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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
2Der am 00. Januar 0000 geborene Kläger zu 1. und die am 00. Januar 0000 geborene Klägerin zu 2. sind syrische Staatsangehörige, kurdischer Volkszugehörigkeit und islamischer Religionszugehörigkeit. Sie reisten eigenen Angaben zufolge erstmals am 24. Mai 2021 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 9. Juni 2021 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) Asylanträge (Az.: N01). Diese lehnte das Bundesamt unter Hinweis darauf, den Klägern sei am 24. März 2021 in Bulgarien subsidiärer Schutz zuerkannt worden, mit rechtskräftigem Bescheid vom 11. August 2021 ab.
3Am 29. Januar 2024 stellten die Kläger Anträge auf Durchführung weiterer Asylverfahren. Zur Begründung trugen sie gegenüber dem Bundesamt vor, der ursprünglich in Bulgarien bestehende Schutzstatus existiere nicht mehr, so dass Bulgarien nicht mehr als Zielstaat einer Abschiebungsandrohung in Betracht komme. Infolgedessen dürfe die Beklagte auf die Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes hinsichtlich Syriens nicht verzichten. Als Beleg für den Wegfall des Schutzstatus in Bulgarien legten die Kläger Beschlüsse der Staatlichen Agentur für Flüchtlinge beim Ministerrat der Republik Bulgarien vom 13. September 2023 vor, in denen bestätigt wird, dass der humanitäre Status in Bulgarien auf Wunsch der Kläger beendet worden sei.
4Mit Bescheid vom 27. März 2024 lehnte das Bundesamt die Asylanträge der Kläger als unzulässig ab (Ziffer 1). Ebenso lehnte es die Anträge auf Abänderung des Bescheides vom 11. August 2021 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) ab (Ziffer 2). Zur Begründung führte es aus, die Kläger hätten keine neuen Elemente oder Erkenntnisse vorgetragen, die mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zu einer für sie günstigeren Entscheidung führen könnten. Insbesondere sei der Verlust des Schutzstatus in Bulgarien infolge der freiwilligen Ausreise bzw. des freiwilligen Verzichts rechtlich nicht relevant.
5Die Kläger haben am 10. April 2024 Klage erhoben, zu deren Begründung sie vortragen: Aus dem Schreiben der bulgarischen Grenzschutzbehörde vom 7. August 2024 gehe hervor, dass Bulgarien sie aufgrund des Widerrufs des humanitären Schutzstatus nicht mehr aufnehmen werde. Daher sei das bisher festgestellte Abschiebungsverbot hinsichtlich Bulgariens nicht mehr aktuell. Aus der „Fachärztlichen Stellungnahme zur Vorlage bei der zuständigen Behörde“ des Facharztes für Psychiatrie, Suchtmedizin und Verkehrsmedizin Dr. Z. vom 29. Mai 2024 ergebe sich zudem, dass die Klägerin zu 2. unter Angst und depressiver Störung leide.
6Die Kläger beantragen,
7den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27. März 2024 aufzuheben,
8hilfsweise,
9die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27. März 2024 zu verpflichten festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 bzw. 7 AufenthG hinsichtlich Bulgarien bzw. Syrien vorliegt.
10Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
11die Klage abzuweisen.
12Zur Begründung trägt sie unter Bezugnahme auf die Gründe des angefochtenen Bescheides vor: Es sei davon auszugehen, dass infolge der freiwilligen Ausreise der Kläger sowie des erklärten Verzichts auf den gewährten Schutz nur ihr Aufenthaltstitel, nicht aber ihr Schutzstatus erloschen sei. Im Falle einer Rückkehr bestehe somit die Möglichkeit zu beantragen, dass der Aufenthaltstitel nicht als erloschen betrachtet werde. Soweit der Klägerin zu 2. Angst und depressive Störung attestiert worden seien, sei nicht erkennbar, warum die diagnostizierten Erkrankungen nicht auch in Bulgarien behandelt werden könnten.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes Bezug genommen.
14Entscheidungsgründe
15Das Gericht entscheidet durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin, nachdem ihr der Rechtsstreit durch Beschluss der Kammer vom 21. Januar 2025 gemäß § 76 Abs. 1 Asylgesetz (AsylG) zur Entscheidung übertragen worden ist.
