. März 2024 – 4 A 14/23 –, juris Rn. 8; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. Februar 2022 – 4 B 1955/21 –, juris Rn. 9; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. Mai 2020 – 4 A 1558/19 –, juris Rn. 9.
18Ein derartiges Sanierungskonzept liegt nach anerkannter Rechtsprechung etwa dann vor, wenn ein verbindlicher und von den Gläubigern akzeptierter Tilgungsplan existiert, dem konkrete Ratenzahlungen und insbesondere das Ende der Rückführung der (gesamten) Rückstände zu entnehmen sind, der Schuldner vereinbarten Ratenzahlungen nachkommt und währenddessen keine Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn eingeleitet werden (können),
19vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. März 2024 – 4 A 14/23 –, juris Rn. 9; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. Februar 2022 – 4 B 1955/21 –, juris Rn. 11; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. Mai 2020 – 4 A 1558/19 –, juris Rn. 11 m.w.N.
20Die Annahme gewerberechtlicher Unzuverlässigkeit setzt kein Verschulden des Gewerbetreibenden voraus. Für die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit kommt es folglich nicht darauf an, aus welchem Grund der Gewerbetreibende nicht in der Lage war, seine öffentlich-rechtlichen Zahlungspflichten zu erfüllen. Es ist in der Rechtsprechung geklärt, dass die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit kein subjektiv vorwerfbares Verhalten voraussetzt, sondern lediglich an objektive Tatsachen anknüpft, die hinsichtlich der zukünftigen Tätigkeit des Gewerbetreibenden eine ungünstige Prognose rechtfertigen. Auf den Grund der Entstehung von Schulden und für die Unfähigkeit zur Erfüllung der Zahlungspflicht kommt es nicht an,
21vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. März 2024 – 4 A 14/23 –, juris Rn. 11; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. Februar 2022 – 4 B 1955/21 –, juris Rn. 13; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 3. Juli 2018 – 4 B 221/18 –, juris Rn. 6.
22Die materielle Rechtmäßigkeit der festgesetzten Steuerforderungen ‒ auch soweit diese Forderungen nur auf Schätzungen der Besteuerungsgrundlagen beruhen ‒ ist für die Beurteilung, ob dem Gewerbetreibenden die gewerberechtliche Zuverlässigkeit fehlt, unerheblich. Für die Beurteilung der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit ist es ohne Belang, ob die Steuerschulden auf Schätzungen der Besteuerungsgrundlagen beruhen. Die Berechtigung der Steuerforderungen haben weder die Behörde im Verwaltungsverfahren noch das Verwaltungsgericht zu prüfen. Maßgeblich ist allein, in welcher Höhe der Gewerbetreibende Steuern zuzüglich Verspätungs- und Säumniszuschlägen nicht gezahlt hat, die er bereits deshalb von Rechts wegen hätte zahlen müssen, weil die ergangenen Steuerbescheide vollziehbar waren. Dabei sind auf Schätzungen beruhende Steuerschulden in gleicher Weise von Bedeutung wie solche, die sich aus exakt ermittelten Besteuerungsgrundlagen ergeben. Ausgehend davon, dass Steuerbescheide grundsätzlich vollziehbar sind, sofern die Vollziehung nicht ausnahmsweise ausgesetzt worden ist (§§ 220, 361 Abgabenordnung – AO sowie § 69 Finanzgerichtsordnung – FGO), besteht grundsätzlich keine Veranlassung, die Höhe der vollstreckbaren Forderungen anzuzweifeln,
23vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. Februar 2022 – 4 B 1955/21 –, juris Rn. 18; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. Mai 2020 – 4 A 1558/19 –, juris Rn. 19 m.w.N.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20. März 2019 – 4 B 1844/18 –, juris Rn. 8; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 8. August 2017 – 4 B 661/17 –, juris Rn. 7.
24Im Interesse eines ordnungsgemäßen und redlichen Wirtschaftsverkehrs muss von einem Gewerbetreibenden erwartet werden, dass er bei anhaltender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit ohne Rücksicht auf die Ursachen seiner wirtschaftlichen Schwierigkeiten seinen Gewerbebetrieb aufgibt. Diese – durch die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Gewerbeausübung begründete – Erwartung ist der eigentliche Grund, den wirtschaftlich leistungsunfähigen Gewerbetreibenden als unzuverlässig zu bewerten,
25vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Februar 1982 – 1 C 146.80 –, juris Rn. 15; OVG Sachsen, Urteil vom 10. November 2022 – 6 A 559/19 –, juris Rn. 40; VG Düsseldorf, Beschluss vom 20. Januar 2025 – 3 L 11/25 –, juris Rn. 45.
26b. Nach Maßgabe dieser Kriterien ist der Kläger als unzuverlässig anzusehen.
