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1. Voraussetzung für den Eintritt der Fiktion des § 10 Abs. 4 Satz 4 Halbsatz 2 AsylG ist, dass zwischen Eingang der Mitteilung (hier des streitgegenständlichen Bescheides) und dem Ablauf der Frist auch tatsächlich ein Aushändigungsversuch stattgefunden hat.
2. Nicht von Belang i.S.d. § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG ist das Vorbringen insbesondere dann, wenn es für die Prüfung des Asylantrages aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht erheblich oder unbeachtlich ist,
3. Eine asylrechtliche Relevanz ergibt sich dabei auch nicht, wenn offenkundig Möglichkeiten landesinternen (staatlichen) Schutzes oder einer inländische Fluchtalternative (§§ 3d und 3e AsylG) bestehen und der Antragsteller sich darauf verweisen lassen muss.
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Gründe
2Der am 31. Dezember 2024 – sinngemäß – gestellte Antrag der Antragstellerin,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 24 K 11303/24 gegen die Abschiebungsandrohung in Ziffer 5 des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 12. Dezember 2024 anzuordnen,
4über den gemäß § 76 Abs. 4 Satz 1 Asylgesetz (AsylG) der Einzelrichter entscheidet, hat keinen Erfolg.
5Der Antrag ist zwar zulässig (I.), aber unbegründet (II.).
6I. Der Antrag ist statthaft. Der erhobenen Klage gegen die in Ziffer 5 des angegriffenen Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) enthaltene Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung kommt gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylG kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung zu. Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG entfalten Klagen gegen Entscheidungen nach dem Asylgesetz nur in den Fällen des § 38 Abs. 1 sowie des § 73b Abs. 7 Satz 1 AsylG aufschiebende Wirkung. Deshalb sind Entscheidungen nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG, mit denen der Asylantrag als unzulässig abgelehnt wird, sowie Entscheidungen nach § 30 AsylG, mit denen – wie hier – ein Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt und dem Ausländer gemäß § 36 Abs. 1 AsylG eine Ausreisefrist von einer Woche gesetzt wird, sofort vollziehbar. In diesen Fällen ist gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 Hs. 1 AsylG ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung nach § 80 Abs. 5 VwGO innerhalb von einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheides zu stellen.
7Der Antrag ist auch fristgerecht bei Gericht eingegangen. Gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG muss der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage innerhalb von einer Woche nach Zustellung der Entscheidung gestellt werden. Diese Frist ist angesichts der Antragstellung und Klageerhebung am 31. Dezember 2024 eingehalten. Der angegriffene Bescheid ist der Antragstellerin ausweislich der Empfangsbestätigung (Bl. 132 der Bundesamtsakte) am 27. Dezember 2024 im Sinne von § 10 Abs. 4 Satz 4 Halbsatz 1 AsylG ausgehändigt worden. Dem steht auch nicht § 10 Abs. 4 Satz 4 Halbsatz 2 AsylG entgegen. Nach dieser Vorschrift in ihrer bis einschließlich Dezember 2024 hier maßgeblichen Fassung gelten in einer Aufnahmeeinrichtung Zustellungen am dritten Tag nach Übergabe an die Aufnahmeeinrichtung als bewirkt. Diese Fiktion kommt hier nicht zum Tragen. Denn nach teleologischer und systematischer Auslegung (insbesondere mit Blick auf § 10 Abs. 4 Satz 3 AsylG) der Vorschrift, ist Voraussetzung für den Eintritt einer entsprechenden Fiktion, dass zwischen Eingang der Mitteilung (hier des streitgegenständlichen Bescheides) und dem Ablauf der Frist auch tatsächlich ein Aushändigungsversuch stattgefunden hat, d.h. dass die Sendung durch die Aufnahmeeinrichtung in dieser Zeit überhaupt zur Postausgabe bzw. Postverteilung vorgesehen war.
8Vgl. VG Würzburg, Urteil vom 19. Juni 2023 – W 4 K 22.30656 –, Rn. 16, juris, m.w.N.
9Hierfür ist nichts vorgetragen oder sonst – insbesondere aus der Bundesamtsakte – ersichtlich. Die Mitteilung der Unterbringungseinrichtung erschöpft sich in der Angabe des dortigen Posteingangs am 20. Dezember 2024.
10Der von der Antragstellerin beantragten Wiedereinsetzung in die Klage und Antragsfrist bedarf es demnach nicht.