16Das Gericht kann trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entscheiden, weil die Beklagte mit der ordnungsgemäßen Ladung zum Termin auf diese Rechtsfolge hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
17Die Klage ist teilweise bereits unzulässig, im Übrigen unbegründet.
18Der Hauptantrag ist zulässig, insbesondere gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft, aber unbegründet.
19Die in Ziffer 1 des Bescheides des Bundesamts vom 27. März 2024 getroffene Unzulässigkeitsentscheidung ist in dem nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG für die tatsächliche und rechtliche Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
20Das Bundesamt hat die Asylanträge der Kläger zu Recht als unzulässig abgelehnt.
21Nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn im Falle eines Folgeantrags nach § 71 AsylG ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.
22Dies ist hier der Fall. Bei den Asylanträgen der Kläger vom 29. Januar 2024 handelt es sich um Folgeanträge im Sinne von § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG. Denn die Kläger hatten bereits am 9. Juni 2021 Asylanträge in der Bundesrepublik Deutschland gestellt, die das Bundesamt mit rechtskräftigem Bescheid vom 11. August 2021 abgelehnt hatte. Zwar erfolgte die Ablehnung als unzulässig gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Anders als bei einer Ablehnung als unzulässig gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG wurde hierdurch jedoch nicht (nur) eine Entscheidung über die Zuständigkeit zur Durchführung des Asylverfahrens getroffen, ohne dass eine sachliche Prüfung des Schutzbegehrens erfolgt ist, sondern wurde das nationale Asylverfahren mit einer für die Kläger negativen Sachentscheidung endgültig abgeschlossen und kann nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 71 AsylG wiederaufgenommen werden.
23Vgl. VG Augsburg, Urteil vom 4. April 2024 – Au 9 K 23.31180 –, juris Rn. 33 m. w. N.; VG Göttingen, Urteil vom 6. Februar 2023 – 3 A 81/22 –, juris Rn. 25 m. w. N.
24Das Bundesamt hat zu Recht angenommen, dass die Voraussetzungen für die Durchführung weiterer Asylverfahren gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG nicht vorliegen.
25Nach dieser Vorschrift ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn neue Elemente oder Erkenntnisse zutage getreten oder vom Ausländer vorgebracht worden sind, die mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zu einer für den Ausländer günstigeren Entscheidung beitragen, oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung (ZPO) gegeben sind und der Ausländer ohne eigenes Verschulden außerstande war, die Gründe für den Folgeantrag im früheren Asylverfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.
26Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
27Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO sind nicht gegeben.
28Auch stellt der zur Begründung der Asylfolgeanträge geltend gemachte Verzicht der Kläger auf den ihnen in Bulgarien zuerkannten subsidiären Schutz kein neues Element im Sinne von § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG dar. Zum Zeitpunkt der Verzichtserklärung gegenüber den bulgarischen Behörden war ihr Asylerstverfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen. Denn dieses wurde (erst) am 27. Dezember 2023 durch Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, mit dem der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 3. Februar 2023 (Az.: 13 K 5760/21.A) abgelehnt wurde (Az.: 11 A 477/23.A), beendet. Ausweislich der von den Klägern vorgelegten Beschlüsse der Staatlichen Agentur für Flüchtlinge beim Ministerrat der Republik Bulgarien endete der ihnen in Bulgarien gewährte subsidiäre Schutz jedoch bereits am 13. September 2023, nachdem die Kläger unter dem 16. August 2023 einen entsprechenden Antrag gestellt hatten. Es ist weder vorgetragen noch erkennbar, dass die Kläger diese Umstände nicht bereits in ihrem ersten Asylverfahren hätten geltend machen können.
29Unabhängig davon und selbständig tragend führt der erklärte Verzicht auf ihren Schutzstatus in Bulgarien nicht mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zu einer für die Kläger günstigeren Entscheidung. Der freiwillige Verzicht auf den gewährten Schutzstatus steht der Anwendbarkeit des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG und damit der vom Bundesamt angenommenen Unzulässigkeit ihrer Asylanträge nicht entgegen.
