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Liegt kein Asylgesuch im Sinne des § 13 AsylG vor, ist das Schutzbegehren nicht durch das Bundesamt nach asylrechtlichen Vorschriften zu prüfen und zu bescheiden. Die sinngemäße Berufung auf Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG obliegt vielmehr der Prüfung durch die Ausländerbehörde.
1. Die aufschiebende Wirkung der Klage 29 K 1083/25.A gegen die Abschiebungsanordnung in Ziffer 3. des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 23. Januar 2025 wird angeordnet.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Gründe
2Die Einzelrichterin ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes für die Entscheidung zuständig, § 76 Abs. 4 Satz 1 Asylgesetz (AsylG).
3Der am 4. Februar 2025 gestellte Antrag,
4die aufschiebende Wirkung der Klage 29 K 1083/25.A gegen die Abschiebungsanordnung in Ziffer 3. des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 23. Januar 2025 anzuordnen,
5hat Erfolg. Er ist zulässig und begründet.
6Der Antrag ist als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 (VwGO) zulässig. Die Klage des Antragstellers gegen die Abschiebungsanordnung in Ziffer 3 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 23. Januar 2025 hat kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung (vgl. § 75 Abs. 1 Satz 1 AsylG). Der Antragsteller hat die Antragsfrist von einer Woche nach Bekanntgabe gemäß § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG gewahrt; der Bescheid ist am 30. Januar 2025 in der Unterbringungseinrichtung eingegangen.
7Der Antrag ist auch begründet.
8Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag im Rahmen einer eigenen Ermessenentscheidung die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen, wenn das Interesse des Antragstellers an der beantragten Aussetzung der Vollziehung das durch § 75 AsylG gesetzlich angeordnete öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzbarkeit des Verwaltungsakts überwiegt. Die dabei vorzunehmende Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Vollzugsinteresse und dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers hat sich maßgeblich – wenn auch nicht ausschließlich – an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu orientieren, wie diese sich bei der im Eilverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung im vorliegenden Verfahren abschätzen lassen.
9Nach diesen Maßstäben fällt die Interessenabwägung zu Gunsten des Antragstellers aus. Die Abschiebungsanordnung in Ziffer 3. des angegriffenen Bescheids vom 23. Januar 2025 begegnet in dem nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
10Gestützt wird die Abschiebungsanordnung auf § 34a Abs. 1 Satz 1 Var. 2 AsylG. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat in den in Buchstaben a) und b) genannten Fällen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
11Die Voraussetzungen für die Anordnung der Abschiebung des Antragstellers nach Bulgarien sind nicht gegeben. Es fehlt bereits an einem Asylantrag des Antragstellers.
12Nach der gesetzlichen Definition in § 13 Abs. 1 AsylG liegt ein Asylantrag vor, wenn sich dem schriftlich, mündlich oder auf andere Weise geäußerten Willen des Ausländers entnehmen lässt, dass er im Bundesgebiet Schutz vor politischer Verfolgung sucht oder dass er Schutz vor Abschiebung oder einer sonstigen Rückführung in einen Staat begehrt, in dem ihm eine Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 droht.
13Sinn und Zweck des § 13 AsylG ist es, bei einer inhaltlichen Berufung auf Asylgründe die umfassende Zuständigkeit des Bundesamtes zu begründen.
14Vgl. Houben, in: BeckOK Ausländerrecht, Kluth/Heusch, 43. Edition, Stand: 01.10.2024, § 13 Rn. 12 m.w.N.
15Eine inhaltliche Berufung des Antragstellers auf Asylgründe in diesem Sinne ist nicht erkennbar.
16Bei seiner Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags durch das Bundesamt am 16. Januar 2025 hat der Antragsteller angegeben, sein Ziel sei von Anfang an Deutschland gewesen. Er sei wegen seines Gesundheitszustandes nach Deutschland gekommen und wolle hier medizinisch behandelt werden.
17Bei seiner am selben Tag erfolgten Anhörung nach § 25 AsylG erklärte der Antragsteller, der Grund für seine Ausreise aus Armenien sei sein Gesundheitszustand. Er wolle wegen seiner schwerwiegenden Erkrankung hier in Deutschland medizinisch behandelt werden. Auf die ausdrückliche Frage der Entscheiderin „Habe ich Sie richtig verstanden, Sie haben Armenien ausschließlich aufgrund ihres Gesundheitszustandes verlassen und sind nach Deutschland gekommen, um hier eine adäquate, medizinische Behandlung zu erhalten?“ erklärte der Antragsteller: „Das ist richtig.“ Bei einer Rückkehr nach Armenien befürchte er, dass er mit seinen 34 Jahren in Armenien komplett behindert werde und nicht mehr dazu in der Lage sei, seine Kinder und sich zu versorgen, denn sein Gesundheitszustand verschlechtere sich Tag für Tag.
18Nach dem objektiven Inhalt seines Vorbringens begehrt der Antragsteller danach Schutz aus verfolgungsunabhängigen, rein humanitären Gründen. Es geht ihm ausschließlich um eine medizinische Behandlung in Deutschland.
19Liegt damit kein Asylgesuch im Sinne des § 13 AsylG vor, ist das Schutzbegehren des Antragstellers nicht durch das Bundesamt nach asylrechtlichen Vorschriften zu prüfen und zu bescheiden. Vielmehr obliegt die sinngemäße Berufung auf Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG der inhaltlichen Prüfung durch die Ausländerbehörde.
20Vgl. Houben, in: BeckOK Ausländerrecht, Kluth/Heusch, 43. Edition, Stand: 01.10.2024, § 13 Rn. 12a.
21Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
22Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.
23Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).