11II. Der Antrag ist aber unbegründet.
12Gemäß § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung in Fällen der Ablehnung des Asylantrages als offensichtlich unbegründet nach § 30 Abs. 1 AsylG nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Angegriffener Verwaltungsakt in diesem Sinne und damit alleiniger Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Prüfung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ist die nach § 36 Abs. 1 i.V.m. § 34 AsylG erlassene Abschiebungsandrohung.
13Vgl. Pietzsch, in: Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, 40. Ed. 1.1.2023, AsylG § 36 Rn. 36, m.w.N.
14Diese stützt sich auf die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet und ist deren Folge. Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes daher insbesondere die Einschätzung des Bundesamtes zum Gegenstand seiner Prüfung zu machen, dass der geltend gemachte Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG und auf Gewährung internationalen Schutzes nach §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 3 Abs. 1 und 4 Abs. 1 AsylG offensichtlich nicht besteht.
15Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 11. Dezember 2024 – 28 L 3525/24.A –, Rn. 6, juris.
16Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafürsprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält. Geringe Zweifel reichen nicht aus. Maßgeblich ist das Gewicht der Faktoren, die Anlass zu Zweifeln geben.
17Vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1516/93 –,Rn. 93 ff., juris.
18Nach diesen Maßgaben bestehen hier unter Berücksichtigung der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung mit einwöchiger Ausreisefrist, denn das Bundesamt hat den Asylantrag zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt (1.) und auch die weiteren Voraussetzungen für den Erlass der Abschiebungsandrohung liegen vor (2.).
191. Gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG ist der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn der Ausländer im Asylverfahren nur Umstände vorgebracht hat, die für die Prüfung des Asylantrags nicht von Belang sind.
20Umstände sind nicht von Belang, wenn sie den Asylantrag offensichtlich nicht zu tragen vermögen. Nicht von Belang i.S.d. § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG ist das Vorbringen insbesondere dann, wenn es für die Prüfung des Asylantrages aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht erheblich oder unbeachtlich ist, was jedenfalls dann der Fall ist, wenn aus dem Vorbringen ohne vorherige Prüfung der Glaubhaftigkeit der behaupteten Tatsachen und der Übereinstimmung mit aktuellen Erkenntnismitteln zu Gefahren im Herkunftsland, mithin bei Wahrunterstellung, rechtlich kein Schutzstatus nach Art. 16a GG, §§ 3 oder 4 AsylG folgen kann. Eine asylrechtliche Relevanz ergibt sich dabei auch nicht, wenn offenkundig Möglichkeiten landesinternen (staatlichen) Schutzes oder einer inländische Fluchtalternative (vgl. §§ 3d und 3e – ggf. i.V.m. § 4 Abs. 3 AsylG) bestehen und der Antragsteller sich darauf verweisen lassen muss.
21Vgl. ausführlich: VG Düsseldorf, Beschluss vom 11. Dezember 2024 – 28 L 3525/24.A –, Rn. 9 ff., juris, m.w.N. auch zur Gegenauffassung, der das Gericht nicht folgt.
22Ausgehend hiervon bestehen in Bezug auf die Asylanerkennung, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Gewährung subsidiären Schutzes keine vernünftigen Zweifel an den Feststellungen des Bundesamtes. Die Ablehnung des Asylantrags drängt sich aufgrund des von dem Antragsteller dargelegten Sachverhaltes geradezu auf.
23Die Antragstellerin hat im Asylverfahren keine Umstände vorgebracht, die ihre Zuerkennung als Flüchtling nach § 3 AsylG begründen könnten. Ein Ausländer ist Flüchtling, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung (§ 3b Asyl) außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Diese Voraussetzungen erfüllt die Antragstellerin nicht. Sie hat bei der Anhörung im Asylverfahren angegeben, dass sie in Deutschland den Vater ihres Kindes suche, dieser nun aber auch keinen Kontakt mehr mit ihr wünsche. Ihr – in China weilender – Ehemann hingegen würde ihr nach dem Leben trachten, da sie vor der Ausreise „alles“ verkauft habe. Dieses Vorbringen begründet schon deswegen keine flüchtlingsrelevante Verfolgung, weil die geltend gemachte Bedrohung durch den Ehemann offensichtlich nicht an einen relevanten Verfolgungsgrund im Sinne von § 3b AsylG anknüpft. Auch darüber hinaus sind keine Umstände vorgetragen, die eine Flüchtlingseigenschaft gemäß den genannten Merkmalen begründen könnten.