30Gemäß Art. 33 Abs. 2 lit. a) der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Verfahrensrichtlinie) können die Mitgliedstaaten einen Antrag auf internationalen Schutz dann als unzulässig betrachten, wenn ein anderer Mitgliedstaat internationalen Schutz gewährt hat. Dem entspricht die Vorschrift des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Nach Maßgabe der Erwägungsgründe Nr. 13 und Nr. 43 ff. der Verfahrensrichtlinie setzt die Bestimmung des Art. 33 Abs. 2 lit. a) Verfahrensrichtlinie das zentrale Anliegen des gemeinsamen Europäischen Asylsystems um, Sekundärmigration nach erfolgter Schutzgewährung zu vermeiden. Denn die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz erfolgt nur durch einen einzigen Mitgliedstaat (Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III VO). Eben dieser Gesetzeszweck liegt auch der Regelung in § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG zu Grunde.
31Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. November 2017 – 1 C 39.16 –, juris Rn. 39; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. März 2025 – A 4 S 256/24 –, juris; BayVGH, Beschluss vom 20. April 2023 – 24 ZB 23.30078 –, juris Rn. 16 m.w.N.
32Unter Berücksichtigung des Wortlauts der genannten Vorschriften, nach dem es genügt, dass der andere Mitgliedstaat Schutz in der Vergangenheit „gewährt hat“, sind Art. 33 Abs. 2 lit. a) Verfahrensrichtlinie und § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unter Berücksichtigung ihres Sinns und Zwecks dahin auszulegen, dass der freiwillige Verzicht des Betroffenen auf den durch den anderen Mitgliedstaat gewährten Schutz so zu behandeln ist wie der Fortbestand des Schutzes.
33Vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. März 2025 – A 4 S 256/24 –, juris; BayVGH, Beschluss vom 21. Mai 2019 – 21 ZB 16.50029 –, juris Rn. 12; VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Oktober 2021 – 15 K 2472/19.A –, n.v.; VG Bremen, Urteil vom 7. Mai 2021 – 2 K 879/18 –, juris Rn. 27.
34Denn der Gesetzeszweck würde verfehlt, wenn ein Asylbewerber durch freiwilligen Verzicht auf seinen ihm von einem anderen Mitgliedstaat zuerkannten Schutzstatus herbeiführen könnte, dass er in der Bundesrepublik Deutschland erneut einen Anspruch auf internationalen Schutz geltend machen kann, möglicherweise allein mit dem Ziel, seine wirtschaftliche und persönliche Situation zu verbessern.
35Vgl. BayVGH, Beschluss vom 21. Mai 2019 – 21 ZB 16.50029 –, juris Rn. 12; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 1986 – 9 C 105.85 –, juris Rn. 12; VG Regensburg, Urteil vom 24. Oktober 2023 – RN 15 K 23.30798 –, juris Rn. 48 ff.
36So liegt der Fall hier. Die Kläger haben nach eigenen Angaben gegenüber dem Bundesamt freiwillig auf den ihnen am 24. März 2021 in Bulgarien gewährten subsidiären Schutz verzichtet. Dies haben sie in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage bekräftigt. Der freiwillige Verzicht wird bestätigt durch die Beschlüsse der Staatlichen Agentur für Flüchtlinge beim Ministerrat der Republik Bulgarien vom 13. September 2023, aus denen hervorgeht, dass der humanitäre Status in Bulgarien auf Wunsch der Kläger beendet worden sei. Vor diesem Hintergrund müssen sich die Kläger so behandeln lassen, als bestehe ihr Schutzstatus in Bulgarien fort.
37Andere Gründe, aus denen die Unzulässigkeitsentscheidung rechtswidrig sein könnte, sind weder substantiiert dargelegt noch ersichtlich. Die vorgetragenen schlechten Lebensbedingungen führen ungeachtet der – zu verneinenden – Frage, ob es sich um neue Elemente oder Erkenntnisse im Sinne von § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG handelt, nicht zu einer anderen Einschätzung bezüglich der im Erstbescheid angenommenen Unzulässigkeit der Asylanträge. Nicht besonders schutzbedürftigen Antragstellern droht bei Zuerkennung internationalen Schutzes in Bulgarien aufgrund der dort herrschenden Lebensbedingungen für international Schutzberechtigte nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine gegen Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK verstoßende unmenschliche oder erniedrigende Behandlung.
38Vgl. ausführlich: OVG NRW, Urteil vom 14. Februar 2024 – 11 A 1440/23.A –, juris Rn. 45 ff. (Asylsuchende) und Rn. 68 ff. (Schutzberechtigte), sowie etwa Beschlüsse vom 24. August 2023 – 11 A 892/21.A –, juris Rn. 54 ff. (Schutzberechtigte), und vom 25. Mai 2023 – 11 A 1257/22.A –, juris Rn. 53 ff. (Asylsuchende).
39Auch der hilfsweise gestellte Antrag, die Beklagte zur Feststellung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Bulgariens bzw. Syriens zu verpflichten, hat keinen Erfolg.
40Er ist bereits unzulässig, soweit die Kläger die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung von Abschiebungsverboten hinsichtlich Syriens begehren. Insoweit fehlt es schon am Rechtsschutzbedürfnis, weil keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Kläger ernsthaft mit einer Abschiebung nach Syrien rechnen müssen.
41Die gerichtliche Überprüfung einer Feststellung des Bundesamtes über das Nichtvorliegen von Abschiebungsverboten ist nur in Bezug auf denjenigen Zielstaat eröffnet, für den das Bundesamt diese Feststellung getroffen und den es in seiner Abschiebungsandrohung als Abschiebezielstaat bezeichnet hat. Für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG bezüglich eines bisher noch nicht geprüften Staates fehlt das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, wenn weder das Bundesamt in seinem Ablehnungsbescheid insoweit irgendwelche Entscheidungen zu Lasten der Kläger getroffen hat noch sonst Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie eine Abschiebung in einen anderen Staat als den benannten ernsthaft zu befürchten haben.
42BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 – 10 B 39.12 –, juris Rn. 4, und Urteil vom 4. Dezember 2001 – 1 C 11.01 –, juris Rn. 11; OVG NRW, Beschluss vom 25. Mai 2016 – 19 A 1191/15.A –, juris Rn. 5 f.
43Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
44Zwar enthält die Abschiebungsandrohung in dem Bescheid des Bundesamtes vom 11. August 2021 den Zusatz, dass die Kläger auch in einen anderen Staat abgeschoben werden können, in den sie einreisen dürfen oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet ist. Dabei handelt es sich jedoch lediglich um den nach § 59 Abs. 2 Satz 1 2. Halbs. AufenthG vorgesehenen unverbindlichen Hinweis darauf, dass auf der Basis der erlassenen Abschiebungsandrohung auch in einen anderen als den in der Zielstaatsbestimmung benannten Staat abgeschoben werden kann.
45BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2000 – 9 C 42.99 –, juris, und Urteil vom 4. Dezember 2001 – 1 C 11.01 –, juris Rn. 11; OVG NRW, Beschluss vom 13. Januar 2020 – 19 A 2730/19.A –, juris Rn. 3 m.w.N.
46Vor einer solchen Abschiebung in einen anderen Staat muss damit eine entsprechende, mit Rechtsmitteln angreifbare verbindliche Zielstaatsbestimmung nach § 59 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 AufenthG ergehen.
47BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2000 – 9 C 42.99 –, juris; OVG NRW, Beschluss vom 13. Januar 2020 – 19 A 2730/19.A –, juris Rn. 5 m.w.N.
48Eine Regelung dahingehend, dass auf der Basis der Abschiebungsandrohung vom 11. August 2021 neben Bulgarien auch Syrien Zielstaat einer Abschiebung der Kläger sein kann, hat das Bundesamt bislang nicht getroffen. Auch fehlt es an sonstigen Anhaltspunkten, dass eine Abschiebung nach Syrien beabsichtigt sein könnte. Vielmehr enthält die Abschiebungsandrohung sogar den einschränkenden Zusatz, dass die Kläger nicht nach Syrien abgeschoben werden dürfen (sog. negative Staatenbezeichnung, §§ 59 Abs. 3 Satz 2, 60 Abs. 10 Satz 2 AufenthG).
49Vgl. zur Rechtsnatur dieses Zusatzes BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2023 – 1 C 34.22 –, juris Rn. 22 ff.