27Die Annahme der Unzuverlässigkeit folgt – unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Leistungs(un)fähigkeit – aus den erheblichen Zahlungsrückständen des Klägers gegenüber dem Finanzamt J. hinsichtlich fälliger Steuerforderungen.
28So teilte das Finanzamt J. der Beklagten mit Schreiben vom 19. Juni 2024 mit, dass Zahlungsrückstände des Klägers in Bezug auf Betriebs- und Personensteuern in Höhe von 7.659,85 Euro bestehen. Am 0. Juni 0000 sei ein fruchtloser Pfändungsversuch in das bewegliche Vermögen des Klägers unternommen worden. Durchgeführte Forderungspfändungen hätten ebenfalls nicht zum Erfolg geführt. Im Übrigen sei der Kläger auch seinen sonstigen steuerlichen Verpflichtungen nicht ordnungsgemäß nachgekommen. Umsatzsteuer-Voranmeldungen für den Zeitraum 1. Quartal 2022 bis zum 1. Quartal 2024 seien nicht getätigt worden. Umsatzsteuererklärungen für die Veranlagungszeiträume 2021 und 2022 seien trotz mehrmaliger Aufforderung nicht eingereicht worden. Die Besteuerungsgrundlagen seien daher im Schätzungswege ermittelt worden. Mit Schreiben vom 14. Oktober 2024 teilte das Finanzamt J. der Beklagten mit, dass sich die Zahlungsrückstände zwischenzeitlich auf einen Betrag in Höhe von 8.808,35 Euro Euro erhöht hätten. Damit belaufen sich die Steuerrückstände des Klägers im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen Untersagungsverfügung auf einen Betrag in Höhe von 8.808,35 Euro und sind sowohl ihrer absoluten Höhe nach als auch im Verhältnis zur Gesamtbelastung des Klägers schon erheblich.
29Aus den Rückstandsaufstellungen des Finanzamtes J. vom 19. Juni 2024 und 14. Oktober 2024 ist im Übrigen zu ersehen, dass die im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der behördlichen Entscheidung bestehenden Steuerschulden des Klägers beginnend mit dem Veranlagungszeitraum 2021 kontinuierlich aufgebaut wurden. Gemessen an diesen bereits über Jahre hinweg bestehenden Steuerrückständen, die maßgeblich u.a. auf eine jahrelange Verletzung steuerlicher Erklärungspflichten zurückzuführen sind, und der wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit des Klägers, sind verlässliche Anhaltspunkte für eine zukünftige Verbesserung seiner wirtschaftlichen Lage nicht ersichtlich. Die wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit des Klägers wird nicht zuletzt durch den von ihm gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und seine diesbezüglichen Angaben zu seiner wirtschaftlichen Situation, wonach er nach wie vor „unter dem Existenzminimum“ lebe, dokumentiert.
30Angesichts der bisher durchgeführten fruchtlosen Vollstreckungsversuche des Finanzamtes J. kann des Weiteren nicht von einer Zahlungswilligkeit des Klägers ausgegangen werden. Zudem ist weder ersichtlich noch ansatzweise dargetan, dass der Kläger nach einem sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzept arbeitet. Denn es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger mit dem Finanzamt J. einen verbindlichen Tilgungsplan mit konkreten Ratenzahlungen und insbesondere das Ende der Rückführung der gesamten Rückstände in Bezug auf die bestehenden Steuerschulden vereinbart hat.
31Da die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit lediglich an objektive Tatsachen anknüpft, kommt es auf den Grund der Entstehung von Schulden und für die Unfähigkeit zur Erfüllung der Zahlungspflicht grundsätzlich nicht an. Angesichts dessen ist der Vortrag des Klägers, er sei wegen diverser technischer bzw. organisatorischer Probleme in Bezug auf seinen Online-Banking-Zugang an der Zahlung der bestehenden Steuerschulden gehindert gewesen, rechtlich ohne Belang,
32Ist – wie hier der Kläger – ein Gewerbetreibender unzuverlässig im Sinne von § 35 GewO, so ist die nicht im Ermessen der Behörde stehende Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich und verhältnismäßig. Dem Schutzweck der Vorschrift ist dann Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an der Erhaltung seiner Existenzgrundlage zu geben,
33vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. März 2024 – 4 A 14/23 –, juris Rn. 16; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. Februar 2022 – 4 B 1955/21 –, juris Rn. 25.
342. Die Voraussetzungen der erweiterten Gewerbeuntersagung gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO sind ebenfalls erfüllt.