24Die Antragstellerin hat keine Umstände vorgetragen, die eine Asylanerkennung nach Art. 16a Abs. 1 GG rechtfertigen könnten. Dies steht bereits aufgrund dessen fest, dass der Schutzbereich des § 3 AsylG lediglich weiter ist als der des Art. 16a Abs. 1 GG.
25Die Antragstellerin hat zudem keine Umstände vorgetragen, die eine Zuerkennung von subsidiärem Schutz nach § 4 AsylG begründen könnten. Ein Ausländer erhält nach dieser Vorschrift subsidiären Schutz, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG muss der Ausländer sich auch hier ggf. auf die Inanspruchnahme landesinternen (staatlichen) Schutzes bzw. internen Schutzes (§§ 3d, 3e Asyl) verweisen lassen.
26Nach diesen Maßgaben droht der Antragstellerin kein ernsthafter Schaden. Selbst wenn das im Jahr 2016 in Kraft getretene chinesische „Gesetz zur Bekämpfung und Eindämmung häuslicher Gewalt“ in der Praxis nicht wirksam und effektiv von den staatlichen chinesischen Stellen umgesetzt und angewandt würde,
27vgl. hierzu VG Freiburg (Breisgau), Urteil vom 7. Oktober 2022 – A 9 K 3616/20 –, S. 7, juris,
28so dass eine Möglichkeit landesinternen (staatlichen) Schutzes im Sinne von § 3d AsylG nicht offenkundig wäre, ist der Antragstellerin offensichtlich die Inanspruchnahme internen Schutzes im Sinne von § 3e AsylG zumutbar. Insbesondere steht ihr unsubstantiiertes Vorbringen, wonach die Umstände in China, insbesondere die fehlende Unterstützung, und die potenziellen sozialen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten eine unmittelbare Bedrohung für ihr Wohlergehen darstellten dem offensichtlich nicht entgegen. Sonstige Anhaltspunkte für die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme internen Schutzes sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
292. Auch im Übrigen begegnet die Abschiebungsandrohung keinen ernstlichen Zweifeln. Gemäß §§ 34 Abs. 1, 36 Abs. 1 AsylG erlässt das Bundesamt nach §§ 59 und 60 Abs. 10 AufenthG die Abschiebungsandrohung und setzt eine Ausreisefrist von einer Woche, wenn der Asylantrag eines Ausländers, der – wie hier der Antragstellerin – keinen Aufenthaltstitel besitzt, als offensichtlich unbegründet abgelehnt wird und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 S. 1 des AufenthG ausnahmsweise zulässig ist (§ 34 Abs. 1 Nr. 3 AsylG) und der Abschiebung weder das Kindeswohl noch familiäre Bindungen noch der Gesundheitszustand des Ausländers entgegenstehen (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 AsylG).
30Ausgehend hiervon hat die Antragstellerin keine Umstände vorgetragen, die für das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG sprechen. Insbesondere ist nach den bisherigen Erkenntnissen nicht ersichtlich, dass der Antragstellerin im Sinne von § 60 Abs. 7 AufenthG in ihrem Heimatstaat eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Zwar befürchtet die Antragstellerin, ihr in China befindlicher Ehemann werde sie im Falle einer Rückkehr totschlagen. Zum einen handelt es sich hierbei lediglich um eine Vermutung bzw. pauschale Behauptung der Antragstellerin, deren Plausibilität nicht näher dargelegt ist. Es ist zum anderen – wie bereits ausgeführt – nicht ansatzweise dargetan, dass es für sie nicht möglich und zumutbar wäre, sich von ihrem Mann fern zu halten. Auch für das Vorliegen der Voraussetzungen von § 60 Abs. 5 AufenthG ist – insbesondere, wie ausgeführt, mit Blick auf eine etwaige drohende Verelendung der Antragstellerin in China – nichts substantiiert vorgetragen oder sonst ersichtlich. Auf familiäre Bindungen im Inland oder gesundheitliche Probleme beruft sich die Antragstellerin selbst nicht; solche sind gleichfalls auch sonst nicht ersichtlich.
31Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit des Verfahrens ergibt sich aus § 83b AsylG.
32Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).