50Soweit die Kläger eine Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung von Abschiebungsverboten hinsichtlich Bulgariens begehren, ist der Hilfsantrag zulässig, aber unbegründet. Es bestehen keine durchgreifenden Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit von Ziffer 2. des streitgegenständlichen Bescheides, mit dem das Bundesamt den Antrag auf Abänderung des Bescheides vom 11. August 2021 bezüglich der Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Bulgariens abgelehnt hat. Den Klägern steht (schon) kein Anspruch auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens hinsichtlich der erneuten Prüfung von Abschiebungsverboten zu.
51Grundsätzlich hat das Bundesamt nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG bei einer Entscheidung über einen unzulässigen Asylantrag festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen. Gemäß § 31 Abs. 3 Satz 3 AsylG, kann das Bundesamt bei Entscheidungen über unzulässige Asylanträge von der nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG grundsätzlich erforderlichen Feststellung, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG vorliegen, absehen, wenn es – wie hier – in einem früheren Verfahren über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG entschieden hat und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) nicht vorliegen.
52Vgl. auch VG Cottbus, Urteil vom 25. April 2023 – 5 K 320/21.A –, juris Rn. 19 ff.; VG Leipzig, Urteil vom 26. September 2023 – 6 K 1159/21.A –, juris Rn. 17; Heusch, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, Stand: 1. Januar 2024, § 31 AsylG Rn. 21.
53Dies ist hier der Fall. Entgegen der Auffassung der Kläger liegen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG im Hinblick auf das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Bulgariens nicht vor. Nach den entsprechend geltenden vorangegangenen Ausführungen stellt der gegenüber den bulgarischen Behörden erklärte Verzicht auf den dortigen Schutzstatus keinen Wiederaufgreifensgrund im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG dar. Anders als die Kläger meinen, kommt Bulgarien aus den oben genannten Gründen nach wie vor als Zielstaat einer Abschiebung in Betracht, so dass sich die dem Bescheid vom 11. August 2021 zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nicht nachträglich zugunsten der Kläger geändert hat.
54Dies würde auch dann gelten, wenn man – wie die Kläger unter Vorlage des Schreibens der bulgarischen Grenzschutzbehörde vom 7. August 2024 behaupten – davon ausginge, dass die bulgarischen Behörden eine Wiedereinreise der Kläger unter Hinweis auf den Verlust des ihnen gewährten humanitären Status verweigern. Zum einen ist aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse davon auszugehen, dass den Klägern lediglich der bulgarische Aufenthaltstitel, nicht aber der in Bulgarien gewährte Schutzstatus entzogen wurde, da letzterer in der Regel unbefristet gewährt wird.
55Vgl. VG Regensburg, Urteil vom 24. Oktober 2023 – RN 15 K 23.30798 –, juris Rn. 28 m.w.N.
56Dementsprechend stünde den Klägern im Falle einer Rückkehr nach Bulgarien die Möglichkeit offen, die Ausstellung eines neuen Aufenthaltstitels zu beantragen.
57Zum anderen könnten die Kläger auch dann, wenn ihnen die Wiedereinreise nach Bulgarien tatsächlich verweigert würde, daraus kein Abschiebungsverbot herleiten. Mit dem Verzicht auf den in Bulgarien gewährten Schutzstatus haben sie zu erkennen gegeben, dass sie keinen humanitären Schutz brauchen und wollen. Für das selektive Verständnis der Kläger, nur in Deutschland schutzbedürftig zu sein, aber nicht in einem anderen Staat der Europäischen Union, das den Klägern bereits einen Schutzstatus zuerkannt hat, besteht kein Rechtsschutzbedürfnis. Eine derartige Vorgehensweise der Kläger, auf den Schutz eines europäischen Landes zu verzichten, mit dem Ziel, in der Bundesrepublik Deutschland berechtigterweise ein erneutes Asylerstverfahren durchzuführen, ist vielmehr rechtsmissbräuchlich.
58Vgl. VG Regensburg, Urteil vom 24. Oktober 2023 – RN 15 K 23.30798 –, juris Rn. 23.
59Sollten die bulgarischen Behörden die erneute Einreise der Kläger tatsächlich verweigern, stünde es ihnen offen, freiwillig in ihr Heimatland zurückzukehren.
60Anderweitige Gründe im Sinne von § 51 Abs. 1 VwVfG, die zu der Feststellung eines Abschiebungsverbotes im Sinne von § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG führen könnten, liegen nicht vor. Insoweit wird auf die tragenden Feststellungen und die im Wesentlichen zutreffende Begründung des angegriffenen Bescheides des Bundesamtes verwiesen, denen das Gericht folgt und deshalb von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absieht (§ 77 Abs. 3 AsylG). Auch aus der von den Klägern im Gerichtsverfahren vorgelegten „Fachärztliche Stellungnahme zur Vorlage bei der zuständigen Behörde“ des Facharztes für Psychiatrie, Suchtmedizin und Verkehrsmedizin Dr. Z. vom 29. Mai 2024 lässt sich kein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Bulgariens herleiten. Die danach erforderliche erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit der Klägerin zu 2. liegt nicht vor. Eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG) ist auch durch die nunmehr vorgelegte ärztliche Stellungnahme nicht belegt. Nach § 60a Abs. 2c Satz 2 und 3 AufenthG muss der Ausländer eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Dem wird die vorgelegte ärztliche Stellungnahme nicht gerecht. Ungeachtet dessen, dass die genannte Bescheinigung zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung fast ein Jahr alt und damit nicht geeignet ist, eine belastbare Aussage über den aktuellen Gesundheitszustand der Klägerin zu 2. zu treffen, genügt sie auch inhaltlich nicht den oben genannten Anforderungen an die Substantiierung der geltend gemachten psychischen Erkrankungen. Der ausstellende Arzt beschränkt sich in seinen – im Übrigen äußerst knapp und oberflächlich gehaltenen – Ausführungen im Wesentlichen auf eine Aufzählung von Diagnosen (Angst und depressive Störung), ohne zu begründen, auf welcher Grundlage er zu seiner Einschätzung gelangt ist und ob die angegebenen Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Auch enthält das Schreiben keine konkreten Angaben dazu, seit wann und wie häufig sich die Klägerin zu 2. bei dem genannten Arzt in Behandlung befunden hat. Letzteres konnte die Klägerin zu 2. auch in der mündlichen Verhandlung nicht darlegen. Auf Nachfrage, ob sie sich noch in Behandlung bei Herrn Z. befinde, gab sie an, sie sei dort gewesen, dann aber zu einem anderen Arzt gegangen wegen ihres unerfüllten Kinderwunsches. Andere, insbesondere aktuellere ärztliche Atteste konnte sie trotz entsprechender Nachfrage nicht vorlegen.
61Unabhängig davon und selbständig tragend ist nicht erkennbar, dass die behaupteten Erkrankungen nicht auch in Bulgarien behandelbar wären. Anerkannt Schutzberechtigte sind hinsichtlich des Zugangs zur Gesundheitsversorgung bulgarischen Staatsangehörigen gleichgestellt. Ab dem Zeitpunkt der Anerkennung ihrer Schutzberechtigung müssen sie deshalb die Beiträge zur Krankenversicherung selbst bezahlen, das heißt mindestens die 31,20 Lewa (ca. 15,95 Euro) monatlich für arbeitslos gemeldete Personen. Ungeachtet des Bestehens einer (für international Schutzberechtigte ebenso wie für bulgarische Staatsangehörige kostenpflichtigen) Krankenversicherung haben anerkannte Schutzberechtigte in jedem Fall aber kostenfreien Zugang zu Notfallbehandlungen.
62Vgl. aida, Country Report Bulgaria, 2023 Update (Stand 31. Dezember 2023), S. 120; Österr. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Bulgarien – Situation von subsidiär Schutzberechtigten, 19. Juli 2021, S. 11 ff.; Auswärtiges Amt, Amtshilfeersuchen in Asyl- und Rückführungsangelegenheiten, Auskunft vom 7. April 2021, S. 2.
63Diesen Erkenntnissen sind die Kläger nicht substantiiert entgegengetreten.
64Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
65Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.
66Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.
67Rechtsmittelbelehrung
68Binnen eines Monats nach Zustellung dieses Urteils kann bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf schriftlich beantragt werden, dass das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster die Berufung zulässt. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen und die Zulassungsgründe im Sinne des § 78 Abs. 3 Asylgesetz darlegen.
69Der Antrag ist durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, oder eine diesen gleichgestellte Person als Bevollmächtigten zu stellen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Auf die besonderen Regelungen in § 67 Abs. 4 Sätze 7 und 8 VwGO wird hingewiesen.