35Der Kläger ist als gewerbeübergreifend unzuverlässig anzusehen, denn mit der Verletzung steuer- und abgabenrechtlicher Verpflichtungen hat er Pflichten verletzt, die für jeden Gewerbetreibenden gelten und nicht nur Bezug zu einer bestimmten gewerblichen Tätigkeit haben,
36vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Januar 1994 – 1 B 5.94 –, juris Rn. 9; BVerwG, Urteil vom 2. Februar 1982 – 1 CB 2.81 –, juris Rn. 33; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 3. November 2010 – 6 A 10676/10 –, juris Rn. 26; VG Mainz, Urteil vom 22. November 2018 – 1 K 1375/17.MZ –, juris Rn. 42.
37Die erweiterte Gewerbeuntersagung war ebenfalls zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich. Hierzu bedarf es keiner konkreten Anhaltspunkte dafür, der Kläger werde zukünftig in anderer Weise eine anders geartete gewerbliche Tätigkeit ausüben. Vielmehr ist die erweiterte Gewerbeuntersagung bereits dann erforderlich, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, die ein Ausweichen auf solche Tätigkeiten ausschließen,
38vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Februar 1982 – 1 CB 2.81 –, juris Rn. 35; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 3. April 2009 – 4 A 830/07 –, juris Rn. 26; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 3. November 2010 – 6 A 10676/10 –, juris Rn. 27.
39Derartige Umstände sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Der Kläger hat vielmehr trotz erheblicher Steuerschulden über mehrere Jahre an seiner gewerblichen Tätigkeit festgehalten, so dass die Wahrscheinlichkeit einer anderweitigen Gewerbeausübung zu bejahen ist.
40Die Beklagte hat auch das ihr gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO zustehende Ermessen erkannt und ordnungsgemäß ausgeübt. Hierfür reicht es aus, wenn der Verwaltungsentscheidung zumindest konkludent die maßgebliche Erwägung entnommen werden kann, die anderweitige Gewerbeausübung sei so wahrscheinlich, dass sich die Untersagung auch darauf erstrecken soll,
41vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Februar 1982 – 1 CB 2.81 –, juris Rn. 37; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 3. November 2010 – 6 A 10676/10 –, juris Rn. 28.
42Eine derartige Ermessenserwägung lässt sich der Untersagungsverfügung entnehmen. Die Beklagte hat hinreichend deutlich gemacht, dass sie sich angesichts der Fortführung der bislang ausgeübten gewerblichen Tätigkeit trotz erheblicher Steuerschulden sowie der Möglichkeit des Ausweichens auf eine andersartige gewerbliche Tätigkeit zum Schutz der Allgemeinheit zu der erweiterten Gewerbeuntersagung veranlasst gesehen hat.
43Die erweiterte Gewerbeuntersagung gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO ist schließlich nicht unverhältnismäßig. Abgesehen davon, dass dem Kläger auch angesichts einer erweiterten Gewerbeuntersagung eine erhebliche Bandbreite an Tätigkeiten in abhängiger Beschäftigung verbleibt, steht der Ausschluss des Gewerbetreibenden aus dem Wirtschaftsverkehr nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auch mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in der Ausprägung durch Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Einklang, wenn er – wie hier der Kläger – gewerbeübergreifend unzuverlässig und die Untersagung erforderlich ist. Dies gilt insbesondere auch für den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in engerem Sinne. Es verstößt nicht gegen das Übermaßverbot, die gewerbliche Betätigung eines unzuverlässigen Gewerbetreibenden zu verhindern,
44vgl. BVerwG, Urteil vom 16. März 1982 – 1 C 124.80 –, juris Rn. 24; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. März 2024 – 4 A 14/23 –, juris Rn. 18.
45IV. Die für den Fall der Nichtbefolgung der Gewerbeuntersagung im angefochtenen Bescheid enthaltene und auf §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60 und 63 Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW) gestützte Zwangsgeldandrohung in Höhe von 1.500,00 Euro begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken.
46V. Sofern es dem Kläger zukünftig wieder gelingen sollte, die Gründe, die die Unzuverlässigkeit begründen – namentlich die bestehenden erheblichen Steuerschulden – wegfallen zu lassen, kommt eine Wiedergestattung unter Berücksichtigung der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit nach § 35 Abs. 6 Satz 1 GewO auf entsprechenden Antrag des Klägers bei der Beklagten in einem gesonderten Wiederaufnahmeverfahren in Betracht, wobei eine Wiederaufnahme gemäß § 35 Abs. 6 Satz 2 GewO regelmäßig nicht vor Ablauf eines Jahres nach Durchführung der Untersagungsverfügung gestattet werden kann,
47vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. Februar 2022 – 4 B 1955/21 –, juris Rn. 27.
48Rechtsmittelbelehrung
49Gegen die Ablehnung der Prozesskostenhilfe kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls das Verwaltungsgericht ihr nicht abhilft. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist eingeht bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster.